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KNV insolvent

Begonnen von Janika, 14. Februar 2019, 14:01:10

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Maja

Das Barsortiment macht keine Werbung. Barsortimente entscheiden nicht darüber, ob ein Buch läuft oder nicht. Das ist nicht ihre Aufgabe. Das Barsortiment verkauft das, was bestellt wird, und bestellt wird üblicherweise das, was der Leser will. Dank Barsortiment haben auch kleine Verlage eine Chance, über die Buchhandlungen beim Leser zu landen, wo eine Einzelbestellung direkt beim Verlag aufgrunde der im Vergleich zum Umsatz hohen Versandkosten unwirtschaftlich wäre. Barsoritmente ermöglichen eine Lieferung des bestellten Buches am nächsren Tag. Es gibt wirklich keinen Grund, das System der Barsortimente schlechtzureden. Nicht, wenn man zumindest das geringste Interesse daran hat, dass der Buchhandel überlebt.

Ich habe in einer Autorengruppe auf Facebook erlebt, wie sich höhnische Selfpublisher darüber freuten, dass es jetzt enlich dem Buchhandel an den Kragen geht - da ist mir zugegeben der Kragen geplatzt.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Trippelschritt

Hohn und Spott sind das Letzte, was nun angebracht wäre.

Trippelschritt

Ananke

Zitat von: Zitkalasa am 21. März 2019, 16:10:07
Buchhandlungen wählen auch nicht immer das aus, was bei den Barsortimenten gut läuft bzw. denke ich, dass du den Zusammenhang falsch herum aufziehst. Verlage mit ihren Kampagnen und Vertretern, die zu den Buchhandlungen kommen, haben viel mehr Einfluss darauf, was am Ende im Regal steht als die Ränge einzelner Artikel bei den Barsortimenten.
Das klingt zwar intuitiv, entspricht aber nicht unbedingt der Realität. Ich habe längere Zeit im Agentur- und Verlegsbereich gearbeitet udn du würdest nicht glauben, wie oft dort der Satz fiel "Das kriegen wir bei den Barsortimentern nicht durch".
Am Ende des Tages bekommen die Buchhandlungen von den Barsortimentern ein praktisches Päckchen abgepackt, das sie im Zweifel ungefragt oder nur mit geringen Anpassungen übernehmen. Und dass sich eine solche Macht über das aktuelle Programm gerade an dieser Stelle sammelt, ist wirklich absurd.

Zitat von: Maja am 21. März 2019, 16:29:06
Es gibt wirklich keinen Grund, das System der Barsortimente schlechtzureden. Nicht, wenn man zumindest das geringste Interesse daran hat, dass der Buchhandel überlebt.
Das ist genau das, was die Barsortimenter uns Autoren gerne glauben machen würden.  ;)
Im Ernst, was glaubst du denn, würde geschehen, wenn es ab morgen keine Barsortimenter gäbe? Meinst du, der deutsche Buchhandel würde untergehen? Nein, die Buchhandlungen müssten nur anfangen, ihr Programm selbst auszuwählen – das Ergebnis wäre eine größere Diversität in den Buchhandlungen und am Ende auch bessere Chancen für kleine Verlage und Selfpublisher. Und das Problem des kurzfristigen Versands sollten wir heutzutage auch anderweitig lösen können.

Aber nein, ich werde mich sicher nicht darüber freuen, was mit KNV passiert ist – vor allem, da diese Geschichte die restlichen Barsortimenter in ihrem Monopol nur weiter stärkt.

Maja

#93
@Ananke
Wie, glaubst du wohl, arbeiten Buchhändler? Ich will dich jetzt nicht zu sehr auseinandernehmen, weil du neu bist im Forum, aber du hast, mit Verlaub, keine Ahnung, wie der Buchhandel arbeitet. Da ich Buchhändlerin war, Zit Buchhändlerin ist und wir noch diverse andere Vertreter der Zunft im Forum haben, hier ein kleiner Abriss aus erster Hand:

Buchhandlungen wählen ihr Programm selbst aus. Das tun sie mithilfe der Verlagsvorschauen und den Besuchen von Verlagsvertretern, die das kommende Programm vorstellen. Dafür haben im Vorfeld die Verlage überlegt, welche Titel gut gehen könnten, und dafür entsprechende Marketingbudgets eingeplant oder eben nicht. Titel kann man als A, B oder C-Titel einsortieren - fettes Marketungbudget, kleineres Marketingbudget, kein Marketingbudget. Die A-Titel bekommen Werbung auch über den Buchhandel hinaus, mit Anzeigen in Zeitschriften zum Beispiel, für B-Titel gibt es Werbematerial für den Buchhandel, und C-Titel füllen die Lücken, weil man eben nicht nur A-Titel machen kann.

Buchhändler entscheiden, welche Bücher sie ans Lager nehmen. sie kaufen nicht blind nur Spitzentitel, sie haben ihren eigenen Geschmack, kennen aber auch den der Leser. Eine Buchhandlung hat ein Profil und kauft entsprechend ein. Diese Bücher, die ins Regal kommen, bestellt sie beim Verlag - da ist der Rabatt deutlich besser, und wenn man eine Partie von zehn Stück bestellt, gibt es noch ein Buch extra obendrauf. Was der Buchhändler einkauft, hängt nicht vom Barsortiment ab, sondern vom Buchhändler selbst, von den Marketingkampagnen der Verlage, und natürlich vom Vertreter.

Beim Barsortimenter bestellt der Buchhändler, wenn er muss - weil ein Kunde gerne ein Buch hätte, das der Buchhändler nicht am Lager hat. Der Rabatt dort ist deutlich schlechter, der Buchhändler macht nicht das beste Geschäft mit dem Verkauf, aber es läppert sich zusammen, u und die Kundenbestellungen machen einen wichtigen Teil des Umsatzes aus. Ohne Barsortimenter sagt der Buchhändler nicht "Ich muss von jedem der hunderttausend Neuerscheinungen sicherheitshalber eine ans Lager nehmen" - was er zu verkaufen erwartet, hat er schon vorher beim Verlag bestellt. Er muss sagen "Tut mir leid, hab ich nicht". Vielleicht auch "Ich kann es ihnen bestellen, rechnen Sie mit einer guten Woche, zehn Tage" - und der Kunde geht wieder. Hat der Kunde jetzt dein Buch bekommen? Nein. Er kann es natürlich online bestellen, und tut das dann auch. Und merkt sich,  in der Buchhandlung braucht er gar nicht fragen. Ein Kunde weniger.

Die Barsortimente bestellen, genau wie der Buchhadel, große Margen oder kleine Margen, je nach zu erwartendem Umsatz. Die Info "Spitzentitel" oder "Ferner liefen" geht auch an das Barsotiment, und nach dem Kriterium wird von einem Titel viel oder wenig bestellt. Der Barsortimenter, anders als der Buchlade  an der Ecke, hat aber die Möglichkeit, von jedem Buch zumindest ein paar Exemplare zu bestellen und alles am Lager zu halten, falls eine Buchhandlung es abruft.

Mitnichten sind Barsortimente die graue Eminenz, die entscheiden, was gelesen wird. Sie kaufen, und verkaufen, wonach der Kunde fragt, nicht mehr und nicht weniger. Aber weder auf das Portfolio der Verlage, noch das Sortiment der Buchhandlungen, haben sie irgendeienn Einfluss. Und versuchen es auch nicht. Es ist ihnen egal, welche Bücher sie verkaufen. Irgendwas verkaufen sie schon. An einem Ende kommen Bücher rein (Entscheidung der Verlage), am anderen Ende gehen sie raus (bestellt vom Buchhändler bzw. dort beim Kunden). Barsotimente sind der neuralgische Punkt, der das System am laufen hält, vor allem aber ein durchlaufender Posten. Nur für Verschwörungstheorien frustrierter Selfpublisher sind sie denkbar ungeeignet.

Die Barsortimente wollen uns gar nichts glauben lassen. Sie reden nicht mal mit uns.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Ananke

Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Das ist wirklich interessant, einmal so direkt von der Sichtweise des Buchhandels zu lesen – bisher habe ich nur die andere Seite kennengelernt.

Umso mehr finde ich es faszinierend, wie da die Einschätzungen auseinandergehen. Das bestätigt meine Vermutung, dass in dieser gesamten Landschaft die eine Hand nicht weiß, was die andere tut. Mein Punkt war auch gar nicht, dass die Barsortimenter als "graue Eminenz" im Hintergrund den gesamten Buchmarkt beherrschen – es gibt nur eine Unmenge an Schrankenwärtern, die allesamt zwischen Autor und Leser stehen und von denen jeder abzuschätzen versucht, was er nun der nächsten Instanz verkaufen kann. Die Agenturen denken an die Verlage, die haben die Barsortimenter im Sinn und die wiederum versuchen natürlich, den Buchhändlern ein passendes Programm anzubieten. Und ich habe wirklich oft genug erlebt, wie geniale, aber extrem ungewöhnliche Manuskripte gescheitert sind, weil eben der Verlag überzeugt war, die Barsortimenter würden so etwas nicht annehmen.

Ich freue mich auch sehr zu hören, dass die Barsortimenter in deiner Erfahrung eine so unbedeute Rolle einnehmen. Leider habe ich da auch schon von Buchhändlerseite anderes erlebt. Wenn ich als Käufer in einem Laden nach einem Buch fragen, das nicht von den Barsortimentern vertrieben wird, so erklären mir vier von fünf Buchhändlern, dass es dieses Buch nicht gebe (so zumindest meine persönliche Erfahrung). Wie gesagt, schön, dass dies nicht überall so gehandhabt wird.

Ein frustrierter Selfpublisher bin ich übrigens (noch) nicht, nur ein frustrierter Verlagsautor und angehender Selfpublisher. Und dafür habe ich meine Gründe.

Zu deiner letzten Aussage: Insgesamt besteht meiner Meinung nach das größte Problem des deutschen Verlagswesens darin, dass die verschiedenen Instanzen nicht miteinander reden.

Silvia

Als ehemalige Buchhändlerin kann ich Majas Erklärungen voll und ganz bestätigen. Zweimal im Jahr rauschten die Vertreter durch unser Thalia-Buchkaufhaus, vorher wanderten die Verlagsvorschauen durch alle Warengruppen und dort wurde angekreuzt und Zahlen drangeschrieben. Die Chefin legte bei Titeln, die ihr besonders verkaufsträchtig aussahen, gern noch zwanzig, dreißig mehr drauf. Die Vertreter nahmen die Bestellzahlen mit, die Lieferung erfolgte durch die Verlage. Das Barsortiment war bei uns für die Kundenbestellungen da - und für einige Titel, die wir (aus Konditions- oder sonstigen internen Gründen) nicht über die eher kleinen Verlage beziehen durften. Die konnte man dann notfalls auch im nächsten halben Jahr wieder ans Barsortiment zurückschicken, sollten sie sich nicht verkaufen. Sehr praktisch, das. Oder wenn man ganz schnell dringend was brauchte - frisch verstorbener Prominenter, Schulbuchverlag hat Lieferschwierigkeiten etc.

Barsortimente sind immens wichtig für die schnelle Lieferbarkeit. Heute (bis Mittag) bestellt, morgen für den Kunden kostenfrei geliefert.
Diese Aussagen "gibts nicht" haben mich immer gewundert. Denn über den Verlag selbst konnte man, wenn man das "Verzeichnis lieferbarer Bücher" in der eigenen Datenbank hatte, alles bestellen. Nur halt mit Lieferfristen bis zu 2-3 Wochen und Anzahlung des Kunden, damit man auf dem Spezialfall hinterher nicht sitzenblieb.

Barsortimente sind Zwischenbuchhändler. Sie nehmen vom Verlag ans Lager und liefern an den Buchhändler aus. Oder kriegen Remittenden zurück und schicken die retour zum Verlag. Logistiker halt. Und sie halten die Branche durch ihre Schnelligkeit am Laufen.

Kerstin

#96
Zitat von: Ananke am 21. März 2019, 18:04:44
Die Agenturen denken an die Verlage, die haben die Barsortimenter im Sinn und die wiederum versuchen natürlich, den Buchhändlern ein passendes Programm anzubieten.
Ich höre gerade das erste Mal, dass die Verlage vor allem an die Barsortimenter denken.  ???
Gibt es andere Leute, die ebenfalls die Erfahrung gemacht haben oder irgendwelche Quellen dazu?

Irgendwie scheint mein Verlag dann etwas falsch zu machen, da ich von dort immer nur die Aussage bekomme, dass es wichtig ist, was der Buchhandel und die Buchhandelsvertreter denken, aber wirklich noch nie ein Wort zu den Barsortimentern. Die Vorbesteller gehen auch immer direkt an den Verlag und nicht über Barsortimenter.
Wegen den Buchhandelsvertretern wurde bei mir schon kurzfristig ein neuer Titel und ein neues Cover für ein Buch gesucht. Wegen dem Buchhandel habe ich ein Autorenfoto und "Styling" für Katalog und Buch selbst und ein komplett anderes für Internt und sonstige Medien.

Ansonsten kann ich mir absolut nicht vorstellen, dass das Leben für Kleinverlage leichter wird, wenn es keine Barsortimenter mehr gibt. Niemand hält Autoren und Kleinverlage ohne Anschluss an die Barsortimenter davon ab, auch jetzt schon Kontakt zu Buchhandlungen aufzunehmen. Warum sollte es einfacher werden, wenn Buchhändler noch mehr Arbeit haben?
Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass dieselben Buchhändler, die jetzt schon kaum dazu kommen, sich die Vorschauen der Großverlage anzuschauen, dann plötzlich die Programme sämtlicher Kleinverlage durchgehen. Das ist zeitlich doch gar nicht zu bewerkstelligen und wenn sie die Kataloge nicht sichten, woher sollen sie dann etwas von den Büchern wissen? Am Ende würde es vermutlich eher dazu führen, dass Buchhandlungen grundsätzlich nichts mehr verkaufen, was nicht aus einem der großen Häuser stammt, da sie bei jedem Verlag einzeln bestellen müssten. Mal abgesehen davon - welcher Kunde wartet denn eine Woche auf die Bestellung vom Buchhandel, wenn er das selbst im Netz genauso schnell erhält? Edit: Vor allem würde es wohl Amazon und Thalia freuen, da sie ihre eigenen Lager haben und dementsprechend als einzige schnell liefern könnten.

Und wieso sollten es plötzlich die kleineren Titel aus Großverlagen leichter haben? Der Buchhandel bestellt dann doch nicht plötzlich mehr Bücher, von denen er nicht sicher ist, ob sie sicher verkaufen, wenn dann die Rückabwicklung komplett an ihm hängenbleibt. Da konzentriert man sich doch noch viel mehr auf die Autoren und Bücher, die sich garantiert verkaufen.

Ich verstehe auch nicht, von welcher Schranke hier gesprochen wird? Der Buchhandel kann für Großverlagsautoren defintiv eine sein, aber wenn man schon die Zeiten des Internets betont, dann muss man auch sagen, dass diese Schranke nicht mehr so massiv ist wie früher.
Jeder Buchkäufer kann heutzutage jedes Buch online bestellen. Sämtliche Kataloge sind online zu finden. Es war doch noch nie so einfach.
Und Großverlage machen auch weiterhin besondere Bücher, Experimente und Liebhaberbücher, die sich nicht toll verkaufen werden. Man muss sich nur mal die Programme anschauen. Leider sind das aber auch fast immer die Bücher, für die sich auch die Käufer nicht interessieren.

Immer nur so zu tun, als wenn die bösen Verlage, Barsortimenter, Buchhändler ... Schuld wären, während die Leser doch gaaaaanz was anderes wollen, finde ich persönlich etwas kurz gegriffen.

Aphelion

#97
Irgendwie finde ich es gerade komisch, dass ihr Ananke ihre Erfahrung absprecht, aber gleichzeitig auf eure eigenen Erfahrungen in einem anderen Teilbereich der Branche verweist... Beide Erfahrungen schließen sich doch gar nicht gegenseitig aus? So eine "Selbstzensur", wie man das überspitzt nennen könnte, ist alles andere als selten, führt aber trotzdem zu realen Konsequenzen. Nirgendwo hat jemand behauptet, Verlage/Agenturen würden nur an das Barsortiment denken, sondern dass es Fälle gab, in denen eine Ablehnung mit dem Barsortiment begründet wurde. Sorry, wenn ich das jetzt selbst missverstanden haben sollte, Ananke.

Jedenfalls sehe ich da erstmal keinen Grund, in der berichteten Erfahrung eine Lüge zu vermuten. Für mich klingt es logisch, dass sowohl "vor" dem Barsortiment (aufseiten der Agenturen und Verlage) als auch "nach" dem Barsortiment (aufseiten der Buchhändler und Leser) eine Auswahl stattfindet.

Allerdings glaube ich nicht, dass es ohne Barsortiment mehr Diversität gäbe. Zu anstrengendend. Ja, es gibt engagierte Buchhändler, aber das sind nicht alle. Es braucht sich hier also kein Buchhändler direkt angesprochen zu fühlen. ;)

Was Lieferzeiten angeht: Selfpublisher sind in der Hinsicht nicht besser als Verlage (wenn beide ohne Barsortiment auskommen), insofern gibt es eigentlich keinen Grund, warum sich die von Maja erwähnten Leute die Hände reiben könnten. Und jetzt komme mir keiner mit E-Books, die machen nur fünf (5!) Prozent der Buchkäufe (Umsatz) aus. Siehe Börsenverein. In manchen Sparten mehr, in anderen weniger, aber für den Buchhandel als Ganzes dürfte eher der allgemeine Trend ausschlaggebend sein.

Schadenfreude, Hohn & Co. gibt es sicherlich trotzdem, einfach weil. Weil Menschen komisch sind. Weil viele Selfpublisher sich in der Rolle des armen Opfers der übermächtigen Bösen gefallen und manchmal auch tatsächlich zu Unrecht nicht beachtet werden. Weil Rache zwar sch***e, aber auch menschlich ist. Unangemessen ist Hohn in jedem Fall - da stimme ich Trippenschritt zu - , aber er ist hier auch grundlos. Gleichzeitig bedeutet eine kritische Anmerkung nicht, dass jemand zu den Schadenfrohen in den Topf gehört.

@Kaeptn
In einem Blogpost von Voland & Quist klingt das Thema auch kurz an. Ich bin ebenfalls gespannt, ob der "günstige" Zeitpunkt der Insolvenz noch genauer hinterfragt wird.

Maja

@Ananke
Ich sagte nicht, dass Barsortimente eine unbedeutende Rolle spielen. Sie sind nur nicht verantwortlich für das, was in der Buchhandlung in den Regalen steht, wenn es nidht darum geht, dass ein Bestseller unerwartet ausgegangen ist und die Verlagsbestellung nicht schnell genug da ist - wohl aber dafür, dass Kunden ihre bestellten Bücher bekommen, dass auch nicht im Sortiment vorrätige Kleinverlage überhaupt an den Leser kommen können. Das ist eine gewaltig wichtige Rolle. Aber: Nicht das Barsortiment entscheidet, was gelesen wird. Das stimmt schichtweg nicht.

@Aphelion
Ich spreche niemandem branchenrelevante Erfahrungen ab, wenn ich weiß, woher diese Erfahrungen kommen. Meine kommen daher, dass ich in allen Bereichen des Buchwesens geabeitet habe - im Buchhandel, aber im Verlagsvertrieb, und als Verlagsautor auch sehe, wie und wo das Marketing landet. Wo es um Barsortimente geht, habe ich buchstäblich jeden einzelnen Schritt in der Kette bereits bearbeitret, ich habe als Buchhändler beim Barsortiment bestellt, als Verlagsvertriebsler das Barsortiment über die neuen Titel informiert und Bestellungen des Basortiments bearbeitet, ich kann sehr genau sagen, wie es abläuft, weil ich es schlichtweg weiß.

Bei Ananke fehlt mir schlichtweg die Information, woher ihre Erfahrungen stammen - in welchem Berufsfeld sie tätig war, um diese Kenntnisse zu sammeln, die allem, was jedem, der in der Buchbranche gearbeitet hat, widersrpechen. Das ist genau so, wie ich den Erfahrungen eines Arztes mehr Glauben schenke als denen eines Impfgegners - für mich sind das schlichtweg Verschwörungstheorien, mit denen sich im Buchhandel unterrepräsentierte Selfpublisher zusammenreimen, woran es liegen könnte, dass sie im Buchhandel unterrepräsebtiert sind, und weil die Leute vergleichsbar wenig wissen über die Arbeit von Barsortimenten, die immer irgendwie unsichtbar im Hintergrund agieren, sind die ein leichter Kandidat für den Posten des Sündenbocks.

Und wenn dieses Forum eines nicht beabsichtigt, dann Verschwörungstheorien einen Boden bieten. wenn es um Erfahrungsberichte geht, will ich wissen, woher die stammen, worauf sie fundiert sind. Behaupten kann jeder was.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Kerstin

#99
Zitat von: Aphelion am 22. März 2019, 16:32:39
Irgendwie finde ich es gerade komisch, dass ihr Ananke ihre Erfahrung absprecht, aber gleichzeitig auf eure eigenen Erfahrungen in einem anderen Teilbereich der Branche verweist...
Zum einen spreche ich ihr nicht die Erfahrung ab oder unterstelle gar eine Lüge, sondern habe einfach nach mehr Infos gefragt, da ich auch im Netz nichts gefunden habe, was ihre Aussage bestätigt. Nur einen Beitrag, der in die Richtung ging, sich aber auf kleine Verlage bezog, wozu dann die Aussage von Ananke mit den Agenten nicht passt (da Agenturen ja eher selten an Kleinverlage vermitteln).
Zum anderen hatte ich den Eindruck, dass Ananke hier die einzige ist, die nicht relativiert, sondern eine pauschale Aussage (oder gleich mehrere) in den Raum gestellt hat. Keine Einschränkung um was für Verlage, Agenturen, Bücher, Genre ... es sich handelt.

Klar kann ich mir vorstellen, dass ein kleinerer Verlag Schwierigkeiten haben könnte, z.B. einen Hardcore-Horror-Roman mit SM-Praktiken und entsprechendem Cover einem Barsortimenter schmackhaft zu machen. Das Problem liegt dann aber eher daran, dass es vermutlich kaum eine Buchhandlung einkaufen würde und verschiebt damit nur das grundsätzlich existierende Problem.

Desweiteren frage ich mich, auf welchen anderen Teilbereich der Branche du dich beziehst? Die Buchhändler haben widersprochen (was sie ja wohl dürfen, wenn ihnen unterstellt wird, dass sie nur noch vom Barsortimenter fertige Päckchen beziehen) und ich habe als Autorin widersprochen, die bei einer Agentur unter Vertrag ist und erst heute wieder über die Vorbestellungen für den nächsten Roman gesprochen hat.
Mich würde wirklich interessieren (ernsthaft), wo bei Großverlagen die Schrankenfunktion der Barsortimenter einsetzt? Die nehmen doch meines Wissens nach alle Bücher von Großverlagen auf? Und die Vorbestellungen, die über die Auflagenhöhe entscheiden, gehen doch zum größten Teil direkt an den Verlag?
Aus meinen Abrechnungen kann ich klar erkennen, dass mit großem Abstand die meisten Bücher in den ersten Wochen nach der Veröffentlichung verkauft werden - also die Vorbestellungen, mit denen die Barsortimenter nichts zutun haben. An welcher Stelle spielt hier der Barsortimenter eine Rolle?

Edit: Maja war schneller - ich stimme ihr komplett zu. :)

Maja

Nachtrag: noch eine Klarstellung zu KNVs Marktmacht.

Ja, ein Barsortimenter hat einen Einfluss auf die Auflagenhöhe. Wie viele Bücher eine Erstauflage tatsächlich erfasst, wird vom Verlsg festgelegt, wenn die Vormerker da sind - nschdrm die Vorschau erschienen ist, die Vertreter ausgeschwärmt sind und die Buchhandlungen, einschließlich des Zwischenbuchhandels, bestellt haben.

Und natürlich bestellt ein Barsortimenter von rinem Titel deutlich mehr Exemplare als eine einzelne Buchhandlung - man will ja bereit sein, alle zu erwartenden kurzfristigen Bestellungen auch liefern zu können. Meldenummer 15, fehlt gerade am Lager, ist für Kunden immer doof, daher muss das Buch oft genug vorrätig sein. Hält das Barsortiment einrn Titel für besonders erfolgsversprechend - auf Basis der bom Verlag erhaltenen Informationen und den eigenen Zahlen zu Vergleichstiteln - kann es passieren, dass die Barsortimente deutlich mehr von rinrm Titel vorbestellen, als der Verlag erwartet hat. Und wenn diese Bücher dann produziert werden - sind schließlich bestellt - und dann doch nicht laufen, ist das ärgerlich für den Verlag, wenn das Barsortiment alles remittieren will. Der Einfluss der Barsortimente auf die Auflage eines Buches darf nicht unterschätzt werden.

Aber: auch das Barsortiment bestellt erst, wenn die Vorschau draußen ist. Auf die Entscheidung,  welches der Toptitel wird oder wie hoch das Marketingbudget sein soll, hat es keinen Einfluss. Es schaut sich die Informationen an und überlegt dann, welcher Titel wie oft ans Lager genommen wird - unter Berücksichtigung des Kaufverhaltens und der geplanten Werbekampagnen. Was der Kunde am Ende kauft, liegt nicht in der Macht der Barsortimente. Sonst wäre die Lewinsky-Biographie damals ein echter Renner geworden. Oder KNV heute nicht pleite.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Kerstin

#101
Danke für die Erläuterung, Maja.
Da hatte ich mich nicht klar ausgedrückt. Natürlich beeinflussen die Barsortimenter auch die Auflagenhöhe - ich bezog mich mehr auf die tatsächlich in den Buchhandlungen ausliegenden Bücher, auf die es schließlich ankommt.

Edit: Wobei diese Sonderfälle der überhöhten Bestellungen vom Barsortimenter vermutlich weniger relevant für unbekannte deutsche Autoren von Unterhaltungsromanen sein dürften. Oder täusche ich mich da?

Maja

Barsortimente sind kein Wohltätigkeitsverein. Die Rabattsätze, die die von den Verlagen haben wollen, dind happig. Und darunter leiden die kleinen Verlage mehr als die großen:

Große haben zum einrn die Macht, bessere Konditionen auszuhandeln - zum Beispirl kürzere Zahlungsziele als die drei Monate, die KNV gerne hätte. Große haben auch die Mischkalkulation, dass eben nicht jede Buchhandelsbestellung über das Barsortiment läuft, sondern auch über für den Verlag deutlich profitablere Sätze direkt vom Buchhändler bestellt werden.

Klrenvetlage müssen die Default-Konfitionrn fressen, wollen sie übers Barsortiment ausliefern, und wissen dabei, dass darüber hinaus sehr wenige direkte Bestellungen vom Buchhandel bri ihnrn ringehen werden. Nur, ohne die Barsortimente bestellt der Buchhändler dort nicht mehr - sondern gar nicht. Es sind die Kleinverlage, die am stärksten darauf angewiesen sind, dass die Barsortimente funktionieren, und die nun am mristen unter der Pleite zu leiden haben.

Ja, KNV ist ein Türsteher: er ermöglicht Verlagen da reinzukommen, wo sie ohne eben nicht reinkämen. Ist das eine schlechte Sache? Der Verlag muss das nicht mitmachen. Der kann auch sagen, ich verkaufe nicht über den Buchhandel, nur an Endkunden, darüber verdiene ich mehr. Es gibt keinen Barsortimentszwang. Es ist nur eine Option - und wenn die wegfällt, hat keiner was gewonnen
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Robert Gernhardt

Silvia

Ich hab ja vor Zeiten mal ein FH-Studium im Bereich Buchhandel- und Verlagswirtschaft gemacht, da kam das Barsortiment aber auch nur als Zwischenhändler vor. Besucht haben wir auch mal eins. :-) Und in einem Praktikum war ich mal ein paar Tage bei LKG in Leipzig und durfte mit einpacken nach den Bestelllisten der Buchhandlungen. Ich werde die Titel von "Das kleine Arschloch" wohl mein Leben lang mit Barsortiment verknüpfen, die hatten sie da gerade neu an Lager genommen und ich bin um die Stapel Kreise gefahren mit meinem Wägelchen.  ;D

Aber letztens ist mir was in einem Artikel untergekommen mit "Paketen vom Barsortiment für Buchhandlungen". Ich find den Artikel nicht wieder, aber hier steht ab Seite 2 auch was dazu drin, sogar von KNV:
http://www.knv.de/fileadmin/templates/_upload/ps_interview.pdf

Meinst Du sowas vielleicht, Ananke?

Ananke

@Aphelion Vielen Dank für den Zuspruch und den Vertrauensvorschuss. Ich fand es ehrlich gesagt auch etwas befremdlich, mit welcher Vehemenz mir meine Erfahrungen hier abgesprochen werden.

@Silvia Ja, das Interview zeigt zwischen den Zeilen sehr schön, worauf ich hinauswill. Und natürlich empfinden Buchhändler diese "Sorglos-Pakete" als sehr praktisch – das heißt nur leider nicht, dass sie gut sind für die Diversität im Buchmarkt.

Wie gesagt, kenne ich die ganze Geschichte nur von Agentur- und Verlagsseite. Ich kann nicht beurteilen, wie die Barsortimenter nun wirklich mit den Buchhandlungen umgehen – ich habe nur erlebt, welche Selbstzensur sich die Verlage hinsichtlich der Händler auferlegen. Das Ergebnis ist damit leider das gleiche.


@Maja Ich bin zugegebenermaßen etwas irritiert darüber, auf welche Weise meine Beiträge in diesem Thread von dir verurteilt werden. Du hast mich implizit als unerfahrenen Aufschneider und frustrierten Verschwörungstheoretiker bezeichnet, hast mich mit Impfgegnern gleichgesetzt, und das nur, weil meine Erfahrungen im Verlagswesen nicht zu deinen Erlebnissen als Buchhändlerin passen.
Ist es hier im Forum üblich, Diskussionen ausschließlich auf einer derart emotionalen Ebene zu führen, statt sich offen über verschiedene Sichtweisen zu unterhalten? Ich muss zugeben, dass ich mir hier eine andere Gesprächskultur erhofft hatte.

Ich kann dir gerne meine Quellen schildern – auch wenn ich sehr daran zweifle, dass das zu irgendetwas führt, denn wenn du schon offen sagst, dass du meinen Berichten nicht glaubst, wieso solltest du den Hintergründen dazu dann mehr vertrauen?
Wie auch immer ...

Ich habe mehrere Jahre für eine Literaturagentur gearbeitet, habe dort die eingesandten Manuskripte bewertet und lektoriert und ich habe an den Verhandlungsgesprächen mit diversen Großverlagen teilgenommen – teilweise als Beisitzender, teilweise auch selbst als Verhandler. Zudem arbeite ich für Agenturen und Verlage verschiedener Größe als freischaffende Lektorin und habe mit den Verantwortlichen der verschiedenen Stufen ausgiebigst über diese Problematik gesprochen.
Ich kann nicht ausreichend beurteilen, wie es den Büchern auf ihrem Weg vom Verlag bis in die Buchhandlung ergeht, aber ich kann dir versichern, dass die Manuskripte bis zur Vertragsunterzeichnung diversen sebstauferlegten Beschränkungen unterliegen. Ich kann nicht abzählen, wie viele vielversprechende Manuskripte in unserer Agentur nicht angenommen wurden, weil "die Verlage das nicht nehmen werden", und wie viele von den Verlagslektoren abgewiesen wurden, weil "wir das nicht bei den Barsortimentern unterkriegen".

Mein Lieblingsfall war ein großartiges Manuskript, das in unserer Agentur als der Überraschungserfolg des Jahres gehandelt wurde. Für mich persönlich ist das Buch das beste humoristische Werk, das ich seit 'Per Anhalter durch die Galaxis' gelesen habe. Es war frisch, neu und "anders" – etwas so Originelles habe ich selten gelesen.
Wir haben das Manuskript auf der Buchmesse als unseren Haupttitel gehandelt und es jedem Verlag angeboten, der etwas im Bereich Humor gesucht hat. Auch die Verlagslektoren waren durch die Bank begeistert von der Idee des Buches – aber sie haben uns einhellig erklärt, dass so etwas nicht ihre klassischen Genre-Vorstellungen passen würde. Eine Lektorin meinte: "Schickt mir die Leseprobe mal zu, das klingt großartig. Also ich werde es im Verlag sicher nicht durchbringen, aber ich will das unbedingt lesen."
Long Story short: Der Autor hat keinen Verlag gefunden, er hat die Agentur jetzt verlassen und ich versuche bis heute, ihn davon zu überzeugen, das Manuskript selbstzuveröffentlichen.

Soweit zu mir und meinem Bericht – mach daraus, was du willst.
Du wirst vielleicht verstehen, dass ich mich hiermit aus diesem Thread ausklinken werde – sei mir nicht böse, aber ich habe kein Bedürfnis, mich hier noch weiter beschimpfen zu lassen. Ich gehe nicht davon aus, dass ich dich in deinen Überzeugungen irgendwie beeinflussen kann und daher vergeude ich hier wohl nur meine Zeit.

Ich wünsche dir, Maja, und deinen Büchern alles Gute. Ich persönlich denke, dass du gute Chancen hast, als Autorin erfolgreich zu sein – soweit ich sehe, sind die Genres, in denen du schreibst, allgemeinverträglich genug, dass die Verlage dir keine Steine in den Weg legen dürften, und dieses Forum bietet dir eine wunderbare Marketing-Plattform, um eventuelle Unzulänglichkeiten der Verlage, was die Werbung angeht, auszugleichen.
Ich bin sicher, dass du dir deinen Erfolg hart erarbeitet hast. Nur wäre es schön, wenn du dir bewusst machen würdest, dass du es in einem etwas unkonventionelleren Genre auch mit dem besten Manuskript deutlich schwerer gehabt hättest – und dass das nichts ist, worauf die Buchbranche besonders stolz sein sollte.