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Wie beschreibt ihr Schmerzen?

Begonnen von funkelsinlas, 18. Mai 2015, 14:52:25

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funkelsinlas

Ich hab kein Thema dazu gefunden, wenn es schon eines gibt: :pfanne:

Ich habe es oft, dass ich von Schmerzen oder Leid meines Protas schreibe. Aber irgendwann gehen einem ja die Wörter aus. Wie beschreibt ihr das? Welche Wörter oder Ausdrücke benutzt ihr da? Wäre dankbar für ein paar tolle Anregungen.
Danke vorab an alle. :-)

Shedzyala

Puh, das hängt ganz vom Schmerz ab. Denn jeder fühlt sich anders an.

Die üblichen Adjektive wären wohl: heiß, kalt, schneidend, eisig, pochend, dumpf etc. Als Verben bieten sich drücken, ziehen, pochen an. Ich finde es schwer, das so ganz allgemein abzuhandeln. Nenn mir einen Schmerz und ich beschreibe ihn dir ;)

Ganz allgemein mag ich es aber, zuerst das Gefühl zu beschreiben und dann erst zu nennen, was genau grad kaputt gegangen ist. Denn wenn man nicht gerade zugesehen hat, wie die Wunde entstanden ist, wird man ja erst durch den Schmerz auf sie aufmerksam.
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

Ary

Hi,

Schmerz kann so viele Facetten haben. Stechend, bohrend, brennend, reißend, drückend, er kann unerträglich sein oder gerade noch auszuhalten. Schmerz kann heiß sein, oder kalt. Ich verwendet im Zusammenhang mit Schmerz, gerade bei brennendem, gern die Farbe rot und die Assoziation von Hitze.
Heftiger Schmerz lässt vielleicht das Blickfeld auf einen winzigen Punkt zusammenschrumpfen oder die Figur verliert das Bewusstsein. Schmerz kann einem den Atem rauben (ein Schlag in den Magen oder bei einer männlichen Figur in die Kronjuwelen...). Die Figur kann Lichter vor den Augen explodieren sehen. In Schockstarre verfallen.

Hilft dir davon was weiter?
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

funkelsinlas

Die Adjektive sind super, danke erstmal. :jau:  Ich meinte aber auch Verben. Wenn man dass jemanden beschreiben lässt oder was der Prota tut. So was wie: Hände verkrampfen, zusammenkauern, nach Halt suchen,...
Hab halt zwei arme Seelen, denen es mies geht.

Tika

Wie Aryana so schön schreibt, bin ich selbst auch eher ein Freund von der Beschreibung von Auswirkungen. Was fühlt die Person. Sicher fühlt sie Schmerz, aber wenn zuvor ein Schock ihr Empfinden dämpft, dann ist es zunächst dieser Zustand, den man beschreiben muss. Schwindel, ein flaues Gefühl im Magen, Mattigkeit.
Der Reine Schmerz selbst ist in einem Sekundenbruchteil abgefrühstückt. Ob stechend, brennend, heiß, kalt - wie auch immer, aber was wird beeinträchtigt?
Welche Auswirkung hat die Verletzung?
Das sind die Dinge, die mich bei der Beschreibung dann mehr umtreiben.

Fafharad

Grundsätzlich vertrete ich die Ansicht, dass bei der Beschreibung von Schmerzen dasselbe gilt wie bei anderen Beschreibungen: Es geht auch ohne Adjektive!
Gerade in diesem Feld sind die Adjektive doch recht einschlägig und entsprechend überstrapaziert.
Was uns hier weiterhilft, sind die Schmerzerlebnisse der Leser: Wir können uns darauf verlassen, dass jeder weiß, wie es sich anfühlt, den Finger in der Tür zu klemmen oder sich auf die Zunge zu beißen. In diesem Fall reicht es meiner Meinung nach, die Art der Verletzung zu beschreiben und die Reaktion des Protagonisten darauf. Die Schmerzen denken wir uns dazu.

funkelsinlas

Also ich versuche halt auch, Adjektive lieber zu vermeiden. Außerdem hab ich die Sicht in der Szene nicht die, der verletzten Person, sondern die des Heilers. Also sind es halt eher Dinge, die man sieht oder hört.

Churke

Zitat von: funkelsinlas am 18. Mai 2015, 14:52:25
Ich habe es oft, dass ich von Schmerzen oder Leid meines Protas schreibe. Aber irgendwann gehen einem ja die Wörter aus. Wie beschreibt ihr das?

Indem ich die Ursache des Schmerzes beschreibe.
Körperliche Schmerzen: Körperliche Ursache, z.B. sachgemäße Anwendung einer Knochensäge. Wie sich der Protagonist dabei fühlt, kann sich Leser selbst ausmalen.
Seelische Schmerzen: seelische Ursache, also innerer Monolog. Das sind nachvollziehbare Gefühle gefragt.

Fafharad

Aus der Sicht des Heilers ist die Sache ja gleich viel unproblematischer. Das ist ein professioneller Blick auf eine Verletzung, der die Beschreibung von Schmerzen überflüssig macht (und die bisherigen Ratschläge beinahe zur Makulatur werden lässt  ;)).
Das heißt auch, dass die Art der Verletzungen meistens etwas dramatischer sind. Wenn der Patient nicht unter Schock steht oder bewusstlos ist, wird er solche Schmerzen leiden, dass er vielleicht von zwei starken Männern festgehalten werden muss, während der Heiler beispielsweise einen Bruch richtet oder eine entzündete Wunde ausbrennt.
Mach's laut, schmutzig und blutig. Lass den Verletzten brüllen, fluchen und heulen, in kalten Schweiß ausbrechen, sich wehren, auf Holz beißen und sich einnässen. Den Lesern muss mulmig werden und die Lust auf Schokolade vergehen.
Der Heiler selbst sollte völlig mitleidlos sein, besonders wehleidige Patienten auch mal zusammenstauchen dürfen und nicht mit der Wimper zucken, wenn ihm Blut ins Gesicht spritzt.

funkelsinlas

@Fafharad  Das ist eine gute Idee, könnte ich ausbauen. Danke :vibes:

Also ganz so professionell ist das nicht, ist auch etwas persönlicher. Aber der Leser ist halt nicht so abgestumpft.

Klecks

Was ist das nur immer mit diesem Nein zu vielen Adjektiven?  ;D  Gerade in Situationen, in denen meine Figur Schmerzen leidet, verwende ich gern und viele Adjektive. Ich versuche so genau wie möglich zu beschreiben, was die Figur durchmacht, wie der Schmerz anfängt und wie er wieder abflaut, ob er in Wellen oder ganz plötzlich kommt. Oder ob ein Schock verhindert, dass die Schmerzen tatsächlich wahrgenommen werden. Wie schon gesagt wurde: Es gibt endlose Möglichkeiten und es kommt immer auf die Situation drauf an.  :hmmm:

Shedzyala

Zitat von: Klecks am 18. Mai 2015, 17:51:47
Was ist das nur immer mit diesem Nein zu vielen Adjektiven?  ;D  Gerade in Situationen, in denen meine Figur Schmerzen leidet, verwende ich gern und viele Adjektive.

Danke, dass du es ansprichst, Klecks. Ich weiß auch nicht, warum Adjektive immer so negativ gesehen werden. Natürlich ist rotes Blut überflüssig, aber ein heißer Schmerz ist etwas anderes als ein kalter Schmerz. Warum sollte man das nicht schreiben dürfen? Ein Text ganz ohne Adjektive ist doch auch nicht besser als ein überfrachteter. Wie bei allen Wörtern kommt es dabei doch eben darauf an, wie man sie benutzt.
Wenn sie dich hängen wollen, bitte um ein Glas Wasser. Man weiß nie, was passiert, ehe sie es bringen ...
– Andrzej Sapkowski, Die Dame vom See

funkelsinlas

Ich glaube Adjektive werden von Schreibratgebern gern verteufelt. Ob zu Recht oder Unrecht, sei dahingestellt. Ich hab aber noch keinen gelesen, der an denen ein gutes Haar gelassen hat. Eigentlich ein interessantes Thema für sich.

et cetera

Viele Adjektive lassen einen Text oft schwülstig erscheinen, weshalb man sie sparsam einsetzen sollte. Aber ich habe auch den Eindruck, dass das momentan eine Modeerscheinung ist, sie ganz zu verteufeln.
Generell bin ich aber auch kein Freund von dogmatischen Regeln. Was bei dem einen Text furchtbar aussieht, kann bei dem anderen grandios sein, je nachdem welcher Stil, welche Geschichte und welcher Zeitgeist dahinter steckt.

Zum Thema: Gerade bei solchen großen Wunden wie ein aufgeschlitztes Bein oder ein Pfeil in der Schulter frage ich mich schon, wie man eigentlich am Besten diesen ersten Schmerzensmoment beschreibt. Ich meine damit nicht das Pochen der Wunde oder das kochende Blut, sondern der unmittelbare Augenblick, in dem der Schmerz zugefügt wird. Meine Erfahrungen beschränken sich bisher darauf, mir den kleinen Zeh am Tischbein zu stoßen, aber selbst das reicht aus, damit sich mein Gehirn komplett abschaltet und mein ganzes Sein auf diesen kleinen Bereich zusammen schrumpft. Eigentlich müsste das bei einer Schussverletzung noch mal viel extremer sein, aber ich habe immer den Eindruck, dass meine Beschreibung nicht intensiv genug ist.

phoe

ZitatWas uns hier weiterhilft, sind die Schmerzerlebnisse der Leser: Wir können uns darauf verlassen, dass jeder weiß, wie es sich anfühlt, den Finger in der Tür zu klemmen oder sich auf die Zunge zu beißen. In diesem Fall reicht es meiner Meinung nach, die Art der Verletzung zu beschreiben und die Reaktion des Protagonisten darauf. Die Schmerzen denken wir uns dazu.
Da stimme ich Fafharad zwar zu, aber dennoch liest es sich besser, bzw. macht es noch etwas "schlimmer" wenn Adjektive dabei stehen, isso. Klar weiß ich, wie sich ein eingeklemmter Finger anfühlt, aber dennoch gibt es auch dabei Unterschiede bzw. Empfindungen. Man sollte nicht zu viel hineinschreiben, das ist lästig, aber ganz weglassen auch nicht.

Es gibt verschiedene "Zustände" des Schmerzes, folgende Verben fallen mir dazu ein: verkrampfen, schwitzen, zittern, taumeln, schwer atmen, pusten (auch ruckartig die Luft ausstoßen genannt  ;) )

Edit: et cetera war schneller ;)