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Historisch vs. fiktiv: Die Rolle der Recherche

Begonnen von Coppelia, 25. November 2013, 17:02:02

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Valaé

#30
Churke: Nur dass es mir einfach nicht reicht, pauschale Schlüsse zu ziehen. Ich weiß einfach, dass es zu viele Zusammenhänge in der wirklichen Welt gibt, als dass ich mir einfach eine Musterstadt ansehen würde die mit meiner vergleichbar wäre, aber nicht in allen Details übereinstimmt, und die dann als Vorlage nehme. Gerade weil man in der Fantasy ja Dinge abändert, können sich durch diese Abänderungen Veränderungen entwickeln, die man mit dieser Methode nicht bedenkt und die sieht man nur, wenn man die Zusammenhänge kennt. Ich möchte mir einfach so sicher sein wie möglich, dass es gehen würde. Die Tatsache, dass eine vergleichbare Stadt solche Fenster hat ist lediglich ein Hinweis darauf, ein Indiz. Ich vermute dann nur, dass es so etwas wohl auch in meiner Stadt geben können sollte. Aber die Gefahr, dass ich eine Änderung übersehe, die es dann unmöglich macht, wäre mir ohne Fachwissen einfach zu groß.

Es ist eine persönliche Vorliebe, aber ich verlasse mich bei so etwas einfach nicht gerne auf Indizien. Gerade wenn ich eine eigene Welt plausibel darstellen will, darf sie für mich nicht ausschließlich Aneinanderreihung von Nachahmungen sein, sondern ich selbst muss verstehen, weswegen was möglich ist, zumal man auf diese Art auch viel über die Gesellschaft lernt und man mit jedem Puzzlestück sie besser versteht. Eine Stadt, eine Gesellschaft, eine Welt ist für mich ein solches Geflecht aus engsten Zusammenhängen, dass ich sie verstehen muss, ehe ich mir zutraue, etwas zu ändern. Was ist, wenn meine Modifikation der Stadt genau einen Aspekt trifft, der dazu führt dass es Glasfenster gibt oder eben nicht? Wie soll ich es merken ohne eine Ahnung davon zu haben, was es braucht, damit Glasfenster in einer Stadt zu finden sind?

Natürlich sind solche Museen toll und ich sehe mir so etwas ja auch an, nur ist es für mich als einziger Beleg, es einzubauen, dann einfach nicht ausreichend. Denn meine Fantasystadt ist eben nicht Trier. Würde ich einen historischen Roman über Trier schreiben, würde es mir vielleicht ausreichen, zu sehen, dass es sie gab, wobei ich auch dann vermutlich weiter recherchieren würde weil es eben ein weiteres Puzzlestück zum Gesamtbild sein kann. Ich würde dann aber etwas gröber suchen, weil mich dann nur die Zusammenhänge mit dem großen Ganzen interessieren würde und nicht die Feinheiten, die verhindern könnten, dass es zu einem Vorkommen solcher Fenster kommt.

Zu guter letzt möchte ich daran erinnern, das die Glasfenster ein Beispiel für einen Fakt sind - und dass sie daher auch für andere Möglichkeiten stehen, was man recherchieren könnte. Und nicht alles kann man sich irgendwie ansehen.

Fianna: Hehe, mir nutzt mein Mut zur Lücke auf Faktenbasis auch nichts ... ich schreibe nichts, wo mir die harten Fakten helfen würden. Und wie gesagt, er triggert auch erst, wenn ich nach sehr intensiver Recherche gar nichts finde, ist also kaum Arbeitsersparnis.
Aber dieser Dienst ist interessant ... ich würde es zwar sicher auhc nur machen wenn ich selbst nicht die Zeit zum Recherchieren habe, aber es ist ein wirklich sinnvoller Dienst.

Cailyn

Die Diskussion ist zwar interessant hier.
Aber ich frage mich auch, ob manche hier eher an wissenschaftlichen Recherchen und wirklich extremem Detailreichtum interessiert sind als an Geschichten. Was ja durchaus in Ordnung ist. Aber mir wird das zu Technisch. Ich vermisse da ganz stark das, was man die "Seele" eines Buches nennen könnte. Ich unterstelle ja jetzt nicht, dass ihr Bücher ohne gute Plots und Figuren schreibt. Aber lenkt so eine extreme Rechreche nicht vom Geschichtenerzählen ab? Oder anders gefragt: Was macht euch daran Spass?

Wie gesagt, ich denke auch, dass eine gute Recherche in Fantasy- oder Historienromenen nur von Vorteil sein kann. Dennoch scheint mir ein derart intensiver Fokus darauf dann auch nicht sehr gewinnbringend. Ich meine, wie viele Leser würden einen Aufwand in diesem Ausmass überhaupt bemerken?

Und noch als letze Frage: in diesem Thread wird des öfteren das Wort "wissenschaftlich" ausgesprochen. Inwiefern sind denn eure Recherchen so wissenschaftlich? Führt ihr da Statistiken? Führt ihr Umfragen durch anhand wissenschaftlicher Parameter?

