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Füllwörter - wann ja, wann nicht

Begonnen von Cailyn, 17. März 2017, 14:51:48

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Cailyn

Ich habe mal eine Frage zu Füllwörtern, da ich gerade an meiner Schlussüberarbeitung meines Buches bin.

Man soll sie ja meiden, sagt man, und das macht auch Sinn, da Füllwörter den Text nur unnötig aufblähen. Aber da meine Protagonistin die Ich-Erzählerin aus dem 19. Jahrhundert ist, scheint es mir hier schon fast nötig, mehr Füllwörter als sonst zu gebrauchen, um ihrem "Sprachtouch" etwas näher zu kommen. Die Menschen redeten und sprachen damals nun mal etwas "füllender".
Was denkt ihr darüber?

Und wie haltet ihr es mit Füllwörtern in Dialogsätzen?
Auch da halte ich es ein wenig moderater, lasse mehr Füllwörter zu, damit der Dialog echter wirkt.

Shedzyala

Ich glaub zu "Keine Füllwörter" kann man dasselbe sagen wie zu "Keine Adjektive": Es kommt darauf an ;)

Ich lese mir in der Schlusskorrektur jeden Satz einmal laut mit und einmal ohne Füllwörter (und Adjektive) vor und entscheide dann rein subjektiv nach Satzmelodie. Erfahrungsgemäß würde ich sagen, das gut 70% meiner ursprünglichen Füllwörter dabei rausfliegen, aber die, die bleiben, bin ich auch bereit bis zum Äußersten zu verteidigen :snicker:

Und gerade bei historischen Erzählungen gehört ja auch die Sprechweise zum Flair, von daher – ohne deine Geschichte zu kennen – würde ich jetzt einfach mal drauf tippen, dass du mehr Füllwörter stehen lassen kann, als man bei einem Hard-SciFi-Roman zulassen würde. Denn die irgendwie verspielte, unkonkrete Sprache gehört ja dazu.

Und bein Dialogsätzen bin ich ohnehin der Meinung, dass Natürlichkeit an erste Stelle gehört, zumindest aber weit über irgendwelchen Schreibregeln zu stehen hat. Nicht haut einen schneller aus dem Lesefluss als gestelzte Dialoge.
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Jen

#2
Ich finde Füllwörter in der wörtlichen Rede angemessen, wenn sie einem gewissen Stil und Zweck folgen und nicht nervig sind. Da ich bezweifle, dass in deinem Text die heutzutage beliebten »halt« und »ja« gehäuft vorkommen, frage ich mal ganz vorsichtig: Welche Füllwörter meinst du? :) Die "ganz langen" wie »nichtsdestotrotz«, »abermals« und »bekanntlich«? (Edit: Und wie Shed gerade richtig schrieb: Füllwörter können helfen, dass Sätze nicht zu gestelzt klingen! *nick*)

Wenn ich meine Füllwörter rauskloppe, mache ich das mit diesem Tool: http://www.schreiblabor.com/fuellwoerter-test/. Ich gebe meinen Text ein, schiebe das Browser-Fenster neben meinen Roman und gehe Füllwort für Füllwort die Zeilen ab, um unerwünschte und überflüssige »so«s und »also«s auszusortieren. Häufig werden aber Wörter angekreidet, die notwendig sind, z.B. das »aber« in diesem Satz. Das lasse ich dann natürlich drin. Nichtsdestotrotz (jetzt wollte ich das Wort unbedingt benutzen!) kann ich das Tool empfehlen, weil man sonst eine Menge übersieht. Ich hoffe, das hilft dir ein wenig. :)
Guilty feet have got no rhythm.

Zit

#3
Warum ergibt es Sinn, Füllwörter zu meiden? In den Listen, die so im Internet kursieren, tauchen auch Wörter wie aber, allerdings, etc. auf – also (siehste) alles Wörter, die Sätze flüssig verbinden. Um ehrlich zu sein, wüsste ich auch gar nicht wie ich einen Widerspruch ohne Aber schreiben sollte. ;D (Mensch, jetzt waren die anderen schneller. ;P)
Denke eher, dass es ein Verhältnisproblem ist. Bei fünf Sätzen vier mit Aber zu haben, kann mehr ein Anzeichen mangelnder Abwechslung sein als dass es tatsächlich "aufgebläht" ist. Normalerweise streiche ich Wörter nur, wenn sie zur Aussage des Satzes nichts beizutragen haben oder ihn gar verwässern.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Evanesca Feuerblut

In Dialogen gilt für mich generell "Aber wenn der nun mal so spricht?"
Füllwörter sind ja nicht per se böse. Was ich immer überprüfe beim Überarbeiten - mein Programm streicht mir ja alle Füllwörter erstmal pauschal durch - ist Folgendes: Würde sich etwas an der Bedeutung des Satzes ändern, wenn ich das Wort an dieser Stelle weglasse?
Wenn die Antwort nein lautet, muss das Füllwort weg.
Wenn die Antwort ja lautet, dann lasse ich es, wo es ist. Ein zusätzliches "aber" oder "trotzdem" oder auch "so" kann aus einer trockenen Aussage Sarkasmus, Zynismus, pure Häme oder Galgenhumor machen.
Das Schwierige besteht also vor allem darin, zu erkennen, wo das vermeintliche Füllwort semantisch notwendig ist und wo nicht. Nur dann, wenn der Satz ohne keinen Informationsgehalt verliert, ist es eins :).

Und wenn deine Protagonistin ihre Sätze gerne mit ein paar hauchfeinen Noten subtiler Unterscheidungen würzt, kann das in Maßen sehr reizvoll sein. Solange es nicht in Massen geschieht und überfrachtet wirkt. Aber das kriegst du bestimmt hin!

Aphelion

#5
Gute Frage.

Grundsätzlich halte ich die Bezeichnung ,,Füllwörter" für problematisch, denn diese Wörte dienen nicht nur der Füllung. Sie können auch helfen, einen Text verständlicher und damit lesbarer zu machen.

Im Zweifelsfall ist der Sprachrhythmus ein guter Indiaktor, den ich gerne nutze.

Es gibt auch Analyse-Tools. rechtschreibprüfung24.de bietet z.B. eine solche Auswertung an. Die Werte solcher Analysen sind eine gute Orientierungshilfe.

Allerdings finde ich nicht, dass das entscheidende Sprachmerkmal des 19. Jahrhunderts ausgerechnet die Füllwörter sind. Vielleicht fallen sie dir dort nur stärker auf? Viele Füllwörter, die damals gebräuchlich waren, sind heute selten(er) oder gelten als gehoben(er) – aber dafür benutzen wir ständig andere Füllwörter und dadurch bemerkst du sie vielleicht nur nicht so deutlich.

Edit: Meine Antwort hat sich mit anderen überschnitten, aber ich lasse die Tool-Empfehlung trotzdem drin. ;)

Churke

Füllwörter haben eine stilistische Bedeutung. Die Frage ist nur, ob sich der Sprecher bzw. Autor dieser Bedeutung bewusst ist.

Im Übrigen halte ich Füllwörter für eine eher moderne Entwicklung. Füllwörter sind meistens kurz und zeichnen sich durch Redundanz aus. In einem "klassischen" Stil bemüht man sich eher um Knappheit und versucht, diese durch komplexen Satzbau und komplizierte Grammatik zu erreichen.

Miezekatzemaus

Bei mir kommt das auch darauf an, wie meine Charaktere reden. Ich überarbeite gerade ein Buch, in dem meine sehr junge (erwachsene) Protagonistin durchaus Gebrauch von Füllwörtern und natürlich auch von beschreibenden Adjektiven macht, weil es zu ihrer Sprache passt und weil sie dadurch lebendiger wirkt. So verhält es sich auch mit meinen anderen Charakteren. Klar gibt es diejenigen, die sehr nüchtern und rein informativ sind und sprechen, aber ich habe mehr Spaß am Lesen, wenn der Text flüssig und in sich stimmig wirkt, was für mich ein Effekt ist, der (unter anderem) durch Füllwörter hervorgerufen wird.
Es gibt allerdings sicher auch Füllwörter, die ich hasse und die ich immer meide. Ich würde niemals einen Charakter "Halt" außerhalb der Bedeutung von "Stopp!" verwenden lassen. "Weil das halt so war." Das klingt für mich einfach doof. "Eben" dagegen hat so ziemlich genau die gleiche Bedeutung, hört sich in meinen Ohren viel besser und außerdem deutlich gehobener (wenn auch nicht zu gehoben) an und darf in meinen Texten deshalb gerne Verwendung finden.

