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Wenn die Ideologie des Autors Einfluss auf die Kaufentscheidung seiner Werke hat

Begonnen von Nirahil, 02. Dezember 2013, 11:57:22

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Nirahil

Da im Thread zu Ender's Game die Diskussion aufkam, dass der Film bzw. das Buch wegen der fragwürdigen Ideologie des Autors teilweise boykottiert wird, starte ich einfach ein neues Thema, das sich ausschließlich mit dieser Thematik befasst.

Orson Scott Card hat ohne Zweifel reichlich fragwürdige Meinungen, die mir das ein oder andere Kopfschütteln entlocken und mich angeekelt das Gesicht verziehen lassen. Dennoch ist er daneben offenbar ein großer Autor, der es versteht, gute Bücher zu schreiben - immerhin wird Ender's Game ja jetzt verfilmt. Dass man solchen Leuten kein Geld in den Rachen werfen möchte, indem man ihre Werke kauft, sich den Film im Kino ansieht oder dann die DVD/Bluray kauft, ist mir völlig klar. Aber mich beschäftigt dabei folgende Frage: Unterstütze ich mit dem Kauf eines seiner Werke wirklich auch seine Meinung? Ich komme immer mehr zu der Antwort: Nein.

Für mich zählt der Autor hinter einem Werk erstmal überhaupt nichts. Natürlich späht man nach denen, die man schon kennt und deren Buch soundso richtig gut war, aber es braucht ein paar gute Bücher, damit ich mich eingehend mit dem Autor beschäftige. Oder ein einziges Buch, das mich so vom Hocker haut, dass ich unbedingt wissen will, wer der Mensch ist, der das geschrieben hat. Durch die Vita im Buch erhält man ja schon so manche Info und ein Foto ist oft auch dabei - aber darüber hinaus bleibt der Autor für mich ein Geist, dessen Produkt ich in den Händen halte. (Ausgenommen sind natürlich die Autoren, die man z. B. durch den Tintenzirkel kennt, aber da lernt man die Leute vor ihren Werken kennen.) Wenn ich durch all diese Faktoren neugierig geworden bin, recherchiere ich vielleicht ein bisschen weiter, aber Einfluss auf meine Meinung über das Buch hat das trotzdem nicht. Und da kommt der Haken an der Sache.

Stoße ich jetzt also auf solch dubiose Gestalten wie Herrn Card, dann finde ich das, was im Kopf dieses Menschen so vorgeht, erstmal zum ... ihr wisst schon. Ich mag ihn nicht, aber ich mag seine Werke - muss ich mich deshalb entscheiden? Muss ich mir gute Geschichten entgehen lassen, nur weil der Typ, der dahinter steckt, nicht meine Meinung teilt oder so eine bescheidene Meinung hat, dass man, sobald man davon hört, nichts mehr von ihm hält? Ich finde das ehrlich gesagt nicht. Das Werk mag von ihm stammen und er bekommt einen Teil des Verkaufserlöses, ja, aber das bekommt er doch nicht, weil ich seine Meinung gutheiße. Das bekommt er, weil ich seine Geschichte mag.

Da das aber nur meine persönliche Meinung ist, möchte ich wissen, wie ihr das so seht. Ist für euch die Meinung des Autoren so wichtig? Habt ihr das Gefühl, diese Meinung mit dem Kauf zu unterstützen oder gehen euch da ganz andere Gedanken durch den Kopf?
Ich tanze wie ein Kind im Nebel,
zufrieden, weil ohne Ziel.
Callejon - Kind im Nebel

Kerimaya

In meinem Fall unterscheide ich da ein bisschen, nämlich nach der Frage, ob es hier "nur" um die eigene Meinung eines Autors geht, oder ob er diese Meinung lautstark in die Welt hinausposaunt und davon ausgeht, dass seine/ihre Ideologie die einzig richtige ist. Eine eigene Meinung darf jeder haben, und dass ich nicht mit jedem Autor die gleiche Meinung teile ist auch gut und richtig so. In dem Fall steht aber auch der Autor hinter dem Werk zurück. Wenn ich beispielsweise eher zufällig auf Äusserungen des Autors stoße, weil er/sie etwas in einem Interview hat fallen lassen, dann ist es okay für mich. Wenn ein Autor aber in mehreren Pamphleten im Internet auf seine Meinung aufmerksam macht/machen will, und ich sie auch noch für gefährlich oder zumindest beleidigend halte, ist das für mich ein Grund seine/ihre Bücher nicht zu kaufen. Es gibt genug andere gute Bücher und ich will mich nicht mit einem Zähneknirschen durch ein Buch lesen, egal wie gut oder schlecht es wirklich ist.

Grummel

Tja, bei mir ist das sehr wohl so, dass ich auch den Autor betrachte. Mal ein Beispiel: Battlefield Earth von L. Ron Hubbard habe ich mir gekauft, als ich 10 Jahre alt war. Wer dieser Herr Hubbard ist, muss ich ja nicht erklären. Ich distanziere mich heute ganz bestimmt von dem Gedankengut dieses Mannes und würde (egal wie gut das Buch angeblich sein soll) niemals etwas von ihm kaufen. Ich habe Enders-Game vor ein paar Jahren geschenkt bekommen. In der englischen Originalfassung. Und ich war begeistert. Nachdem ich mich mit dem Autor ein wenig auseinander gesetzt hatte, war ich schlicht weg gesagt entsetzt. Und ja, das hat mich bewogen, den Film nicht zu schauen. Aber auch das ist nur eine persönliche Meinung.
"Kaffee?"
"Ja, gerne."
"Wie möchtest du ihn?"
"Schütte ihn mir einfach ins Gesicht!"

Luna

Vielen Dank fürs Eröffnen des Threads :knuddel:. Ich stand heute morgen irgendwie so auf der Leitung, dass ich schon an der Formulierung einer Überschrift gescheitert bin.
Ich sehe das ähnlich wie Du Nirahil. Ich kaufe ein Buch wegen seines Inhalts und nicht wegen des Autors. Wenn es nicht gerade ein sehr umstrittener Autor ist, der öfter in den Medien präsent ist, kenne ich ihn in der Regel auch nicht und weiß nicht, ob er ein A**** ist oder nicht. Wenn mich seine Bücher so sehr fesseln, mache ich mich natürlich auch mal über den Urheber schlau. Das Orson Scott Card solch üble Ansichten über Frauen und Schwule vom Stapel gelassen hat, die ich auch nicht teile, habe ich z. B. auch erst durch den Ender´s Game Thread erfahren. Wenn ich nun aufgrund dessen den Autor boykottieren würde, würde mir eine gute Geschichte entgehen. Genau wie bei dem neuen Epos von Brandon Sanderson. Der Typ ist auch Mormone und diese Religion ist ja für ihre fanatischen, konservativen Ansichten bekannt. Bei Stephenie Meyer das gleiche in grün. Trotzdem haben viele ihre Werke verschlungen.
Kurz, wenn ich jeden boykottieren würde, dessen Ansichten ich nicht teile, dann hätte ich sehr wenig zu lesen. 

Alana

Je nach Ideologie hätte ich immer Bedenken, diese zwischen den Zeilen in seinen Werken vorzufinden, das wäre für mich vor allem der Grund, mich davon fernzuhalten. Ganz aktuell war das für mich bei der Hörspiel-Serie "Offenbarung 23", wo dem Autor vorgeworfen wurde, Kontakte zur Neo-Nazi-Szene zu haben. Das hab ich erst sehr spät erfahren, da hatte ich schon gemerkt, dass die Ideologie soweit ich es beurteilen kann, nicht in die Serie hineingespielt hat. Ich hätte die Serie deshalb auch trotzdem weiter gehört. Wenn ich es von vornherein gewusst hätte, vielleicht nicht. Allerdings wurde der Autor dann wegen dieser Geschichte ohnehin gefeuert, was dazu geführt hat, dass die Serie schlecht wurde und ich sie auch nicht mehr gehört habe.
Es kommt aber sicher auch auf die Art der Ideologie an.
Alhambrana

Malinche

Danke, dass du den Thread eröffnet hast!