Judith

#32
Zitat von: Cailyn am 28. November 2013, 07:45:14
Wie gesagt, ich denke auch, dass eine gute Recherche in Fantasy- oder Historienromenen nur von Vorteil sein kann. Dennoch scheint mir ein derart intensiver Fokus darauf dann auch nicht sehr gewinnbringend. Ich meine, wie viele Leser würden einen Aufwand in diesem Ausmass überhaupt bemerken?
So gut wie keine, nehme ich an.  ;D
Ich denke, das ist einfach etwas, das man mehr persönlich für sich macht. Man weiß dann eben, dass man sich zumindest so gut wie möglich informiert hat. Davon abgesehen macht mir einfach das Weltenbasteln an sich Spaß, das ist für mich nicht nur Mittel zum Zweck.

ZitatUnd noch als letze Frage: in diesem Thread wird des öfteren das Wort "wissenschaftlich" ausgesprochen. Inwiefern sind denn eure Recherchen so wissenschaftlich? Führt ihr da Statistiken? Führt ihr Umfragen durch anhand wissenschaftlicher Parameter?
Mit "wissenschaftlich" meine ich schlicht und einfach, dass ich bei der Recherche dieselben Maßstäbe anlege wie für eine wissenschaftliche Arbeit und mir auch ein "das hab ich mal irgendwo gelesen" persönlich nicht ausreicht. Anders als für wissenschaftliche Arbeiten lese ich zwar als ersten Einblick in ein Thema auch durchaus mal was populärwissenschaftliches (und da können dann auch etwa umstrittene Rekonstruierungen sehr inspirierend sein), aber dann gehts weiter in die Unibibliothek und in die wirklich vertiefende Fachliteratur.

Lothen

Man darf auch nicht vergessen, dass auch die Expertenbefragung eine anerkannte wissenschaftliche Methode ist. Wenn ich also einen guten Freund, der schon jahrelang im Mittelalterverein ist und ein enormes Know-How hat bezüglich der Effizienz mittelalterlicher Klingenwaffen befrage, arbeite ich ja schon quasi wissenschaftlich ;)

Ideal wäre natürlich, man hätte noch eine offizielle Quelle zum Thema - aber letzteres, muss ich zugeben, lasse ich dann meistens gut sein :P

Cailyn

Hallo Judith,
Ja, das Weltenbasteln an sich ist ja etwas sehr Schöpferisches und geht Hand in Hand mit dem Schreiben. Daher kann ich deine Leidenschaft sehr gut verstehen und nachvollziehen.

Im Sinne der Recherche bin ich wohl am ehesten für ein Mittelmass. Ich informiere mich auch über die Errungenschaften der Zeit, in der meine Geschichte spielt. Am Ende sollte es schliesslich authentisch sein und man darf ruhig auch merken, dass sich der Schreibende liebevoll um Details gekümmert hat.

Aber ich finde nicht, dass dafür eine per Definition "wissenschaftliche" Herangehensweise nötig ist, zumindest das, was ich unter wisschenschaftlich verstehe. Aber ich merke gerade, dass meine Frage wegen dem wissenschaftlich eigentlich unnötig war, da es eher eine Definitionsfrage ist und zum Thema hier nicht viel beiträgt. Unter wissenschaftlich verstehe ich z.B. nicht, dass man sich in Bücher und Texte von Experten einliest. Das macht ja vermutlich fast jeder Schreibende. Eine wissenschaftliche Recherche müsste dann so ablaufen, dass man ein gleiches Thema von allen Seiten beleuchtet, verschiedenste Quellen mit einbezieht und die "Resultate" des Zusammengetragenen am Ende auswertet. Und ebendas finde ich für einen Roman nicht nötig. Klar, wer daran Freude hat, kann das natürlich machen, aber es ist für einen qualitativ hochstehenden Text - sei es Fantasy oder Historienroman - nicht erforderlich. Ich kann mich auch ganz normal informieren, indem ich verschiedene Quellen von meinen Themen studiere.

Lothen,
Experten befrage ich auch enorm gerne. Man kriegt häufig auch gleich einen ganz anderen Bezug zu diesem Thema, wenn derjenige leidenschaftlich von seinem Spezialgebiet erzählt. "Es" lebt dann so schön!  ;)

Churke,
Deine "Taktik" zur Recherche gefällt mir gut. Nicht nur lesen, sondern auch hingehen und anschauen. 

Fianna

#35
@ Cailyn
Ich mache ja Low Fantasy, nicht High Fantasy. Daher arbeite ich etwas anders.
"Weltenbau" (bei mir sind es eher Länder oder andere Gesellschaften innerhalb der Welt) geht Hand in Hand mit dem Plotten.
Und ich recherchiere dementsprechend nur Dinge, die für den Plot erforderlich sind.
Ich überlege mir nicht "Och, Revolutionen sind interessant, les ich mich mal ein", sondern ich habe ein Projekt, dass sich damit beschäftigt, und prüfe anhand der Reherche, ob mein grob geplottetes Szenario sinnvoll ist, oder ob es Gesetzmässigkeiten oder Abhängigkeiten gibt, die ich nicht berücksichtigt habe.

Ich denke nicht "Hm, wie kann man Bevölkerungsgrössen berechnen?" oder "Wie verhindert man ein Auslaugen des Bodens?", sondern ich habe Projekte, bei denen genau diese Fragen wichtig für den Plot sind.


Meine Charaktere sind Produkte ihrer Welt. Indem ich festlege, wie mein Charakter sein soll, lege ich indirekt auch viele Dinge meiner Welt fest. Wenn ich ein Problem habe bei der Frage, wie der Charakter reagieren könnte oder welche Konflikt er auskämpfen könnte, komme ich wieder auf die Welt zurück, in der er lebt.

Bei Dir klingt es, als würden wir so sehr an der Welt spielen, dass wir die Charaktere vernachlässigen.
Charaktere leben in der Welt und werden von ihr geformt, und sie formen (handwerklich gesehen) auch die Konstruktion der Welt - ich kann keinen unstimmigen Charakter herumlaufen lassen.

Bei mir ist ein enges Wechselspiel, daher ist mir diese Frage etwas unverständlich.

Churke

Zitat von: Cailyn am 28. November 2013, 07:45:14
Aber lenkt so eine extreme Rechreche nicht vom Geschichtenerzählen ab? Oder anders gefragt: Was macht euch daran Spass?

Ich mache recht viel in Richtung historische Fantasy. Das Witzige ist ja, dass das Übernatürliche schon in den Quellen steht. Aus Prozessen sind Geständnisse von Geisterbeschwörungen, Orakeln und jeder Menge faulem Zauber überliefert.
Die meisten Leute halten das wahrscheinlich für (meine) Erfindung und das ist gut so.  ;D

Valaé

ZitatIch vermisse da ganz stark das, was man die "Seele" eines Buches nennen könnte. Ich unterstelle ja jetzt nicht, dass ihr Bücher ohne gute Plots und Figuren schreibt. Aber lenkt so eine extreme Rechreche nicht vom Geschichtenerzählen ab? Oder anders gefragt: Was macht euch daran Spass?
Du unterstellst uns nicht, dass wir Bücher ohne Plots und ohne Figuren schreiben - aber du unterstellst uns, dass wir einem Buch nicht genügend Freiraum lassen zum atmen und das, was diese unglaubliche Magie. dieses wunderschöne in und an Büchern, verwissenschaftlichen und ihnen somit die Seele aussaugen - finde ich ehrlich gesagt eine noch tiefgreifendere Unterstellung. Bitte lese erst einmal eines unserer Bücher, ehe du ihm vorwirfst, keine Seele zu haben.
Verstehe mich nicht falsch, ich kann verstehen wie man auf den Gedanken kommt aber mir wäre es jetzt lieber gewesen, wenn du gesagt hättest, dass du dich fragst ob die Seele da nicht zu kurz kommt, anstatt sofort zu sagen, du vermisst sie.
Ich möchte hier kurz anmerken, dass es für mich hier ausschließlich ums Weltenbasteln geht - nicht um Plots und Charaktere. In Sachen Plots und Charaktere kann ich bei historisch nicht mitreden, da ich ausschließlich fiktive Plots und Charaktere nutze. Und Weltenbau ist für mich sowieso weder Mittelm zum Zweck (nein, kein Leser wird diese Recherche bemerken, aber wie Judith schon sagt: Na und? Muss man das bemerken? Ich habe Spaß daran - alles in Ordnung). noch zwangsläufig sofort mit einer Gechischichte verbunden - ich bin da ein wenig wie Tolkien: Ich baue meine Welt durchaus auch um meiner Welt willen. Und das macht mir Spaß. Ich liebe es, herumzuspielen mit dem "was wäre wenn". Eine Gesellschaft, in der ein gewisser Aspekt anders ist. Eine Welt, die anderen Regeln folgt. Das ist mir erst einmal das Wichtigste. Ich habe schon erwähnt, dass mich Plots quasi nicht interessieren. Auch bei den wirklichen Erzählungen hinterher nicht. Mich interessieren Charaktere und Welten und beider Entwicklungen. Und dieser Leidenschaft kann ich sowohl im Studieren der tatsächlichen Welt und ihrer Abänderung fröhnen als auch im Erzählen von Geschichten in dieser Welt (oder anderen).  Wenn in dieser Welt dann ein Charakter auftauchen sollte und mir eine Geschichte erzählt aus ihr, dann wird sie lebendig und alles ist toll. Wleten brauchen Geschichten, um lebendig zu werden, einverstanden. Aber Geschcihten ergeben sich auch aus Welten. Wenn ich recherchiere kommen mit fast bei jedem Thema mehrere Ideen dazu - was in meiner Welt wie gewesen sein könnte und wie das mit dem großen Ganzen zusammenhängt - und hier sehe ich durchaus eine Seele in meiner Welt. Eine Welt ist definitiv lebendig und von einer Seele durchdrungen, wenn jemanden beim Lesen bloßer Recherche sofort anspringt, was da in der eigenen Welt geschehen sein könnte und wie es gemacht wurde. Es ist ja auch nicht so dass ich erst alles recherchiere und dann meine Ideen aufschreibe. Das bedingt sich doch gegenseitig. Erst war eine Idee da, dann wird sie aufgeschrieben. Dann wird nachgesehen, ob sie so möglich wäre mit aller Recherche, dabei verändert sie sich und wächst in ihre Rolle hinein. Ich sehe das als eine sehr lebendige und beseelte Art, an Welten zu arbeiten - definitiv lebendiger als sich hinzusetzen und zu sagen: Bums das war so. Solche Welten wirken auf mich einfach oft konstruiert, weil ihre Ideen nicht ineinander wachsen. Der Eindruck kann natürlich täuschen.

Zum wissenschaftlichen Arbeiten hat Judith schon geantwortet: Eine Herangehensweise ähnlich meiner wissenschaftlichen Themen, aber natürlich durchaus mit Quellenvergleich, Interpretationen, Thesen durchlesen und herausarbeiten, wie der Sachverhalt und auch die Forschung dazu aussieht, dann anstat darüber ein Hausarbeitsthema schreiben sich entscheiden, welcher These man für seine Welt eher zustimmt und Einarbeitung in die Welt so fern noch nicht geschehen. Statistiken oder Umfragen dürften bei der Herausarbeitung der Situation des fränkischen Reiches  zu 751 (nur ein Beispiel) schwer fallen. Hierbei denke ich also einfach, dass es Themen sind, die diese Form wissenschaftlicher Arbeit nicht benötigen oder unmöglich machen - in meinem wissenschaftlichen Fachgebiet führe ich auhc nie Statistiken oder entwickle Umfragen, ich arbeite mit Texten. Ist ja auch mein Fachgebiet, Texte.

Im Übrigen hat hier nie jemand bezweifelt, dass solche Recherche für den Anspruch, eine Geschichte zu erzählen vermutlich arg überzogen ist. Ich habe aber auch nie behauptet, das ich bezüglich meiner Welten überhaupt diesen Anspruch habe. Ich möchte noch einmal betonen: Ich schreibe quasi keine High Fantasy mehr - und ich schreibe keine Historienromane. Ich schreibe Geschichten in Bereichen, von denen ich so gut wie keine Ahnung habe bevor ich mit der Recherche anfange und die mir zu hoch wären, um mich in alle Details einzufuchsen weil ich dafür gar nicht so sehr das Verständnis habe. Eben weil ich, wenn es mir darum geht, eine Geschichte zu erzählen, Abstand brauche von meinem wissenschaftlichen Anspruch,  da sonst in der Tat der Recherchewahn sehr hinderlich sein kann.
Aber das, was ich an High Fantasy noch schreibe, macht mir nicht minder Spaß ... oder hat weniger Seele nur weil es auf der Basis wissenschaftlicher Auseinandersetzung damit gewachsen ist und sich gewandelt hat.
Dazu frage ich mich jetzt langsam, ob eine kleine Information nicht angekommen ist: Gerade in der Ausgangssituation wurde unglaublich oft erwähnt, dass alles eine Frage des Anspruchs an sich selbst ist und gerade die ersten Beiträge zielten viel darauf ab, was am Limit möglich ist für jene oder für dieses Genre. Es ging alles darum, was man machen kann wenn man einen wissenschaftlichen Anspruch hat und ob die Recherche hier oder dort dann schwieriger wird. Was man machen muss, damit eine Geschichte gut oder sogar sehr gut in ihrem gewählten Setting rüberkommt - das war bisher ja noch gar nicht die Frage. Ich glaube, weder Coppi noch ich noch Fianna oder Judith legen die Maßstäbe, die wir an unsere Welten legen, auch bei anderen an und sagen: Wuah alles andere geht gar nicht. Nein.Es ist der Anspruch, den wir an uns stellen, weil wir einfach mit weniger nicht leben können - vermutlich aufgrund des hohen Einblicks in gewisse Epochen und Gesellschaften, den wir bereits haben. Je mehr man davon weiß und je tiefgreifenfer man sich damit beschäftigt hat, vor allem wenn man das studiert, desto weniger toleriert man Fehler bei sich selbst - auch bei anderen aber bei sich selbst ist es am stärksten.
Aber niemand hat gesagt, dass man diesen Aufwand betreiben muss, um eine gute Geschichte zu erzählen. Es ging darum, einen historischen Roman oder einen Fantasyroman (in meinem Fall nur eine Fantasywelt) zu entwerfen/zu schreiben, mit denen der spezifische Autor, der sich hier zu Wort gemeldet hat, guten Gewissens leben könnte. Und wie hier schon einmal viel: Manch einer hat den Mut zur Lücke, andere haben ihn nicht. Wer ihn nicht hat, neigt dazu, sehr sehr eng zu recherchieren.
Ich denke, solange sich der Autor damit wohl fühlt, ist doch alles in Ordnung. Wohl fühlen in diesem Fall mit allen Konsequenten. Wenn ich kein oder nur wenig Probleme damit habe, wenn mir jemand sagt: Du, das da ist aber etwas unlogisch oder dieser und jener Fakt stimmt nicht ganz, dann muss und werde ich weniger recherchieren. Wenn ich mir so einen Fehler nicht verzeihen könnte, muss ich ihn vorher verhüten. Und wenn mir Logik und Historizität nahezu vollkommen egal sind, kann ich auch nur mit ganz grobem Wissen, nahezu ohne Recherche loslegen. Ich muss dann nur mit der folgenden Kritik umgehen können.

Oder, um es kurz zu sagen: Wie viel Recherche nötig ist, hängt davon ab, welche Art von Kritik an sich der Autor akzeptieren könnte, welchen Anspruch er stellt. Wie viel Recherche möglich ist und wie sie in Wechselwirkung mit dem, was getan wird stehen kann, ob sie hier oder da schwieriger ist - auf einem bereits enorm hohen Anspruch, war bisher Hauptdiskussion.
Wie gesagt, wenn ich als Hauptanspruch an mich selbst doch einmal wieder haben sollte einfach nur eine Geschichte zu erzählen, dann recherchiere ich auch definitiv weniger und gehe aber auch mit Kritik ganz anders um. Sogar wenn ich den Anspruch habe, eine Gesellschafts- oder Charakterentwicklung darzustellen, recherchiere ich weniger. Aber wenn ich den Anspruch habe, eine Welt zu basteln. Dann will ich sie hieb- und stichfest - die Geschichten siedeln sich bei der Recherche ganz von alleine an, während ich ihr Haus baue. Und diese Geschichten sind auch noch voller Fehler, aber das ist in Ordnung. Was nicht in Ordnung für mich wäre, wäre sie als mein Hauptwerk aus dieser Welt zu veröffentlichen - sie sind Teile des Entstehungsprozesses. Noch nicht voll entwickelt. Am Ende wird vielleicht einmal eine Geschichte stehen, die das volle Haus betreten kann. Ich bezweifle es aber. Und es ist überhaupt nicht schlimm.

Coppelia

#38
Ich recherchiere eigentlich nicht zielgerichtet, außer in seltenen Fällen. Ich benutze eher das, was bei meiner Arbeit (ich bin Lateindozentin) quasi "abfällt". Jeden Tag stopfe ich mich und andere mit Wissen voll und würde wahrscheinlich platzen, wenn ich es nicht wieder loswerden könnte. Dabei stoße ich auf tolle Details und faszinierende Geschichten. Dabei passiert es häufig, dass sich diese Details oder Ideen, die sich daraus ergeben, in schon vorhandene Geschichten einfügen oder neue entstehen lassen. Ich bin einfach total neugierig und quasi ein Fan von den antiken Personen und der altrömischen Mentalität, sodass ich einfach immer mehr und mehr wissen will und mich einfach nur freue, wenn ich wieder etwas Spannendes erfahren habe. Und viele dieser Details finden dann den Weg zurück in meine Geschichten, während ich andere Details bei der Recherche schändlich vernachlässige. ;) Gerade bei "Mord in Laidon" ist das Vernachlässigen gerade ziemlich schlimm.

Zielgerichtet recherchiere ich eigentlich nur, wenn es mir gerade für den Plot sehr wichtig ist, zu wissen, wie etwas in dem und dem Setting war (meine letzte zielgerichtete Recherche war vorgestern, über antikes Sexspielzeug :rofl:).

Manchmal habe ich zielgerichtet recherchiert und benutze das erworbene Wissen nicht, weil es mir so nicht in den Kram passt. Z. B. sollte in einem Roman eine Party stattfinden. Also habe ich über Parties im alten Rom recherchiert. Aber mir passte die Art, wie die Parties gefeiert wurden, in meinen Plot kein bisschen hinein, also habe ich beschlossen, dass man in meinem Setting so nicht Party macht. Stattdessen gab es eine Art moderner Stehparty.
Mal sehen, ob in solchen Fällen die Leser meckern.
Ich bin überhaupt gespannt, ob für Nicht-Insider die römischen Parallelen zu Kessel erkennbar sind.

Im Augenblick freue ich mir einen Keks, weil ich einen Vortrag über die römischen Feralia halten soll und dabei mein Wissen über den römischen Geister- und Ahnenkult erweitern kann. Das finde ich nämlich wahnsinnig spannend. Wahrscheinlich werde ich keine Details direkt in meine Welt übernehmen, nehme aber ein "Feeling" mit, das ich dann nutzen kann.

Fianna

Mein Anspruch an meine Fantasywelt erwächst, wie Valae schon angeschnitten hat, aus der Beobachtung historischer Settings.
Ich sage gerne "Nichts ist so komplex wie die Realität". Gerne wird das Adjektiv auch mal durch "skurill" ersetzt oder sonst etwas, je nach Diskussionsthema.
Mir fallen auf Anhieb viele historische Beispiel zu etwas ein - aber Fantasy-Entsprechungen gibt es selten. Vielleicht bei Tolkien, dessen Werk ich zuwenig kenne, vermutlich bei Jilia, mit der ich öfters über Weltenbau und Recheche diskutiere - aber in meinem Regal finde ich selten Bücher, die Derartiges bieten.

Und das ist mein Anspruch, etwas Derartiges zu schaffen.

Anders als Tolkien, Jilia und vermutlich Valae arbeite ich nicht ausserhalb von Plots an Welten.
Ich habe einfach zuviele Settings und Projekte, und meist eher Low Fantasy.

Dennch will ich den Anspruch verwirklichen und eine komplexe, gewachsene Welt zeigen - auch wenn sie auf dem Reissbrett entstanden ist, nicht jahrelang wuchs und ergänzt wurde, sondern relativ nüchtern aus Erfordernissen von Plot, Charakteren und Logik abgeleitet wurde. Aus "Das ust ja wie in... (reale Gesellschaft/existierender Roman), also werde ich schauen, ob ich es anders machen kann, und Plot/Setting dennoch logisch bleiben".


Das scheine ich auch gut zu können. Wenn ich in einer Autorengruppe meine Plots vorstelle, kommt häufig eine besorgte Anmerkung, ich solle nicht soviel Zeit mit dem 'Drumrum' verbringen. Der Zeitaufwand dürfte ähnlich sein wie bei meinen Freunden, ich habe mir nur durch historische und plottechnische Erfahrung eine effektive Art zu arbeiten entwickelt.

Durch meine Plotmethode baut sich die Welt nebenbei von selbst. Ich nenne sie gerne "Zahnrad-Methode", weil alle Elemente eiber Gesellschaft wie Zahnräder ineinandergreifen. Wenn man einem Zahnrad etwas verändert, verändert sich der Rest ebenfalls.
Durch Plot und Figuren setze ich soviele "Zahnräder", dass bei konsequentem Weiterspinnen, wie das jetzt logisch funktioniert und andere Elemente der Welt beeinflusst, fast das ganze Setting selbst baut.
Probleme, die dabei in einer Logikprobe ergeben (läuft das Uhrwerk oder hakt was?) oder in der Entwicklung des Charakters liegen (denn jeder Charakter ist das Produkt seiner Welt), schaffen nur mehr Details oder Geschichte zu der Welt, so dass sie "von selbst" oder "durch nüchterne Kobstruktion" wächst.

Kleinere Details oder die im Eingangs-Absatz angesprochenen Dinge werden von mir während des Schreibens hinzugefügt - stimmig zu dem Bisherigen, um die Illusion einer gewachsenen Welt zu erzeugen.

Debbie

Zitat von: Cailyn am 28. November 2013, 07:45:14
Wie gesagt, ich denke auch, dass eine gute Recherche in Fantasy- oder Historienromenen nur von Vorteil sein kann. Dennoch scheint mir ein derart intensiver Fokus darauf dann auch nicht sehr gewinnbringend. Ich meine, wie viele Leser würden einen Aufwand in diesem Ausmass überhaupt bemerken?

In meinem Fall wohl eine ganze Menge - es gibt doch noch einige Leute, die sich mit Mythologie (egal mit welcher) auskennen. Hinduismus/Brrahmanismus, Shintoismus und Zoroastrismus sind Religionen, die immer noch (z. T. von Millionen Menschen) ausgeübt werden.  Von Germanischer, Griechischer und Ägyptischer Mythologie hat fast jeder schon mal irgendwas gehört; hier habe ich später höchstens das Problem, dass der Durschnittsbürger - wie Coppi schon gesagt hat - denkt, ich hätte Fehler gemacht, wenn ich mich auf andere Überlieferungen, bzw. zweifelhafte Deutungsweisen berufe. Was mir allerdings egal ist, denn im Endeffekt muss sich alles irgendwie der Logik unterordnen.

Warum mir das so wichtig ist? Weil ich es hasse, wenn ich Thor oder Krieg der Titanen ansehe - oder Percy Jackson - und mythologisch alles so hingebogen wird, wie der Autor/Drehbuchautor/Regisseur es gerade braucht. Da könnte ich echt ausflippen! Wenn das jemand machen will, gut. Aber kann man dann nicht einfach, wie Coppi es mit ihrem fiktiven Cicero gemacht hat, den/die Namen ändern und etwas Eigenes schaffen? Mythologie ist wie Geschichte - in beiden Fällen, gibt es genug Lücken, um selbst kreativ zu werden. Das ist ehrlich gesagt auch eines der Dinge, die es für mich besonders spannend machen: Das logische Füllen von Lücken. Nur bitte eben nicht an etwas "herummurksen" was 1) schon Tausende von Jahren (einigermaßen) unbeschadet überlebt hat - was für mich auch ein bisschen eine Frage des Respekts ist - und was 2) ausgeklügelt und spannend genug ist, ohne dass irgendein "Kurpfuscher" noch irgendetwas Wirres hinzudichtet.

Wenn ich als Kind Disney's Hercules geschaut habe, dachte ich wirklich, das wäre die Originalgeschichte von Herakles. Herakles, der Sohn von Zeus und Hera, der den Eltern entrissen wurde und bei den Menschen aufwachsen musste; Herakles, der strahlende Held, der die große Liebe findet und die Schwachen beschützt. Mein Vater hat in seinem Leben ungefähr ein halbes Dutzend Filme über diesen sauberen Helden gesehen, aber als ich ihm sagte, dass Herci im Wahn seine Frau und Kinder erschlagen hat, konnte das natürlich nicht sein, weil davon ja nie etwas berichtet wurde und es kommt ja schließlich in keinem Film vor  ::)  Und bei sowas kommt mir, gelinde gesagt, der Dampf aus den Ohren!

Cailyn

Valaé,
Zitat...aber du unterstellst uns, dass wir einem Buch nicht genügend Freiraum lassen zum atmen und das, was diese unglaubliche Magie. dieses wunderschöne in und an Büchern, verwissenschaftlichen und ihnen somit die Seele aussaugen - finde ich ehrlich gesagt eine noch tiefgreifendere Unterstellung. Bitte lese erst einmal eines unserer Bücher, ehe du ihm vorwirfst, keine Seele zu haben.
Es tut mir leid, aber was du da schreibst, habe ich doch nie behauptet. Du zitierst mich und gleichzeitig gibst du genau auf dieses Zitat eine Antwort, die gar nicht passt. Oder habe ich mich total unverständlich ausgedrückt? Falls ich das habe, tut es mir leid. Es liegt mir fern, irgendjemanden zu beurteilen, noch dann, wenn ich es gelesen hätte.
Ich habe lediglich als Frage in den Raum gestellt, ob diese intensive Recherche ablenken kann, ja, ob es euch ablenkt? Ich bin neugierig, nicht wertend. Ich frage euch, die so genau arbeiten und bin froh, wenn ich eine Antwort kriege, ein Einblick in eure Art zu arbeiten. Aber du hast aus meiner Frage eine Unterstellung gemacht. Ich hoffe, du kannst das jetzt auch als Frage sehen wie die anderen.

Debbie,
Ja, da bin ich also sehr froh, wenn du nicht so recherchierst wie die Macher von Thor (grusel ;)). Das mit dem logischen Füllen von Lücken ist ein interessanter Aspekt. Und dafür braucht es natürlich eine gute Recherche. Aber wie ich oben schon geschrieben habe. Ich hatte beim Gedanken mit dem Recherchieren wohl einfach ein Definitionsproblem, das sich ja nun geklärt hat. Manchmal steh ich halt auf der langen Leitung. Aber das mit dem Wirren könnte man sogar noch gelten lassen, finde ich, solange es die Logik zu den anderen Begebenheiten nicht mindert. Ich meine, man "könnte" Zeus z.B. kein Potenzproblem andichten, aber es wäre durchaus möglich, Herkules als Spinnenphobiker darzustellen als selbsterfundendes Element.  ;)

Fianna,
Das ist ja nun wirklich gelebte Effizienz  ;D. Ich selbst könnte nie an verschiedenen Welten gleichzeitig arbeiten. Das würde mich durcheinanderbringen.

Coppelia,
Na, bei dir scheint dann die Recherche wie ein Trittbrettfahrer zu sein, da du ja nicht explizit für die Romane recherchierst, aber vieles aus deinem sonstigen Alltag ohnehin in das Schreiben integrieren kannst. Sehr praktisch. Das mit dem antiken Sexspielzeug würde mich aber nun wirklich interessieren. Ich denke da natürlich sofort an grausame SM-Dinge oder aua...Kondome aus Jute. Also lass es uns doch wissen, bevor wir vor Neugierde platzen. Aber vielleicht bin ja nur ich so neugierig  :ätsch:

Churke,
Ja, das hat schon was mit der selbstfindenden Magie. Aber es kommt dann natürlich drauf an, ob in deinen Geschichten die magischen Elemente auch "nur" auf Gerüchten oder Glaubensfragen beruhen oder ob du es so darstellst, als wäre es total real. Im letzteren Fall muss man dann doch eigenes miterfinden, da es sonst allzu vage bleibt. Aber vielleicht hast du einfach noch viel konkretere Quellen, wo all die üblen Teufelswerke dargestellt werden.

Coppelia

@ Debbie
Was du über Hercules schreibst, freut mich gerade! Es hat zwar nicht mehr viel mit dem Thema zu tun, aber: Meine Studenten kennen sich sehr schlecht in Mythologie aus, daher mache ich jetzt Mythologie-Training mit ihnen. Und dazu gehört auch, dass wir Disneys Hercules anschauen und sie mit mir erarbeiten sollen, wo der Film von der Überlieferung abweicht (wir benutzen Schwab als "Kanon", was natürlich nicht wissenschaftlich optimal ist, aber immerhin ein ganz guter Kompromiss). Ich freu mich schon. :vibes:

@ Cailyn
Es ging nur unspektakulär um Dildos. ;D Nach meiner Recherche weiß ich genug, um ... den Rest überlasse ich deiner Fantasie.

Kati

Zitat von: CailynAber ich frage mich auch, ob manche hier eher an wissenschaftlichen Recherchen und wirklich extremem Detailreichtum interessiert sind als an Geschichten. Was ja durchaus in Ordnung ist. Aber mir wird das zu Technisch. Ich vermisse da ganz stark das, was man die "Seele" eines Buches nennen könnte. Ich unterstelle ja jetzt nicht, dass ihr Bücher ohne gute Plots und Figuren schreibt. Aber lenkt so eine extreme Rechreche nicht vom Geschichtenerzählen ab? Oder anders gefragt: Was macht euch daran Spass?

Ich verstehe gerade nicht, wieso ein gut recherchiertes Buch keine Seele haben sollte? Ich glaube, etwas weiter vorne hatte ich das schon mal gesagt: Für mich hat ein Roman gerade dann viel Seele, wenn man ihm anmerkt, mit wie viel Aufwand er recherchiert und geschrieben wurde. Die historische Atmosphäre und die kleinen Details machen eine Welt, ob ausgedacht oder historisch, doch eigentlich erst richtig bunt und spannend. Ich wüsste auch nicht, wieso es mich vom Erzählen ablenken sollte, dass ich mich gut auskenne. Mich lenkt es viel eher ab, wenn ich etwas nicht richtig weiß und beim Schreiben unterbrechen muss um nachzugucken. Wenn ich mich in einer Zeit (und das gilt sicherlich auch für Fantasywelten) richtig gut auskenne und wohlfühle, habe ich viel mehr Spaß am Schreiben. Woran ich jedoch keinen Spaß habe, sind Romane, denen man anmerkt, dass der Autor kaum recherchiert hat und einfach frei von der Leber weg irgendwas geschrieben hat, was dann aber den Leser im besten Fall kalt lässt oder sogar falsch ist. Das kann dann noch so gut geschrieben sein, mir macht das dann keinen Spaß es zu lesen.

Was die Recherche angeht. Ich hatte auch schonmal irgendwo gesagt, dass es für mich nicht getan ist, nur Fachbücher zu wälzen. Das reicht nicht! Dann kennt man vielleicht die ganzen trockenen Fakten, aber zumindest ich kann bloß aus Fakten keine lebendige Geschichte weben. Ich muss Geschichte nicht nur nachlesen können, sondern auch anfassen, riechen und fühlen, damit sie dreidimensional wird und ich mich in der Epoche wohl genug fühle, um einen Roman darüber zu schreiben. Churkes Beispiel mit den Museen finde ich da ganz wichtig: Gucken hilft. Gucken ist für mich ein großer Recherchebestandteil, was ich sehe ist nämlich bunt und lässt sich beschreiben. Ich meine, ich kann achtzig Bücher über die französische Revolution lesen, aber kann ich daraus eine lebendige Geschichte machen? Ich kann sicherlich die Fakten herbeten und die Revolutionsjahre mit viel Infos und so füllen, aber wo bleibt der Rest? Wenn ich das mache und den Rest frei von der Leber wegschreibe, fehlt mir gerade die Seele, die besondere Atmosphäre. Als Ergänzung zu den Fachbüchern könnte und sollte man meiner Meinung nach halt noch viel mehr tun: Vielleicht nach Versailles fahren und das mal auf sich wirken lassen, in Modemuseen anschauen wie die Ballkleider der Damen von Nahem aussehen, rausfinden, wie die beliebtesten Duftwässer der Epoche rochen, Rezepte aus der Zeit ausprobieren (soweit das geht, aber gut)... all so was halt. Und das kann wirklich sehr viel Spaß machen. (Mir jedenfalls. Aber ich denke, wenn man einen historischen Roman oder einen von der Geschichte inspirierten Fantasyroman schreibt, mag man Geschichte und findet Gefallen an sowas.)

Also... ich würde nicht sagen, dass eine gründliche Recherche einen beim Schreiben einschränkt. Viel eher bereichert sie den Roman, weil man eine viel dichtere Atmosphäre spinnen kann, was bloß mit trockenem Fachwissen nicht geht. Ich sehe das als Ergänzung an, um mich in einer Epoche zurechtzufinden, nicht als eine Art Korsett, das den Schreibspaß und den Freiraum beim Schreiben einschränkt.

Debbie

Zitat von: Coppelia am 28. November 2013, 18:07:17
Meine Studenten kennen sich sehr schlecht in Mythologie aus, daher mache ich jetzt Mythologie-Training mit ihnen. Und dazu gehört auch, dass wir Disneys Hercules anschauen und sie mit mir erarbeiten sollen, wo der Film von der Überlieferung abweicht (wir benutzen Schwab als "Kanon", was natürlich nicht wissenschaftlich optimal ist, aber immerhin ein ganz guter Kompromiss).

Das wird aber eine lange Auflistung von Abweichungen!  :rofl:  Ich befürchte, es würde schneller gehen, die Punkte aufzuzählen, die getreu der Überlieferung übernommen wurden  :snicker:

Schwab ist so ... naja (gähn!). Abgesehen von der äußerst langatmigen Erzählweise, stören mich v. a. die Deutungsversuche, das Hineininterpretieren von geschichtlichen Fakten in "religiöse" Mythen. Nicht, dass man Mythen nicht als geschichtliche Quellen heranziehen könnte (was m. E. ganz hervorragend geht) - aber umgekehrt mag ich es nicht besonders. Für mein Empfinden nimmt es den Mythen ihren Zauber; das Magische, Übernatürliche.
Ich lese am liebsten die Theogonie, die Ilias oder die Odyssee im "Original" (Reclam). Fürs schnelle Nachschlagen nehme ich immer Reclams Lexikon der antiken Mythologie, in dem wirklich alles Wichtige schön detailiert und übersichtlich aufgeführt ist. Und dann gibt es noch ein paar andere Schätze, etwas abseits der bekannten Klassiker, die mich regelmäßig in Verzückung versetzen.  :wolke: