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Artikel 13 - Urheberrecht und Unsicherheit

Begonnen von Feuertraum, 18. März 2019, 12:00:41

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Feuertraum

Derzeit bringt eine Entscheidung der Europäischen Union die Massen zum Kochen: Artikel 13 geistert durch das Internet, mündet in (teilweise sehr hitzigen) Diskussionen, sorgt dafür, dass Menschen auf die Straße gehen, um gegen die geplante Richtlinie in seiner jetzigen Form friedlich zu demonstrieren.

Vom Grundgedanken ist Artikel 13 nicht verkehrt: Das Urheberrecht, wie es derzeit existiert, sollte überarbeitet werden, stammt es doch aus einer Zeit, in der es Facebook und Youtube noch nicht gab.

Die geplante Umsetzung jedoch stößt auf Widerwillen bei vielen Internetusern in Europa. Einer der Streitpunkte: Die Uploadfilter.
Wenn es nach dem Willen der EU geht, sollen Plattformen, die kommerziell ausgerichtet sind, Uploadfilter einsetzen, die von vornherein kontrollieren, ob ein Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material hochlädt.
Dadurch befürchten die Nutzer, dass die Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, weil Uploadfilter nicht so intelligent sind wie die EU sich das vorstellt und unter Umständen Inhalte blockt, von denen der Uploadfilter meint, dass es urheberrechtlich geschütztes Material enthält. Zudem kann ein Uploadfilter nicht erkennen, ob es sich bei dem Beitrag eventuell um Zitate oder einen satirischen Beitrag handelt, so dass dieser mit viel Pech auch geblockt werden könnte.
Und ein weiterer Nachteil geht mit diesen Uploadfiltern einher:
Wenn es nach den Richtlinien der EU geht, sollen Webseitenbetreiber gezwungen werden, Uploadfilter einzusetzen, sofern diese

a) Mindestens 10 Millionen € Umsatz im Jahr machen oder (!)
b) Mindestens 5 Millionen Besucher im Monat haben oder (!)
c) älter als 3 Jahre sind.

Und gerade bei c) liegt der Hase im Pfeffer: Das trifft auf die meisten Webseiten zu. Also benötigen sie einen Uploadfilter, der viel Geld kostet, vielleicht sogar so viel, dass diese Firmen ihre Webseiten schließen müssen, weil sie sich diese Software nicht leisten können.
Alternativ können sie natürlich mit jedem Künstler einen Lizenzvertrag abschließen, so die EU. Aber das ist unrealistisch hoch drei.

Auch Foren können betroffen sein, sofern sie kommerziell tätig sind. Nun kann sich so mancher Privatanwender hinstellen und sagen: Prima, brauche ich die Richtlinie ja nicht erfüllen.
Oder doch?
Es kommt darauf an, wie man kommerziell auslegt. Mit viel Pech können Affilate oder sogar die Bitte um Spenden für den Betrieb eines Forums als kommerziell aufgefasst werden - wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt ...

Auch wenn die CDU sich jetzt hinstellt und sich gerne als die Retter des Internets hinstellen, weil sie jetzt behaupten, dass sie zwar für Artikel 13 im EU-Parlament stimmen werden, es aber in Deutschland keine Uploadfilter geben wird (eine Aussage, die jedoch von vielen Usern als Nebelbombe und Augenwischerei deklariert wird), so herrscht dennoch Unmut, zumal die Befürchtung geäußert wird, dass es in zwei Jahren, wenn die Richtlinie in Deutschland zum Gesetz wird, doch heißt: Ja, es müssen jetzt doch alle einen Uploadfilter haben. Wir deutschen Politiker wollen das zwar nicht, aber die EU zwingt uns ja leider dazu. Sooooo sorry.

