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Historisch vs. fiktiv: Die Rolle der Recherche

Begonnen von Coppelia, 25. November 2013, 17:02:02

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Churke

Zitat von: Cailyn am 28. November 2013, 16:34:29
Ich denke da natürlich sofort an grausame SM-Dinge oder aua...Kondome aus Jute.
Meines Wisses waren die aus Fischblasen.

Zitat
Aber vielleicht hast du einfach noch viel konkretere Quellen, wo all die üblen Teufelswerke dargestellt werden.
In der Episode über die Theodosius-Verschwörung berichtet Ammian genau, wie sie das Orakel befragt haben. Einschließlich der Beschwörungsformeln. Aber bloß nicht nachmachen, darauf stand die Todesstrafe!
In der Geheimgeschichte bietet Prokopios mehrere Zeugen auf, die Justinian in seiner wahren Dämonengestalt gesehen haben wollen.
In der "Vita Hilarii" hat sich jemand von ägyptischen Priestern in der Zauberkunst unterrichten lassen. Er beschwört einen bösen Geist und vergräbt gravierte Kupferplatten vor der Tür der Angebeteten.   

Und so weiter. Nach ein paar solcher Stories zeigen sich gewisse Ermüdungseffekte. Da meinte auch mal eine Beta-Leserin, dass es jetzt langsam reiche - dabei hatte ich schon fleißig gekürzt.  ::)

Debbie

Zitat von: Churke am 28. November 2013, 19:36:15
In der Episode über die Theodosius-Verschwörung berichtet Ammian genau, wie sie das Orakel befragt haben. Einschließlich der Beschwörungsformeln. Aber bloß nicht nachmachen, darauf stand die Todesstrafe!
In der Geheimgeschichte bietet Prokopios mehrere Zeugen auf, die Justinian in seiner wahren Dämonengestalt gesehen haben wollen.
In der "Vita Hilarii" hat sich jemand von ägyptischen Priestern in der Zauberkunst unterrichten lassen. Er beschwört einen bösen Geist und vergräbt gravierte Kupferplatten vor der Tür der Angebeteten.   

Und so weiter. Nach ein paar solcher Stories zeigen sich gewisse Ermüdungseffekte.

Das kann ich jetzt gar nicht nachvollziehen, mich fasziniert sowas total!  :vibes: Natürlich immer vorausgesetzt, dass es aktiv in den Plot eingebunden ist und einem nicht als Infodumping ins Auge springt!

Ich glaube das Schwierigste ist tatsächlich, wenn man lange und gründlich recherchiert und viel Material angesammelt hat, das "Aussieben" - was kommt rein und was nicht; was muss ich streichen, weil es nicht in den Plot passt, obwohl es mich total fasziniert  :-\  Das ist immer hart!

Coppelia

#47
@ Debbie
Das Problem bei Schwab ist eher die Unwissenschaftlichkeit und die veraltete, oft überfrachtete Sprache. Ich bin schon auf Gemecker der Studenten eingestellt, aber sie wurden gewarnt. ;) Ansonsten ist er sehr nah am Original, übernimmt viele Passagen z. B. aus Ovid, Vergil, griechischen Tragödien usw. wörtlich. Wünschenswert und das längerfristige Ziel ist es, dass die Studenten die Originaltexte im Original lesen. Das Problem daran ist, dass man für diese Texte wie z. B. Ovids Metamorphosen oder Vergils Aeneis bereits Mythologie-Kenntnis benötigt. Ohne die Grundlagen versteht man sie nicht. Und diese Grundlagen müssen sich die Studenten erstmal anlesen, wenn sie sie nicht haben. Würde ich jemandem die von mir über alles geliebte Ilias in einer guten und verständlichen Übersetzung vorlegen, würde derjenige trotzdem wahrscheinlich nur Bahnhof verstehen, wenn er nicht weiß, wer Zeus und Apollo oder der Pelide oder der Tydeus-Sohn ist ... ja, es ist ein Fass ohne Boden. Und irgendwo muss man anfangen!

