• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Realismus in der Fantasy

Begonnen von Moni, 01. Januar 1970, 01:00:00

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 2 Gäste betrachten dieses Thema.

Moni

Vor einiger Zeit hatten wir in den Kampfszenen und auch nebenher immer mal kurze Diskussionen über Realismus in der Fantasy. Wie realistisch sollten Szenen beschrieben sein, egal ob es nun um leben, lieben oder sterben geht?
Ist die Entwicklung einer Fantasywelt dem Realismus unterzuordnen? Müssen Naturgesetze strikt beachtet werden (Mondphasen, Auswirkung von mehr als einem Mond auf die Gezeiten...) oder darf man quasi machen was man will?

Ich mache mal gleich den Anfang: ich bin für Realismus, aber nur, wenn er der Geschichte dient, nicht umgekehrt. Naturgesetze gelten auch in einer Fantasywelt, denn sogar wenn es eine Scheibe auf dem Rücken von vier Elefanten, die auf einer Schildkröte stehen ist, wird diese Welt bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterworfen.
Jeder, der den Herrn der Ringe mit einiger Aufmerksamkeit gelesen hat, weiß, wieviel Wert Tolkien darauf gelegt hat, die korrekte Mondphase anzugeben oder Wetter- und Klimabedingungen den einzelnen Regionen Mittelerdes angepaßt hat. Das ganze dient der Glaubwürdigkeit der Geschichte. Denn je abstrakter eine Welt wird, je mehr phantastische Wesen sich in ihr tummeln, desto glaubwürdiger muß sie meiner Meinung nach in Einzelheiten sein, die der Leser als Bindeglied zu unserer tatsächlichen Welt sieht.
Ich achte darauf, meinen Welten nicht mehr als einen Mond zu geben, denn ich habe nicht die leiseste Ahnugn, auf welche Weise das Einfluß auf Klima und Gezeiten eines Planeten hat.
Die Naturgesetze unserer Welt gelten auch für die Bewohner meiner Welten, aber es gibt die Möglichkeit, sich durch Magie oder Ähnliches zumindest teilweise darüber zu erheben.
Wenn jeder eine Wand hochlaufen kann, im Dunkel sehen, ein Feuer durch Gedanken verlöschen oder entfachen kann, wird die Geschichte langweilig. Wenn nur einzelne durch ihre spezielle Begabung dazu in der Lage sind, paßt es wieder.

Realismus ist ein zweischneidiges Schwert, denke ich. Wird zu viel Wert darauf gelegt, verliert die Welt vielleicht einen Teil ihrer Fantasie, zu wenig und man hat ein Kaleidoskop von aneinandergereihten Unmöglichkeiten.

Moni

Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Arielen

Dazu kann ich das beitragen. Für nachfolgenden Artikel bin ich früher in mehreren Foren und Fanzines fast geschlachtet worden. O-Ton: "Wir schreiben kein Mittelalter sondern Fantasy", während es in gesellschaftlichen Dingen, speziell der Stellung der Frau immer hieß, "Das war in der mittelalterlichen Gesellschaft eben so" Paradox, nicht?


Die kleinen Fehler der Fantasy


Einige kleine Anmerkungen

Die Vergangenheit war weniger grandios und prachtvoll wie uns Filme und Bücher weismachen wollen, auch wenn sich in den letzten Jahren viel verändert hat. Neuere Historien-, aber auch Fantasy-Filme zeigen eine weitaus schmutzigere und derbere Vergangenheit, als die bunten Werke der 50ger bis 70ger. Auch in den Geschichten geht es realistischer zu.
Als ich diesen Artikel vor ein paar Jahren schon einmal veröffentlichte, gab es manchmal Proteste - ich würde die Fantasy madig machen. Sie sei schließlich kein Mittelalter, und die Menschen einer erfundenen Welt, könnten natürlich schon Erfindungen und Entwicklungen benutzen, die für uns heute selbstverständlich sind. Interessant ist in diesem Zusammenhang allerdings die Tatsache, daß wenn es um gesellschaftliche Dinge ging (v. a. um die Stellung der Frau), genau die andere Rede geführt wurde: Im Mittelalter sei es schließlich so gewesen.
Warum dann aber ein solcher Artikel?
Ich finde es inspirierend, anhand solcher Kriterien neue Ideen zu entwickeln. Natürlich möchte ich auch mir nicht den Spaß verderben, eine viel buntere und sauberere Fantasy-Welt zu erschaffen, aber ich habe schon manch eine Idee für eine Geschichte daraus gewonnen, indem ich mir die Anregungen ansah und dadurch Kriterien für die Suche nach einem Mörder gewann, der sich leider durch einen unangenehmen Geruch (oder die Übertünchung desselben gewann). Darum geht es mir in dieser Betrachtung.
Und noch eines: Der Artikel lehnt sich zwar sehr stark an Poul Andersons Artikel "Pfusch und Schlamperei in der Fantasy" an, ist aber mitnichten abgeschrieben. Ich habe mich mit seinen Äußerungen auseinander gesetzt, versucht die Essenz aus den Anmerkungen zu erfassen und diese mit eigenen Entdeckungen und Erfahrungen ergänzt.


Der grau-bunte Alltag

Man stelle sich eine mittelalterliche Siedlung vor, egal ob Stadt oder Dorf. Auch wenn es Bestimmungen gab, Abmessungen mit denen versucht wurde, zu verhindern, daß Häuser nahe aneinander standen, weit voneinander waren die Bauwerke oft nicht, wenn nur kleine Gassen an ihnen entlang führte. Das Leben fand - anders als heute - zumeist auf der Straße statt: Handel, alltägliche Verrichtungen, ja sogar das Kochen, denn nicht jedes Haus hatte schon eine Küche. Ein Passant mußte aufpassen, nicht über Unrat, herumrennende (halb-)nackte Kinder oder Tiere zu stolpern, oder von oben beworfen zu werden.
Und dann gab es in vielen Städten noch die Abwassergräben und Abfallgruben, aus denen es 'verführerisch' duftete. Kurzum - neben der Tortur für Augen und Ohren, die der Wagen- und Karrenverkehr, die herumstreunenden Tiere, die vielen Menschen mit sich brachten, wurde auch noch der Geruchssinn abgestumpft.
Für einen Menschen dieser Zeit ist der Gestank, der mit sich allerlei anderen Düften aus Kochstuben und Ställen vermischt, natürlich ganz normal. Nicht zu vergessen ist, daß er oder sie selber ordentlich stinkt: Nicht unbedingt nach Parfüm oder Seife, denn beides war recht teuer...
Die damaligen Menschen waren - trotz der Badehäuser in den Städten nicht unbedingt immer ein Ausbund an Sauberkeit. All die kleinen Dinge, die wir heute so selbstverständlich benutzen, und ohne die niemand mehr auskommt - seien es parfümierte Seifen, Shampoo oder Duftwässer waren Luxusartikel, die sich gerade einmal die Reichen gönnten.
Wusch man den Körper in einem der Badehäuser, so hieß daß noch lange nicht, daß das mit den Kleider genauso war.
Die unteren Schichten besaßen oft nicht einmal mehr als zwei, drei Garnituren, die auf keinen Fall täglich gewechselt wurden. Warum sollte ein hart arbeitender Mensch jeden Morgen mit sauberen Gewändern beginnen, nur um am Abend wieder verschwitzt und dreckig zu sein? Kleider mußten über Jahre halten und wurden bei Kindern an die jüngeren Geschwister vererbt und immer wieder geflickt.
Schließlich dauerte es recht lange, um einen Tuchstreifen herzustellen, und damit waren Stoffe für die unteren Schichten ein Artikel, den man nur dann erwarb, wenn es unbedingt notwendig war. Auch im Adel wurden Gewänder über Jahre bewahrt, wenngleich es für die oberen Schichten schon eher eine Selbstverständlichkeit war, eine größere Garderobe zu besitzen. Jedes neue Kleidungsstück war und blieb - je nach Güte, eine teure Anschaffung, die man sich genau überlegte.
Deshalb wurden Gewänder so selten wie möglich gewaschen - denn jede Reinigung nutzte das Gewebe ein bißchen stärker ab. Im Winter trug man lieber seine Tagesgewänder, um sich warmzuhalten, als unnötig zu heizen. Die Armen hatten ohnehin keine Wechselwäsche für die Nacht. Außerdem war es nicht unbedingt spaßig, sich in den kalten Fluß zu stellen und die Wäsche zu reinigen. In manchen Gegenden wurden daher die Gewänder erst nach dem Winter gewaschen, wenn die Temperaturen wieder höher waren.
Und wie sah es für die Reisenden aus? Auch nicht unbedingt besser! In der Nacht - wenn man nicht gerade in einer Herberge einkehrte (und selbst da) war es ratsam, angezogen zu schlafen, um jederzeit auf den Beinen zu sein, und seinen Besitz nicht zu verlieren. Diebe und Räuber waren überall - und selbst Stiefel oder Umhänge waren eine brauchbare Beute. Denn schon damals florierte der Handel mit bereits getragenen Gewändern (die ja immerhin erschwinglicher waren als neue).
Die Reisenden hatten wichtigere Dinge zu tun, als sich reinlich zu halten, vor allem wenn sie unter freiem Himmel übernachteten.

Auch die Nahrung war nicht so fein und ansehnlich wie heute. Fleisch war sehnig und fettig und konnte oft nur durch starke Salzung (was den Wasser- oder Weinverbrauch beim Essen in die Höhe schnellen ließ) oder Trocknung (eine Tortur für die Zähne, die ohnehin schon schwer zu beißen hatten) haltbar gemacht werden. Daß es manchmal schon leicht in Verwesung überging, nahm man gelassen hin - das machte es schön mürbe oder zart oder abgehangen ... Ich möchte bloß nicht wissen, wie es im (halb-)rohen Zustand ausgesehen hat.
Die kleine Fleischbeigabe im Grünzeug - Gemüsen und Früchten, die kleiner und unansehnlicher waren als unsere heutigen Sorten - wurden ebenfalls begrüßt, weil Fleischmahlzeiten auch für die Adligen (und vor allem gegen Ende des Winters) keine Alltäglichkeit waren. Die unteren Klassen konnten allenfalls an hohen Feier- oder besonderen Festtagen davon träumen, etwas anderes als Eintöpfe und Getreidebreie zu verspeisen. Der feine Steinstaub der Mühlräder, der in das Mehl geriet, schliff die Zähne auch noch gründlich ab und erschwerte das Kauen.
Zwar vermochte man durch Kräuter etwas Abwechslung im Geschmack zu erzielen, aber eine breite Auswahl von Speisen kannten nur die Reichen.

So ist klar, warum die Mägen unserer Vorfahren nicht so leicht zu schrecken waren und einiges mehr als unsere heutigen aushalten konnten. Auch waren im Mittelalter keine wirklich schnellwirkenden Gifte bekannt.
"Ich kenne Giftrezepte aus der Renaissance, bei dennen sich die Frage stellt, wie man jemand dazu bringen soll, soviel von diesem ekligen Zeug herunterzuschlingen, daß er ernsthaft Schaden nimmt. Arsen war so ziemlich das tödlichste, was man bekommen konnte, außerdem gab es Schierling, Giftpilze und gemahlenes Glas. Das Problem bestand normalerweise darin, den Geschmack zu verbergen. Nur wenn man es wirklich schaffte, jemand eine tödliche Dosis zu verabreichen, so dürfte er in den seltensten Fällen auf der Stelle tot umgefallen sein.
Er würde bis zu seinem Hinscheiden noch einen unangenehm lange Zeit auf den Beinen sein. Ich könnte mir eher vorstellen, daß eine Menge der Todesfälle, die als Giftmorde überliefert sind, in Wirklichkeit auf Lebensmittelvergiftungen oder ähnlichem beruhten." (*)

Schließlich war die mittelalterliche Medizin (auch wenn die auf die Kenntnisse des Altertums und der Sarazenen zurückgriff) im Erkennen von Giften und Drogen nicht so ausgereift, daß "Doping"-Kontrollen, das Ermitteln des Giftes und eine schnelle Herstellung des Gegengiftes nur in den seltensten Fällen Erfolg brachten.
Und so konnte von Absicht oder Zufall gelenktes Sterben nicht genau voneinander unterschieden werden. Bei vielen bedeutenden Personen wurde daher lieber gleich an ein Verbrechen gedacht. Und so manch ein Unschuldiger mußte daran glauben: mißliebige Günstlinge, Kritiker und lästige Verwandte, aber auch Arme, Andersgläubige und Fremde, die keine Unterstützung finden konnten...


Auf Reisen

Im Mittelalter sahen nur wenige Menschen mehr als den Landstrich oder die Stadt in der er oder sie geboren worden waren und wieder sterben würden. Die Bauern waren zum überwiegenden Teil Leibeigene, die an den Grundbesitz ihres Herren gebunden waren und dies nicht ohne Erlaubnis verlassen durften - die Städter hatten zum überwiegenden Teil Auskommen in ihrem Heimatort.
So waren nur Fernhändler unterwegs, Handwerksgesellen, Söldner, Gaukler, und die Vertriebenen, die keine andere Wahl hatten. Das fahrende Volk brachte auf der einen Seiten Nachrichten von Ort zu Ort, auf der anderen Seite kannten die Sesshaften sie nicht. Das waren Fremde, die mißtrauisch beäugt wurden. Wer keinen Leumund besaß, der mußte beweisen, daß er nichts Übles im Sinn hatte: Plünderung, Raub, Mord, Schändung und Diebstahl. Man konnte die Unbekannten nicht einschätzen, vielleicht hatten sie sogar den Auftrag, das Dorf oder die Stadt dem Feind auszuliefern oder sie zu vernichten. So ist z. B. überliefert, daß um 1500 dänische Stadtväter Fremde nur mit überzeugenden Empfehlungen einließen, weil sie fürchteten, daß unter den Reisenden Brandstifter sein konnten, die die ohnehin hohe Brandgefahr in den Städten noch erhöhen mochten.
Gilden und Zünfte beäugten Neuankömmlinge argwöhnisch, da sie meist in sich geschlossen waren, und nicht immer wollten sie Wandergesellen in ihre Reihen aufnehmen. So waren die Bestimmungen, die diese auf sich nehmen mußten recht streng.
Nicht vergessen werden durfte, daß Fremde auch Seuchen, wie die um 1350 von Venedig ausgehende Pest, in eine Siedlung einschleppen konnte.
So war es klar, daß nur der reiste, der unbedingt mußte, keine Wahl hatte, oder - ausnahmsweise - Spaß daran fand.
Auch die Reise selber war gefährlich. Die meiste Zeit war man auf schlammigen, unebenen Wegen unterwegs. Militärstraßen waren selten genug und dienten anderen Zwecken. Nicht wenige wurde aufgegeben oder zerstört, wie es das Schicksal alter römischer Heerstraßen war, mit denen die einfachen Landbewohner nichts anfangen konnten (und gleich das vorbereitete Baumaterial für ihre Hütten nutzten).
Flüsse oder Bäche, die natürlich nur in den seltensten Fällen begradigt oder gestaut waren, durchquerte man an Furten (wobei man viel Zeit verlieren konnte und große Umwege in Kauf nehmen mußte) oder man konnte eine der wenigen Brücken benutzen, die fast immer mit einem nicht unerheblichen Wegezoll belegt waren.
Karren, Wagen und Kutschen konnten in nicht allzu wilden Gegenden benutzt werden, doch wenn man an den Zustand der Straßen denkt, und die natürlich nicht vorhandene Federung der Wagen, dürfte das auch nicht so angenehm gewesen sein: Die Reisenden wurden mit ziemlicher Sicherheit kräftig durchgeschüttelt und waren am Ende der Reise froh, wenn sie mit ein paar blauen Flecken davonkamen.
Aber auch die Kutschpferde litten unter den Strapazen. Noch im 16. Jh. betrug die Lebensdauer einer solch armen Kreatur selten länger als vier Jahre.
Auch als Reiter hatte man so seine Probleme:
"Man kann nicht stundenlang galloppieren. Das Pferd bricht irgendwann zusammen. Das beste ist, öfter den Schritt zu wechseln oder eines oder zwei frische Pferde mitzuführen. Außerdem brauchen die Tiere angemessene Pausen. Man darf sie nicht hemmungslos fressen oder saufen lassen, weil sie sich sonst so vollstopfen, daß sie sich kaum noch bewegen können. Im Grunde ist so ein Pferd ein recht empfindliches Wesen, das viel Aufmerksamkeit erfordert - man muß es zum Beispiel nach einem anstrengenden Ritt gut abreiben - wenn es nicht krank werden und womöglich sterben soll. Außerdem sind Pferde faul, dumm und manchmal hinterhältig. All das muß ein Reiter im Griff haben." (*)
Vor allem braucht man auch Erfahrung und Übung als Reiter, um mit einem fremden, womöglich noch halbwilden Tier fertig zu werden? So mögen eine Unterstadt-Diebin, oder ein junger Gelehrter, der die meiste Zeit seines Lebens im Studierzimmer verbracht hat keine passablen Reiter sein, vor allem nicht zu Beginn einer Reise, und selbst bei einem alten sanften Tier Vorsicht zeigen.
Auch sind Hengste keine guten Schlachtrösser oder Kampfpferde, weil sie völlig ausrasten, wenn sie eine rossige Stute sehen (oder in die Nähe einer menstruierenden Frau geraten. Aber wer weiß - vielleicht ist manch eine wilde Attacke auf einem Hengst geritten, der einfach nur zur Stute wollte. Erfahrene Reiter vertrauen also eher auf Wallache oder weibliche Tiere.

Auch sollte die Kleidung eines Reiters angemessen sein. Pferdehaar hat die Wirkung von Sandpapier und ist bei längeren Ritten sicherlich "sehr angenehm", liegt bei nackten Beinen und vor allem Oberschenkeln keine weiche Pferdedecke unter. Viele Sword & Sorcery-Helden folgen ja der beinfreien Fellröckchen- & -höschen-Mode.
Und dazu noch Sättel aus Holz oder Leder - zwei Welten treffen aufeinander. Jeder passionierte heutige Reiter kann bestätigen, wie schnell man sich die Haut wundreibt und einklemmt, wenn man in Shorts auf Sätteln reitet. Viel Reiterhosen sind ja auf den Schenkelinnenseiten verstärkt.
Steigbügel wurden übrigens erst durch die Reitervölker der Völkerwanderung in das klassische Europa gebracht, die römischen "equites" mußten noch ohne diese Hilfe ihr Geschick beweisen.

Eine Schiffsreise wird ebenfalls kein Zuckerschlecken gewesen sein. Man mußte mit Flauten oder ungünstigem Wind rechnen, und oft lagen Schiffe monatelang in Häfen, weil sie diese nicht verlassen konnten. Manche Orte konnten nur in bestimmten Monaten angefahren werden oder mit dem Einsatz von Ruderkraft (und nach der Antike gab es kaum noch Galeeren) in Buchten gezogen werden.
Der Steuermann orientierte sich eh weniger an den ziemlich ungenauen Karten (die ja stellenweise abenteuerlich aussahen), und Meßgeräten (Sextanten oder Kompasse waren selten und teuer), als an Sternenhimmel, Tangfeldern, Vogelflug und Windrichtungen. Wie leicht konnte man durch einen unerwarteten Sturm in unbekannte Gewässer abdriften, in denen man sich erst neu orientieren mußte.
Die Hochseeschiffahrt war ein, Jahre dauerndes, Abenteuer, bei dem die Mannschaft nicht selten durch Hunger, Durst und Skorbut dezimiert wurde. Die Küstenschiffahrt war üblich und viel sicherer. Die Galleren konnten sich wegen der Ruderluken nicht der hohen Wellen der Tiefsee aussetzen - wie schnell wären Tri- oder Diremen da von selber gesunken. Auch die Ruderer, waren sie nicht gerade freie Männer, galten als Unsichrheitsfaktor.
Neben den Umweltgefahren behinderten noch andere das Reisen. Die Wildnis beherbergte noch Wolfsrudel und andere Raubtiere, die in sich in Notzeiten auch über die Menschen hermachten, wenn die sonst zu scheu waren.
Nicht zu vergessen sind die Räuber, Piraten und Wegelagerer, die sich ihren Teil an Waren und Gold sicherten. In unwirtlichen Gebieten - dünn besiedelten Bergregionen und Wäldern, aber auch auf offener See konnte man schnell in einen Hinterhalt geraten. Nicht selten steckten Herbergswirte oder ganze Dörfer mit den Banditen unter einer Decke, oder lieferten diesen lieber die Fremden aus, als sich ständig tyrannisieren zu lassen. Man verlor Habe oder Leben, manchmal fand man sich auch auf einem Sklavenmarkt oder in einem Verlies wieder.
Aber auch ehrliche Bürger werden manchmal zu drastischen Mitteln gegriffen haben, um sich Fremde fern zu halten. "Ausländerhaß" gab es schon damals und führte ab und zu zu drastischen Verfolgungen. Viele der späteren Vorurteile gründen in dieser Zeit: die von dem diebischen fahrenden Volk und Bettlern, den unehrlichen Wandergesellen, den gefährlichen Söldnern, den bösen Fremden ...


Waffen und Krieger

Wie leicht und unbeschwert schwingen die Helden der Fantasy-Filme und Romane doch ihre schweren Waffen, durchstechen die Panzerung ihrer Gegner oder spalten Köpfe und andere Körperteile.
Die Filmemacher und Autoren gehen hier von Waffen moderner Fertigungsweise aus. In der Vergangenheit waren Schwerter unhandliche, schwere und leicht zu brechende Stangen aus spröden Metall, die man nur mit großer Übung und nicht auf Dauer einhändig schwingen konnte, ohne sich größere Armgelenkschäden zu holen. Wie früh dürfte die Karriere eines aufstrebenden Kämpfers durch einen Sehnenriß oder eine Schulterzerrung zum falschen Zeitpunkt beendet gewesen sein. Ein gutes Beispiel sind unsere heutigen Tennisspieler - Wie viele von ihnen tragen nach den drei bis sechs Jahren ihres Ruhms nicht dauerhafte Körperschäden davon, die die Medizin nur noch lindern kann?
Für Reiter waren Schwert sinnlose Waffen, da mit den geraden Klingen gerade einmal auf die zu Fuß kämpfenden Gegner eingedroschen werden konnte, was mit Streitkolben oder Axt bei weiten effektiver war.
Auch werden Kämpfer, die mit diesen schweren, unhandlichen Waffen umgehen mußten weniger wie Bodybuilder als Catcher ausgesehen haben, bei den Muskeln kam es nicht auf Schönheit, sondern auf ihre Brauchbarkeit ein. Die Männer und wenigen Frauen werden eher ungelenk und vierschrötig gewirkt haben, schlank und gelenkig werden erst die Degen- und Florettfechter gewesen sein.

Auch das Zerstückeln von Körperteilen war nicht einfach: "Natürlich kann man den Quellen nicht immer trauen. In den im Allgemeinen realistischen isländischen Sagen finden sich einige Hinweise auf Menschen, die ihren Gegner mit einem einzigen Schlag den Kopf abtrennten. Versuchen sie das mal mit einem Schweinebraten und sehen sie, wie weit sie kommen. Man könnte es mit den besten der klassischen, japanischen Schwertern schaffen, die nach allen Regeln der Schmiedekunst hergestellt worden sind. Allerdings muß man eine solche Waffe sehr behutsam behandeln, um sich nicht zu ruinieren. Eine Berührung mit einem Finger könnte schon zur Korrosion finden.
Die gröberen europäischen Klingen sind empfindlicher als man gewöhnlich glaubt, besonders wenn sie aus Bronze oder mittelalterlichem Stahl hergestellt sind. Sie werden schnell stumpf und verwandeln sich in bloße Prügel, und oft verbiegen sie sich und müssen mit dem Fuß und einem Fluch wieder gerichtet werden. Außerdem brechen sie leicht. Und nicht einmal mit einem Samuraischwert kann man einen Panzer durchschlagen. Jeder Panzer hat natürlich seine schwachen Punkte, allerdings nicht, weil er durchschlagen oder gespalten werden könnte...
...Jeder Panzer könnte von einem Pfeil durchbohrt werden, der scharf genug von einem Bogen oder einer Armbrust abgeschossen wird, doch diese Waffen unterliegen gewissen Einschränkungen. Ich erwähnte bereits wieviel Training erforderlich ist, um Bogen und Pfeil effektiv benutzen zu können...."

Auch ist das Herz nicht so leicht zu erreichen, wie immer geglaubt wurde. Die Rippen schützen die Organe des Brustkorbes gut, und eine Klinge, die nicht an ihnen abgleitet sollte mindestens 8-12 cm lang sein, um das Herz zu erreichen und das Leben des Gegners schnell zu beenden, und ihm nicht auch noch Gegenwehr zu erlauben, die in den Augenblicken des Sterbens heftiger sein kann als gedacht...
Am ungeschütztesten ist auch in Rüstungen immer noch der Hals- und Nackenbereich, eventuell auch das Gesicht. Mit einer Hiebwaffe kann man immer noch den Schädel zertrümmern, Knochen brechen oder die Rüstung unangenehm eindellen.
So versteht es sich von selber, warum die Henker ihre Schwerter und Beile mit aller Sorgfalt pflegten, um ja nicht zum Schlächter zu werden.
Übrigens sind die wenigsten Menschen, wenn sie bewußtlos geschlagen wurden, kurz nach ihrem Erwachen schon wieder voll einsatzfähig. Selbst die mit einer leichten oder ansatzweisen Gehirnerschütterung leiden oft Stunden, Tage oder Wochen danach an der Wirkung von denen Schwindel und Übelkeit nur die geringsten sind. Ein schwerer Schlag gegen den Kopf hat schon manchen zum lallenden Idioten gemacht oder gelähmt...
Das "Beschädigen von Menschen" ist also zum einen gar nicht so leicht wie immer wie vermutet, und wenn man Pech hat, mit schweren Nachwirkungen verbunden...

Quellen und Zitate:

"Pfusch und Schlamperei in der Fantasy" - ein Artikel von Poul Anderson in der Collection "Das Tor der fliegenden Messer" (H 4326, 1986).

Christel Scheja
1990/91/96
Alles liegt im Auge des Betrachters

Lomax

ZitatIch mache mal gleich den Anfang: ich bin für Realismus, aber nur, wenn er der Geschichte dient, nicht umgekehrt.

Nun, ich bin eigentlich immer sehr für Realismus, und das nicht nur, wenn er der Geschichte dient. Im Zweifel muss sich die Geschichte dem Realismus unterordnen, und wenn ich etwas habe, das gut für die Geschichte wäre, aber Unrealistisch, würde ich trotzdem sagen, dass ich es nicht einfach nehmen kann - vielmehr müsste ich dann den Hintergrund anpassen und vieles andere, damit die gewünschte Wendung oder eine Ähnliche realistisch WIRD. Denn ich glaube, dass etwas, was der Geschichte dient, sie letztlich doch kaputt macht, wenn jeder darüber stolpert, dass es an den Haaren herbeigezogen ist. Oder sie entwertet die Geschichte zumindest, wenn ICH weiß, dass ich Blödsinn geschrieben habe.

Zum Realismus zählen bei mir nicht unbedingt nur Naturgesetze, sondern vor allem auch gesellschaftliche Verhältnisse. Als Historiker weiß ich, dass die meisten Gegebenheiten des menschlichen Miteinanders sich nicht zufällig entwickelt haben, sondern auf handfesten ökonomischen Zwängen beruhen. Ich hätte Probleme, eine Welt zu beschreiben, die von allen materiellen Gegebenheiten her mittelalterlich ist, aber trotzdem beispielsweise "moderne" gesellschaftliche Züge aufweist. Ich würde mich immer fragen: Woher kommt das? Und wenn es nicht aus der Welt erklärbar ist, muss ich die Welt entsprechend ändern.

Aber natürlich gibt es nie eine 1:1 Beziehung zwischen materieller und kultureller Umwelt. Ein und dieselben Voraussetzungen können trotzdem unterschiedliche Kulturen tragen, und so hat man viel Raum zum experimentieren, ohne das es gleich unrealistisch wird.

Außerdem konnte ich schon beim Rollenspiel feststellen, wie viele verschiedene Vorstellungen von "Realismus" es gibt. Viele Leser sagen "Unrealistisch" und meinen dabei nur, dass sie es sich anders vorstellen bzw. es so noch nie erlebt haben. Aber natürlich soll gute Literatur dem Leser auch etwas Neues bieten und den Erfahrungshorizont erweitern, und so wäre es falsch, umstrittene Punkte zu vermeiden, nur weil jemand es für Unrealistisch halten könnte.

Praktisches Beispiel: In einer Kurzgeschichte agieren die Protagonisten in einer verschneiten und nebligen Landschaft. Nun haben mir schon einige Leute zu erklären versucht, dass Schnee und Nebel nicht zusammen passen, zum Teil mit sehr ausgefeilten metereologischen Ansätzen. Nur leider basiert die Geschichte auf Erfahrung, und ich habe bei der Bundeswehr selbst während einiger Wachen im Schnee gestanden und konnte die Hand vor Augen nicht sehen wegen des Nebels. Und so kann ich den Kritikern sagen: Lest und lernt, wenn ihr schon nicht oft genug draußen seid, um selbst zu erleben. Die Wirklichkeit lässt sich nicht wegdiskutieren und stimmt nicht unbedingt mit dem überein, was nur logisch KLINGT.

Also, in diesem Spannungsfeld geht die Frage nach dem Realismus in Geschichten mitunter schon über einfach ja/nein-Antworten hinaus. Auch Magie ist nicht unbedingt ein Widerspruch zum Realismus, wenn die Magie selbst wiederum Gesetzen und einer inneren Logik unterliegt.

Shaevairc

@Arielen:
Hm, ich hab jetzt leider nicht alles genauestens durchgelesen, vielmehr das meiste überflogen, aber den Begriff "Fantasy" konnte ich nur in der Einleitung entdecken. Wenn ich eine Geschichte schreiben würde, die im Mittelalter spielt, fände ich es natürlich wichtig, all diese Dinge zu beachten. Aber es muss doch nicht alles Fantasy Mittelalter sein, oder? (Wobei das mal eine sehr interessante Frage wäre, über die man bestimmt nett diskutieren könnte...)
Vielleicht war es ja nicht so gemeint von dir, aber es hört sich irgendwie so an, als würdest du Mittelalter mit Fantasy gleichsetzen.

Was allgemein Realismus in Fantasy angeht: Meiner Meinung nach ist alles erlaubt, solange man es plausibel erklären kann. Warum nicht mit einem Hieb den Kopf des Gegners abhauen, wenn das Schwert aus einem speziellen, unzerbrechlichen Stoff ist.
Warum nicht jemanden innerhalb von Sekunden vergiften, wenn es auf dieser Welt eben eine Pflanze gibt, die so giftig ist.
Tut mir leid, Arielen, dass ich jetzt grad deine Beispiele hernehme, aber ich bin leider zu k.o. um mir selber was einfallen zu lassen.
Was ich sehr ansprechend in dieser Hinsicht finde, sind Mercedes Lackeys Bücher, speziell die "Mage Winds" und "Mage Storms" und die Alberich-Duologie. Hier spielen nicht nur die Magier eine tragende Rolle, nein, es werden auch schon erste technische Fortschritte gemacht. So wird zum Beispiel eine Dampfmaschine gebaut (glaub ich) und es wird zum Beispiel auch erklärt, wie man Spiegel herstellt.
Falls der Beitrag etwas konfus war, entschuldige ich mich. Ich habe leider (nein, Gott sei Dank!) ein schönes, langes Wochenende hinter mir.

Arielen

Der Artikel (und auch Poul Andersons Essay) reizen immer wieder zu Streit und Diskussionen. Im Prinzip habe ich mich auch nicht immer an besonders viel aus diesem Artikel gehalten, aber manchmal war er doch rexht Hilfreich, um eine Szene lustiger zu gestalten oder stimmungsvoller. Als das sehe ich ihn mittlerweile auch - einfach als Anregung und Ideenquelle.

KLar, Mercedes Lackey und Co. haben sich mittlerweile auch angewöhnt ein schönes Mittelmaß zwischen Realismus und Fantasy zu finden, aber das gefällt mir auch an ihren büchern - sonst hätte ich davon nicht so viel.

Letztendlich bin ich auch dafür, daß alles möglich sein sollte, solange  es nur stimmig ist, begründbar, sinnvoll und in die Handlung passend...
Alles liegt im Auge des Betrachters

Manja_Bindig

Realismus muss einfach sein. anders geht es nicht.
Ich musste zum beispiel meine ganzen Völker miteinander kreuzen, um neue Völker entsehen zu lassen... da das aber in grauer Vorzeit war, konnte ich beruhigt eine elfe mit einem Menschen kreuzen , ohne einen Dämon herauszubekommen... die Völker haben sich zu sehr ausenanderentwickelt, als dass das Ergebnis noch zu dem ersten nachfahrenergebnis zählen könnte.
Anders gesagt: Menschen stammen von den Elfen ab, Dämonen sind die Nachfahren früher Mischlinge der beiden.
Da waren Elfen und menschen genetisch noch so eng miteinander verbunden, dass es zu einer erneuten Mutation [....] führte und die Dämonen entstanden. Aber zur Zeit von rinyl haben sich Menschen und elfen so extrem weit voneinander entfernt, dass man Rinyl getrost als Halbelf bezeichnen kann - und nciht als Dämon.
Bei vyren, halb elf, halb Dämon sieht das dann andeers aus. Die Mischung reagiert ein wenig seltsam aufeinander... im späteren Verlauf der Geschichte bekommt Vyren durch seine Abstammung leicht vampirische Züge. Ich erkläre also einige spezielle körperliche eigenschaften mittels Vererbung und Mutation(gut, dass ich bei Genetik aufgepasst hab).
Außerdem ist Vyren Giftmischer, der auch noch Aphrodisiaka und Medikamente herstellt - ich hab ziemlich viele bücher durchgewälzt, um ein paar Rezepte zu finden, die ich andeutungsweise reinschreiben konnte. Kann ja Belladonnaextrakt schlecht in hoher Dosis in ein Aufputschmittel kippen. Am ende glaubt mir ein Leser das, mixt es nach... und ist tot.
Und ich halte es genauso mit den monden wie viele hier: einer. Man weiß ja nicht, was mehrere monde für auswirkungen auf die Naturgesetze hätten... und ich bin in Astronomie zu schlecht/uninteressiert um mir darüber den Kopf zu zerbrechen.
teilweise kann Realismus einem also auch die Arbeit erleichtern... wenn man keine Lust hat, die realen Naturbedingungen derart zu verändern, dass man grübeln muss, welche auswirkungen das auf die naturgesetze hat.

immerhin hat mein Biolehrer beigebracht: Evulotion=Massemmutation, bei der sich die vorteilhaften Mutationen vererben)

TheaEvanda

#6
Tja, das kommt passend - ich habe gerade einen Artikel zum Thema Pfeil und Bogen im Rollenspiel hinter mir, und der Beitrag passt genauso auf die Fantasy (Schleichwerbung mach...).
http://www.alveran.org/index.php?pageID=458

(Edit: Dieses Teil treibt mich in den Wahnsinn. Statt Harry Potter sollte da ein .php, ein Fragezeichen und danach die PageID=458 stehen. Ich komme dem Rechner da nicht bei.)

Grundsaetzlich bin ich absolut fuer Realismus in einem jeden Werk - die Handlungen der Charaktere und die Gesellschaft in der sie leben brauchen gute Bodenhaftung, sonst ist die Geschichte unlogisch.
Das heisst nicht, dass Magie nicht moeglich sein sollte - nur muss auch sie in irgendwelche Regeln zu fassen sein, die in der Geschichte passende Konsequenzen haben.

Wirklich peinlich ist es aber, wenn man Logik-Fehler mit einem klitzekleinen bisschen Recherche ausmerzen koennte und es nicht tut.
Eines der prominentesten Beispiele ist LotR: In Moria benutzt Legolas seien Bogen als Nahkampfwaffe, spannt ihn dann und erschiesst drei Gegner gleichzeitig mit drei Pfeilen auf kuerzeste Distanz. (entschuldigt, wenn Details falsch sind, ich habe die Filme jeweils nur ein Mal gesehen).
Ganz abgesehen davon, dass man einen Bogen nicht als Kampfstab benutzt, wenn man ihn laenger als zwei Tage behalten will, haben Pfeil und Bogen eine durchaus bekannte Unterreichweite. Ein Pfeil wird durch den Bogen so stark beschleunigt, dass er ein paar Meter in der Luft herumeiert, bevor er sich stabilisiert und zu einer ernstzunehmenden Waffe wird.
Von drei Pfeilen gleichzeitig, die auch noch gezielt geschossen werden, reden wir mal gar nicht. Zwei - in Ordnung, das geht. Das habe ich auch schon mal gemacht. Aber Drei? Das ist herumspritzendes Holz.

Latuernich bin ich als Historiker etwas vorgeschaedigt.

Eines der "neueren" Werke zum Thema ist auch Diane Wynne Jones' "The Tough Guide To Fantasyland" - einfach nur empfehlenswert. Unter anderem mit einem Eintrag, warum die Wirtschaft von Fantasyland alle zwei Jahre zusammenbricht.


Wobei mir gerade (5 Stunden spaeter) einfaellt, dass man auch im Mittelalter gute "Schwerter" bekommen hat: Ferrara Stahl. Aber bezahlbar war der natuerlich nicht, und diese Klingen Einsatzbereit zu machen war auch recht schwierig, da Klingen aus Ferrara als Qualitaetsmerkmal zu  Ringen verbogen ausgeliefert wurden.
Ich frage mich nur, wie man dann die edle Waffe aus ihrem Kreisbogen geholt hat, ohne sich zu verletzen...

Damaszenerklingen als mehrfach gefaltetem Eisen und Stahl waren auch erhaeltlich, vor allem zur Zeit der Kreuzzuege, aber zu horrenden Preisen. Und Kreuzzugs-Mittelalter ist ja meist das Ambiente, in dem die "mittelaterlichen" Fantasyromane spielen.


Schoene Gruesse,

Thea

Yokohama, Japan


Feuertraum

Auch auf die Gefahr, jetzt ein scharfes Einatmen und böse Blicke der Mittintenzirkler auf mich zu ziehen, aber ich spreche mich gegen den reinen puren Realismus in der Fantasy aus.
Warum?
In allererster Linie: weil dann viele Szenen dann erst gar nicht hätten geschrieben werden können. Hat sich jemand von Ihnen mal den Gag erlaubt und in einer echten Ritterrüstung  mit einem echten Schwert versucht, einen Schwertkampf auszufechten? Und das über die weltberühmten 20 - 30 Minuten Schlachten?
Ich selber zwar nicht, aber ich hatte das Vergnügen, mit jemanden zu sprechen, der dieses regelrecht als Sport betreibt. Und derjenige war ein Bär von einem Mann. Und selbst er sagt, das diese Aktion so dermaßen kräftezehrend ist, das man meist nach 10 Minuten, manchmal schon früher, eine Pause einlegen muß.
Aber davon abgesehen: würde man nur den reinen Realismus sehen, ich müßte diverse meiner Ideen streichen.
So hatte ich einen Fluß in meiner Welt, der eine genau ausbalanciertes Dichte hatte. Und wenn irgendetwas dazu kamm (z.B. jemand einen Stein hineinwarf), so schwappte das Wasser nicht nach links und rechts und näßte den Boden. Nein, vielmehr sprang das verdrängte Wasser nach oben, schoß wieder nach unten, wodurch durch diese Bewegung erneut ein (größerer) Wasserbogen nach oben schoß, sich zu allem Überfluß auch noch den Fluß langbewegte und es so zu einer Flutwelle größeren Ausmaßes kam.
Unrealistisch vs. fantasievoll?
Verstehen Sie mich nicht falsch: ich will dem Realen nichts absprechen; es hat genauso seine Daseinsberechtigung , und sie sollte selbstverständlich ihren Platz finden (wenn jemand eine Schwertspitze in den Rücken bekommt, dann macht es nun mal Aua, zumindest bei nichtdämonischen Wesen), aber für mich wäre es Schmarrn zu sagen: "Scheißidee, da unrealistisch!"

Oder würden Sie sich hinstellen und sagen: "Wie jetzt, Feuertraum hatte eine Idee, das der Teufel einen Schnupfen bekommt und das Höllenfeuer ausniest? Diese Story würde ich nie lesen wollen, da sowas ja nicht realistisch ist."

Realistische Grüße

Feuertraum
(ebenfalls real!)
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Manja_Bindig

Gute Idee... darf ich das mal verwenden, das mit dem Teufel, der Schnupfen hat? *sich kaputtlach*

Zum Realismus gehört aber wohl auch, dass die Figuren ihrer Persönlichkeit entsprechend handeln... und vielleicht auch geistig reifen. Oder??? Ich meine, das ist mindestens ebenso wichtig wie eine halbwegs realistische Hintergrundwelt.

Warum halbwegs? Fantasy ist nicht ganz realistisch, weil es Magie beinhaltet. Da is ein Teil des Realismus weg, da kann man machen was man will. Etwas ist nicht mehr so rational wie bei unserer "normalen" Welt.

Lastalda

Ich denke, es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen "realistisch" und "real". Eine Fantasywelt ist nicht real (bzw. muss es nicht sein, es gibt ja auch historische Fantasy). Sie kann völlig anderen Gesetzen folgen als unsere. Aber sie sollte Gesetzmäßigkeiten haben. Sie muss nicht im Vergleich zu unserer Welt logisch sein, nur in sich selbst.
Bäume dürfen laufen und Fische fliegen können. Nur sollten sie einen verdammt guten Grund dafür haben, schließlich ist Evolution nicht willkürlich sondern folgt Gesetzen (die man ändern kann, aber man sollte sich der Konsequenzen bewusst sein).

Das ist für mich realistisch, und das finde ich richtig und wichtig.

Lastalda

Moni

Realismus im Bezug auf die Entwicklung einer Fantasywelt ist etwas gänzlich anderes, als Realität und auch eine Fantasywelt ist ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten unterworfen (so abstrakt diese auch sein können). Auch die Scheibenwelt, so grotesk sie auch ist, hat Regeln, an die sich die Bewohner halten müssen.
Das verstehe ich unter Realismus in der Fantasy.

LG
Moni
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Feuertraum

@ Frau Bindig!

Ich weiß, ich mache mich unbeliebt, aber ich bitte Sie, diese Idee nicht zu verwenden, weil sie eigentlich die Grundidee für eine Geschichte ist, die ich noch schreiben will.

Aber wir wollen am morgigen Mittwoch wieder Brainstorming machen; vielleicht finden wir ja Ideen, die Sie verwenden können!?

Gruß

Feuertraum
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Manja_Bindig

#12
@Feuertraum: Ich hab nur gefragt und es ist das gute Recht eines jeden Autoren, einen anderen zu bitten, Ideen nicht zu verwenden. Deswegen macht sich niemand unbelibt. Aber die Geschichte will ich lesen. (Und bitte, ich hasse es, von Menschen, mit denen ich viel rede, gesiezt zu werden - ich fühl mich so alt)


Realismus liegt auch in ganz und gar grundsätzlichen Dingen.
Ich kann meine Leute nicht in einen fast vollkommen dunklen Raum schicken, wo jemand anderes ist, den man nur hört, aber nicht sieht und dann schreiben: "Er schüttelte den Kopf."
Ich mein, ich bin allwissender Erzähler, aber trotzdem halt ich mich ein wenig an Rinyls und Vyrens Sicht und in dem Augenblick sehen sie ja nix - schon gar nicht, wie jemand den Kopf schüttelt. So gute augen haben nicht einmal meine Elfen.

Oder jemand hat gerade so eine Folterung(hach! SCHÖN!) überlebt und rennt im nächsten Moment wie ein Hase. Wenn es sich nicht gerade um Vyren(der hat mit solchen Sachen weniger Probleme, weil sein Körper sehr schnell heilt) handelt is das ein bisschen blöde...

Fakt: auch bei körperlichen Fähigkeiten am Realen halten - zumindest, solange man bei der Charaktererschaffung nicht entsprechende Fähigkeiten dazuschreibt(wie schnell heilende Körper oder Scheinwerferaugen)


Oder andere Sache: Maja hat das im Vorwort zu den Traumsequenzen angesprochen, nähmlich den Punkt "Aufwachen". In dem Fall würd ic mich gegen den Realismus entscheiden und meine Figuren so richtig schön aus ihrem Alptraum hochfahren lassen(vielleicht noch jemand anderes wecken...) - das ist irgendwie ein besserer Effekt, als wenn er da nach einem extrem üblen Traum so ruhig daliegt. Ganz davon abgesehen, dass es durchaus Leute gibt die auf diese Weise bei Alpträumen aufwachen - das sind die Menschen, die von Natur aus einen leichten Schlaf haben. So weit hergeholt is das also nicht.

Arielen

Zitat von: Moni am 01. Januar 1970, 01:00:00
Realismus im Bezug auf die Entwicklung einer Fantasywelt ist etwas gänzlich anderes, als Realität und auch eine Fantasywelt ist ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten unterworfen (so abstrakt diese auch sein können). Auch die Scheibenwelt, so grotesk sie auch ist, hat Regeln, an die sich die Bewohner halten müssen.
Das verstehe ich unter Realismus in der Fantasy.

Um den Thread mal hoch zu holen und vor allem um dir zuzustimmen. Ich denke, das ist auch das wichtigste. Wenn man eine Gesetzmäßigkeit in seiner Welt einführt, so muß man sich auch an diese halten - z. B. nur begrentzt befahrbare Meere, weil zwei oder mehr Monde die Gezeiten gehörig durcheinander bringen.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Steffi

Ich bin ein großer Anhänger des Realismus in der Fantasy. Vor allem bei der Fantasy. Da man den Leser ja in eine ihm völlig unbekannte Welt entführt in der alles möglich sein scheint ist es wichtig, Grenzen einzuführen und Gesetzmäßigkeiten, und dem Leser die Möglichkeit zu geben, sich an ihm Vertrautem entlangzuhangeln. (Rowling macht das in den Harry Potter Büchern ganz großartig.)

Wenn man sich dann entscheidet, mittelalterlich angehauchte Fantasy zu schreiben finde ich es schon wichtig, sich zumindest ein wenig darüber zu informieren was denn damals war. Oder sich zumindest an geographische Sachen zu halten - ein kalter Ort wird kaum Zitronenfrüchte hervorbringen (hoffe ich. ;)  )

Ich lese für meine Geschichte ständig über mittelalterliche Kleidung, Medizin, Dörfer, Flora und Fauna etc. nach. Ich halte mich nicht an alle Fakten, aber ich find es gut sie ihm Kopf zu haben und zu wissen, wann ich wo etwas schreibe, dass es im Mittelalter nicht gab, um dann dazu eventuell eine Erklärung abzuliefern.

(Jetzt muss ich aber dazu sagen, dass mich so was schon immer fasziniert hat, vor allem das Alltagsleben in verschiedenen Epochen/Jahrhunderten ;)  )
Sic parvis magna