caity

#8
Es gibt ja Tools, mit denen man sich "Füllwörter" anzeigen lassen kann und die auch Beispiele von bekannten Autoren liefern. Bei der Letter-Factory findet sich unter anderem Goethe, der ja etwa deiner Zeit entsprechen sollte @Cailyn. Interessanterweise ist Prozentual gesehen gar kein so großer Unterschied zwischen den verschiedenen Zeiten zu sehen. Dialoglastige Texte scheinen aber tatsächlich mehr Füllwörter zu enthalten.
Grundsätzlich ist Deutsch eine Sprache, die im Vergleich zu anderen Sprachen viele Füllwörter kennt und auch verwendet. Ich habe mich früher eine Zeit lang bemüht, Füllwörter so gut es ging zu streichen. Das hatte zur Folge, dass meine Texte häufig holperten. Mittlerweile verlasse ich mich auf mein Bauchgefühl. Ein Textabschnitt muss beim leisen oder lauten Lesen melodisch klingen. Stört mich ein Füllwort, schmeiße ich es raus. Fehlt mir eines, setze ich es dazu. An eine bestimmte Regel halte ich mich nicht mehr und fühle mich damit deutlich wohler als noch zu der Zeit, da ich sie auf Teufel komm raus reduzieren wollte  ;D Ich denke, um sich der Bedeutung von Füllwörtern bewusst zu werden, ist es durchaus hilfreich, sich auf sie zu konzentrieren und ihre "Daseinsberechtigung" zu hinterfragen. Letztlich gibt es aber meiner Meinung nach keine "da mehr - da weniger"-Regel.
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Cailyn

Danke für eure Antworten.

Ja. das Schreiblabor nutze ich auch. Ist manchmal ganz praktisch. Aber ich finde es auch aufwändig, den ganzen Text so durchzugehen.

Shedzyala
Ja, das mit dem Flair ist auch ein Hauptanliegen von mir. Ich habe lustigerweise sogar stellenweise Füllwörter eingefügt, die ich sonst nicht verwenden würde, weil man daran den Geist der Zeit so schön erkennt.

Aphelion und Churke
Nein, im 19. Jahrhundert waren Füllwörter kein Merkmal. Aber Füllwörter können auf einfache Weise ein (wie Shedzyala sagt) altmodisches Flair in moderne Sätze bringen. Ich habe bei meinem Text bemerkt, dass ein paar Füllwörter - vor allem in Dialogen - die old-fashioned-Wirkung deutlich erhöhen. Es spielt dann gar nicht so eine Rolle, ob sie damals Füllwörter benutzten oder nicht. Schreiben wie im 19. Jrh. will ich ohnehin nicht. Es geht mehr um die Wirkung als um geschichtlich korrekte Authentizität.

Mietzekatzmaus
Ja, es gibt auch Grenzen, was Füllwörter anbelangt. "Halt" würde ich auch nie benutzen. Das ist dann halt ( ;)) schon Umgangssprache.

Caity
Ja, ich habe den Füllwörter-Anteil von Göthe gesehen. Satte 8-komma-irgendwas %. Bei meinem Textausschnitt waren es nur 4.2  ;D
Das mit dem Holpern kenne ich auch. Es nimmt dem Text den Fluss, und ich denke, das ist für viele Leser auch nicht angenehm.

Evanesca Feuerblut
Du sagst was ganz Wichtiges mit dem Informationsgehalt. Ich glaub, daran werde ich mich halten, wenn ich den Text nochmals im Detail durchackere.

Zitkalasa
Nein, übertreiben würde ich es auch nicht, weder mit Füllwörter benutzen, noch mit streichen. Aber das Mittelmass zu finden, finde ich dennoch schwer.

Aphelion

Zitat von: Cailyn am 17. März 2017, 20:29:12
Ich habe bei meinem Text bemerkt, dass ein paar Füllwörter - vor allem in Dialogen - die old-fashioned-Wirkung deutlich erhöhen.
Mir geht es auch nicht darum, dass du authentisch schreiben sollst, das hast du falsch verstanden.

Flair entsteht (u.a.) durch Wortwahl und Satzbau, vollkommen unabhängig davon, ob deine Wörter Füllwörter sind oder nicht. :)

Klecks

Füllwörter sind so ein Thema, bei dem ich mich frage: Wer hat eigentlich entschieden, dass man Füllwörter vermeiden sollte und dass Füllwörter zu benutzen als nicht so optimal angesehen wird?  :hmmm:  Und ich frage mich das als jemand, der von sich glaubt, eher wenige davon zu benutzen. Ich mag nur diese großen und kleinen "Vorschriften" rund ums Thema Schreiben generell nicht, weil sie den Stil einschränken, den man eventuell hat. Auch, weil das etwas so Individuelles ist - genau wie die Frage, was "zu viele Adjektive" bedeutet. Meine erste Lektorin hat mich für meinen emotionalen, gefühlsbetonten Schreibstil gelobt. Meine zweite Lektorin hat mir Adjektivitis diagnostiziert und fand es furchtbar. Bei allem gibt es ein "zu viel", also auch bei Füllwörtern und Adjektiven, aber solange ein Absatz nicht nur so davon strotzt, würde ich mir darüber keine Gedanken machen, vor allem, wenn man das Gefühl hat, dass es zur Prota/zum Prota passt. Dass das passt, ist für mich die oberste Priorität.  :D

Czara Niyaha

Ich neige oftmals dazu es mit meinen Füllwörtern zu übertreiben. Mir würde es glaube ganz gut tun, hin und wieder mal auf meine emotionale Bremse zu treten.  ;)

Zitat von: Klecks am 18. März 2017, 10:01:59
Meine erste Lektorin hat mich für meinen emotionalen, gefühlsbetonten Schreibstil gelobt. Meine zweite Lektorin hat mir Adjektivitis diagnostiziert und fand es furchtbar. Bei allem gibt es ein "zu viel", also auch bei Füllwörtern und Adjektiven, aber solange ein Absatz nicht nur so davon strotzt, würde ich mir darüber keine Gedanken machen, vor allem, wenn man das Gefühl hat, dass es zur Prota/zum Prota passt. Dass das passt, ist für mich die oberste Priorität.  :D

Ich denke, das Beispiel von Klecks trifft es auf den Punkt. Es kommt immer auf den Leser an, wie er das Geschriebene empfindet. Es gibt Menschen, die werden von der Welle der Emotionen  mitgerissen und dann gibt aber jene, und ein Gefühl sagt mir, das dass vermutlich der größere Teil ist, die lieber Texte lesen, die nicht so lyrisch geprägt sind, sondern mehr durch Handlung und Aktion leben. Aber vielleicht liege ich ja auch falsch mit meiner Vermutung, dann lasse ich mich gerne eines besseren belehren! Ich will mit meiner Aussage keinesfalls die Qualität eines Textes anzweifeln. Ich bin der Meinung, dass jeder seinem Schreibstil treu bleiben soll, was aber nicht heißt, dass man Kritik und Tipps anderer nicht nutzen sollte, um sich zu verbessern.

Füllwörter/Adjektive ja, aber in einem ausgeglichenen Mittelweg! (Den ich derzeit selber noch suche... *hust*, wie mir ein aktuelles Projekt zeigt!)
Solange es Visionäre und Träumer gibt, die den Funken der Hoffnung in sich tragen und das Licht in den Herzen anderer entzünden, ist diese Welt nicht verloren.

(Eden Chry'Salis)

Carl

Die Satzmelodie ist entscheidend. Wenn ich beim laut lesen stolpere dann bleibt das Füllwort drin, wenn ich den Satz nicht umstellen kann. Sonst wird ein Roman zu einem wissenschaftlichen Bericht.

Tinnue

Da jetzt schon recht viel dazu geschrieben wurde, will ich gar nicht so tief darauf eingehen. Ich muss gestehen, ich habe leider gar nicht so Zeit, mir alle Beiträge so genau durchzulesen, um jetzt auf etwas einzugehen ohne, dass ich evtl etwas falsch interpetiere.
So ein Universalgesetzt seh ich da nicht. Wenn ich lese oder selbst etwas schreibe, habe ich oft das Gefühl "Oh,das bläht nur unnötig auf", dann empfinde ich es auch als Füllwört und würde es gern aus dem Projekt/dem Roman streichen, den ich in der Hand halte. Widerum hatte ich manchmal Texte gelesen, die mir durch das "Ich darf nicht zu viele Adjektive etc nutzen" etwas leblos und kühl erschienen. Ich meine, ja, wenn alles voller Adjektive und sehr blumig ist, gewinnt der Text dadurch auch nicht (immer), da wirkte mir manches auch zu überladen. Aber, und das "Problem" hatte ich eine Zeit lang selbst, zu versuchen das auf Teufel komm raus zu vermeiden, ist auch nicht unbedingt immer das Wahre. Manchmal ist ein Wort vielleicht nicht unbedingt nötig, es passt aber vielleicht zu der Sprache, der Zeit, dem Charakter, dem Stil des Buches, vielleicht doch hin und wieder welche zu setzen, auch wenn sie vielleicht nicht 100% nötig sind. Gerade beim Charakter kann es sein, dass die Art zu sprechen oder die geschriebene Sprache ihm oder dem Roman mehr Individualität verleiht, weil die Wortwahl/Sprache das noch einmal unterstreicht und abrundet.