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"Eine neue, intelligentere Art der Fantasy"?

Begonnen von Debbie, 28. Oktober 2014, 15:06:35

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Debbie

Mir ist vorhin dieser Artikel aus der Süddeutschen untergekommen - "es wächst eine neue, intelligentere Art von Fantasy heran" klang ziemlich provokativ, deshalb musste ich ihn trotz Zeitmangel lesen:

http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/589529/Die-dunkle-Bluete


Zum Einen hat mich ein wenig aufgeregt, dass es sich dabei nicht um eine "neue" Art der Fantasy handelt (siehe z.B. Der Name des Windes; gibt es immerhin schon eine Weile, genauso wie GoT), zum anderen, dass einem Literaturexperten offensichtlich das Subgenre "Dark Fantasy" (das es auch schon eine Weile gibt) kein Begriff ist und hier zur genauen Kategorisierung auch keine Verwendung findet. Soviel zur vermeintlichen Kompetenz des Experten.

Was mich aber noch viel mehr aufgeregt hat, ist die Tatsache, dass der Verfasser die (gerade für Fantasy) typischen "Quest"-Plots banalisiert, diesen Aufbau als "Makel" des Herrn der Ringe sieht und derlei Geschichten unterstellt, sie wären offensichtlich nicht so "intelligent", wie ein anderer Plot-Aufbau (und langatmig noch dazu). Ich glaube man kann schon gut erkennen, dass ich mich wirklich aufgeregt habe ...  :darth:

Aber was mich wirklich interessiert, ist, wie ihr das seht. Hängt die Intelligenz und Tiefgründigkeit eines Werkes vom Plot-Aufbau ab? Zielen Fantasy-Werke nicht generell (wie die meisten anderen Geschichten, aber vielleicht eben noch mehr) darauf ab
Zitatim Gemüt des Publikums die Reinigung von Furcht und Mitleid zu vollbringen
?

Kati

Ich finde ja Tiefgründigkeit generell überbewertet. Wenn ein Buch gut unterhält und mich in seinen Bann zieht, ist es für mich mehr wert als jedes noch so schlaue Buch, das mich einfach nicht packt. Aber diese Mentalität ist ja auch nicht neu. Diese Trennung, die wir in Deutschland haben, zwischen anspruchsvoller Literatur und eben dem Rest. Es gibt Literatur, die als anspruchsvoll gewertet wird, die mich gepackt hat und es gibt Literatur, die Leute für den letzten Schund halten, die mich gepackt hat, es gibt auf beiden Seiten Bücher, die ich furchtbar finde und es gibt ganz viel dazwischen. Kurz: Dieses Gekabbel darüber, was Anspruch hat und was nicht geht mir auf den Keks. Kein Buch ist schlechter oder weniger wert, weil es angeblich weniger intelligent ist. Ich finde GoT nicht tiefgründiger oder wertvoller, weil es in einer pseudohistorischen Welt spielt (deren Gesellschaft nicht mal funktionieren dürfte) und die Intrigen gut ausgearbeitet sind. Es ist eine gute Geschichte. Aber nicht vorrangig deswegen.

So zu tun, als wäre auf historischen Ereignissen aufgebaute Fantasy jetzt etwas ganz Neues, Wertvolles halte ich für lächerlich. Court Intrigue als Genre gibt es schon so lange. Mantel und Degen. Gibt es doch alles. Es ist doch nicht einmal wirklich dasselbe Genre wie die Quest-Geschichten. Auch die Fantasy hat Untergenres, die verschieden funktionieren und wieso eins davon jetzt wertvoller sein sollte, als ein anderes erschließt sich mir auch nicht, Debbie. Ich verstehe, dass dich das aufregt, aber ich rege mich schon gar nicht mehr auf.  :-X Artikel von Leuten, die zwei Fantasybücher gelesen haben und denken, sie wissen jetzt total Bescheid erscheinen alle halbe Jahre und es steht derselbe Kram drin. Für mich liest sich das, als hätte der Autor genau einen Fantasyroman gelesen, nämlich den, den er da so in den Himmel lobt, und denkt jetzt er hätte der Neuerfindung des Rades beigewohnt. Für mich liest sich der Plot des Buches allerdings wie ganz viel andere Fantasy, die ich davor gelesen habe. Es ist halt keine Quest-Fantasy. Aber es ist nicht intelligenter oder tiefgründiger deswegen.

Valaé

Ich habe den Artikel noch nicht gelesen und gerade auch keine Zeit dazu, betrachtet mein Post daher als Schnellschuss, dem noch was nachgeschoben werden soll, mir fällt nur einfach ganz kurz etwas, auf das ich ansprechen möchte, ehe ich gleich weg muss:

1. Mal ganz allgemein in welche Richtung mein Post später auch noch gehen wird:
ZitatAber was mich wirklich interessiert, ist, wie ihr das seht. Hängt die Intelligenz und Tiefgründigkeit eines Werkes vom Plot-Aufbau ab?
Definitiv nicht, es gibt so viele unterschiedliche Arten und Weisen in einem Werk Tiefgründigkeit zu erschaffen, dass ich es nicht mag, wenn man nur eine hervorhebt oder über alle anderen hebt. Und da das Beispiel Herr der Ringe fiel: Der Herr der Ringe ist allein aufgrund seiner Motivgeschichte bereits derartig tiefgründig, dass es darüber wissenschaftliche Forschungen gibt, die im Übrigen enorm interessant sind. Einem solchen Werk wenig Intelligenz zuzuschreiben empfinde ich als Hohn. Man kann in allen möglichen Bereichen geteilter Meinung über den HDR sein, aber dass er eher "wenig intelligent" wäre gehört m.E. nun wirklich nicht dazu.

Aber was mir wirklich so sehr unter den Fingern brennt dass ich jetzt unbedingt posten musste:
Zitatim Gemüt des Publikums die Reinigung von Furcht und Mitleid zu vollbringen
Auauau - werden hier nicht ziemlich Äpfel und Birnen vermischt? Ich finde es jetzt schwierig, das (in diesem Fall die von Lessing geprägte (nein, ich behaupte nicht, dass die Katharsis-Theorie von Lessing wäre, sondern dass die Übersetzung Furcht und Mitleid maßgeblich von ihm geprägt wurde)) Katharsis-Theorie hier für Diskussionen um Romane benutzt wird. Sie entstammt schließlich der Dramentheorie und ist ganz, ganz stark an diese gebunden. Ich wäre also da vorsichtig und würde diese Aussage niemals mit Romantheorie oder Diskussionen um Romane in einen Topf werfen.

Sorry, literaturtheoretischer Meckermodus aus. Zur eigentlichen Diskussion trage ich gerne nach meinem Arztbesuch etwas bei. Bis dann!

cryphos

Habe kurz den Artikel quer gelesen, so 30 Sekunden und bin dabei hier hängen geblieben:

ZitatBeispiellos ist das nicht mehr. Das ganze Genre hat einen Aufschwung zur Komplexität genommen, seit die Fernsehserie ,,Game of Thrones" des amerikanischen Senders HBO ihre Triumphe feiert. Zu verstehen ist diese Entwicklung nur vor dem Hintergrund der sich unablässig verändernden Wechselbeziehung der Medien Buch, Kino, Fernsehen (und als vierten Mitwirkenden muss man wohl die Computerspiele zählen). Sie bedrängen, aber sie verdrängen einander nicht.
Die Serie gibt es seit *grübel* 2011? Das Erste Buch wurde 1996 veröffentlicht? Dazwischen liegen also 15 Jahre und der Autor spricht von einer Wechselbeziehung?
Versteh ich nicht und mein Anreitz alles zu lesen tendiert jetzt gegen 0, weil beim ersten Querlesen schon unverständlcher und falscher Mist drinne steht.

Sunflower

Ich habe den Artikel zwar nur überflogen, aber ich dachte mir eben das, was Kati geschrieben hat:

Zitat von: Kati am 28. Oktober 2014, 15:24:44
Artikel von Leuten, die zwei Fantasybücher gelesen haben und denken, sie wissen jetzt total Bescheid erscheinen alle halbe Jahre und es steht derselbe Kram drin. Für mich liest sich das, als hätte der Autor genau einen Fantasyroman gelesen, nämlich den, den er da so in den Himmel lobt, und denkt jetzt er hätte der Neuerfindung des Rades beigewohnt. Für mich liest sich der Plot des Buches allerdings wie ganz viel andere Fantasy, die ich davor gelesen habe. Es ist halt keine Quest-Fantasy. Aber es ist nicht intelligenter oder tiefgründiger deswegen.

Nebenbei ist GoT nicht die einzige Serie mit vielen, vielen Teilen, die eine komplexe Welt erschafft. Sie ist zwar sehr bekannt und ich bewundere Martin schon allein dafür, dass er da den Überblick behält, sehr! - Zudem mag ich die Serie. Aber auf mich wirkt der Autor des Artikels einfach, als wäre er von außen auf dieses Buch gestoßen worden, dazu kennt er vielleicht GoT; das schaut ja jeder, selbst die, die keinen Bezug zur Fantasy haben, und hey - der Autor des Artikels ist überrascht, denn Fantasy ist ja gar kein Kinderkram, sondern komplex! [Ironie on] Aber so ein gebildeter Journalist kann davon ausgehen, dass Fantasy bisher Kinderkram war und Wunder, oh Wunder, er liest ein Buch und hat schon das absolute Highlight gefunden, ist zufällig auf einen Trend gestoßen: Fantasy wird komplex! Oh mein Gott! [Ironie off/]

Ähm, ja. Ich glaube im Übrigen nicht, dass Fantasy gerade einen Trend zum Komplexen hat. Fantasy ist komplex, und zwar schon eine ganze Weile, denn Komplexität ist ja auch irgendwie der Spaß an der ganzen Sache. Liebevoll ausgestaltete Welten und eine ganze Reihe an Figuren gehören ja fast schon zum Repertoire der (High) Fantasy - naja, oder eben jeder Fantasy (die in erfundenen Welten spielt). Terry Goodkinds Legend of the Seeker z.B.

Weil ich eigentlich Unizeug machen sollte, nur noch eins: Das Buch, auf das der Journalist da gestoßen ist, klingt zwar nicht schlecht, aber keinesfalls neu. Allein schon der Anfang, die Geschichte zu erzähen, indem man in die Rolle eines Schreibers schlüpft, ist eigentlich eine ziemlich alte Erzähltechnik, gibt es aber auch in der neueren Fantasy schon länger - Name of the Wind wurde genannt und Cairiels Herr der Schwarzen Schatten ist z.B. genauso. Auch ansonsten klingt der Plot jetzt nach normaler Dark Fantasy (nicht, dass das schlecht ist! Aber ein neues Genre wird hier mMn nicht erfunden).
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Churke

Der Redakteur vermeidet es geschickt, zu erklären, worum es in "Blood Song" eigentlich geht, verliert sich in Details, Geschwafel und neu ausgemachte Trends.
Aber was will man viel erwarten? Das Niveau einer Zeitung erkennt man am Feuilleton (auf Pfälzisch "Föjetong") und das ist halt nur SZ...

Zitat von: Debbie am 28. Oktober 2014, 15:06:35
Was mich aber noch viel mehr aufgeregt hat, ist die Tatsache, dass der Verfasser die (gerade für Fantasy) typischen "Quest"-Plots banalisiert, diesen Aufbau als "Makel" des Herrn der Ringe sieht und derlei Geschichten unterstellt, sie wären offensichtlich nicht so "intelligent", wie ein anderer Plot-Aufbau (und langatmig noch dazu).
So verkehrt ist das nicht. Ein klassischer Billig-Plot geht so: Prophezeiung -> Auserwählter -> Schnitzeljagd -> magisches Artefakt ->Showdown ->Weltenrettung.
Hab ich was vergessen?


ZitatHängt die Intelligenz und Tiefgründigkeit eines Werkes vom Plot-Aufbau ab?
Ich sage mal so: Ein Königsdrama erfordert notwendigerweise etwas mehr Gehirnschmalz. Und wenn's dann noch spannend und in sich logisch sein soll... puh, da raucht der Kopf des Autors.

HauntingWitch

Ich finde den Artikel Hahnebüchen, um das zu wissen, muss ich ihn nicht einmal ganz lesen. Was heisst denn bitte, "Die Handlung spielt, wie gewohnt, in einem diffusen Mittelalter."? Damit unterschlägt der Autor des Artikels schon einmal sämtliche Subgenres abseits der High Fantasy und er wirft auch HdR, Harry Potter und den Dunklen Turm in einen Topf, was (wie wir Fantasy-Fans natürlich wissen) drei völlig verschiedene Dinge sind. Dann macht er seine Bewertung der "bisherigen" Gestalt des Genres von nur einem Faktor abhängig, den diese drei Bücher gemeinsam haben. Der Autor des Artikels unterschlägt jegliche Details. So ein Humbug, wirklich.

Nun aber zu Debbies etwas intelligenteren Frage. ;D Erst einmal finde ich Tiefgründigkeit etwas Tolles und Erstrebenswertes, nehme es aber niemandem übel, wenn er lieber reine Unterhaltungsliteratur hat. Auch leichtere Kost kann gut sein. Ich finde aber nicht, dass die Intelligenz oder Tiefgründigkeit vom Plotaufbau abhängt. Ich empfinde gerade die drei eingangs genannten als sehr intelligente Bücher und muss es doch infrage stellen, dass sie in dem Artikel offensichtlich als einfacher und weniger tiefgründig als die anderen abgetan werden. Dies nur davon abhängig zu machen, empfinde ich gelinde gesagt als dumm.

Diese zwei Dinge, Tiefgründigkeit und Intelligenz, sind an sich schon sehr komplex und zeigen sich meiner Ansicht nach eher in der Charakterdarstellung und den zwischenmenschlichen Beziehungen, wie auch in Details (ist z.B. Gewalt einfach nur um der Action willen vorhanden oder gibt es Gründe dafür?) und der Art der Ausarbeitung (z.B. Querbezüge à la Stephen King oder John Ajvide Lindqvist, Darstellung der Welt bzw. Gesellschaft, usw. Es sind so viele Faktoren, die es ausmachen, man kann sie gar nicht alle aufschlüsseln.

Was den von dir zitierten Satz angeht, Debbie, so verstehe ich gar nicht, was der Typ damit überhaupt meint. Wenn du mich fragst, was Fantasy abzielt, würde ich sagen: Teilweise Eskapismus, teilweise der Versuch, unsere eigene Welt durch eine Art Verdichtungsfilter (die Fantasy-Welt oder Teile davon) besser zu verstehen. Es gibt Dinge, die uns extrem beschäftigen, wie z.B. Trennungen, Tod, Liebe, Loyalität, sucht euch was aus und ergänzt. ;) Diese Dinge lassen sich in der Fantasy viel extremer und plastischer, um nicht zu sagen greifbarer darstellen, als in einem realistischen Roman. In der Realität sind sie ja auch nicht greifbar. Durch den Fantasy-Filter können wir ihnen aber besser näher kommen. Oder uns innerlich vor ihnen flüchten, dann wären wir beim Eskapismus.

Lucien

Ich rege mich nicht auf. Ich rege mich nicht auf ...  :omn:

Ich kann nicht wirklich nachvollziehen, warum der Kerl so sehr darauf herumreitet, dass man sich das vorangegangene merken muss, um dem weiteren Verlauf der Geschichte folgen zu können.  ??? Als ob das ein entscheidendes Kriterium für eine "intelligente" Geschichte wäre.

Zitat von: HauntingWitch am 28. Oktober 2014, 15:57:54
Diese zwei Dinge, Tiefgründigkeit und Intelligenz, sind an sich schon sehr komplex und zeigen sich meiner Ansicht nach eher in der Charakterdarstellung und den zwischenmenschlichen Beziehungen, wie auch in Details (ist z.B. Gewalt einfach nur um der Action willen vorhanden oder gibt es Gründe dafür?) und der Art der Ausarbeitung (z.B. Querbezüge à la Stephen King oder John Ajvide Lindqvist, Darstellung der Welt bzw. Gesellschaft, usw. Es sind so viele Faktoren, die es ausmachen, man kann sie gar nicht alle aufschlüsseln.
Das kann ich so unterschreiben. Der komplexeste Plot ist die Mühe nicht wert, wenn in den Figuren kein Leben steckt.
Generell tu ich mich schwer damit, was denn nun die Tiefgründigkeit einer Geschichte ausmacht. Für meinen Deutschlehrer war grundsätzlich nur jene Literatur tiefgründig, die wirklich "Literatur" war und von Persönlichkeiten wie Günther Grass und Christa Wolf stammt. Alles andere wurde mit einer abfälligen Geste als "Unterhaltung" abgetan. Tiefgründig ist demnach nur, was bedeutende reale historische Ereignisse aufgreift und verarbeitet.
Dagegen habe ich mich schon immer von Herzen gesträubt. In erster Linie lese ich Fantasyromane, um mich tatsächlich zu unterhalten. Trotzdem geben diese Bücher mir etwas, was ich durchaus tiefsinnig finde: Die Charaktere werden in extreme Situationen gebracht und angesichts dessen zu gravierenden Entscheidungen gezwungen, die - im Falle z.B. der High Fantasy - durchaus auch das Ende der Welt nach sich ziehen könnten. Wie die Figuren sich entscheiden und warum, das macht für mich die Tiefgründigkeit aus, denn es geht um Ängste, Hoffnungen, Opferbereitschaft und Dinge wie die Bedeutung von Loyalität und Freundschaft, Moral, Glaube ... Das sind die Fragen, die mich in meinem bescheidenen Leben täglich beschäftigen und nicht die großen Ereignisse der Vergangenheit, die sich eh nicht ändern lassen.
Eine Geschichte, die mir das bieten kann, ist für mich persönlich tiefgründig und intelligent, auch, wenn es sich um die klassische Quest handelt.

*tief Luft hol* So, das war mein Senf.  ;D

Siara

Erst einmal:
Zitat von: Kati am 28. Oktober 2014, 15:24:44
Für mich liest sich das, als hätte der Autor genau einen Fantasyroman gelesen, nämlich den, den er da so in den Himmel lobt, und denkt jetzt er hätte der Neuerfindung des Rades beigewohnt.
Genau das war auch mein erster Gedanke.

Und zu der Frage: Dass die "Intelligenz" zwingend vom Plot abhängt, glaube ich keinesfalls. Intrigen und politische Verstrickungen erfordern sicherlich intensive Arbeit und genaue Planung, aber es gibt doch noch weit mehr Arten von Tiefgründigkeit. Ob Zwischenmenschliches, logische Magiesysteme und Fragen rund um Ethik und Moral gehören für mich genauso dazu. Und diese Themen sind im Genre wohl kaum erst seit gestern vertreten.

Zugegebenermaßen habe ich noch nicht genug gelesen (besonders nicht genug Älteres), um festzustellen, ob es derzeit einen Trend gibt. Bücher, in denen die Heldenreise ziemlich deutlich zu erkennen ist, erscheinen ja auf jeden Fall immer noch. Das einzige "Neue" sind eventuell die "wissenschaftlich" erklärten Funktionsweisen von Magie. (Siehe Brandon Sanderson, Patrick Rothfuss, ...) Vielleicht irre ich mich und das gab es ebenfalls schon vorher, ich kenne es in diesem Ausmaß jedenfalls nur aus moderneren Romanen. Aber darauf will der Autor ja offenbar nicht heraus.

Gute finde ich auch diese Stelle, nachdem er Game of Thrones kurz vorgestellt hat:
ZitatDer Name der neuen Reihe, ,,Blood Song", weckt zunächst den Verdacht des Plagiats. Aber im Reich der intelligenten Fantasy ist viel Platz für konkurrierende Entwürfe.
Bisher gab es ja nur Kopien vom Herrn der Ringe und Fantasy war immer das Gleiche. Natürlich denkt der beschränkte Leser des Artikels, es müsse bei dieser "neuen" Gattung genauso sein. Na zum Glück klärt der belesene Autor uns da über die Vielfältigkeit des Genres auf! :rofl:

OT: Übrigens lustig, dass gerade "Das Lied des Blutes" als so innovatives Beispiel genannt wird. Nicht nur, dass der Plot jetzt nicht nach etwas komplett Neuem klingt, sondern als ich mir die ersten paar Sätze aus der Leseprobe angesehen habe, fühlte ich mich doch sehr stark an den Namen des Windes erinnert.
I'm going to stand outside. So if anyone asks, I'm outstanding.

Lothen

#9
Oh, komplexe Dark-Fantasy-Geschichten mit vielen Intrigen sind jetzt "auf einmal" (/ironie off) à la mode? Klasse, dann wird mein Nano-Roman ja ein Kassenschlager  :rofl:

Aber mal ehrlich: Komplexität mit Qualität gleichzusetzen, das hat lange Tradition, obwohl es Müll ist. Auch bei Filmen höre ich das oft: "Oh, der ist ja so komplex und vielschichtig, der MUSS gut sein." Muss er gar nicht - und umgekehrt muss auch ein lineares Buch nicht schlecht sein.

Ich kann mich da nur meinen Vorrednern anschließen: entscheidend ist, ob man unterhalten wird. Ich ziehe mal Gesellschaftsspiele als Parallele heran: Ich liebe komplexe Strategiespiele, aber ich spiele genauso gern auch Kniffel oder "Stadt, Land, Fluss". Beides unterhält mich, beides macht Spaß. Wieso sollte das eine besser sein als das andere? Hauptsache, ich hab Freude dran :)

Arcor

Als Literaturstudent kann ich nur sagen, dass die Sichtweise mancher Leute, was als "Literatur" angesehen wird und was nicht, mir gehörig auf den Nerv geht. Das war schon im Studium so, dass die "Unterhaltungsliteratur" unter ferner Liefen lief und dass man schief angesehen wurde, wenn man da mal was von in einer Seminararbeit analysieren wollte. Als ob "Unterhaltungsliteratur" leichter zu schreiben wäre oder nicht genügend Elemente wie Symbolik, Parallelstrukturen, Figurenentwicklung etc. böte, was sich zu analysieren lohnt.

Meine ganzen "" beziehen sich übrigens darauf, dass ich diese Unterscheidung nicht mag. Für mich ist Literatur Literatur. Wenn man den postmodernen Kram (den ich zum Teil furchtbar finde - ich sag nur Bolagno  :gähn:) außen vor lässt, waren nämlich besonders die ganzen Dramen, die heute als Klassiker und hohe Literatur gelten, zumeist ebenfalls nichts anderes als Unterhaltungsliteratur. Von daher halte ich es nach dem bekannten Spruch von Horaz: Aut prodesse volunt aut delectare poetae. Und ich will meistens delectare.  ;D
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Blackhat

Zum Thema Tiefgründigkeit und "Niveau" in der Literatur hier ein schönes Zitat:

"Kein Zweifel, ein hochinteressantes, ein brillantes Buch. Ich habe es nach dreißig Seiten weggelegt, weil es unaussprechlich langweilig war." (REICH-RANICKI).

Das spricht mir aus der Seele. Egal ob U- oder E-Literatur, es sollte immer als erstes Gebot gelten:

"Du sollst nicht langweilen!"

Wobei ich persönlich die Differenzierung zwischen U und E sowieso reichlich kleinkariert finde.

Dämmerungshexe

Ich denke mal dass es auch einfach unterschiedliche Formen von Unterhaltung gibt - manche Leser wollens ich "unterhalten lassen", mitgerissen werden, anderw ollen sich in eine Gecshichte "einarbeiten". Und für beide Typen gibt es genug Bücher (Serien, Filme, Spiele, Musik ...). Ich finde es etwas oberflächlich da eine Wertung machen zu wollen, was denn nun "besser" sei.

Ich persönlich habe mir lange genug anhören dürfen dass Manga und Anime "unintelligent" seien. Das schönste Gegenbeispiel gab es dann, als mein Vater mal einen Teil von "Ghost in the Shell" im Fernsehen mitgeschaut hat und vollkommen überrascht war, wie komplex und philosophisch die Gechichte ist.

Genauso rollen sich mir immer die Zehennägel auf, wenn über den "Standart-Quest-Plot" hergezogen wird. Es gibt Bücher in denen das wundervoll und spannend und eben auch komplex und intelligent ausgearbeitet ist. Und andere, in denen es totlangweilig ist.
Im Moment lese ich "Die Steien der Wandlung" - auch eine typische Quest, Jugendroman - es ist an sich schön geschrieben, hat schöne Elemente, aber es ärgert und langweilt mich inzwischen doch ziemlich, eben weil ich das Gefühl habe, dass es "komplex und intelligent" sein will, ohne es wirklich zu schaffen.
Da sind mir Bücher, die diesen Anspruch nicht erheben aber dafür spannend sind, wesentlich lieber.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Cythnica

Ok ich verstehe zumindest was der Autor in gewissen Punkten meint - nur dass er sich darin irrt, dass die Existenz tiefgründiger und niveauvoller Fantasyromane zwischen einem Haufen trivialem Irrsinns etwas neues wäre...

Ich selbst muss zugeben ich habe fast noch nie ein Fantasybuch spontan gekauft sondern praktisch alles an Büchern geschenkt bekommen und dann, wenns mir mal gefallen hat, danach entsprechende Fortsetzungen erworben - denn immer wenn ich mich irgendwo umgesehen habe, passierte es stetig, dass ich ein Buch hochnahm, dessen Titel und Einband spannend aussah, und dann auf der Rückseite gelesen haben:
"Bla bla bla - Königreich - blablabla Elfen/Menschen mit Nähe zu Elfen - bla bla bla Königstochter Krgh'Shka'Bla ( Wobei der Durchschnittswert an Apostrophen eher gen 1 als 2 tendiert) - Mission - Blabla irgendein Typ - bla romantische Gefühle"
Mag dann sein dass sich in drei von zehn dieser Büchern eine innovative, intelligente Idee versteckt - aber mein Eindruck ist vielmals, dass mir die Option geboten wird, das gleiche Buch mit 20 verschiedenen Titeln und unwesentlich unterschiedlichen Einband zu kaufen, welches absolut nichtssagend klingt.

Und wenn man sich dann nicht hinreichend informiert sondern immer nur wie ich "Stichproben" macht, kann der Eindruck einer Innovationslosen Fantasyliteraturwelt vermutlich schon entstehen .... wenn man allerdings für eine Zeitung Artikel schreibt sollte das mit dem hinreichend Informieren aber eigentlich drin sein  :D



Luna

Im Grunde genommen ist es sowieso ironisch, dass ein Autor einer Zeitung - die heutzutage teilweise eh mehr der Unterhaltung dienen als einer umfassenden Information (gerade auch was den Föjetong (schönes Wort) angeht) Bücher kritisiert, die in erster Linie unterhalten sollen.
Ja, es gibt viele tiefgründige Geschichten und Stories, aber dass viele der eher ausgefalleneren, innovativeren Geschichten durch das Maschennetz fallen und verloren gehen, dass wir viel "Einheitsbrei" erhalten ist unserer Unterhaltungsindustrie geschuldet (das läuft, also läuft was ähnliches sicher, nehmen wir das).
Klar kann man nicht alles lesen und umfassend informiert sein - aber so auftreten zu wollen als wäre man dies - das ist was mir eigentlich auf den Senkel geht.

In einer Zeit, in der man sich auch Artikel oder Rezensionen in Zeitungen und Zeitschriften "kaufen" kann, kann ich eh nichts mehr auf die Inhalte geben, die in solchen Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht werden.

Im Endeffekt, wenn man informiert sein will, muss man das schon selber tun - und Informationen ebenfalls kritisch hinterfragen.

Zur eingangs gestellten Frage: Die "Intelligenz" eines Romans hängt nicht vom Plot ab, sondern wie die Geschichte umgesetzt wurde.
Um einen hinkenden Vergleich zu ziehen: Die Qualität einer Paprika-Pflanze hängt weniger von der Genetik ab, sondern mehr davon wie die Pflanze mit Wasser, Nährstoffen und Licht versorgt wurde.