Was du mit dem Hineininterpretieren geschichtlicher Fakten meinst, weiß ich nicht. Viele Mythen enthalten Geschichtliches bzw. etwas, was von denjenigen, die die Mythen erzählten, so aufgefasst wurde. Was man meiner Meinung nach bei Schwab als störend empfinden könnte, ist, dass ab und zu die christliche Moral durchkommt, die mit der antiken nicht viel gemeinsam hat. Aber auch das hält sich zum Glück in Grenzen. 
Wenn du ein Buch kennst, dass Mythologie im Umfang von Schwab enthält, so dicht an den Originaltexten ist und auch noch leichter zugänglich für die Studenten geschrieben ist, freu ich mich über einen Tipp! :) Ich habe mir schon mehrere angesehen, konnte aber keins finden, das ich für genauso geeignet halte.

Reclams Lexikon der antiken Mythologie ist wirklich ein gutes Nachschlagewerk. Würde ich ebenfalls empfehlen!

Ich wollte, mehr Menschen wären an Mythologie interessiert. Und an Geschichte.

Klecks

Zitat von: Debbie am 28. November 2013, 19:45:50
Das kann ich jetzt gar nicht nachvollziehen, mich fasziniert sowas total!  :vibes: Natürlich immer vorausgesetzt, dass es aktiv in den Plot eingebunden ist und einem nicht als Infodumping ins Auge springt!

Ich glaube das Schwierigste ist tatsächlich, wenn man lange und gründlich recherchiert und viel Material angesammelt hat, das "Aussieben" - was kommt rein und was nicht; was muss ich streichen, weil es nicht in den Plot passt, obwohl es mich total fasziniert  :-\  Das ist immer hart!

Das kann ich so unterschreiben. Ich liebe es, zu recherchieren, und muss mich immer total zusammenreißen, um nicht ins Infodumping abzudriften. Vor allem, wenn es um Städte geht, die ich mag, um eine Nation, die ich interessant finde, oder um ein Volk, das ich liebevoll analysiert habe. Generell spielt dabei keine Rolle, ob ich in der Realität recherchiere oder Weltenbasteln betreibe: Die Anforderung an mich selbst, hundertprozentig Bescheid zu wissen - sowohl was reale Städte betrifft, als auch in fiktiven Welten - gibt es immer.

Ich kenne jedenfalls meinen schlimmsten Kritiker: Mich selbst.  :d'oh:

@Coppelia: Da melde ich mich mal. Ich liebe Geschichte. Ich liebe Historisches. Und ich kann, wenn ich mal einen interessanten Punkt gefunden habe, nicht aufhören, mich mit Wissen vollzustopfen. Teilweise kann ich darin so versinken, dass ich auf Dinge stoße, die ich eigentlich nicht wissen müsste, aber dann gibt es in meinem Alltag schon die eine oder andere Situation, in der ich in einem Gespräch ein Detail loswerden kann. Und dann kommen die Blicke der Leute, wenn ich gerade über etwas geredet habe, das mit Geschichtlichem zu tun hat. Die sehen dann in etwa so aus:  ???

Ich liebe solche Momente.  ;D


Coppelia

#49
@ Klecks
Ich finde eigentlich nicht, dass man sinnlose Details wissen kann. Man muss sie vielleicht nicht unbedingt wissen, aber wenn man sie weiß, können sie einem sehr nützlich sein beim Schreiben. :) Wenn man sie sich merkt, waren sie halt auch "be-merkenswert", wert, dass man sie im Gedächtnis behält, weil sie spannend, lustig, skurril oder in anderer Hinsicht faszinierend sind. Manchmal lösen Details auch ganze Geschichtenlawinen im Kopf aus, finde ich.

Hundertprozentig Bescheid wissen wird man leider nie. Man kennt ja nicht einmal hundertprozentig die eigenen Nachbarn, und das heute und in der Realität ...

Debbie

@Coppi: Sorry, was die störende Interpretation angeht, habe ich Schwab mit Ranke-Graves verwechselt (unnötiges Buch, meiner Meinung nach  ::)) Schwab ist schon ganz in Ordnung, aber ich hab so meine Probleme mit der prosaischen Gestaltung von Mythen. Ich befürchte das ist einfach ein Tick von mir. Ich hab auch die Edda ca. fünf Mal gelesen, aber ich werde immer unterschwellig aggressiv, wenn ich die Lieder dann in "moderner Übersetzung" lese  :versteck:

Was die Griechen angeht, bin ich auch ein bisschen empfindlich; will heißen, ich ziehe nie römische Quellen zur Recherche heran und meide Ovid und Vergil wie der Teufel das Weihwasser (jetzt bitte nicht mit den Metamorphosen nach mir werfen!  :versteck:). Ich bekomme auch Ausschlag, wenn jemand Zeus als Jupiter betitelt, Ares als Mars oder Athene als Minerva! Für mich ist das Mythen- und Götterdiebstahl der schlimmsten Sorte ...  >:(