Wenn wir aber spaßeshalber einmal davon ausgehen, die Politiker halten ihre Zusage ein und es gibt in Deutschland tatsächlich keine Uploadfilter, was kommt auf die privaten Forenbetreiber zu? Jene, die keinerlei Werbung schalten, die keine Geldspenden erbitten, die alles brav aus ihrer eigenen Tasche bezahlen. Zwang zur Lizenz? Pauschalabgaben?
Und wie wird es aussehen, wenn ein User eines Forums eine Urheberrechtsverletzung begeht? Noch gilt hier das Notice and take down Verfahren: Wenn jemand eine Urheberrechtsverletzung begeht, dann ist der Forenbetreiber nach Kenntnisnahme verpflichtet, diese Urheberrechtsverletzung innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Und der User, der gegen Urheberrecht verstoßen hat, kann vom Gesetzgeber zu einer Strafe verdonnert werden. Der Forenbetreiber jedoch wird nur dann auf die Finger bekommen, wenn er der Pflicht des Löschens nicht nachkommt. Anders sieht es aus, wenn Artikel 13 in Kraft tritt: Dann ist nicht nur der User derjenige, dem man zur Verantwortung zieht, auch der Forumsbetreiber wird in die Pflicht genommen und soll mitbestraft werden. Unlogisch?
Klar.
Aber nach dem Willen der EU bald fest verankert.

Dennoch gibt es einen Grund, für Artikel 13 zu stimmen: Wenn diese Richtlinie abgelehnt wird, dann wird es Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte dauern, bis sich vielleicht etwas finden lässt, dass die Urheber gerecht entlohnt. Und damit steht die Frage offen, ob es sich noch überhaupt lohnt, künstlerisch zu arbeiten.

Wie sehen Sie das Ganze: Pro oder Contra Artikel 13 (lassen wir 11 und 12 einmal außen vor, auch wenn diese mit einwirken. Aber gerade Artikel 13 ist es, der die Massen bewegt)? Und warum diese Entscheidung?
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Topaz

Gibt es diese Paragraphen irgendwo zum selber lesen?
Gestern wurde irgendwo anders geschrieben #9 wäre auch übel.
Links auf die Originaltexte finde ich aber nirgends...

Und was heißt abstimmen?
Bald ist Europawahl da darf jeder wieder ein Kreuz machen.

Churke

Zitat von: Feuertraum am 18. März 2019, 12:00:41
Dennoch gibt es einen Grund, für Artikel 13 zu stimmen: Wenn diese Richtlinie abgelehnt wird, dann wird es Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte dauern, bis sich vielleicht etwas finden lässt, dass die Urheber gerecht entlohnt. Und damit steht die Frage offen, ob es sich noch überhaupt lohnt, künstlerisch zu arbeiten.

An Sie oder mich denken die doch am wenigsten. Das alte Urheberrecht ist (oder besser war) geprägt vom Interessenausgleich zwischen Urhebern, Rechteverwertern und Nutzern. Davon haben wir uns im Gesetzgebungsverfahren längst verabschiedet. Diese Richtlinie dient den Geschäftsmodellen von Google und Medienkonzernen. Markteintrittsschranken für Wettbewerber erwünscht.

Luna

Für Artikel 13 kann ich euch einen Link geben: https://wbs.is/art13-bearbeitung
Interessant für die künstlerisch Aktiven ist auch Artikel 12, der vorsieht, dass man - auch wenn man persönlich z.B. prfotiert, auch einen Anteil an die Lizenznehmer zahlen soll (oder so ähnlich).
Das Urheber durch die Richtline gerechter entlohnt werden sehe ich damit nicht ...

Zit

"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Mara

Ein weiteres Problem ist ja auch, dass Uploadfilter gar nicht erkennen würden, ob eine Person urheberrechtlich geschütztes Material hochlädt, zu dem sie selbst das Urheberrecht innehat. Wenn ich das alles richtig verstanden habe, könnte ich doch auch nicht mehr das Cover meines eigenen Buches überall hochladen, wo ich gerne Werbung machen will, oder? -.-

Arcor

@Mara
Wenn ich es richtig verstanden habe, kann dir jedenfalls passieren, dass das nicht mehr geht, falls das Cover schon einmal woanders hochgeladen wurde. Ob durch dich oder jemand anderen, ist dann erst einmal egal. Der Filter erkennt nur das Muster und schreit "Urheberrechtsverletzung".
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Topaz


Ananke

Zitat von: Arcor am 19. März 2019, 08:30:25
@Mara
Wenn ich es richtig verstanden habe, kann dir jedenfalls passieren, dass das nicht mehr geht, falls das Cover schon einmal woanders hochgeladen wurde. Ob durch dich oder jemand anderen, ist dann erst einmal egal. Der Filter erkennt nur das Muster und schreit "Urheberrechtsverletzung".
Wie sähe es denn umgekehrt aus? Wenn ich ein Cover bereits hochgeladen habe, ehe das Buch veröffentlicht wurde, könnte ich dann bei der digitalen Veröffentlichung ein Problem bekommen?

Arcor

@Ananke
Gute Frage. Ich blicke ehrlich gesagt nicht so wirklich durch, was hinterher wohl gehen kann, gehen soll, passieren kann etc. Hängt ja auch stark von den verwendeten Uploadfiltern ab und worauf die anspringen. Die Gefahr ist jedenfalls da, dass du bei deinen eigenen Werken Probleme bekommst - und dass natürlich Zensur betrieben wird, bzw. die mit Geld durch ihr Geld gewisse Regelungen (wie immer) leichter umgehen können als andere.

Interessant heute: Wikipedia ist down, aus Protest gegen Artikel 13.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Feuertraum

Ersteinmal wird noch einmal abgestimmt (gegen Ende März). Und wenn dann das EU-Parlament der Richtlinie (!) zustimmen sollte, wird Deutschland voraussichtlich 2021 beschließen, wie das Gesetz dazu aussehen soll.

Die CDU/CSU sprechen sich gegen einen Uploadfilter in Deutschland aus. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Was genau wird, kann man wohl frühestens 2021 sagen.
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Nirahil

Die finale Abstimmung wird am 26.03.19 um 12 Uhr sein, nachzulesen auf dem Twitterprofil von Julia Reda. Es bleibt in jedem Fall spannend, was die Abstimmung ergibt und wie das generell alles weitergehen wird. Ich habe Twitter ein wenig zu diesem Thema verfolgt, es ist schon ... zum Weinen. Was da teilweise von sich gegeben wird. Unter anderem soll Axel Voss wohl von den Presseverlagen erpresst worden sein, was ihm augenscheinlich sehr egal ist, Statement ebenfalls von Julia Reda hier.

Nun.
Ich tanze wie ein Kind im Nebel,
zufrieden, weil ohne Ziel.
Callejon - Kind im Nebel

Lino

#12
Ich sehe mehrere Punkte kritisch am Gesetzentwurf:

1. Schwächung des Urheberrechts und der Meinungsfreiheit: Bisher kann ich meine Sachen problemlos hochladen. Zukünftig könnten fehlerhafte Uploadfilter mir das untersagen, obwohl kein Verstoß vorliegt.

2. Monopolisierung des Internet: Bisher war das Internet für alle. Uploadfilter sind kompliziert und können nur von Techgiganten betrieben werden. Zukünftig muss man also mit diesen zusammenarbeiten.

3. Schaffung gefährlicher Zensurinstrumente: Uploadfilter könnten nach einem Wahlsieg undemokratischer Parteien auch anders genutzt werden.

Drei Jahre lang mögen Internetseiten davon befreit sein, aber wie lange gibt es z.B. Tintenzirkel denn schon. Das Gesetz ist für mich ein Alptraum.

Churke

Zitat von: Lino am 21. März 2019, 14:44:57
3. Schaffung gefährlicher Zensurinstrumente: Uploadfilter könnten nach einem Wahlsieg undemokratischer Parteien auch anders genutzt werden.

Da braucht man nicht erst auf undemokratische Parteien zu warten....  :wart:

Mara

Zitat von: Feuertraum am 21. März 2019, 10:39:08
Die CDU/CSU sprechen sich gegen einen Uploadfilter in Deutschland aus. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. Was genau wird, kann man wohl frühestens 2021 sagen.

Das ist ja noch so ein Problem: Die CDU/CSU sind gegen Uploadfilter, aber für Regelungen, die nur mittels Uploadfilter umgesetzt werden könnten. Ich habe heute Morgen ein Interview mit Axel Voss gesehen, in dem er erklärt, die technische Umsetzung wäre ja nicht Sache der Gesetzgeber.