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Figuren mit Persönlichkeit statt langweilig oder platt

Begonnen von Cailyn, 24. Februar 2016, 09:43:06

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Denamio

Zitat von: Slenderella am 24. Februar 2016, 19:44:47
Manchmal ist der eindimensionale Charakter (also das laufende Klischee) auch nötig, um die restlichen Charaktere aufzuwerten. Klischees gibt's ja vor allem deswegen, weil die beliebt sind. Also ganz klischeefrei geht es sowieso nie.
Und wenn man dann den typischen Cool Bad Boy hat, der nur da ist, um schnieke auszusehen und Mädels abzuschleppen, weiß man plötzlich den wirklich netten Held besser zu schätzen usw.

Die gleiche Diskussion sieht man häufiger im Rahmen von TV-Serien und den berüchtigten TV-Tropes. Tropes wie auch Klischees sind erst einmal nicht schlecht. Es gibt ein paar, die sind aktuell recht ausgelutscht, weil sie eine Weile sehr im Trend lagen. Aber auch das ändert sich wieder.
Wenn Privatdetektiv Harry Dresden im Trenchcoat Elfen verkloppert, dann greift Jim Butcher da auf Jahrzehnte an Noir Tradition und Übermensch Theorien zurück. Das klappt über Klischees, Szenen die der Leser kennt und erwartet. Das ist wie Achterbahn fahren, da kommt nach einem langsamen Aufstieg auch der temporeiche Absturz. Hat jede verdammte Achterbahn. Ist ein übelstes Klischee das. Aber versuch mal wer den Leute nach dem Aufstieg etwas anderes zu liefern. So eine gemächliche Abfahrt zum Beispiel, da schreien die Kritiker yeah - etwas neues, das Klischee ist gebrochen und die Fahrgäste steigen einem aufs Dach.

Der andere Diskurs im Thread waren flache Charaktere und das ist für mich dann auch was anderes als Klischee Charaktere. Flache Personen entstehen für mich als Resultat von einem zuviel an Plotten. Da wird vorher genauestens ausgearbeitet, wie ein Charakter funktioniert, die Psyche wird nach Legobausteinen zusammengesetzt und das Endergebnis ist in der Theorie total toll und rund.
Dann wird die Geschichte geschrieben und plötzlich eckt das irgendwie an. Flache Charaktere enstehen für mich, wenn an der Stelle stur weitergeschrieben wird, weil der Plot es so braucht. Echte Menschen funktionieren auch nicht nach Schubladen, wenn wir es auch ständig versuchen.
Wenn ich in dem Fall dem Charakter aber eine Handlung aufzwinge, die zwar beim plotten Sinn macht und auch logisch herleitbar ist, aber dem Charakter eigentlich garnicht passt - dann wird die Figur in dem Moment leblos und flach. Eine Schablone die nach einem Schema arbeitet. Wenn ich also merke das ein Charakter flach wird, dann schau ich ob ich dem irgendwo Unrecht getan habe. Habe ich ihn/sie in eine Richtung gezwungen, die garnicht passt?
Mir jüngst passiert, als ich mal zum experimentieren Romantasy schreiben wollte. Da habe ich auch zwei Charaktere für die große Liebe vorherbestimmt und der weibliche Teil blieb ein furchtbar flacher Charakter, egal wie sehr ich mich anstrengte. Also bin ich zurück, habe eine Szene genommen, dann die ganze Charakterisierung rausgeworfen und geschaut wo SIE hin wollte. Siehe da: Ihre ach so große Liebe war für sie eigentlich ein total unaustehlicher Drecksack. ;D

Welche Buchfiguren mögt ihr besonders, sind euch besonders ans Herz gewachsen? Und warum?

Oben genannter Harry Dresden aus Dresden Files oder John Taylor aus Nightside. Von außen betrachtet sind die Charaktere bis zum Kopf in Klischees getaucht und ihre Geschichten leben davon. Sie tun eigentlich beide selten etwas, dass wirklich unerwartet ist. Es ist klar das Harry zum Beispiel erst einmal auf die Nase bekommt, weil das in dem Typ Geschichten halt so ist. Natürlich erwarte ich auch, dass er knapp überlebt und am Ende dem Bösewicht mit Stil Feuer unterm Hintern macht. Vom Trenchcoat bis zu den persönlichen Dämonen sind sie auch weiterhin im Klischee. Aber für mich wirken sie nie wie flache Charaktere, sondern wie echte Menschen, weil ich mich in ihre Handlungen reinfühlen kann.

Cailyn

#16
Witch
Für mich muss eine Figur natürlich nicht nur sympathisch sein, ganz klar. Aber wenn ich eine sympathische Figur bringen möchte, weil das einfach Teil der Geschichte ist, muss ich ja auch für diese ein paar knarzige Ecken und Kanten reinbringen. Und da wird es für mich schon schwierig, wenn ich Alibi-Schwächen weglassen möchte.

Die Charaktere aus GoT gefallen mir natürlich auch sehr gut. Die Zerrissenheit der Figuren und ihr rücksichtsloser Drang zu überleben, gibt da ein sehr realistisches Bild ab. Mein Stil zu schreiben, ist das aber nicht. Ich habe in meinem letzten Buch auch eine Figur gehabt, die ziemlich böse war. Und ich habe ihn echt heiss geliebt!  ;D Aber einer in dieser Form hat mir dann gereicht.

Ich habe gestern noch lange darüber gebrütet und bin dann auf die Idee gekommen, dass ich auch einmal einen Makel als Anlass für eine Schattenseite wählen könnte. Das habe ich nämlich noch nie gemacht. Als Beispiel: Jemand hat schlimme Verbrennungen und sein Gesicht ist dadurch entstellt. Oder jemand hat eine Krankheit, die in gewissen Situationen sehr hinderlich ist. Solche Schwächen könnten dann mit der Zeit auch zu einem veränderten Charakter führen (Neid, Missgunst, mürrisches Wesen etc.). Eingefallen ist mir das, weil ich jüngst den Roman "Adrenalin" von Michael Robotham gelesen habe, wo die Hauptfigur ein Psychologe mit Parkinson ist. Das hat mich sehr beeindruckt. Ein Held, der in Stresssituationen plötzlich zu lahmen beginnt, sein Zittern nicht mehr unterdrücken kann. Und gleichzeitig ist die Figur eine sehr starke Persönlichkeit.

Norrive
Ja, der Threadtitel passt nicht so ganz, weil es um Klischees wie auch um platte Figuren geht. Also beides. Aber ich wollte den Titel auch nicht zu sehr in die Länge ziehen... ;)
Die Sache mit dem plotrelevant oder nicht, finde ich nicht ganz so klar. Für mich zumindest. Für mich darf es auch Sachen geben, die überhaupt nicht plotrelevant sind. Als ganz typisches Beispiel: bei LOTR essen ja Merry und Pippin die ganze Zeit, reden übers Essen und sehnen sich nach dem Essen. Das hat rein gar nichts mit der Geschichte zu tun. Aber jeder hat das doch witzig gefunden, vermute ich.
Das Problem bei Mittelalter-Fantasy ist aber, dass es gar nicht so viele Dinge gibt, die man da gut einbauen könnte. Die meisten Fantasy-Bücher sind ja ans Mittelalter angelehnt, und zu dieser Zeit gab es Hobbys im Prinzip nicht wirklich. Man wollte überleben, essen, schlafen, arbeiten, und ganz selten hatte man vielleicht Zeit, an einer Figur zu schnitzen oder aus reiner Freude etwas zu nähen. Oder so. Viel Auswahl gab es da wohl nicht. Gegenwartsromane haben da ein viel grösseres Potential, um mit Alltäglichem wie Hobbies oder auch Habseligkeiten eine Figur konkreter werden zu lassen. Ich meine, eine Figur, die ständig SMS verschickt, 1000 Nachrichten auf Twitter versendet und jede Stunde seine E-Mails checkt, wirkt schon mal ganz anders als eine Person, die mit einem Buch unterwegs ist, ab und an Notizen in ein kleines Notizbuch macht und mit einer alten Nokkia-Kamera draussen Blumen fotografiert. Über solche Dinge kriegt man ja rasch eine Botschaft, welcher Typ Mensch das sein könnte.
In der Fantasy funktioniert das so nicht. Oder zumindest gibt es nicht so viel Auswahl, und auch wenn man Hobbys wählt, sagen die dann nicht so viel aus wie unsere modernen Hobbys.

Vielleicht müsste man sich in der Mittelalter-Fantasy halt eher um Macken bemühen (so wie die Hobbits mit dem essen), die zwar nicht plotrelevant sind, aber dennoch etwas Persönliches darstellen, was genau diesen einen Charakter unverwechselbar macht.

Lina Franken,
Die ich-will-beschützt-werden-Prota finde ich auch  :versteck:
Dass du den ironischen Sprücheklopfer wie Deamon gut findest, kann ich nachvollziehen. Vielleicht ist das klischiert, aber es könnte ja auch sein, dass sich hinter so einer Figur eine ganz originelle Story verbirgt, die dem Leser am Anfang noch nicht gezeigt wird.
Das mit dem Supermarkt ist eine witzige Idee. Ich mache das das nächste Mal, wenn ich selber im Supermarkt stehe, so als würde ich mit meinen Protas einkaufen gehen.  :rofl:

Denamio
Ich denke, die Grenze zwischen Klischee und Kult ist eben sehr nah beieinander. Das ist wohl auch der Grund, warum ich viele klischierte Figuren und auch Dinge oft trotzdem cool finde. Ich denke, da kommt es dann drauf an, wie man dieses Klischee richtiggehend kultiviert. Typisch das das doch auch bei den Tarantino-Filmen. Da kommen unglaublich viele Klischees daher, aber sie sind so überzogen, dass sie schon wieder kultig wirken. Und er bedient sich eben nicht nur Klischees, sondern würzt es mit Widersprüchen (wie seine vielen Gangster, die philosophische Gespräche führen).

Die Sache mit dem Plotten ist aber auch eine Planungsfrage. Auch wenn man nach Schema plottet, heisst das ja nicht, dass man unflexibel wird. Auch nach Schema plotten bedeutet, dass man immer wieder revidiert. Aber du hast insofern recht, dass man immer aufgeschlossen und anpassungsfähig sein muss. Man kann ja nicht einen Charakter oder einen Plot stur festlegen und dann einfach danach gehen.


An alle...
Nicht dass es zu Missverständnissen kommt. Es ist nicht so, dass ich Klischees grundsätzlich für schlecht halte. Im richtigen Rahmen passt das ja gut. Mir ging es mehr um meine persönlichen Hauptfiguren, die ich nicht klischiert sehen möchte (oder eben platt / oder langweilig). Daher war wohl der Thread-Titel wirklich nicht so gut gewählt.

Guddy

Zitat von: Lina Franken am 24. Februar 2016, 19:34:14
Zuallererst finde ich Klischees an sich nicht soo schlimm. Es gibt ein paar Chara-Typen, die ich immer wieder gerne sehe, auch wenn sie an sich schon tausendmal da gewesen sind. Z.B. den ruppigen Helden, der ständig blöde Sprüche klopft - kein bisschen orginell, aber immer wieder sehr unterhaltsam (Sam aus Supernatural, Deamon aus Vamire Diaries, Spike aus Buffy etc) immer in Lederjacke und mit nem blöden Spruch auf den Lippen, ausgelutscht bis zum geht nicht mehr und doch immer wieder spaßig.  8)
Du meinst sicher Dean und nicht Sam!   ;D
Diesen Typ finde ich auch hervorragend!
Sehr schön finde ich auch den Typus "alte, lustige Omi" wie Mulans Großmutter.  Optisch alt und tattrig, innerlich sehr verschmitzt.

Trippelschritt

Zitat von: Cailyn am 24. Februar 2016, 09:43:06
Mich würde von euch Folgendes interessieren:

Welche Buchfiguren mögt ihr besonders, sind euch besonders ans Herz gewachsen? Und warum?
Ich denke, man kann fast am meisten lernen, wenn man gute Beispiele analysiert.

Und wie geht ihr selber damit um, wenn Figuren zu platt / zu eindimensional sind?

Tyrion von George Martin, meinetwegen auch Snow
und - einfach grandios - Auri von Rothfuss

Die andere Frage stellt sich mir nicht. Ich arbeite so lange an den wichtigen Figuren, bis sie nicht mehr platt sind. Ich gebe aber zu bedenken, dass Archetyp und Klischee nicht das gleiche sind. Da wird oftmals etwas durcheinander geworfen. Auch Archetypen könne dreidimensional sein. Rowling hat das schön benutzt.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Denamio

Zitat von: Cailyn am 25. Februar 2016, 09:46:22
Und er bedient sich eben nicht nur Klischees, sondern würzt es mit Widersprüchen (wie seine vielen Gangster, die philosophische Gespräche führen).

Was lustigerweise ein sehr dominantes Klischee aus der japanischen Animationsecke ist, wo er sich redlich bedient. Also nichts mit Widersprüchen ;D

ZitatAuch wenn man nach Schema plottet, heisst das ja nicht, dass man unflexibel wird.

War auch nicht meine gewünschte Aussage. Mir ging es darum das im Fall wenn der Autor da stur weiter macht, das Ergebnis flache Charaktere sind. Und der Vorschlag zur Vermeidung war zu schauen wo die Charaktere selber hinwollen, dann werden sie praktisch von alleine rund.  :)

Araluen

#20
Welche Charaktere mag ich am liebsten?
Mortimer Wittgenstein aus Marzis uralter Metropole. Dann noch Fermin Romero de Torres aus Carlos Ruiz Zafons Feder.
Ich mag grummlige Charaktere, die nicht ins Sympathieraster passen wollen. Wittgenstein ist einer davon. Er war immer ein Quertreiber und dennoch von tiefer Loyalität geprägt.
Fermin zeichent isch vor allem durch sein bewegtes Leben aus, das er versucht durch Frohnatur und Hiflsbereitschaft möglichst zu verdrängen. Auch er ist sehr loyal.

Was macht für mich einen guten Charakter aus? Seine Geschichte. Jeder Charakter verdient in meinen Augen eine Geschichte, auch wenn sie für den Plot nicht relevant ist und nur der Autor sie kennt. Aber zumindest er sollte sie kennen. Denn dann weiß er auch, mit wem er es zu tun hat. Dabei kann der Charakter auch Klischees bedienen. Seine Geschichte wird begründen, wieso er klischeehaft ist. Eine Charaktergeschichte macht zwar eine Menge Arbeit, aber ich finde das wesentlich hilfreicher als hohle Steckbriefe. Natürlich kann es vorkommen, dass der Charakter nicht viel von dem Plot hält. Manchmal passt da einfch die Chemie nicht. Man sollte uaf den Charakter hören udn ihn nicht in Rollen pressen, in denen er sich nicht wohl fühlt. Ich denke, man erschafft wesentlich lebendigere Charaktere, wenn man in Charakteren nicht nur ein Mittel zum Zweck bzw. ein literarisches Werkzeug sieht, sondern tatsächlich kleine Persönlichkeiten, die zwar nicht real existieren, aber in unserer Gedankenwelt.

HauntingWitch

Zitat von: Denamio am 24. Februar 2016, 22:16:51
Flache Charaktere enstehen für mich, wenn an der Stelle stur weitergeschrieben wird, weil der Plot es so braucht. Echte Menschen funktionieren auch nicht nach Schubladen, wenn wir es auch ständig versuchen.
Wenn ich in dem Fall dem Charakter aber eine Handlung aufzwinge, die zwar beim plotten Sinn macht und auch logisch herleitbar ist, aber dem Charakter eigentlich garnicht passt - dann wird die Figur in dem Moment leblos und flach. Eine Schablone die nach einem Schema arbeitet.

Ich glaube, du hast gerade einen ganz grossen Knoten bei mir gelöst. ;D Danke, dass du deine Gedanken mit uns teilst. :knuddel: Das stimmt, meine Charaktere sind - abgesehen davon, wie gut ich sie kenne - oft auch dann flach, wenn sie dem Plot entsprechen sollen oder ich den Plot unbedingt vorantreiben möchte, ohne Rücksicht auf sie zu nehmen.

Noch etwas zu den Klischees: Die kommen ja auch irgendwoher, das hat ja nicht einfach mal jemand festgelegt und dann war es so. Ich finde, es kommt da sehr drauf an, ob es gut gemacht ist. Eine gut dargestellte Figur, die hauptsächlich einem einzigen ganz bestimmten Typ (oder Klischee) entspricht, kann auch interessant sein. Ich denke gerade wieder an "Nashville", Liam da, das ist ein ganz bestimmter Typ Mann, den es aber gibt und in Realität genau so ist. Das finde ich gut gemacht, weil es einfach realistisch ist. Klischee, aber eben auch Realität. Ich denke, Klischees sind vor allem dann schlecht, wenn sie gekünstelt wirken. Wenn eine Figur nur da ist, um das Klischee zu erfüllen oder eben hineingequetscht wird.

Trippelschritt

Und schwupps sind wir wieder bei einem ganz großen Missverständnis. Ein Klischee ist kein Typ. Eine figur, die einem Typ entspricht, kann zu einem Klischee werden, muss es aber nicht. Das hängt ganz zentral von den Figureneigenschaften ab, die der Autor wählt.

Liebe Grüße
Trippelschritt

HauntingWitch

Zitat von: Trippelschritt am 27. Februar 2016, 13:12:00
Und schwupps sind wir wieder bei einem ganz großen Missverständnis. Ein Klischee ist kein Typ. Eine figur, die einem Typ entspricht, kann zu einem Klischee werden, muss es aber nicht. Das hängt ganz zentral von den Figureneigenschaften ab, die der Autor wählt.

Aber wo ist dann die Grenze?

Cailyn

Zitat von: Trippelschritt am 27. Februar 2016, 13:12:00
Und schwupps sind wir wieder bei einem ganz großen Missverständnis. Ein Klischee ist kein Typ. Eine figur, die einem Typ entspricht, kann zu einem Klischee werden, muss es aber nicht. Das hängt ganz zentral von den Figureneigenschaften ab, die der Autor wählt.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Können wir uns nun von dieser Klischee nicht Klischee-Diskussion wieder abwenden? Ich habe bereits geschrieben, dass ich den Thementitel insofern nicht gut gewählt habe. Sorry dafür. Es geht nicht um Klischee behaftete Charaktere, sondern um langweilige, platte und uninteressante. Natürlich gehört hier das Klischee auch mit rein, weil klischierte Charaktere unter Umständen auch langweilig sein können. Aber ansonsten geht es hier nicht um die Definitionen, sondern wirklich darum, ob eine Figur / ein Prota interessant genug für ein Buch ist oder nicht. Vielen Dank fürs Verständnis.

LinaFranken

Dann werfe ich mal folgenden Gedanken in die Runde:
Was platte/eindimensionale Charaktere angeht, da habe ich oft das Problem, das bei einer größeren Menge an Charas, irgendwann die Gefahr entsteht, das sich zwei vom Aufbau so ähneln, dass sie dadurch abgewertet werden und platt, sozusagen "aus der Retorte" erscheinen. Ich versuche das zu lösen, indem ich mir beide vor der selben Aufgabe vorstelle und dann ihre unterschiedlichen Reaktionen notiere, aber es ist schon schwieriges Problem bei Reihen.  ::)

Culham

Hallo,
Ich stimme vielem von dem was bereits gesagt wurde zu. Aber was mir noch aus meiner Rollenspielerzeit bewusst ist, ist das weniges so nervt, wie wenn man das Gefühl hat, dass die Notwendigkeiten der Geschichte alles andere überstrahlen. Als Spieler/Leser bekommt man oft ein Gespür dafür worauf der Spielleiter/Schriftsteller hinaus will. Charaktere, deren Besonderheiten scheinbar nur das Ziel haben diesen Ausgang der Geschichte zu begünstigen oder zu ermöglichen haben mich da immer genervt. Wenn ein Charakter scheinbar entwickelt wurde um der Geschichte zu dienen statt ein eigenes Leben zu besitzen wirkt er auf mich flach und leer, ganz egal wie sorgsam er ansonsten ausgeklügelt wurde. Viel spannender ist es wenn die Charaktere sich den Notwendigkeiten der Geschichte widersetzen und so vielleicht sogar zu einem neuen Ausgang führen. Dann verzeihe ich vieles...
Ansonsten sollte man meiner Meinung versuchen so viele Klischees wie möglich zu meiden... Wenn es eine Heldengruppe gibt mit Priester/Ordensritter, Krieger/Söldner, Magier (egal ob erfahren oder tölpeliger Novize), Bogenschütze (oh ein Elf!), ihr seht schon worauf ich hinauswill, muss man sich schon sehr anstrengen, damit es nicht flach wirkt...

Entropy

Zitat von: Lina Franken am 28. Februar 2016, 12:40:01Was platte/eindimensionale Charaktere angeht, da habe ich oft das Problem, das bei einer größeren Menge an Charas, irgendwann die Gefahr entsteht, das sich zwei vom Aufbau so ähneln, dass sie dadurch abgewertet werden und platt, sozusagen "aus der Retorte" erscheinen.

Das ist wirklich ein Problem bei Geschichten oder Reihen mit sehr vielen Charakteren, denn irgendwann greift man auch auf dieselben Charaktertypen zurück. Was an sich auch kein Problem wäre. Manche Menschen ähneln sich, andere weniger. Der Punkt ist, dass trotzdem alle Menschen unterschiedlich sind und da muss man sich überlegen, warum. Wenn man diesem Gedanken verfolgt ist die Abhilfe für dieses Problem eigentlich recht einfach: Mehr Details! Klar, vor allem bei Nebencharakteren ist es nicht sinnvoll tausende Charakterdetails in das Buch einfließen zu lassen, aber darum geht es auch nicht. Wenn du bemerkst, dass sich zwei Charaktere zu sehr ähneln, gib einem von ihnen ein besonders auffälliges äußerliches oder charakterliches Merkmal. Das kann ein ungewöhnliches Hobby, eine Macke, eine ungewöhnliche Lebenseinstellung, ein Geheimnis, ... sein. Es muss etwas sein, dass auch ohne großes Kennenlernen auffällt und genau diesen Charakter von allen anderen Charakteren, insbesondere denen, die ihm ähnlich sind, unterscheidet. So mache ich es zumindest immer.

Cailyn

#28
Ich denke, wenn man zwei ähnlich scheinende Charaktere hat, dann zeigt sich die Differnz dann eher in bestimmten Situationen.
Als Beispiel: zwei schüchterne Menschen, die wenig reden und wenig von sich preis geben. Was passiert mit denen, wenn sie zum Beispiel total betrunken sind.
Charakter A kommt dann plötzlich total aus sich heraus, wird sogar übergriffig, überdreht oder aggressiv.
Charakter B legt sich irgendwo in eine Ecke und verpennt die Party.
Na, so in der Art zeigen sich dann die Unterschiede hinter der gleichen Fassade. Dazu müsste man - wenn es wichtige Figuren sind - die Motivation dahinter kennen. Ist eine Verhaltensart wirklich das Naturell dieser Person? Oder gibt es unterdrückte Impulse? Wiedersprüche?

ZitatCharaktere, deren Besonderheiten scheinbar nur das Ziel haben diesen Ausgang der Geschichte zu begünstigen oder zu ermöglichen haben mich da immer genervt.

Ja, das ist halt eben zu durchschaubar. Meistens sollte es ja genau umgekehrt sein. Dass man ein Ziel hat und Charaktere schafft, welche dieses Ziel erschweren. Das bringt dann Spannung in die Sache. In meinen Geschichten ist das häufig so, dass es um einen klassischen Rahmen geht, wo Helden die Welt retten sollten. Nur sind diese Helden im Grunde alles andere als heldenhaft. Daraus ergeben sich für mich die meisten Handlungen.
Bei Nebencharaktere ist es aber schwierig, sie nicht als Mittel zum Zweck zu nutzen. Müssen sie das manchmal nicht sein? Ich meine, sonst würde es vielleicht einfach zu verworren.

Schneerabe

Welche Buchfiguren mögt ihr besonders, sind euch besonders ans Herz gewachsen? Und warum?
Kleinfinger aus ASoIaF/Game of Thrones wegen seines eiskalten Kalküls, dass er mit einer Prise Größenwahn würzt und weil er zu den intelligentesten Charakteren dort gehört (zumindest nach meinem Empfinden) er ist ja ein wenig wie die 'alten Bösewichte' (Er will 'einfach alles' so ähnlich wie Bösewichte damals die Weltherrschaft) nur das es bei ihm anders rüberkommt und irgendwie durch seine Backstory glaubhaft ist. Das die nicht zu dramatisch ist sondern realistisch aber ihn trotzdem für mich überzeugend zu der Person machen konnte die er heute ist, ist nochmal ein Bonuspunkt. Er hat sich einfach auf die grausame Welt aus GoT eingestellt und nutzt sie nun. Das er darüber nicht vollkommen eiskalt ist macht ihn für mich lebendiger, er hat ja seine Schwäche für Sansa. Das er so undurchsichtig und unberechenbar ist macht ihn als Figur ja auch nochmal spannend.

Luna Lovegood aus Harry Potter. Einfach weil es wenige dieser konsequent weltabgewandten vollkommen unabhängigen Leute gibt die es einfach überhaupt nicht kümmert was andere Denken die ihre Überzeugungen haben und einfach daran festhalten. Das sie so zu sich selbst steht macht sie mir sehr sympathisch.  :D


Und ansonsten regen mich Charaktere am meisten auf die dann gegen Ende der Geschichte eine a) unrealistisch und meist noch b) unnachvollziehbare/ zu sprunghafte Wandlung durchmachen (welche sie meist noch ihrer wenigen interessanten Facetten beraubt)
Paradebeispiel: Der klischeegerechte obligatorische 'Bad-Boy' der Romantasy der meist multiple psychische Schäden aufweist, aber gegen Ende der (meist) Trilogie auf wundersame Weise von der flunderflachen Heldin kuriert wird. Jahrzehnte und Jahrhunderte langes Leid, Neurosen, Posttraumatische Belastungsstörungen oder psychopathische Züge - alles kuriert wenn er diejenige welche trifft - und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende... Müsste ein Mädchen das sich in so einen gestörten Mann verliebt/ ihn dem geistig Gesunden noch vorzieht - den Bösen Buben nicht eigentlich verlassen sobald er sie nicht mehr missbraucht/ töten will/ lieb und nett ist? Ich mein ja nur...
"To hell or to Connacht."