Aber was die Odyssee und die Ilias angeht, steht das hier auf meiner Wunschliste: http://www.amazon.de/Ilias-Odyssee-Schuber-%C3%BCbertragen-Ferdinand/dp/3458174303/ref=sr_1_2?s=books&ie=UTF8&qid=1385668388&sr=1-2&keywords=ilias+odyssee+homer

Die positiven und offenbar sachkundigen Bewertungen haben mich dazu verleitet, diese Übersetzung auf meinen Einkaufszettel zu setzen. Ob es sich lohnt, wird sich aber erst noch zeigen ...


ZitatManchmal lösen Details auch ganze Geschichtenlawinen im Kopf aus, finde ich.

Absolut! Und was für welche ...  :vibes:

Klecks

@Coppelia: Stimmt, sinnlos ist es eigentlich nie. Und wenn es "nur" für das Klecksherzchen ist und einen selbst glücklich macht. Und wer weiß, vielleicht weiß man dank dieser Recherche mal die Antwort auf eine Frage und gewinnt eine Million Euro beim Jauch.  :rofl:

Coppelia

#52
@ Debbie
Danke für den Link, ich schau mir das mal in unserer Bib an, wenn wir es haben.

ZitatWas die Griechen angeht, bin ich auch ein bisschen empfindlich; will heißen, ich ziehe nie römische Quellen zur Recherche heran und meide Ovid und Vergil wie der Teufel das Weihwasser (jetzt bitte nicht mit den Metamorphosen nach mir werfen!  ). Ich bekomme auch Ausschlag, wenn jemand Zeus als Jupiter betitelt, Ares als Mars oder Athene als Minerva! Für mich ist das Mythen- und Götterdiebstahl der schlimmsten Sorte ... 
Du kannst das natürlich machen, wie du willst. Aber ich als Latinist muss ich da doch mit den Metamorphosen werfen. ;) Es handelt sich vor allem bei Ovid um die bekannteste Bearbeitung antiker Mythen im europäischen Kulturkreis und um das wohl kulturell einflussreichste Buch nach der Bibel. Gerade die Metamorphosen haben das Bild antiker Götter wesentlich geprägt, und viele Mythen sind sonst entweder gar nicht überliefert oder haben durch Ovid diejenige Version erhalten, unter der sie bekannt geworden sind. Wenn du so viel Wert auf Vollständigkeit legst, kann ich nicht nachvollziehen, dass du dir diese wirklich wichtigen Originaltexte entgehen lässt.
Auch ohne Ovid ist eine Recherche ohne römische Autoren nicht vollständig. Z. B. findest du eine ausführliche Bearbeitung des Sieben-gegen-Theben-Stoffs nur bei Statius, das entsprechende griechische Epos ist verloren. Ganz zu schweigen von der Aeneas-Sage. Und dazu kommt noch, dass es auch Sagen und Gottheiten gibt, die ausschließlich römisch sind.
Aber wie gesagt - das kannst du ja handhaben, wie du möchtest. :) Ich kann es in gewisser Weise auch verstehen, weil ich es von mir selbst kenne. Ich kann mir manche Sachen einfach nicht ansehen, gerade weil mir das, worum es geht, so wichtig ist. Bei mir ist z. B. die Serie "Rome" so etwas.

Debbie

#53
@Coppi:
Zitat von: Coppelia am 28. November 2013, 21:10:32
Auch ohne Ovid ist deine Recherche ohne römische Autoren nicht vollständig. Z. B. findest du eine ausführliche Bearbeitung des Sieben-gegen-Theben-Stoffs nur bei Statius, das entsprechende griechische Epos ist verloren. Ganz zu schweigen von der Aeneas-Sage.

Die Heldensagen sind für mich (meine Geschichte) nicht von Bedeutung, bzw. nur geringfügig. Ich finde es ganz nett, sowas als Freizeitlektüre zu lesen, aber das war es dann auch schon. Die Werke von Ovid und Vergil sind für mich nette Interpretationen und Erweiterungen - aber zwischen denen und Homer/Hesiod liegen soviele Jahrhunderte, dass ich die "Ursprünglichkeit" dieser Texte vollkommen anzweifle. Und es wird in meinem Buch keine römische Mythologie geben (das tut mir jetzt echt leid, dass ich das ausgerechnet dir so eiskalt sagen muss - ich komme mir gerade vor wie ein herzloses Monster  :-[), weil die Römer keine eigene Mythologie haben. Sie haben geklaut, verändert und erweitert - nicht nur bei den Griechen, sondern auch bei den Ägyptern. Wenn ich Mythologie (religiöse Vorstellungen) aus dieser Region herangezogen hätte, wäre ich auf die frühen Etrusker ausgewichen (bei denen es wenigstens noch ein paar eigene Glaubensvorstellungen gab).

Nicht böse sein, Coppi! Uns verbindet immer noch die Liebe zur Mythologie  ;) Und wenn du einen Blick in die Bücher geworfen hast, würde ich mich über deine Einschätzung freuen, ob sich eine Anschaffung lohnt. Das sind ja nicht gerade echte Schnäppchen ...  ::)

Coppelia

#54
Man könnte jetzt eine Grundsatzdiskussion darüber führen, dass alle mythologischen Vorstellungen ererbt oder importiert sind. Aber das spare ich mir jetzt einfach mal. ;D Natürlich sind Homers Texte älter und damit eher am "Ursprung". Aber diesen Ursprung zu finden, ist schwer - auch die ältesten erhaltenen Texte sind nur eine Bearbeitung deutlich älterer Sagenstoffe. Natürlich entfernt man sich von der Entstehungszeit immer weiter, je "jünger" die Texte sind. Und jede Zeit prägt den Sagen ihre Anliegen, ihr Weltbild und ihre Probleme auf, wenn sie sie schriftlich festhält.

Warum sollte ich böse sein? Die Römer haben halt gemerkt, wenn etwas gut war, und wollten es auch haben. So waren sie. :rofl: Und es war ja durchaus legitim, anderer Leute Religion quasi mit zu benutzen. Trotzdem unterscheidet sich die römische Glaubenswelt z. T. von der griechischen, auch wenn das für deine mythologische Recherche jetzt belanglos ist, weil es andere Dinge betrifft und die römischen Gottheiten (wozu man die etruskischen meiner Meinung nach zählen kann) kleine Nummern sind in der großen Mythologie-Überlieferung. Die literarischen Texte sind noch einmal etwas anderes, weil sie nicht religiös sind, sondern eben Literatur.

Und, ja eigentlich sind wir doch wohl Schwestern im Geiste! :knuddel:

Als Homer-Übersetzungen finde ich übrigens Schadewaldt optimal - extrem textnahe Prosa, fast so wunderschön wie das Original. :vibes: Keine ekligen deutschen Hexameter.

Debbie

Zitat von: Coppelia am 28. November 2013, 21:52:05
Man könnte jetzt eine Grundsatzdiskussion darüber führen, dass alle mythologischen Vorstellungen ererbt oder importiert sind. Aber das spare ich mir jetzt einfach mal.

Da hast du natürlich vollkommen recht! Selbst (jetzt bitte alle streng gläubigen Juden, Christen und Moslems wegsehen!) die Geschichten in der Bibel haben fast alle ihren Ursprung in den Mythologien diverser Völker. Ich befürchte das ist einer der Gründe, warum ich die Kirche (und die Bibel) seit einigen Jahren immer weniger ernst nehmen kann ...

Für mich mussten sich die Mythologien, die ich verwende, deshalb auch in ausreichendem Maß voneinander unterscheiden. Bei den Maya/Azteken habe ich das gleiche Problem - aber die Maya waren zuerst da, also halte ich mich an ihre Überlieferungen.  ;)


Zitat von: Coppelia am 28. November 2013, 21:52:05
Die Römer haben halt gemerkt, wenn etwas gut war, und wollten es auch haben. So waren sie.

Das stimmt! Zumindest das muss man ihnen lassen  ;)


Zitat von: Coppelia am 28. November 2013, 21:52:05
Und, ja eigentlich sind wir doch wohl Schwestern im Geiste! :knuddel:

Als Homer-Übersetzungen finde ich übrigens Schadewaldt optimal - extrem textnahe Prosa, fast so wunderschön wie das Original. :vibes: Keine ekligen deutschen Hexameter.

Das Gefühl habe ich auch!  :knuddel:

Schadewaldt werde ich mir mal ansehen - Danke, für den Tipp!  :vibes:

Judith

#56
Zitat von: Debbie am 28. November 2013, 21:29:39
Und es wird in meinem Buch keine römische Mythologie geben (das tut mir jetzt echt leid, dass ich das ausgerechnet dir so eiskalt sagen muss - ich komme mir gerade vor wie ein herzloses Monster  :-[), weil die Römer keine eigene Mythologie haben. Sie haben geklaut, verändert und erweitert - nicht nur bei den Griechen, sondern auch bei den Ägyptern. Wenn ich Mythologie (religiöse Vorstellungen) aus dieser Region herangezogen hätte, wäre ich auf die frühen Etrusker ausgewichen (bei denen es wenigstens noch ein paar eigene Glaubensvorstellungen gab).
Na na na, in der römischen Religion finden sich durchaus noch genug Spuren ganz eigener Glaubensvorstellungen und auch eigener Gottheiten, die ganz altitalischen Vegetationskulten entstammen und weder von den Etruskern, noch den Griechen noch den Ägyptern kommen.
Dass du selbst mit der römischen Mythologie nicht arbeiten kannst/magst, ist bei deiner Intention nachvollziehbar, aber dass es bei ihnen keine eigenen Glaubensvorstellungen gab, stimmt so nicht. (übrigens wurde die etruskische Religion auch sehr stark sowohl von der italischen als auch von der griechischen beeinflusst)

Ich finde ja gerade die Mischung aus eigenen und fremden Glaubensvorstellungen, die ineinander verschmelzen, ziemlich faszinierend und wurde - um jetzt eine elegante Schleife zum eigentlichen topic zu schlagen - gerade von der römischen Religion deshalb sehr stark inspiriert, als ich eine der Religionen meiner Welt entworfen habe. Auf diese Weise wurde ich überhaupt erst dazu inspiriert, auch eine Religion zu entwerfen, die sich im Laufe der Zeit durch fremde Einflüsse sehr stark verändert und weiterentwickelt hat, während aber immer noch die Grundzüge der eigenen alten Glaubensvorstellungen durchschimmern.

Das ist z.B. etwas, das ich bisher noch nie als Romanhintergrund gebraucht habe, das ich aber dennoch leidenschaftlich gern bastle. Und gerade Mythologien sind so etwas, wo man in der Fantasy immer wieder mal über welche stolpert, die absolut oberflächlich entwickelt wurden. Da gibts ein paar Götter, jeder hat seinen klar abgegrenzten Aufgabenbereich und seine paar Aspekte und das wars auch schon. So etwas stört mich beim Lesen ganz extrem und ich würde mir dann immer wünschen, dass da zumindest ein wenig Zeit vorher in Recherche von Mythologien und polytheistischen Religionen geflossen wäre.  ::)
Allerdings gibt es da ja auch historische Romane, die etwa die nordische oder eben die griechische Mythologie auch komplett oberflächlich und vereinfacht darstellen.

Fianna

@Cailyn
Naja, meine Projekte spielen meist nur auf Länder-Ebene oder noch "kleinteiliger" (Low Fantasy eben, Weltenrettung ist irrelevant, und somit auch der Blickwinkel der Protagonisten beschränkter).
Viele Story-Ideen haben sich so genial ergänzt in ihrer Hintergrundgeschichte, dass ich benachbarte Länder meines vormals erfundenen Kontinents als Setting nahm. Die groben Gerüste der Gebuete passten perfekt zum Plot bzw. zum Grobgerüst des Nachbarlandes.

Dann habe ich zwei weitere Länder auf einem Kontinent benachbart: das eine war/eurde eine Militärdiktatur - das andere ist einer von 6 Stadtstaaten, der sich gezwungen fühlt, extrem aufzurüsten und zur Finanzierung auch im Staatenverbund Krieg führt.
Es lag nahe, diese beiden Länder zu vernachbarn.

Es ist z.b. nicht bei allen "Welten" oder Ländern die Religion oder Mythologie genau ausgeformt.
Ich habe mir Gedanken gemacht, was zu dem Land passt (Monotheismus, Hentoismus, Schamanismus...) und der inneren Logik folgt - aber sofern es nicht für die Geschichte relevant war, habe ich abgesehen von den Namen nichts weiter erfunden.

Eine andere Kultur wird durch die starke Durchdringung von Religion und Alltag und "gelebtem Aberglauben" bestimmt - da habe ich die Götterwelt und einige abergläubische Rituale/Ängste ausgedacht. Wie z.b. aber eine Stadt aussieht, habe ich nicht erdacht, da sämtliche Vertreter im Ausland auftreten. Es ist eine alte Kultur, einstmals extrem mächtig und daher sind die Städte imposant, insbesondere für Besucher aus anderen Ländern - aber das exakte Aussehen ist nicht relevant, und deshalb habe ich es bisher nicht erfunden.

Ich habe soviele Projektideen, dass ich sehr "zweckgebunden" arbeite, ich lege den Rahmen fest, aber Details kommen nur bei Relevanz in der Geschichte hinzu.

Aber ich schreibe ja auch kein High Fantasy, sondern Low Fantasy.Oder vielleicht sollte ich liever sagen: nicht so epische Fantasy. Meine Konflikte gefährden nicht den ganzen Kontinent oder gar die Welt, also fokussiere ich mich auf andere Dinfe als High Fantasy-Schreiber. Volksvertreter einer Kultur, die nur als "Besucher" in einem anderen Land auftreten, könnten keinen Weltenbogen komplett ausfüllen (jedenfalls nicht in der Detailfülle wie Valaes oder Jilias Figuren) weil ich nur "zweckgebundenen" Weltenbau mache. (Innerhalb dieses Rahmens aber extrem detailliert.)

Valaé

Ich weiß das kommt jetzt etwas verspätet, aber ich wollte nur noch kurz sagen:

ZitatIch recherchiere eigentlich nicht zielgerichtet, außer in seltenen Fällen. Ich benutze eher das, was bei meiner Arbeit (ich bin Lateindozentin) quasi "abfällt". Jeden Tag stopfe ich mich und andere mit Wissen voll und würde wahrscheinlich platzen, wenn ich es nicht wieder loswerden könnte. Dabei stoße ich auf tolle Details und faszinierende Geschichten. Dabei passiert es häufig, dass sich diese Details oder Ideen, die sich daraus ergeben, in schon vorhandene Geschichten einfügen oder neue entstehen lassen. Ich bin einfach total neugierig und quasi ein Fan von den antiken Personen und der altrömischen Mentalität, sodass ich einfach immer mehr und mehr wissen will und mich einfach nur freue, wenn ich wieder etwas Spannendes erfahren habe. Und viele dieser Details finden dann den Weg zurück in meine Geschichten, während ich andere Details bei der Recherche schändlich vernachlässige. ;)
Genau das kenne ich sehr, sehr gut und es ist das, was ich anschneiden wollte mit der Aussage, dass Recherche (auch wenn sie nicht zielgerichtet ist sondern eher nebenbei passiert, wie in der Wechselwirkung mit der Uni) und die Geschichten sich sehr gut gegenseitig beeinflussen. Es ist einfach wunderbar, wie viel bei der Beschäftigung mit Texten und/oder einer bestimmten Epoche an interessanten Details und Inspirationen für die Geschichte "abfällt".

@Cailyn:
ZitatIch habe lediglich als Frage in den Raum gestellt, ob diese intensive Recherche ablenken kann, ja, ob es euch ablenkt? Ich bin neugierig, nicht wertend. Ich frage euch, die so genau arbeiten und bin froh, wenn ich eine Antwort kriege, ein Einblick in eure Art zu arbeiten. Aber du hast aus meiner Frage eine Unterstellung gemacht. Ich hoffe, du kannst das jetzt auch als Frage sehen wie die anderen.
Es fällt mir ehrlich gesagt doch sehr schwer, aus dieser Aussage hier:
ZitatAber ich frage mich auch, ob manche hier eher an wissenschaftlichen Recherchen und wirklich extremem Detailreichtum interessiert sind als an Geschichten. Was ja durchaus in Ordnung ist. Aber mir wird das zu Technisch.Ich vermisse da ganz stark das, was man die "Seele" eines Buches nennen könnte.
(besonders aus dem letzten Satz) eine Frage herauszulesen und nicht eine recht provokante These - aber ich versuche es, immerhin schlägt menschliche Kommunikation oft fehl und wahrscheinlich hast du es wirklich ganz anders gemeint als es bei mir ankommt.
Was die Frage an sich angeht, so wurde der Hauptteil bereits beantwortet: Schließt sich großes Interesse an wissenschaftlichen Recherchen und "extremem" Detailreichtum und Interesse an einer Geschichte aus oder liegt hier eine Wechselwirkung vor? Warum sollte mich etwas ablenken, dass mich durch die Beschäftigung mit sich zu neuen Ideen und neuen Entwicklungen anregt? Je mehr ich etwas kennen lerne, je mehr ich erfahre, desto mehr interessante Details lerne ich kennen und desto mehr weiß ich, was alles machbar wäre, wo man alles ansetzen kann. Wissen ist immer Inspiration. Zumindest für mich. Ich ziehe einen Großteil meiner Ideen aus Anschlussrecherchen zu Dingen, über die ich bei der wissenschaftlichen Arbeit oder einer Detailrecherche zu etwas ganz Anderem gestoßen bin. Und wie auch Kati schon gesagt hat: Mich lenken eher die Lücken ab - wenn ich etwas nicht weiß, dann muss ich entweder eine provisorische Lösung finden, mit der ich selbst nicht wirklich einverstanden bin und das beschäftigt mich dann, sodass ich mich nicht konzentrieren kann - oder ich muss das Schreiben unterbrechen, um doch noch einmal nachzusehen (es kommt jedoch natürlich darauf an, wie wichtig das ist, was ich gerade nicht wusste - ich unterbreche auch nicht wegen jeder möglicherweise falsch frisierten Haarsträhne einen Schreibfluss).

Ansonsten schließe ich mich natürlich der Meinung bezüglich Museen, angucken und anfassen oder selbst ausprobieren vollkommen an, das gehört bei mir zur normalen Recherche dazu (vielleicht weniger wissenschaftlich bei manchen versuchen, etwas halbwegs authentisch selbst zu machen ... Stichwort Kochrezepte  ;D), natürlich sollte man nicht nur Bücher wälzen - aber meistens, wie auch schon gesagt wurde, bedingt ein so großes Interesse für eine bestimmte Zeit oder Kultur auch, dass man von ganz alleine anfängt, solche Dinge auszuprobieren. Wobei es da natürlich auch viele Dinge gibt, die mit Vorsicht zu genießen sind - viele Dinge, die propagieren dass man in eine bestimmte Epoche schlüpfen kann/darf oder besonders aufs Mitmachen ausgelegte Museen/museenähnliche Einrichtungen vereinfachen viele Dinge stark (liegt in der Natur der Sache, man kann selten die Erfahrung vollkommen "authentisch" (oh, ich habe das böse a-Wort gesagt!) machen). Allerdings sollte man sich dessen eben auch bewusst sein und kritisch mit dem umgehen, was einem gerade in der heutigen Zeit an vielen Ecken als historisch aufgetischt wird - auch in Museen und museenähnlichen Einrichtungen. Selbst da schlägt Infotainment gerne mal zu. Aber ich gehe mal davon aus, dass jeder im Zirkel, der einen historischen Roman oder einen historisch inspirierten Fantasyroman schreibt, genug Ahnung hat, um auf so etwas nicht hereinzufallen. Und wenn man das nicht tut, sondern kritisch bleibt, sind Museen ebenso wie versuche, Dinge selbst auszuprobieren eine tolle Sache!
Ich freue mich schon wie ein Schneekönig darauf, wenn unsere Uni dieses Jahr im Rahmen einer Großveranstaltung mittelalterlich kocht, Münzen prägt und ähnliches ...  :wolke:.



Debbie

@Judith: Was genau verstehst du unter altitalischer Religion/Völkern? Die, die mit den Etruskern gemeinsam das Gebiet besiedelten (und stark von ihnen beeinflusst waren)? Welche Völkergruppe hat denn noch vorher dort gelebt?

Wenn man noch weiter zurückgeht - und das tut man, wenn man von Vegetationsgottheiten, bzw. dem Kult der Muttergöttin spricht - gelangt man an die indogermanische Wurzel sämtlicher (europäischer) Mythologien ... irgendwann nach Assyrien und Babylon ... bis man schließlich beim Schamanismus landet. Die Muttergöttin, bzw. diverse Vegetationsgottheiten finden sich in verschieden Entsprechungen der unterschiedlichen Mythologien wieder. Mir ist bisher noch keine wissenschaftliche Arbeit oder Buch untergekommen, dass behauptet, die Römer hätten eine eigene Mythologie gehabt. Aber wenn du eine(s) kennst, fände ich es sehr interessant ...  :hmmm: