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Das Desaster am Ende jeder Szene - wirklich notwendig?

Begonnen von Arcor, 01. Juni 2018, 12:26:36

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Alana

Die Umfrage bezog sich meines Wissens nach nicht auf einzelne Szenen, sondern auf ganze Bücher, oder? Abgesehen davon stimme ich Dämmerungshexe zu. Wurde ja hier auch nun mehrfach schon erwähnt, dass diese Begriffe nicht dogmatisch, sondern als Konzept und übergreifender Begriff für verschiedene Möglichkeiten zu sehen sind.
Alhambrana

Churke

Beim Cliffhanger blendet man just in dem Moment aus, in dem der Held in einer aussichtslosen Lage "an den Klippen hängt".
Da der Held das wahrscheinlich nicht so geplant hat, geht dem Cliffhanger typischerweise ein Desaster voraus. Da ist irgendetwas übelst schief gegangen.

Ein Desaster an sich bedeutet noch keinen Cliffhanger. Wenn ich mit stolz geschwellter Brust in die Prüfung gehe und als Häufchen Elend wieder raus komme, ist die Lage geklärt.

Arcor

Zitat von: Alana am 05. Juni 2018, 13:41:59
Die Umfrage bezog sich meines Wissens nach nicht auf einzelne Szenen, sondern auf ganze Bücher, oder? Abgesehen davon stimme ich Dämmerungshexe zu. Wurde ja hier auch nun mehrfach schon erwähnt, dass diese Begriffe nicht dogmatisch, sondern als Konzept und übergreifender Begriff für verschiedene Möglichkeiten zu sehen sind.
Stimmt, ich war besonders darüber gestolpert, dass jede Szene im Desaster enden sollte, wobei sich mein Problem durch das aufgeführte weite Verständnis des Begriffs "Desaster" und die Diskussion über das richtig gewählte Ziel für den POV der Szene ziemlich geklärt hat.

Zum Cliffhanger: Ich würde das auch als zwei Dinge ansehen. Ein Cliffhanger ist ja nur ein Szenen- oder Kapitelende, der so gesetzt ist, dass der Leser ohne wichtige Informationen dasteht, wie es weitergeht - im klassischen Fall halt das Hängen an der Klippe. Ein Desaster kann dagegen auch ein sehr viel weniger dramatischeren Umfang haben.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Topaz

Dankeschön @Fianna, @Alana, @Araluen, @Trippelschritt, @Dämmerungshexe, @Churke, @Arcor für eure Meinungen und Beispiele.

Für mich nehme ich jetzt mit:
Desaster ist etwas das nicht so läuft, wie der Held es plant / sich wünscht / erwartet. Wobei das Desaster nicht das Ende der Szene sein muss. Danach kann noch ein Absatz oder mehr kommen, der zeigt, dass es doch noch eine Chance gibt und somit einen positiven Abschluss für die Szene bildet.
Cliffhänger ist, wenn ich in dem Moment die Szene beende, in der es aussichtslos erscheint aus dem Desaster irgendwie wieder raus zu kommen.

Koboldkind

Danke für den durchdiskutierten Exkurs. Die Sache mit "Szenenende = Desaster" ist mir auch schonmal untergekommen, habe es aber so noch nicht angewendet, dazu müsste ich mal einen Plot in entsprechende Szenen unterteilen bzw. beim Editieren damit arbeiten.
Mich hat zu Anfang des Threads auch die gewisse Drastik des Ratgebers irritiert. Nur drei Möglichkeiten? Ständig Spannung hoch halten? Wie kommen dann Kennenlernszenen da rein? Halt, welche Art von Spannung ist überhaupt gemeint? Und welchen Umfang von Szenen meint man?

Ich lenke mal vom Thema ab und verweise auf den Dreiakter. Ich denke, jeder Autor nutzt es, sprechen wir doch immer von Anfang, Mitte, Ende. Das wäre für mich der erste Ansatzpunkt, zu gucken, ob hier ein plotübergreifendes Desaster/ein Konflikt/ein Wendepunkt (ich glaube, ich mag das Wort weiter verwenden, es ist nicht so dramatisch und vorbelastet) auftaucht. Die Rebellen erfahren von einer Person, die helfen könnte, die neun Gefährten werden gegründet, Auftakt und eher viel Worldbuilding, wo ich persönlich jetzt auch nicht sehe, wo da kleinere Wendepunkte im ersten Akt liegen könnten. Wenn ich allerdings den ersten Akt ausbreite sehe ich schon, dass hier anders gefärbte Szenen sind, eben die Aufstellung der Leute und das Worldbuilding (Wie, Frau darf keine Kriegerin sein? Desaster.).
Okay, wenn ich so darüber nachdenke bekomme ich weniger Angst vor den Worten "Jede Szene (Wie, auch die kürzeste?!) muss mit einem Desaster enden!", wenn ich mich erstmal von Oben her einarbeite.
Weiterer Gedanke: Mehrere Handlungsstränge. Okay, wenn nur ein PoV dabei ist, ist der Chara definitiv ständig unter Strom - Löst sich das Familienproblem, taucht der Boss auf, kriegt er die Eier, ist dafür zuhause die Milch umgekippt. Wenn ich mir eine Story mit mehreren PoVs vorstelle, denke ich, wäre ich als Leserin damit bedient, dass mal in dieser Handlung, mal in jener gerade die Katastrophe blüht, dafür haben die anderen dann Zeit zu verschnaufen. Der Gedanke verschaft mir als Autorin ein bisschen Gelassenheit.

Und was soll das mit dem Ziel? Charakter will hier ein Ziel erreichen, ich würde ergänzen "Ein Ereignis vermeiden" ist auch ein Ziel. Das zu ergänzen macht es mir etwas leichter zu verstehen.
Ich habe über eine kürzliche Szene nachgedacht: Protagonistin lernt zwei Fremde kennen, andere Kultur, sie wird von ihrem Volk bestraft, wenn die irgendwelche Fraternisierung riechen. Sie kann aber nicht anders, es wird schon niemand erfahren. Vielleicht ist der Wendepunkt hier die sich anbahnende Veränderung in der Geisteshaltung, offenen Auges darauf zu zusteuern. Die Szene ist ruhig, man ist neugierig, aber hier explodieren keine Autos oder entpuppen sich Freunde als Verräter, es gibt keinen Cliffhanger. Wäre das eine Szene nach dem Desaster-Modell?
Wer jetzt nicht wahnsinnig wird, muss verrückt sein.

Araluen

Das Desaster hat nichts mit Action zu tun zumindest nicht zwangsläufig. Auch ruhige Szenen kann man nach dem Grundsatz aufziehen.
Die Frage ist: wie gehtdeine Szene aus? Was macht dieses Beschnuppern mit deiner Prota? Ich vermute mal, sie stellt sich die ein oder andere Grundsatzfrage. Zumindest wäre ich sehr enttäuscht, wenn sie nach dem Trefen heim gehtund morgen ist alles wie bisher. Dann hätte das Treffen auch wegbleiben können.
So kommt bei dieser Szene ein ja, aber heraus. Ja Prota hat es geschafft die Fremden kennen zu lernen und sie sind sogar nett, aber ihr Weltbild dürfte jetzt einige Risse haben (Fragen) oder sie muss nun befürchten, dass sie gesehen wurde und verraten wird (Suspense oder klar formulierte Bedrohung). Spannung für den Leser bleibt - Desaster check.

Trippelschritt

Mir ist nicht wohl bei dieser Diskussion. Desaster bedeutet  Katastrophe, was in verschiedenen Ausprägungen gedeutet werden kann wie als gewollte Übertreibung etc. Aber ein Autor sollte neben ausdrucksstark vor allem präzise sein und klar in der Bedeutung. Und was wir hier machen ist eine alte Erkenntnis (Eine Szene ist eine Einheit mit Anfang, Mitte und Schluss, die die Handlung weitertreibt) mit einem so schiefen Begriff verzieren, dass wir hinterher alle möglichen Beispiele uminterpretieren müssen, um sie mit dem neu gewählten Begriff für das Szenenende wieder übereinstimmt. Was ist damit gewonnen, frage ich mich. Und die Antwort liefere ich auch gleich mit. Nichts. Außer der Vernebelung eines uralten Ratschlages bis hin zur völligen Verwirrung. Wenn man schon neue Begriffe einführt, dann sollten sie meiner Meinung nach besser sein als die alten und nicht diffuser.

Aber wahrscheinlich stehe ich mit dieser Ansicht auch wieder allein auf der Flur.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Gizmo

Zur Frage was damit gewonnen ist:
Wenn man ein wenig zynisch denkt, könnte man sagen: Man kann einen uralten Ratschlag mit einem grellen Begriff für einen Schreibratgeber neu verpacken. Anschließend hält man Kurse für die verwirrten Leute oder ist zumindest im Gespräch. Insofern hat es wunderbar funktioniert, denn der Begriff 'Desaster' stammte ja aus dem Buch 'Rock Your Writing' von Cathy Yardley und nicht von Arcor selbst. Wir haben also darüber geredet und kennen nun zumindest sie und den Titel ihres Buches, im Gegensatz zu einer Unmenge anderer Schreibratgeber, die es gibt.
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
"Big damn heroes, sir!"
- Joss Whedon's "Firefly", Episode 5, "Safe"

Koboldkind

@Araluen: So habe ich es mir dann auch erklärt. Die Leute sind Punkt 1 von 3 für ihre letztliche Entscheidung, sich doch zu ändern, aber - um auf die Definitionsfrage von Desaster zu kommen - wirkt es beim ersten Überlegen eben nicht wie ein Desaster.
Trippelschritt, ich bin da voll bei dir. Vorhin habe ich Wendepunkt gesagt, vielleicht steht in anderen Ratgebern auch einfach das Wort "Problem am Ende jeder Szene". Vielleicht ist das Wort wie Gizmo sagt der Vermarkung und dem "Höher, Schneller, Brutaler, Transformers!" geschuldet, der Angst, keine Aufmerksamkeit mehr zu ziehen, wenn man nicht zu drastischen Beschreibungen greift. Daher auch meine obigen Ausführungen der Annäherung - ich fühle mich wahrscheinlich wie die anderen verwirrten Leute im Kurs.

Aber zurück zum Threadthema:
Ein Beispiel aus einem anderen Kurs ist mir eingefallen. Theorie war, dass ein Mensch nur ein Problem hat, wenn er auch ein ZIel hat.
Eine Kurskollegin hat von einem verheirateten Freund erzählt, der eine Affäre hat und damit scheinbar ganz glücklich ist, an der aktuellen Situation mag er nichts ändern. Also hat er kein Problem? Im Gespräch sind wir dann darauf gekommen, dass er sehr wohl ein Problem hat, nämlich jeden Tag, den er seine Affäre treffen möchte und die ganzen Gefahren aus dem Weg räumen muss. Also kein großes Problem, sondern ein "kleines", alltägliches.
So verstehe ich für mich nun auch, dass das "Desaster", das Problem am Ende der Szene ganz unterschiedlich sein kann. Das Wort Desaster klingt nach "Gefährte stirbt/wendet sich ab, Prota gefangen, bekommt keine INformation, ein neues Problem lenkt vom Hauptplot ab", solche großen Sachen, da wo die Spannung schon aus den Worten trieft. Ich denke, das ist noch etwas, das mich in der Eingangsbeschreibung in eine Richtung gelenkt hat: "Die Spannung oben halten". Wie sieht diese Spannung aus? Ich bin ein Abenteuerorientierter Autor, darum Verfolgungsjagden, Kämpfe, Wut und andere Starke Emotionen! Darum bin ich auf das Beispiel mit dem Kennenlernen der Fremden gekommen. Es ist zu ruhig, es ist eine Szene mit Unsicherheit und Verwirrung, alles, was für mich nicht sofort nach Spannung riecht.

Meine Conclusion: Desaster = Problem, und das kann jede Farbe, Gefühl und Stärke haben. Wenn ich mir das beim Prüfen meines Plot/Textes vor Augen halte, denke ich kann ich mit dem Tipp wirklich gut Arbeiten und würde sagen "Ja, ist notwendig. Aber es hat verschiedene Formen"  ;)
Wer jetzt nicht wahnsinnig wird, muss verrückt sein.

FeeamPC

Vielleicht sind wir hier nur von einer falschen Übersetzung ausgegangen (desaster = Katastrophe).
Desaster kann auch etwas anderes bedeuten: an event or fact that has unfortunate consequences.
Also ein Ereignis oder eine Tatsache mit negativen Konsequenzen.

Arcor

Zitat von: FeeamPC am 14. Juni 2018, 17:18:38
Vielleicht sind wir hier nur von einer falschen Übersetzung ausgegangen (desaster = Katastrophe).
Desaster kann auch etwas anderes bedeuten: an event or fact that has unfortunate consequences.
Also ein Ereignis oder eine Tatsache mit negativen Konsequenzen.
So verstehe ich es inzwischen auch und so hat Alana es ja auch immer erklärt. Desaster ist nicht der halbe Weltuntergang, es geht eher darum, dass der Konflikt zugespitzt wird oder zumindest die Spannung nicht abfällt. Ein Prota kann ruhig Erfolg haben (ein ewiges Scheitern ist auch ermüdend), aber es darf nicht so ein Erfolg sein, dass man glaubt, jetzt reitet er glücklich in den Sonnenuntergang und alles ist Friede, Freude, Eierkuchen. Es muss Konsequenzen haben oder Fragen aufwerfen oder neue Informationen liefern, die weitertragen, oder auch einfach schlicht zu einer Reaktion führen.
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Faye - Finding Paradise

Araluen

Genau das erkläre ich auch seit Anfang an - daher auch mein völlig blödes Beispiel mit den Eiern und dem Geburtstagskuchen  ;D

Arcor

Zitat von: Araluen am 15. Juni 2018, 09:20:44
Genau das erkläre ich auch seit Anfang an - daher auch mein völlig blödes Beispiel mit den Eiern und dem Geburtstagskuchen  ;D
Sorry, Araluen, ich habe jetzt nur Alana aufgezählt. Wollte dich und all die anderen, die hier mein ursprüngliches Grundproblem mitgelöst haben, nicht übergehen.  :versteck:
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Faye - Finding Paradise

Araluen

Alles gut @Arcor :knuddel: Du brauchst dich deshalb nicht verstecken ;)

Silvia

#44
Ich hab mal eine alte "Textart" rausgekramt, in der ich vor Jahren auch mal über dieses Thema gestolpert bin und den Artikel ziemlich aufschlussreich fand. Es war mir damals so noch recht neu in der Betrachtung. Von großen bösen Desastern reden die dort auch nicht, eher von der Art, ob und wie der Perspektivträger am Ende der Szene sein Ziel erreicht. Der Perspektivträger soll in jeder Szene ein Ziel haben, dem Widerstände entgegenstehen, und am Ende gäbe es ein Ergebnis. Die Antwort auf die Frage, ob das Ziel erreicht wird, soll nicht einfach nur "ja" lauten, sondern:
a) "Nein."
b) "Ja, aber ..." (Ziel mit Einschränkungen erreicht) oder
c) "Nein, und außerdem ..." (Mach es noch schlimmer. Das Ziel wird nicht erreicht und außerdem kommen noch weitere Probleme hinzu.)
Eine Lösung mit der Antwort "Ja" gehöre erst ans Ende des Buches.

Das klingt jedenfalls nicht ganz so dramatisch. :-) Mir selbst kommt das auch näher, da ich Bücher, die nur auf Action und eine noch immer schlimmere Szene an der anderen dran ausgerichtet sind, irgendwann als stressig empfinde. Ich brauche auch mal ruhige Szenen und Charaktermomente dazwischen.