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Wie beschreibt ihr Schmerzen?

Begonnen von funkelsinlas, 18. Mai 2015, 14:52:25

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Miezekatzemaus

Ich schreibe sehr gern "pochender Schmerz", weil ich mir darunter etwas vorstellen kann. Was ich selbst schon erlebt habe, was man gut beschreiben kann, weil es meist schon einige der Leser kennen: Eine Faust ins Gesicht bekommen, sodass die Gesichtspartie für einen Moment lahmgelegt wird und der eigentliche Schmerz erst später auftritt. (Mir ist das passiert, weil im Sportunterricht ein Junge versehentlich einen Handball in mein Gesicht geschlagen hat - erst fand ich es überhaupt nicht schlimm und dann bin ich fast zusammengebrochen.)
Ich finde es schön, wenn man eine Art von Schmerz nimmt, die die meisten Leser kennen - Finger einklemmen zum Beispiel und dann, jetzt etwas holprig formuliert etwas in diese Richtung schreibt: "Der Schmerz brannte; er pochte wie ein einklemmter Finger, nur tausendmal schlimmer", oder so ähnlich. :)

Chrissy

Ja dass mache ich auch gerne. Immer wieder schreibe ich auch noch etwas in die Richtung, wie sich das Gewebe/die Muskeln beim Schmerz verhalten wenn`s "ärger" wird: Die herausklaffenden Muskelfasern fühlten sich an, als würde jemand an ihnen zerren. Ganz so, als wären es Haare an denen man ihn herumschleifen würde. Das Blut pochte so stark, dass er jeden Pulsschlag stärker hörte.

Sternsaphir

Schmerzen beschreibe ich gern mit Bilder und Vergleichen:
z.B.
- Sein Magen fühlte sich an, als würden ihn zwei kräftige Hände durchwringen
- Sein Kopf schmerzte, als würde jemand mit einer Keule auf seinem Schädel trommeln
- Der Arm fühlte sich an, als würden tausend Nadeln in seine Haut gestochen werden.

Ansonsten überlege ich mir, wie sich der zu beschreibende Schmerz am ehesten anfühlen würde:
pochen, wummern, stechen, brennen, ziehen, schneiden, drücken etc.
Wenn der Schmerz besonders schlimm wird, lasse ich meine Protas auch gern schwindelig werden oder halluzinieren.

Auch ein wichtiges Mittel zur Schmerzbeschreibung ist die Beschreibung der Wunde (präzise, aber nicht zu üppig). Somit kann sich der Leser schon in seiner Phantasie ausmalen, welche Schmerzen der Prota gerade erleiden muss, auch wenn man selbst vielleicht solche Verletzung noch nie gehabt hatte.

Malinche

Ich habe den Thread mal hierher verschoben, da es bei dieser Frage um Formulierungen und Wortfindungen geht. (In "Autoren helfen Autoren" besprechen wir akute Plotprobleme und ähnliches - also eher Inhaltliches stand Handwerkliches, da gehörte das also einfach nicht hin.) :)
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

funkelsinlas

Mein Problem ist, dass mein Prota schon nen Tag mit der Wunde rumrennt, die jetzt so richtig entzündet ist. Sie halluziniert schon und ihre Sicht verschwimmt immer wieder. Zusammengebrochen ist sie auch. Jetzt das zu toppen, ist schwer. Vor allem, weil sie ja nicht mehr den ersten Schmerzmoment hat.
Das mit den Adjektiven seh ich auch so, aber ich hab da immer Angst, dass es so abgedroschen klingt oder wie ein Schulaufsatz, in dem jeder Satz drei Adjektive zu haben hat. Ist halt das erste Buch, da ist man immer übervorsichtig.  :versteck:

Anj

Ich verwende neben den Konsequenzen und der Art wie diese spezielle Figur den Schmerz wahrnimmt/einschätzt und mit umgeht, auch gerne Bilder.
Um @Sternsaphir s Beispiele aufzugreifen: "Eine Keule donnerte auf seinen Kopf", "tausend Nadeln stachen in seinen Arm".

Wichtig finde ich, dass man gut unterscheidet, wer erzählt und ob eine Metaposition (fühlte sich an wie ...) passend ist. Denn formuliere ich so, ist der Erzähler/die Figur nicht mehr in der Wahrnehmung, sondern in der Interpretation. Je nach Figur kann es aber auch schon mal sein, dass ich auf Adjektive zurückgreife, wobei ich immer lieber starke Verben benutze, entweder als Beschreibung des Schmerzes oder als Beschreibung der Handlungen zu denen die Schmerzen die Figur bringen. (zusammenkrümmen, Nägel in die Hande pressen, tief einatmen, schreien, wimmern, ...) Bei letzterem spielt der Charakter der Figur eine zentrale Rolle und zieht damit eine weitere Informationsebene in den Text.
"Wenn du andere Leute ansiehst, frage dich, ob du sie wirklich siehst, oder ob du nur deine Gedanken über sie siehst."
Jon Kabat-Zinn.

Sturmloewin

Also ich mag ja gerne Metaphern oder Vergleiche und verbinde diese gerne mit ungewöhnlichen oder harten Adjektiven, da das meiner Meinung nach dem Leser am ehesten vor Augen führt, wie sehr der Charakter gerade leidet.
Denn den "Pochenden Kopfschmerz" haben wir alle schon einmal gelesen und überlesen.
Aber ein "Stich, der Fäden aus Schmerz in die Arme schießt" (okay, ist jetzt nicht das beste Beispiel, ich weiß) bleibt mehr in Erinnerung.

Es gibt ja auch viele unterschiedliche Arten von Schmerzen.

Da gibt es den Schmerz eines Aufschlags (jetzt spezifisch an Extremitäten wie Armen oder Beinen), der einem für einen kurzen Augenblick den Atem raubt, bzw. scharf einatmen lässt, der das Gehirn und sämtliche Gedanken zumindest für den ersten Moment nur auf diesen Druckpunkt richtet und vergessen lässt, wie man die Körperteile bewegt.

Ein Schlag gegen den Brustkorb und/oder Rücken ist da noch ein wenig anders, er presst den Atem aus dem Körper und gibt das Gefühl, dass der Raum zwischen den Rippen mit Gips ausgefüllt ist, der weder Raum für Federrung, noch für Atem, Herzklopfen oder was auch immer lässt.

Ein Schlag gegen den Kopf ist schärfer. Es fühlt sich weniger dumpf, sondern irgendwie "Näher dran" an. Jenachdem, wie stark der Schlag war, macht er natürlich auch schwindelig oder für kurze Zeit blind oder sogar taub. Der Orientierungs- und Gleichgewichtssinn wird beeinflusst und beeinträchtigt.

Aber wenn nicht mit einem stumpfen, sondern zum Beispiel mit einem glatten (größere Oberfläche) oder spitzen Gegenstand geschlagen wird, kommt zu dem "tieferen" Schmerz noch der oberflächliche Schmerz, die Haut fühlt sich wund und brennend an.

Dann gibt es den Schmerz von Kratzern und Schürfwunden, die sich nach dem ersten Schockmoment heiß anfühlen und jucken und brennen. Das ist im Gegensatz zu Schlägen (außer zuletzt benannten) ein eher oberflächlicher Schmerz. Hier geht es um die oberere Hautschicht, aber Muskeln, Knochen etc. fühlen sich intakt und funktionsfähig an.

Tiefere Schnittwunden, d.h. "nähbare" oder was auch immer tun im ersten Moment nicht weh.
Dann ist der Schmerz zum einen ähnlich wie der von oberflächlicheren Kratzern, aber es brennt stärker. Nur irgendwie im dem Sinne, dass der Körper vielleicht merkt: "Oh, da muss man was machen, da kommt Dreck ran" oder was auch immer.
Bewegung tut weh, ist kaum möglich. Berühren tut weh. Die Haut drum herum fühlt sich an, als ob sie spannt und bei jeder Bewegung einreißen könnte, die bloße Vorstellung, die Wunde zu berühren, ist kaum möglich.

Dann gibt es ja zum Beispiel noch den Schmerz von Spritzen. Das ist zuerst ein kurzes Stechen vom Einstich. Dann kommt ein länger anhaltender, je nach Wirkstoff mehr oder weniger stark zwiebelnder Schmerz, der teilweise echt stark sein kann. Da der Wirkstoff ja unter die Haut gedrückt wird (teilweise schieben die Ärzte zur besseren Verteilung ja die Nadel noch unter der Haut hin und her) ist es ein mehr oder weniger großflächiger Schmerz dicht unter der Haut, der sticht und sich ein wenig so anfühlt, als würde jemand in eine offene Wunde kneifen.

Ahhh und die Zahnarztschmerzen. Bohren ist fies, fühlt sich an, als würde jemand mit ganz viel Kraft gegen etwas drücken, unter dem der Schmerz liegt und diesem immer näher kommen. Also es fühlt sich an, als würde jemand den Schmerz immer weiter in einen reinhämmern und im gleichzeitig immer näher kommen.

Sooo... hab ich noch eine Schmerzart vergessen? Bestimmt, aber einige kenne ich ja auch gar nicht. Ich hoffe, du kannst damit was anfangen.

So when the world knocks at your front door
Clutch the knob tightly and open on up
And run forward and far into its widespread, greeting arms
With your hands outstretched before you
Fingertips trembling, though they may be
--- Anis Mojgani "Shake the Dust"

Dämmerungshexe

Zitat von: Fafharad am 18. Mai 2015, 15:48:03
Was uns hier weiterhilft, sind die Schmerzerlebnisse der Leser: Wir können uns darauf verlassen, dass jeder weiß, wie es sich anfühlt, den Finger in der Tür zu klemmen oder sich auf die Zunge zu beißen. In diesem Fall reicht es meiner Meinung nach, die Art der Verletzung zu beschreiben und die Reaktion des Protagonisten darauf. Die Schmerzen denken wir uns dazu.

Ja - das kennt jeder. Aber wieviele Leser (und Autoren) haben schonmal eine richtige Schwertwunde bekommen oder wurden von einer Keule getroffen? Hundebisse - ok, kommt vor, aber auch nicht sooo häufig. Schlangenbisse, Vergiftungen allgemein sind auch keine Allerweltserfahrungen. Wer ist schonmal wirklich in ein Feuer geraten? Ich habe mal geträumt, von einer Säurekugel getroffen worden zu sein (hatte zuviel Baldurs Gate gespielt) - DAS war interessant und ist mir lange in Erinneung geblieben. Aber eine Verifizierung für das Gefühl habe ich bisher ZUM GLÜCK vermeiden können.

Also: Ja - wenn es um Schmerzen bei nem eingeklemmten Finger oder nem angestoßenen Kopf geht, darf man sich gerne mal auf die Erfahrung der Leser verlassen und muss das nicht breit und lang ausführen. Aber da wir ja alle im fantastischen Genre unterwegs sind, darfs auch mal etwas phantasievoller sein.

Ich bin im übrigen auch eher ein Freund von Adjektiven, auch in Verbindung mit Metaphern. Gerade bei Schmerz ist das Gehirn ja mal schnell überfordert und es entstehen Assoziationen, die einem sonst nicht kommen würden. Insoweit kann es auch mal etwas abstrakter sein.
Eine Beta hat mal nachgehakt, was denn bitte ein "eisblauer Schmerz" ist - für mich war das klar und ich finde es an sich auch recht passend.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Aljana

@ Dämmerungshexe unter eisblauem schmerz kann ich mir auch was vorstellen, aber vermutlich, weil ich Kälte als extrem unangenehm emfinde. Darum ist für mich auch, anders als für Aryana ganz am Anfang des threads schrieb, Schmerz nicht mit Rot oder brennend oder feurig verbunden sondern mit blau, dunkel und kalt.

Was ich allerdings sehr schwer, fast unmöglich finde, ist Verlustschmerz zu beschreiben. Ich meine, jeder, der schonmal etwas verloren hat, was er wirklich, wirklich liebte, (Exfreund, Elternteil, Oma, Opa, ein Haustier) kennt diesen, wie ich finde schlimmsten Schmerz von allen. Diese machtlose Gefühle des innerlichen Auseinanderreißens, bei dem man nicht mehr weiß wohin, und der einfach nicht aufhört. Er verfliegt auch nicht, er kann nur begraben werden unter einer dicken Schicht neuer Erlebnisse und anderer Gefühle, aber er bricht immer wieder hervor, wenn einem die Erinnerungen kommen.

Das zu beschreiben, dieses Gefühl in einem Leser wach zu rufen, finde ich sehr sehr schwer.

canis lupus niger

#24
Zitat von: Sternsaphir am 18. Mai 2015, 19:58:03
Schmerzen beschreibe ich gern mit Bilder und Vergleichen:
z.B.
- Sein Magen fühlte sich an, als würden ihn zwei kräftige Hände durchwringen
- Sein Kopf schmerzte, als würde jemand mit einer Keule auf seinem Schädel trommeln
- Der Arm fühlte sich an, als würden tausend Nadeln in seine Haut gestochen werden.

Ansonsten überlege ich mir, wie sich der zu beschreibende Schmerz am ehesten anfühlen würde:
pochen, wummern, stechen, brennen, ziehen, schneiden, drücken etc.
Wenn der Schmerz besonders schlimm wird, lasse ich meine Protas auch gern schwindelig werden oder halluzinieren.

Auch ein wichtiges Mittel zur Schmerzbeschreibung ist die Beschreibung der Wunde (präzise, aber nicht zu üppig). Somit kann sich der Leser schon in seiner Phantasie ausmalen, welche Schmerzen der Prota gerade erleiden muss, auch wenn man selbst vielleicht solche Verletzung noch nie gehabt hatte.

Genauso handhabe ich das auch. Aus der Perspektive des Betroffenen vergleiche ich gerne bildhaft, wie es sich anfühlt. (Der Schmerz bohrte sich wie ein glühender Nagel in seine Stirn.)
Aus einer anderen Perspektive beschreibe ich entweder die Reaktion des Betroffenen (Blässe, schneller, flacher Atem, Aufbäumen des Körpers, schluchzendes Atemholen, ...) oder/und eventuell die Schmerzursache, sprich Wunde (damit dem Leser selber bei der Vorstellung elend wird), bzw die Empfindung des Perspektivträgers (Magen zieht sich beim Anblick zusammen o.ä., was ich halt bei dem Anblick selber fühlen würde).

Adjektive im Übermaß nehmen einem Satz die Dramatik, wirken inflationär. Deshalb setze ich sie mittlerweile ebenfalls nur dosiert ein. Ich hab mal einen Text gelesen, in dem jedem Nomen mindestens zwei Adjektive vorangestellt waren. Sowas zu lesen ist ein  heilsamer Schock, wenn man selber schreibt.  ;D