Ich finde das eine interessante und leider auch schwierige Frage. Tatsächlich gibt es einen Autoren in meiner »Favoritenliste«, bei dem ich immer wieder zu diesem Problem komme: Mario Vargas Llosa, der vor einigen Jahren ja auch den Literaturnobelpreis bekommen hat.

Vargas Llosa ist ein begnadeter Erzähler. Ich bewundere ihn als Autor. Aber ich weiß, dass er jenseits davon auch fragwürdige politische Ansichten hat, oder zumindest solche, die ich nicht teile: Es gibt ein paar deutlich rassistische Aussagen von ihm. Vargas Llosa ist Peruaner, aber er ist eben in der weißen, städtischen Mittel- bzw. Oberschicht seines Landes aufgewachsen, und das merkt man, denn es ist auch dort, wo die meisten seiner Werke spielen. (Was sie deshalb nicht zu schlechteren Werken macht.) Auf die unteren Schichten, also die arme und/oder indigene Landbevölkerung der Anden, blickt er teilweise sehr herab und vertritt Ansichten wie die, dass es einer vollständigen Annahme der westlich geprägten Kultur und Werte bedarf, um ein vollwertiger peruanischer Bürger zu werden und zum Fortschritt des Landes beizutragen.

Insbesondere mir als Kulturanthropologin macht das natürlich Bauchschmerzen, und es hat mich auch schon beim Lesen beeinflusst. »Tod in den Anden« spielt beispielsweise wirklich in der rauen Umgebung des Hochlands, und die Hauptfigur ist ein Mann von der Küste, der voller verächtlicher Vorurteile in die Berge kommt. Diese Sicht passt zum Charakter, und bei einem anderen Autoren wäre ich davon ausgegangen, hier auch nichts weiter als die Erzählstimme der Figur zu hören. In diesem Fall hatte ich durch mein Vorwissen über Vargas Llosa das Gefühl, ein Stück weit auch seine persönlichen Überzeugungen zu hören – und das hat mir das Lesen tatsächlich erschwert.

Für mich habe ich die Entscheidung getroffen, Vargas Llosa als Schriftsteller und als politischen Akteur so weit wie möglich zu trennen. Was nicht bedeutet, dass ich mir nicht immer wieder Gedanken um seine ideologische Einstellung mache.

Aber ich denke, dass das etwas ist, was sich letztlich nicht pauschal entscheiden lässt. Keri hat ja schon gesagt, es geht auch darum, auf welche Weise bestimmte Ideologien vertreten werden, wie offensiv und transparent. Und teilweise ist die Sache eben auch sehr verzwickt. Vargas Llosa hat aus meiner Sicht sehr fragwürdige Perspektiven zu indigener Bevölkerung und ihren Rechten, die auch seinem neoliberalen Politikverständnis geschuldet ist. Auf einer anderen Ebene gehört er zu jenen intellektuellen Peruanern, die sich momentan ganz offen für die »Unión Civil«, die gleichgeschlechtliche Partnerschaft, einsetzen und dafür aussprechen. Damit hat er bei mir auch wieder Sympathiepunkte wettgemacht (Perú ist ein katholisch geprägtes und in vielerlei Hinsicht sehr konservatives Land, in dem eine offene Debatte über Homosexualität noch etwas ziemlich Brisantes ist und für mein Gefühl schon lange überfällig).

Wobei das natürlich eben weitere Fragen aufwirft. Menschen sind komplex. Ich würde Vargas Llosa durchaus als jemanden mit rassistischen Tendenzen bezeichnen, aber er ist nicht homophob. Aber kann ich diese Ideologien gegeneinander aufwiegen? Tue ich das? Ich glaube, dass es für mich tatsächlich einen Punkt geben könnte, an dem ich beschließe, nichts mehr von diesem Autor zu lesen, und wenn er sich z.B. in der aktuellen Debatte offen als homophob positioniert hätte, wäre dieser Punkt wahrscheinlich erreicht gewesen. Heißt das aber nun, dass ich Rassismus weniger verurteile, wenn ich Vargas Llosa bislang trotzdem noch lese?

Kurzum: Ich finde es eine sehr schwierige Frage ohne pauschal richtige Antwort. Aber tendenziell sage ich, ja, ich finde es legitim, einen Autoren aufgrund seiner Ideologie zu boykottieren. Das ist eine Entscheidung, die ich als Mensch und Leser treffe. Ich halte es für genauso legitim, einen solchen Autoren trotzdem zu lesen, reflektiert und differenziert. Aber ich kann es mir schon vorstellen, selbst auch an einen Punkt zu kommen, an dem ich tief durchatme und sage: Auch wenn dieser Mensch geniale Geschichten erzählt – er ist ein Mensch, dessen geniale Geschichten ich nicht hören möchte.

Aber es ist ein schmaler Grat, und wie gesagt: Die Antwort muss letztlich jeder für sich selbst finden und auch von Fall zu Fall neu.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Franziska

Ich kann beide Haltungen verstehen. Bei mir ist es so, dass ich das schwer trennen kann. Ich kann mir auch keinen Film mit Tom Cruise oder anderen Scientologen ansehen, oder ständig daran zu denken, wer er privat ist. Ich finde, diese Leute sollten nicht noch mehr Geld und Einfluss bekommen. Ich gucke mir auch keine Filme von Roman Polanski an, wen ich an den Typ schon denke, wird mir schlecht.
Bei Autoren liegt es ja auch irgendwie nahe, dass sie ihre Ansichten auch in ihren Büchern rüberbringen wollen. Allein deshalb wäre ich vorsichtig. Ich kenne Enders Game nicht, daher weiß ich nicht, ob das da zutrifft. Andererseits hätte ich so ein gutes Buch wohl auch nie gelesen. Als ich zehn war oder so gab mir meine Mutter ein Buch, das sie schon als Kind gelesen hatte und ich fand es richtig toll. Das  Buch heißt: "Ich zog mit Hannibal". Es handelt von einem Jungen, der als Elefantentreiber mit Hannibal gen Rom zieht und letztens fiel es mir wieder in die Hand und ich las den ersten Abschnitt. Ich fand ihn richtig gut und fesselnd geschrieben und habe mich gewundert, dass das Buch nicht neu aufgelegt wurde, wie so viele andere dtv junio Bücher. Tja, dann stellte ich fest, dass der Autor ein Nazi war, nicht nur eine kleine Nummer, sondern in der SS. Das war dann wohl der Grund. Von dem Buch her hätte man das aber niemals gedacht, weil es sich eigentlich kritisch mit dem verehren einer Persönlichkeit auseinandersetzt. Soll man jetzt sagen: aber der Autor war immer noch ein Nazi und deshalb sollte man seine Werke auf keinen Fall lesen und neu auflegen? Soll man sagen: aber die Bücher sind doch gut und anscheinend hat er seine Taten bereut? Ich finde das sehr schwierig. Man kann nicht mehr nachprüfen, was der Autor wirklich gedacht hat. Kann man also seine Werke für sich sprechen lassen oder kann man sie einfach nicht von seiner Biographie trennen?

Debbie

Meiner Meinung nach, bekommt der Autor Geld für seine Arbeit - wie jeder andere Mensch auch, und das ist nur gerecht, egal welchem Glauben oder politischem Lager er angehört. Wenn er gute Arbeit macht, soll er auch entsprechend dafür entlohnt werden. Wir wollen ja Gleichheit, und dann bitte aber auch für alle!

Wichtig finde ich dahingehend nur, dass dieser Mensch/Autor/was auch immer bei der Äußerung seiner Meinung und der aktiven Verbreitung selbiger, nicht gegen Gesetze verstößt. Wenn allerdings jemand strikt gegen die Ansichten der Mormonen ist, und befürchtet oder weiß, dass vom Gewinn des Autors seine Kirche "gesponsert" wird, kann ich verstehen, dass er das nicht mit dem eigenen schwer verdienten Geld unterstützen möchte.

Allerdings wäre es dann natürlich zu begrüßen, wenn auch in diesem Fall nicht mit zweierlei Maß gemessen würde - dann sollte man auch keinen Tom Cruise Film im Kino ansehen oder kaufen, denn was ihn angeht, ist ja hinreichend bekannt, dass er finanziell einer der größten Förderer dieser Sekte ist.

Ryadne

Ein interessantes Thema, bei dem es mir wieder mal schwer fällt, eine für mich generell geltende Aussage zu treffen. Ich kenne keines der Bücher von Orson Scott Card, daher kann ich nicht wirklich etwas zu diesem konkreten Beispiel sagen.

Ich mache mir oft durchaus Gedanken um die Autoren (oder andere Künstler) hinter den Werken, einfach, weil es diesen oft eine neue Dimension gibt. Dabei stimmt es mich sehr vorsichtig, wenn ich von einem Autor erfahre, dass er Ansichten vertritt, die mir völlig zuwider sind. Man kann einfach sehr viel subtil in Werke verpacken und den Lesern so unterschwellig Botschaften vermitteln, die ihnen selbst vielleicht gar nicht so bewusst sind und das sehe ich bei solchen Autoren dann schon als Problem an.
Dennoch heißt das nicht, dass ich grundsätzlich dagegen bin, wenn die Romane solcher Leute gelesen werden. Weder steht mir das zu, noch halte ich es für sinnvoll. Zwar unterstütze ich ungern Autoren (wiederum, oder andere Künstler) mit in meinen Augen zweifelhaften Ansichten, indem ich ihre Werke kaufe, aber andererseits will ich mir manchmal auch einfach gern eine Meinung anhand eines Werks bilden.
Bisher ist es mir noch nicht passiert, dass ich einen solchen Autor soo toll fand, dass ich mich in dem Dilemma wiedergefunden hätte, ob ich lieber meine Neugier oder mein Gewissen befriedige (ein ungutes Gefühl hätte ich auf jeden Fall). Aber ich wäre auf jeden Fall vorsichtig und vermute im Moment, dass ich im Zweifelsfalle lieber auf etwas anderes zurückgreifen würde. Wäre aber sicher auch immer eine Frage des Einzelfalls. Menschen sind fragmentierte Wesen und ich will auch nicht behaupten, dass nicht ein Fragment durch ein anderes irgendwie wieder aufgelockert werden könnte, auch in den Werken der Person. (Deckt sich mit Malinches "Menschen sind komplex"-Aussage.)

Davon abgesehen ist für mich auch entscheidend, wie vehement ein Autor seine Meinung oder seinen Glauben vertritt. Beispielsweise sehe ich es als nicht so eng an, wenn ein Autor von klein auf einer Glaubensgemeinschaft angehört, die meinen eigenen Werten widerspricht und das über ihn bekannt ist. Ich finde es zwar besser, wenn Menschen reflektieren, in was sie hineingewachsen sind, aber da gibt es so viele Abstufungen...

Wenn ich so drüber nachdenke... eigentlich sollte man beim Lesen immer sensibel dafür sein, wann irgendwo Botschaften auftauchen, die den eigenen zuwider gehen, egal, um welches Genre es geht. Wobei es andererseits ja nicht zwangsläufig sein muss, dass ein Autor diese Botschaft tatsächlich vertritt und man da auch Gefahr läuft, zu überinterpretieren.  :-\
Es ist echt eine schwierige Sache.

Zitat von: Alana am 02. Dezember 2013, 12:36:28
Ganz aktuell war das für mich bei der Hörspiel-Serie "Offenbarung 23", wo dem Autor vorgeworfen wurde, Kontakte zur Neo-Nazi-Szene zu haben. Das hab ich erst sehr spät erfahren, da hatte ich schon gemerkt, dass die Ideologie soweit ich es beurteilen kann, nicht in die Serie hineingespielt hat. Ich hätte die Serie deshalb auch trotzdem weiter gehört. Wenn ich es von vornherein gewusst hätte, vielleicht nicht. Allerdings wurde der Autor dann wegen dieser Geschichte ohnehin gefeuert, was dazu geführt hat, dass die Serie schlecht wurde und ich sie auch nicht mehr gehört habe.

Da würde mich mal interessieren, ob sich der Verdacht erhärtet hat, dass der Autor solche Kontakte hatte. Weißt du das zufällig, Alana?
Wenn jemand auf bloßen Verdacht hin wegen so einer Sache gefeuert wird, finde ich das auch immer eine problematische Sache.

Mogylein

Ich halte es bei Autoren wie auch bei Firmen. Wenn ich Barilla und Abercrombie&Fitch boykottiere, dann auch Autoren, die durch rechtsradikales, homophobes oder anderweitiges menschenverachtendes Gedankengut auffallen. Von mir gibt es für solche Personen kein Geld (sofern ich denn davon weiß).

Die einfache Angehörigkeit zu einer Religion (selbst, wenn diese Religion vielleicht eine Homo-Ehe ablehnt, es geht mir eher darum, dass Homosexuelle wenigstens als Menschen und nicht als Fehler anerkennt werden) oder eine Aussage, die vielleicht böse ausgelegt werden kann, gehört nicht dazu. Und rückwirkend verbrenne ich natürlich auch keine Bücher von Leuten mit schlechter Gesinnung, wenn ich sie schon habe. Ich sehe einfach nur von einem weiteren Kauf ab.

Dafür verurteile ich aber auch niemanden, der sagt, für ihn steht das Werk im Mittelpunkt, nicht der Urheber. Aber mir dreht sich der Magen dabei um, wenn ich sowas weiß - als Beispiel gibt es die ziemlich aktuelle Verurteilung vom Sänger von The Lostprophets, der wegen Vergewaltigung eines Babies vor Gericht stand und wegen versuchter Vergewaltigung eines Babies auch verurteilt wurde. Ich mochte die Band, aber jetzt wird mir nur noch schlecht, wenn ich sie höre. Aber wenn jemand anders sie hören möchte, werde ich ihn nicht davon abhalten.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Debbie

@Mogy:

Zitat von: Mogylein am 02. Dezember 2013, 13:06:47
Dafür verurteile ich aber auch niemanden, der sagt, für ihn steht das Werk im Mittelpunkt, nicht der Urheber. Aber mir dreht sich der Magen dabei um, wenn ich sowas weiß - als Beispiel gibt es die ziemlich aktuelle Verurteilung vom Sänger von The Lostprophets, der wegen Vergewaltigung eines Babies vor Gericht stand und wegen versuchter Vergewaltigung eines Babies auch verurteilt wurde. Ich mochte die Band, aber jetzt wird mir nur noch schlecht, wenn ich sie höre. Aber wenn jemand anders sie hören möchte, werde ich ihn nicht davon abhalten.

Den Fall habe ich auch verfolgt - und das ist, gelinde gesagt, ekelerregend! Und es ist ein gutes Beispiel für das was ich meinte mit "gegen Gesetze" verstoßen. Wozu, im nicht ganz so drastischen Fall, ja auch Anstiftung zu einem Verbrechen und Volksverhetzung gehören.

Alana

ZitatDa würde mich mal interessieren, ob sich der Verdacht erhärtet hat, dass der Autor solche Kontakte hatte. Weißt du das zufällig, Alana?
Wenn jemand auf bloßen Verdacht hin wegen so einer Sache gefeuert wird, finde ich das auch immer eine problematische Sache.

Das geht mir genauso. Ich finde auch, da sollte wirklich mehr vorliengen als nur der bloße Verdacht. Rufmord ist ja leider etwas, was doch sehr häufig passiert und immer noch zu einfach geht.
Soweit ich es mitbekommen habe, war der Verdacht begründet und der Autor wurde eben genau aus dem Grund gefeuert, dass man befürchtet hat, er könnte seine Ideologie einfließen lassen. Allerdings würde ich dafür nicht meine Hand ins Feuer legen, da mir die Entscheidung, weiterzuhören, quasi abgenommen wurde, hab ich mich mit der Recherche nicht weiter beschäftigt.
Alhambrana

Moni

Zitat von: Debbie am 02. Dezember 2013, 12:51:35
Wichtig finde ich dahingehend nur, dass dieser Mensch/Autor/was auch immer bei der Äußerung seiner Meinung und der aktiven Verbreitung selbiger, nicht gegen Gesetze verstößt. Wenn allerdings jemand strikt gegen die Ansichten der Mormonen ist, und befürchtet oder weiß, dass vom Gewinn des Autors seine Kirche "gesponsert" wird, kann ich verstehen, dass er das nicht mit dem eigenen schwer verdienten Geld unterstützen möchte.

Allerdings wäre es dann natürlich zu begrüßen, wenn auch in diesem Fall nicht mit zweierlei Maß gemessen würde - dann sollte man auch keinen Tom Cruise Film im Kino ansehen oder kaufen, denn was ihn angeht, ist ja hinreichend bekannt, dass er finanziell einer der größten Förderer dieser Sekte ist.

Tut mir leid, aber das ist falsch. Tom Cruise ist Scientologe, nicht Mormone. Und auch zwischen den beiden Sekten gibt es himmelweite Unterschiede. Sicher sind die Mormonen nicht die Lämmlein, als die sie sich gerne geben, aber im Vergleich mit Scientology sind sie es fast wieder (was es beinahe noch schlimmer macht!).


Ich mache in der Regel auch einen großen Bogen um Autoren, deren Ruf in ideologischer, politischer oder religiöser Hinsicht fragwürdigt ist. Aber manchmal weiß man das ja erst, wenn man ein oder zwei Werke eines Autors gelesen hat und sich dann eventuell näher mit der Person hinter den Romanen auseinandersetzt. Oft ist es ja auch so, dass man dann im Nachhinhein den Büchern schon anmerkt, ob sie eine Färbung jedweder Art aufweisen.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Kati

Erstmal möchte ich davon Abstand nehmen, dass jeder seine Meinung frei rausbrüllen dürfen sollte... das stimmt auf jeden Fall in der Theorie, aber, wenn es eine Meinung ist, die die Rechte anderer Menschen einschränkt oder sie sogar bedroht, ziehe ich den Schlussstrich. Und, wenn ich weiß, dass ein Autor zum Beispiel total homophobe Ansichten hat, dann könnte ich von dem nichts lesen. Erstmal würde es mir den Spaß verderben, weil ja doch von jedem Autor ein Stück in seinem Buch steckt. Und Leute mit starken Meinungen schaffen es auch meistens nicht, diese aus ihren Werken fernzuhalten. Bei Card weiß ich zum Beispiel, dass er seine homophoben Idealogien weitesgehend aus seinen Romanen rauszuhalten scheint, aber im zweiten Teil der Reihe um Ender entschuldigt er zum Beispiel häusliche Gewalt mit dem Argument "Sie ist ja fremdgegangen". Und das geht für mich gar nicht und ist eine von diesen bösen Überraschungen, auf die ich nicht stoßen möchte, wenn ich einen Roman lese, der mir ansonsten vielleicht gut gefällt. Ich recherchie Autoren tatsächlich, um sowas zu vermeiden.

Ein anderes Beispiel ist Kiera Cass, die Autorin von "Selection". Die hat in der Vergangenheit von sich hören gemacht, indem sie und ihre Agentin immer wieder ihre Leser böse angegangen sind, wenn denen am Buch etwas nicht gefallen hat. Eine Leserin wurde zum Beispiel dafür auf Twitter öffentlich bloßgestellt. Sowas zeichnet ein Bild vom Autor und von so einer Person möchte ich kein Buch lesen. Und wenn ein Autor (oder ein Musiker) in seiner Freizeit dann noch einen großen Schritt weitergeht und bestimmte Idealogien weiterverbreitet, die Menschen schaden können, dann boykottiere ich den. Egal wie gut das Buch ist, ich hätte daran eh keinen Spaß.

Zitat von: DebbieMeiner Meinung nach, bekommt der Autor Geld für seine Arbeit - wie jeder andere Mensch auch, und das ist nur gerecht, egal welchem Glauben oder politischem Lager er angehört. Wenn er gute Arbeit macht, soll er auch entsprechend dafür entlohnt werden. Wir wollen ja Gleichheit, und dann bitte aber auch für alle!

Nein. Ich will keine Gleichheit für homophobe Mistkerle und Rassisten, die anderen Leuten das Leben schwer machen. Orson Scott Card hat zum Beispiel einen öffentlichen Artikel gegen Gay Marriage verfasst. Das mag uns jetzt total unwichtig vorkommen und "Dann soll man das halt nicht lesen", aber man darf nicht unterschätzen, dass das Meinungen macht. UND es spielt in eine Gesellschaftsnorm rein, die immer noch aufrecht erhalten wird und vielen Leuten das Recht nimmt, zu heiraten. So ein Artikel oder solche Aussagen existieren nicht für sich selbst, sie unterstützen ein größeres Bild. Und so hasserfüllte Menschen, die anderen Menschen wegen ihrer eigenen Überzeugungen das Recht auf Heirat oder auf gewisse Menschenrechte versagen wollen, verdienen für mich keinen Schutz. Irgendwo ist auch mal Schluss. LGBTQ-Menschen werden immer noch stark diskriminiert und benachteiligt, in einigen Ländern sogar verfolgt und getötet. Und wir wollen "Gleiches Recht für alle" - aber für die homophoben Idioten, die sowas möglich machen? Das ist bestimmt alles gut gemeint, aber da schützt man echt die falschen.

Das ist jetzt nicht auf deine Aussage gemünzt, Debbie, bitte nicht falsch verstehen. Du sagst ja auch, das gilt nicht für Menschen, die gegen Gesetze verstoßen. Aber für mich geht das noch einen Schritt weiter, weil die Meinungen von berühmten Leuten viele Leute beeinflussen können. Und wenn dann ein Orson Scott Card kommt und sowas schreibt, will ich nicht wissen, wie viele Teenager zustimmen, weil sie ihn und seine Bücher toll finden. Die Meinung kann er natürlich haben, so viel und so lang er will, ich halte nichts davon Leute zu anderen Meinungen zu zwingen. Aber es gibt auch homophobe Menschen, die trotzdem für Gay Marriage sind, weil sie einsehen, dass das nicht ihr Bier ist - sie überhaupt nichts angeht und dann dürfen sie glauben, was sie wollen, weil sie ja niemandem Rechte wegnehmen wollen. 

Mogylein: Das ist schön zusammengefasst, so ungefähr mache ich das auch.

Djamena

Interessantes Thema, schön, dass hier ein Thread dafür aufgemacht wurde.

Wie ich schon im Film-Thread gesagt, habe ich mich bei Enders Game dagegen entschieden, den Film zu gucken. Ich habe vor vielen Jahren - in den Achtzigern - einiges von Card gelesen, und mochte die Bücher gerne. Ich werde wahrscheinlich nichts weiteres von Orson Scott Card lesen, einfach weil es genug andere gute Bücher gibt, da brauche ich nicht einen Autor unterstützen, der laut mit seiner Homophobie hausieren geht.

Bei Dan Simmons gab es ja auch die Diskussion, wegen seiner Einstellung zum Islam. Da einige seiner Bücher wirklich zu meinen Lieblingsbüchern zählen, täte ich mich sehr schwer damit, deswegen nichts weiteres von ihm zu lesen.

Wenn eine für mich inakzeptable Ideologie klar erkennbar in einem Roman verbreitet wird, wäre das klar ein Grund, so etwas zu boykottieren. Aber wie man an Stephenie Meyers Büchern sieht, ist das nicht immer offensichtlich und es gibt da durchaus unterschiedliche Betrachtungsweisen.  Ich finde nämlich nicht, dass sie sich in Bezug auf moralische Werte wesentlich von anderen amerikanischen Autorinnen unterscheidet.

Zu welcher Religionsgemeinschaft ein Autor gehört, wäre für erst einmal irrelevant.  Weil man sich ja meistens seine Religion nicht selbst aussucht, sondern hineingeboren wird.