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Alles zur Perspektive

Begonnen von Lastalda, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Atischara

Offensichtlich gibt es ja eine ganze Menge gelungener Beispiele für Perspektivenwechsel innerhalb einer Szene, wie ich diesem Thread entnehme. Werde mir mal einige davon anschauen. Interessant ist, daß gerade Tad Williams genannt wurde, dessen "Geheimnis der drei großen Schwerter" ich einerseits sehr mag, mir aber andererseits wegen der langen Verweildauer bei einer Perspektive manchmal auch zu schaffen macht (lese gerade wieder den letzten Teil).

Aber anscheinend scheiden sich an diesem Punkt die Geister. Bin wirklich gespannt, was meine Probeleser sagen werden, wenn ich mal mit dem Überarbeiten soweit bin, daß ich meinen Roman an jemandem ausprobieren kann. Ich habe auch so langsam eine Idee, woher meine Vorliebe für Perspektivenwechsel in Dialogszenen kommen könnte. Auf alle Fälle hat mich dieser Thread dazu gebracht, darüber nachzudenken, was schon sehr interessant war.  :)

@ Lavendel: Schon klar, daß im Schreiben ein großer Teil Handwerk steckt, und dieses Handwerk versuche ich auch, möglichst gut zu lernen. Gute Schriftsteller fallen natürlich genauso wenig vom Himmel wie gute Automechaniker oder gute Wissenschaftler. Aber ich bleibe dabei, daß kreatives Schreiben für meine Begriffe trotzdem erheblich mehr erfordert als bloßes Handwerk. Da klappt der Vergleich mit dem Automechaniker nicht mehr, es sei denn, wir reden von einem Automechaniker, der eigentlich ein Ingenieur ist (z.B. neue Konstruktionsideen hat etc.). Unter Handwerk in einem herkömmlichen Sinne verstehe ich die weitgehend mechanisierte (oder mechanisierbare) Anwendung erlernter Techniken auf Material. Solche Techniken sind eine notwendige Bedingung für kreative Arbeit, aber eben keine hinreichende. Zumindest nicht nach meinem Verständnis. Wahrscheinlich entwickelt sich ein (treffendes) Gespür dafür, was gut und was schlecht funktioniert, aufgrund von Erfahrung (und zwar möglicherweise auch aufgrund von Leseerfahrung). Ganz sicher wird man nicht damit geboren. Aber ich kann mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen, wie man ganz ohne so ein Gespür auskommen soll - egal, in welchem kreativen Beruf (Wissenschaft eingeschlossen ;)). Deshalb finde ich auch, man sollte das nicht einfach so abtun, sondern besser darüber nachdenken, ob es im jeweils gegebenen Fall berechtigt ist. (Mal abgesehen davon, daß man durchaus Schreibratgeber finden kann, die empfehlen, auch auf das eigene Gefühl zu achten und nicht nur mechanisch Regeln anzuwenden.) - Klar ist auch, daß man nicht nur nicht alles sagen muß oder sollte, sondern daß man gar nicht alles sagen KANN. An sich war ich auch der Meinung, daß mein Beitrag deutlich gemacht hat, daß es mir darum gerade nicht geht. Oder war das mißverständlich?  ??? In diesem Zusammenhang muß ich wohl für weitere Ausführungen den Thread wechseln, denn ich hätte da noch Überlegungen zum Thema Beschreibung der Charaktere...  :D

Atischara

Und hier noch eine Art DuZ (Dank und Zusammenfassung) von mir zu diesem Thread :D:

Die Diskussion hier hat mich wirklich weiter gebracht, denn ich habe durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema

1) erkannt, woher meine Mehrperspektiventechnik innerhalb von Szenen wahrscheinlich kommt: schätzungsweise aus dem Film- und Fernsehbereich, denn da bekommt man im besten Fall in einem Dialog auch immer einen oder mehrere Kameraschwenks auf beide beteiligten Personen, und offenbar habe ich den Drang, in einige meiner Dialogszenen solche "Kameraschwenks" einzubauen, nur daß eben noch etwas aus dem Innenleben der Person hinzugefügt wird, die gerade nicht zu sehen ist (weil wir in ihrem Kopf stecken);

und ich habe

2) eine Idee entwickelt, wie ich das bei der Überarbeitung gezielter und damit hoffentlich besser umsetzen kann, als bisher in der ersten Version meiner Szenen geschehen.

Außerdem frage ich mich, ob die Technik, mehrere Perspektiven in eine Szene einzubinden, die offensichtlich doch in einigen Büchern zu finden ist, sich mit dem stärkeren Einfluß von Film und Fernsehen als normal durchsetzen wird. Hat jemand beobachtet, ob das ein neuerer Trend ist? Auf jeden Fall werde ich das in Zukunft aufmerksamer beobachten.

Kraehe

Wenn du selbst sagst, dass es dich ans Fernsehen und die Filmtechniken erinnert: stimmt. Aber das Fernsehen arbeitet ja generell auch ein wenig mit anderen Mitteln als das Tippen.
Nur so hingestellt.
Ich habe vor zwei Wochen "Midwinter" von... Matthew Sturges gelesen. Dort wurde auch innerhalb von Szenen oder so - oder zumindet nach jeder sehr kurzen Szene - sehr oft die Perspektive gewechselt. (Und ist dabei auch nichtmal immer tief in die Gedankenwelt der Protas eingetaucht.)
Mir fiel auch ziemlich bald auf, dass es mich an einen Film erinnert.
Und ich fand es einfach... naja. Vielleicht ist es eine Frage der Gewöhnung. Weil es kein Buch in dem Sinne ist, wie man es kennt.  Mich hat es angestrengt. Ich lese ja, damit ich ein Buch vor mir habe, kenen Film in Wörtern. ;)

Aber im Endeffekt kommt es auch auf die Umsetzung und den Lesergeschmack an, denke ich...

Atischara

 :hmmm: Anstrengend sollte es natürlich nicht sein.
Und es ist auch klar, daß Buch und Film jeweils eigene Mittel haben, die sich nicht übertragen lassen. Aber speziell bei den Perspektiven habe ich den Gedanken, daß man die Vorzüge beider Medien miteinander verbinden könnte. NICHT in die Gedankenwelt der Figuren einzutauchen, wäre also nicht mein Ding - weder als Leserin noch als Autorin.  ;)
Werde einfach mal weiter experimentieren und sehen, was dabei rauskommt.
Und ich werde auf jeden Fall mal ein paar von den hier genannten Büchern lesen, in denen Perspektivenwechsel in der Szene vorkommen - will jetzt doch wissen, wie das auf mich als Leserin wirkt.  :)

Drachenfeder

Hallo zusammen,

ich hoffe das Thema passt hier gut rein, wollte keinen neuen Thread aufmachen.


Für mein aktuelles Projekt habe ich bereits (fast) 3 Kapitel geschrieben. Im Vergleich zu meinem ersten Roman, sind es sehr große Kapitel von ca. 50 - 60 Seiten.
Alle Teile habe ich in der dritten Person geschrieben, dabei will ich auch bleiben. Jedoch habe ich im viertel Abschnitt vor, aus der Sicht eines Nebencharakters die Geschichte weiter zu erzählen. So etwas liest man ja häufig. Meistens wechseln diese Ansichten von Kapitel zu Kapitel ab. Ich möchte dies aber nur in Nummer 4 machen. Dieser Charakter ist bereits im ersten Teil vorgekommen und wird ebenso am Ende wieder scheinen.

Könnt ihr Euch so etwas vorstellen? Oder seit ihr eher der Meinung, wenn Ansichtswechsel, dann in regelmäßigen Abständen?

Drachenfeder



Zit

Ich weiß gerade nicht, was du wechselst. Auch ein personaler Erzähler kann in der dritten Person schildern.
:hmmm:
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Malinche

Ich bin grad nicht ganz sicher - meinst du, dass du dann ein Kapitel aus der Ich-Perspektive schreibst? Wobei, da steht ja, dass du in der 3. Person bleiben möchtest.

Wenn du bei der 3. Person bleibst, sehe ich kein Problem damit, den Perspektivträger zu wechseln, und sei es auch nur für ein Kapitel. Denn wenn das für die Handlung von Bedeutung ist, wird es meiner Meinung nach auch stimmig wirken. Der Leser muss halt nur nachvollziehen können, warum dieses Kapitel aus der Sicht eines Nebencharakters erzählt wird. Aber als Problem sehe ich das an sich nicht.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Smaragd

Natürlich geht das. Gerade von etwas episch angehauchter Fantasy kenne ich es durchaus, dass ein Nebencharakter gelegentlich  - nicht regelmäßig - als Perspektivträger auftaucht. Ich mag das auch - jedenfalls, wenn die aus Sicht des Nebencharakters erzählte Szene nicht damit endet, dass er stirbt. Dann fühle ich mich eher ver...albert, weil ich ihn gerade erst ansatzweise kennen gelernt habe. Aber das ist bei dir anscheinend nicht der Fall. Von daher - nur zu!

caity

Ich denke auch: wieso nicht? Ich kann mir so einen Wechsel gut vorstellen, versuchs doch einfach aus und wenn es absolut bescheuert wirkt, wird dich schon irgendwann ein Betaleser oder Lektor zurecht sutzen, aber ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass das nicht funktioniert ;)
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Drachenfeder

Zitat von: Malinche am 03. April 2011, 18:23:15
Ich bin grad nicht ganz sicher - meinst du, dass du dann ein Kapitel aus der Ich-Perspektive schreibst? Wobei, da steht ja, dass du in der 3. Person bleiben möchtest.

Ja, ich bleibe in der 3 Person.
Nur soll das vierte Kapitel nicht aus Sicht meines Wächter zählt werden, sondern aus der eines Charas der bis jetzt nur kurz im ersten Kapitel vorkam.

Was mich etwas wanken lässt ist halt, dass es nur ein einziger Abschnitt im Buch werden soll.

@Smaragd
nein, diese Person wird definitiv nicht sterben (zumindest vorerst nicht). Dieses Textabschnitt wird die Story auch nicht verändern oder erheblich beeinflussen, sondern soll sie erklärend unterstützen.



Kraehe

...Ich würde sagen, du kannst das machen.
Regelmäßige Wechsel finde ich sowieso langweilig. Allerdings muss es wirklich einleuchtend sein, warum dieser Chara diese eine Szene erzählen soll.
Sonst... entweder, ich finde seine Perspektive dann blöd und frage mich, was das jetzt sollte, oder ich finde seine Perspektive eventuell einfach zuuu toll und frage mich, ob und wann er denn endlich wieder darf ;)
Aber als generelles Problem sehe ich das nicht - solange er nicht eben nur erzählt, um seinen Tod zu erzählen.

Drachenfeder

Ich schreibe mein dritte Kaptitel jetzt erst mal zu Ende. Im Urlaub werde ich den Wechsel  der Sicht einfach mal ausprobieren. Wenn ich merke, dass es nichts ist, werde ich mir etwas anderes einfallen lassen.

Danke für eure Antworten.



Alana

Hallo,

ich überlege mir gerade, dass ich beim 1. Teil meiner Trilogie Prolog und Epilog aus der Sicht eines anderen Charas schreibe, als den Rest. Das zweite Buch würde ich dann aus Sicht beider Charaktere in wechselnder Perspektive schreiben. Immer kapitelweise.
Meint ihr, das kann man machen, oder weckt das falsche Erwartungen bzw. verwirrt den Leser?

Danke :)
Alhambrana

HauntingWitch

#148
Huhu Alana

Nun, ich denke, das sollte möglich sein, solange du irgendwie deutlich machen kannst, wer jeweils gerade spricht. Sergei Lukianenko hat das bei seiner "Wächter der Nacht"-Reihe auch gemacht: Die Prologe werden allwissend geschildert, das erste Buch danach komplett aus Sicht eines Hauptcharas. Im zweiten Buch macht er dasselbe mit den Prologen (pro Teil-Geschichte einen), erzählt aber jede Teil-Geschichte mit einem anderen Ich-Erzähler, eine davon mit dem Prota aus Buch 1. Klingt ganz schön verwirrend? Nun, beim Lesen wird es einem sehr schnell klar. Da ich die Geschichte so toll fand, habe ich mich nur kurz gefragt, was das sollte und bin zu dem Schluss gekommen, dass es anders gar nicht machbar wäre.

Also, wenn das die beste Lösung für deine Geschichte ist, würde ich sagen: Wag es einfach.  ;)

LG Witch

Debbie

@Alana: Ich mag sowas - weiß aber von anderen, dass sie es ganz oft störend finden, v. a. wenn der Prolog dann noch geheimnisvoll oder kryptisch formuliert ist  ::)

So geschehen bei "Engel der Nacht", wo der Prolog aus Sicht eines übergeordneten Erzählers geschrieben ist - und die Geschichte dann aus Sicht der Prota. Der Prolog kam bei allen meinen Freundinnen nicht so gut an  :-\ Sie fanden ihn verwirrend und überflüssig... Ich fand ihn toll  :vibes:

Da ich in meiner Story durchweg zwei Viewpoint Charaktere habe (mit unterschiedlicher Gewichtung), beginne ich den Prolog aus Sicht der Prota; der ist aber nur ca. zwei Normseiten lang - dann kommt der Viewpoint eines anderen Hauptcharakters für zwei Szenen, ehe ich zurück zur Prota schwenke... Dabei ist mir jetzt ehrlich gesagt auch nicht so wichtig, wie die anderen das empfinden - es ist meine Geschichte, und die ist halt so!  :ätsch: