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Unterschiede zwischen Kurzgeschichten und Romanen

Begonnen von HauntingWitch, 16. November 2013, 15:48:12

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HauntingWitch

Ich eröffne diesen Thread aufgrund dieser Aussage von Coehoorn aus dem Absagen-Thread, weil ich selbigen nicht damit zuspammen möchte. ;) Vorweg, ich möchte nicht wissen, was "mehr Wert ist" oder nicht. Ich denke, das weiss jeder für sich selbst.

Zitat von: Coehoorn am 13. November 2013, 11:30:04
Mein tiefer Respekt gilt jedem, der überhaupt in der Lage ist eine vernünftige Kurzgeschichte abzutippen und ich würde wohl jedem hier ein gewisses Maß an Selbsteinschätzung attestieren.

Ich hab mich auch schon an Kurzgeschichten versucht und bin mit Fanfaren und Trompeten daran gescheitert. Keine Ahnung woran es liegt, vermutlich ein Mangel an der Fähigkeit mich außerhalb von Facharbeiten kurz zu fassen.

Ich für meinen Teil finde das recht faszinierend, denn ich habe eher Schwierigkeiten, mich lang zu fassen. Ich empfinde das Schreiben von Kurzgeschichten - sobald die Idee da ist - nicht als besonders schwierig oder schwieriger als das Schreiben von Romanen. Ich mache es einfach. Mir geht es eher so, dass ich teilweise Romane lese, bei denen ich mich frage, wie der Autor das macht, alles so ausführlich und detailliert zu beschreiben. Bei Rohtfuss z.B. dauert eine Sequenz geschätzte 10 Seiten, die bei mir in der Hälfte der Zeit abgehandelt würde. Gerne würde ich also die Wie-machst-du-das-Frage an die Epos-Schreiber unter uns zurückgeben: Wie macht ihr das, euch so lang zu fassen, so ausschweifend zu werden?

Bin ich vielleicht einfach mehr für Kurzgeschichten geschaffen? Nun, es ist ja nicht so, dass ich keine Romane hier liegen hätte. Aber beim aktuellen befürchte ich schon wieder, am Ende zu wenige Seiten zu haben, nachdem alles Unnötige gestrichen ist. Handkehrum weiss ich aber auch, wo ich allenfalls ausschmücken könnte. Nur wie, das muss ich noch herausfinden.

Was ist eure Meinung? Findet ihr Kurzgeschichten oder Romane schwieriger? Kann man das überhaupt so trennen? Bin ich einsam mit dem Problem, nicht ausschweifen zu können, habe ich vielleicht sogar zu wenig Vorstellungskraft, oder geht es jemandem ähnlich?

Alaun

Ha, interessantes Thema. Bis vor etwa 3 Jahren fand ich es unglaublich schwierig, Romane zu schreiben und hatte extrem viel Spaß an Kurzgeschichten. Das fiel mir leicht - im Gegensatz zu langen Geschichten. Inzwischen ist es genau anders herum, die Kurzgeschichten fallen mir schwer und alles, was ich anfange, ufert sofort zu einem Roman aus. Ich schätze also, dass sich die Vorlieben im Verlauf eines Schreiberlebens wandeln können und das wahrscheinlich auch einige Mal tun.

Christopher

Kurzgeschichten finde ich schwieriger.


Warum?
Vielleicht, weil ich einer dieser "Epos-Schreiber" bin. Geplant waren im NaNo 8 Kapitel. Inzwischen sind es 9 und der Inhalt von fünfen ist verarbeitet, ohne großartig was dazuzudichten oder etwas was nicht geplant war reinzunehmen.

Ich mag es nicht, Szenenwechsel einfach mit dem Hackebeil durchzuführen - da muss eine Überleitung her.
Ich mag es nicht, den Leser im unklaren über seine Umgebung zu lassen - da muss eine Beschreibung her.
Ich mag es nicht, in Dialogen Aussage an Aussage zu reihen - da müssen sich die Figuren bewegen, da passiert immer was neben dem gesprochenen Wort.
Ich mag es nicht, keine Atmosphöre aufzubauen - da müssen die Umgebung, die Gefühle und Eindrücke eines Protagonisten geschildert werden.

Wenn ich noch länger drüber nachdenke, fallen mir sicher noch mehr so Kleinigkeiten ein, die sich dann aber summieren und aus einem kurzen, knackigen Text, ein Machwerk epischer Breite machen. Dem einen gefällt sowas, dem anderen nicht.

Soviel dazu, wie man sich lang fässt. Wie man sich kurz fässt? Könnte ich bestimmt auch, aber da gefällt mir das was ich tue nicht, ich weiss nicht, ob das nun ZU kurz ist. Ich weiss nicht, ob dem Leser die Informationen, die mir bei kurzen Geschichten fehlen, nicht auch fehlen.

Aber ich finde nicht, dass das mein Hauptproblem am Kurzgeschichtenschreiben ist. Ich denke eher, dass es mir schwerfällt, eine Idee in so "wenigen" Worten unterzubringen. Dafür will ich zu viel erzählen und mag meine Pointen "hinten herum". Die brauchen lange Vorbereitungszeit.
Be brave, dont tryhard.

Fianna

Ich arbeite bei Kurzgeschichten und Romanen eigentlich gleich: zuerst gibt es einen Konflikt, und eine Lösung (oder die Erkenntnis, dass keine Lösung möglich ist).
Dann suche ich mir einen passenden Protagonisten, überlege, was er für einen Hintergrund haben muss, um zum Zeitpunkt der Handlung so zu sein, wie er ist. Der Protagonist bekommt neben dem äusseren Konflikt, der ja schon besteht, einen inneren Konflikt.
Häufig gibt es eine weitere Schlüsselfigur (Antagonist, zweiter Protagonist, Helfer), die ebenfalls mit einem inneren Konflikt versehen wird.

Entsprechend ihrer Hintergründe wird die Welt/das Land in seinen groben Umrissen entworfen.

Bei Fantasy-Kurzgeschichten mit ungewöhnlichem Setting brauche ich natürlich mehr Raum; ich halte meine Settings selten für so innovativ, aber es ist eben anders als klassisches (menschliches) Feudalsystem.

So liege ich leider meist um 20.000 Zeichen.


Bei einigen Kurzgeschichten, die keine passende Ausschreibung finden, aber auch etwas ganz besonders Spannendes für mich haben, habe ich auch beschlossen, eines Tages einen Roman draus zu machen.


Das geht auch relativ problemlos - ich muss einfach die Vorgeschichte dieses Konfliktes zeigen statt es zu erwähnen, darf ein paar Subplots machen...
... ich kann die Aussage in dem anderen Thread, Kurzgeschichten würden bei ihm/ihr eigentlich genau wie Romane erstellt, also vollkommen verstehen.

Nachtblick

#4
Ich schreibe relativ klassische Kurzgeschichten, allerdings keine Genre-Sachen, sondern viel, was man als ,,reduziert erzählte, unmenschliche zwischenmenschliche Beziehungen in Krisenzeiten" einsortieren würde, viel Gewalt, Not und Rohheit, aber auch Sachen, wo die Leute direkt reflexartig ,,Tarantino!" sagen (der eins meiner großen Vorbilder ist :engel: ). Ich schreibe unheimlich gern Kurzgeschichten und inzwischen auch ohne Ausschreibung, so etwa sieben bis neun vorzeigbare Geschichten im Jahr. Da ich mich mit dem Großteil auf Preise bewerbe, muss ich auch auf Themen zugeschnitten anständige Texte produzieren können. Ich schreibe viele Kurztexte zwar, um damit Geld zu verdienen, aber auch viel, was mir persönlich gefällt und mit anspricht und herausfordert.
Deshalb ist es mir sehr wichtig, dass ich in Übung bleibe. Ich habe früher für Anthologien geschrieben, inzwischen reizt mich das nicht mehr.
Ich habe lange gebraucht, um ,,meinen Roman" zu finden, aber jetzt ist er fertig und ich überarbeite ihn gerade. Ich habe mich nicht damit abfinden können, dass nicht jeder Stoff zum Roman taugt. Die Arbeit an dem Roman hat mich auf eine andere Art und Weise herausgefordert und befriedigt, sicherlich auch mehr, als die Arbeit an den Kurzgeschichten, aber ich würde das eine nicht für das andere hergeben wollen.
Wieder Fantasy zu schreiben kann ich mir allerdings nur in Romanform vorstellen.

Erdbeere

ZitatWie macht ihr das, euch so lang zu fassen, so ausschweifend zu werden?

Ich denke nicht, dass man sich in einem Roman lang fasst oder ausschweifend wird. Es ist ein Mehr an Geschichte. Man hat Figuren, die man mehr machen lässt, man hat Plot, der immer mehr wird. Kurzgeschichten sind, nebst der Poesie, die schwierigste Form des Schreibens, weil sie die Essenz in Worte fassen. Das ist wie beim Saucen-Reduzieren beim Kochen. Der Roman ist das 10-Gänge Menü, die Kurzgeschichte die köstlich reduzierte Sauce. Für beides braucht es Können, Skills meinetwegen, Zeit und Arbeit. Aber einige Autoren machen lieber Orgien mit 10-Gänge Menüs, andere spezialisieren sich auf reduzierte Saucen.
Und wie Aqua so schön sagte, ab und zu wechseln sich Vorlieben ab. Da versucht sich ein Saucen-Liebhaber an einem 10-Gänge Menü und findet es so toll, dass er gleich noch mal drei davon abhält.

Ich finde, man darf eine Geschichte nicht in eine Form zwingen. Reicht es nur für eine Kurzgeschichte ist das in Ordnung. Will die Geschichte länger werden, erzählt man eben die ganze Länge. Und für die "zu kurzen", dann ist es eben ein Kurz-Roman oder eine Novelle. Wichtig ist, finde ich, dass wir als Autoren diese Geschichten erzählen, egal, in welcher Form.

Merwyn

Ich befasse mich eigentlich erst seit etwas mehr als einem Jahr mit dem Schreiben von Kurzgeschichten. Vorher war mir nicht so bewusst, dass man damit noch "was reißen" kann.
Das sie mir besser oder schlechter liegen als längere Geschichten könnte ich jetzt aber nicht sagen.
Bei Kurzgeschichte fange ich halt erst mit dem Schreiben an, wenn ich einen konkreten Plan habe, während ich bei einem Roman einzelne Ideen, Dialoge oder auch ganze Szenen zusammenhangslos aufschreibe, wenn sie mir einfallen.

Ich mache eigentlich nur als Leser einen Unterschied. Da mag ich Kurzgeschichten eher nicht, weil sie mir schlicht zu kurz sind. Ich habe es lieber, wenn die Handlung nicht in Gang "gezwungen" wird, wenn es mehrere Stränge gibt, die sich zu einem Ganzen verflechten, usw.
Bei einer Kurzgeschichte hat man dafür selten Platz, da gibt es eine Handlung, die allerhöchstens am Ende noch einen netten Twist hat. Damit will ich jetzt nicht sagen, dass Kurzgeschichten alle vorhersehbar wären, denn das stimmt natürlich nicht, aber ich mag es beim Lesen scheinbar komplexer ;)

Ryadne

Ich habe anfangs an sinnvollen Texten nur Novellen und Kurzromane zustande gebracht - für Kurzgeschichten (und Gedichte) gab es immer zu viel, was ich reinpacken wollte, für längere Romane ... haben die Handlungen irgendwie nicht hergehalten. Während das mit den längeren Romanen irgendwann von selbst kam, musste ich Kurzgeschichten wirklich lernen zu schreiben. Wenn ich mir heute die Geschichten ansehe, die früher bei Ausschreibungen durchgefallen sind, wundert es mich oft nicht besonders; den Schreibstil finde ich okay und nicht so anders zu meinem heutigen, aber ich wollte da einfach zu viel, musste zu viele Emotionen und Handlung in wenige Seiten quetschen, um, ähnlich wie Chrisopher es schon angesprochen hat, die gewünschte Atmosphäre zu kreieren. Inzwischen kann ich glaube ich besser herausfiltern, welche Informationen für den Leser einer Kurzgeschichte relevant sind und wo ich mich besser zurücknehme. Z.B. hab ich es ziemlich mit Monologen, aber in Kurzgeschichten muss da eben mehr über Dialoge und Ereignisse transportiert werden, wenn der Leser am Ball bleiben soll. Gleichzeitig dürfen die Dialoge aber auch kein Selbstzweck sein, den Fehler habe ich auch schon begangen und dann wird es auch wieder langweilig für den Leser.
Insgesamt halte ich es immer noch für schwieriger, eine Kurzgeschichte zu planen, als einen Roman. Die meisten Kurzgeschichten, die mir gelungen sind, waren auch Spontaneinfälle, wenn ich sie erst richtig plotten muss, wirken sie oft zu konstruiert.

Gedichte bekomme ich immer noch nicht hin, da will ich einfach immer noch zu viel reinpacken. ;D

Pintana

Kurzgeschichten finde ich ebenfalls schwieriger, weil mir meine immer direkt ein ganzes Paket an Ideen mitbringen. Wenn ich erst mal weiß wo es hingehen soll, dann wird will sich meistens viel mehr aus dem "Grundbild", mit dem ich zu schreiben anfange, auswachsen. Da wird dann schnell mal aus einem rennenden Wolf ein Bindeglied zwischen zwei sich duellierenden Parteien, die beide nach eben jenem Tier und seinem Besitzer jagen, der sich ganz nebenbei noch in seine Mentorin verliebt ... und schon ist die Zeichenbegrenzung erreicht und der ganze Kram eigentlich sich eher um einen ganzen Roman damit zu füllen.

Aber: Mit ein bisschen Übung, (okay, mittlerweile sind es satte zwei Jahre) haben die Dinger ganz plötzlich auch ein Ende, beschränken sich nur noch auf das, was wirklich erzählt werden muss und winken nur noch ganz entfernt mit dem Wunsch zu einem Roman zu wachsen. Mit der letzten KG ging es plötzlich ganz leicht, nachdem ich die Ideen abgeblockt habe, die sich nach und nach einschlichen (oh, wäre das nicht cool, wenn da noch ein Ork aus dem Gebüsch springt und sie bis ins nächste Dorf jagt?) hat es tatsächlich funktioniert und die KG blieb auch KG.

Zum Verlängern oder zur Frage, wie Romane epische Ausmaße annehmen: Ich persönlich liebe es mit Subplots um mich zu werfen, dem Prota noch mehr Steine in den Weg zu legen als es unbedingt sein muss. Grundsätzlich rate ich also jedem, der einen Weg sucht sein Manuskript zu verlängern Prota quälen und Subplots einflechten ;)

Adam_Charvelll

Zitat von: Erdbeere am 16. November 2013, 16:05:37
Ich denke nicht, dass man sich in einem Roman lang fasst oder ausschweifend wird. Es ist ein Mehr an Geschichte. Man hat Figuren, die man mehr machen lässt, man hat Plot, der immer mehr wird.

Genau. Der Schritt von der Kurzgeschichte zum Roman ist wohl nicht ein Ausdehnen des Plots, sondern ein Erweitern dessen, denke ich. Bei der KG muss man halt immer auf einige Dinge verzichten, die man vielleicht ganz gerne eingebaut hätte, aber im Sinne der Gesamtkürze dann nur Platz und Wirkung genommen hätten. Bei einem Roman hat man dafür den Platz, eine große Grundbasis mit zahlreichen Fäden zu erstellen, die man dann möglichst viel und möglichst gut verbinden sollte. Bei der KG geht sich das im Normalfall nicht aus, dort können nur einzelne oder wenige Fäden verfolgt werden. Deshalb muss ich auch ein wenig widersprechen, dass KGs die höhere Kunst sind, da auch ein anspruchsvoller Roman, der wirklich gut geplottet ist, großartiges Handwerk erfordert und aufgrund der Größe eben teilweise auch schwieriger ist.
Wobei sich Qualität ja nicht anhand der Textform messen lässt. Es gibt wahnsinnig gute Romane und grottenschlechte Kurzgeschichten und nähme man von beiden Textsorten den optimalsten Beitrag, stünden beide Autoren auf der selben Stufe.
Der Vorteil bei Kurzgeschichten, und da stimme ich darin überein, dass das Schreiben von KGs durchaus eine Kunst ist, ist, dass man dort auf knappen Raum ziemlich komplexe Strukturen aufbauen kann und der eigentliche Sinn erst zwischen den Zeilen ersichtbar ist. Es gibt unglaublich hochwertige Literaturausschreibungen, bei denen ich die Beiträge selbst dann nicht verstehe, wenn ich sie fünf mal lese. Vergleichbar mit guten Gedichten.

Arcor

Ich weiß nicht so recht, ob ich eins schwieriger finde als das andere.  ???

Kurzgeschichten haben den Vorteil, dass man meistens mit einer einzigen Idee (Szene, Stimmung etc.) schon genug hat, um eine gute Kurzgeschichte zu bauen. Klar, man braucht auch interessante Figuren und am besten einen unerwarteten Twist, aber Kurzgeschichten eignen sich einfach so hervorragend dafür, eine einzige gute Idee zu "verbraten".

Für einen Roman reicht gerade das nicht. Ich habe schon mehrere Projekte angefangen zu plotten, bei denen ich dann festgestellt habe, dass die Idee einfach nicht für ein größeres Werk reicht. Sie war vielleicht auch zu viel für eine Kurzgeschichte, aber definitiv nicht genug, um daraus eine umfassende Geschichte zu bauen.
Außerdem braucht man für Romane definitiv vielschichtige Figuren, besonders bei dem/den Protagonisten. In einer Kurzgeschichte finde ich es hingegen verschmerzbar, wenn die Figur klischeehafter bleibt, solange der Rest überzeugt. Meistens hat man ja eh kaum Platz genug, um eine Figur vielschichtig aufzubauen.

Kurzgeschichten haben auch den Vorteil, dass man sehr rasch merkt, wenn sie nicht funktionieren - meistens schon, bevor man sie überhaupt fertiggestellt hat. Und entweder fällt mir dann immer ein, woran es liegt, und ich kann es kitten, oder das Ding wird verworfen.
Bis ich diesen Punkt bei einem Roman erreicht habe, habe ich mich meistens schon hoffnungslos verrannt und das Ding ist ohne ein massives Auffahren an Energie, Plotten, Neuschreiben und Zeit nicht mehr zu retten. Und das stört mich immer umso mehr.
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Churke

Zitat von: Adam_Charvelll am 16. November 2013, 16:21:16
Genau. Der Schritt von der Kurzgeschichte zum Roman ist wohl nicht ein Ausdehnen des Plots, sondern ein Erweitern dessen, denke ich.

Einspruch. Ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen Roman und KG ist, dass die Figuren in der KG keine Entwicklung durchmachen*). Sie sind innerlich statisch. Im Englischen spricht man von "flat characters". Der Protagonist ist am Ende der selbe wie am Anfang. Ein bisschen toter vielleicht. Er muss sich einer Herausforderung stellen, mag die Prüfung bestehen oder scheitern, aber seine Chancen, vorher ein Anderer zu werden, stehen ziemlich mies. Plots wie Heldenreisen etc. fallen damit schon mal flach.  ;)

*) Mir ist klar, dass das auch anders sein kann. Solche Theorien beruhen auf empirischen Beobachtungen, und vielleicht bestehen manches Schwierigkeiten mit Romanen und/oder Kurzgeschichten darin, dass sie den richtigen Plot in die falsche Form pressen wollen. Ein Roman mit flat characters ist nämlich auch nicht der wahre Jakob.  ::)






Ryadne

Zitat von: Churke am 16. November 2013, 19:09:35
Einspruch. Ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen Roman und KG ist, dass die Figuren in der KG keine Entwicklung durchmachen*). Sie sind innerlich statisch. Im Englischen spricht man von "flat characters". Der Protagonist ist am Ende der selbe wie am Anfang. Ein bisschen toter vielleicht. Er muss sich einer Herausforderung stellen, mag die Prüfung bestehen oder scheitern, aber seine Chancen, vorher ein Anderer zu werden, stehen ziemlich mies.

Dem stehe ich zu, das ist auch so eine Sache, weshalb ich Kurzgeschichten vor allem dann schätze, wenn sie in einen größeren Rahmen eingebettet sind, man also die Figuren bereits kennt.
Ein Ausweiten des Plots wird natürlich in vielen Fällen dennoch eine Rolle spielen, das muss der gleichzeitigen Ausdehnung ja nicht im Wege stehen.

Zitat von: Arcor am 16. November 2013, 16:40:13
Kurzgeschichten haben den Vorteil, dass man meistens mit einer einzigen Idee (Szene, Stimmung etc.) schon genug hat, um eine gute Kurzgeschichte zu bauen. Klar, man braucht auch interessante Figuren und am besten einen unerwarteten Twist, aber Kurzgeschichten eignen sich einfach so hervorragend dafür, eine einzige gute Idee zu "verbraten".

Für einen Roman reicht gerade das nicht. Ich habe schon mehrere Projekte angefangen zu plotten, bei denen ich dann festgestellt habe, dass die Idee einfach nicht für ein größeres Werk reicht. Sie war vielleicht auch zu viel für eine Kurzgeschichte, aber definitiv nicht genug, um daraus eine umfassende Geschichte zu bauen.

Hm, bei mir stehen auch in Romanen oft einzelne Ideen im Vordergrund. Ich denke eher, es kommt auf die Art der Idee an, ob man aus ihr eine Kurzgeschichte oder einen Roman baut (oder doch lieber eine Novelle). Einige sind mir zu komplex und von zu vielen verschiedenen Seiten erörterbar, als dass ich sie in eine Kurzgeschichte pressen könnte. Aber es gibt sicher auch andere, die da nicht so viel Stoff hergeben und sich dann wieder gut für Kurzgeschichten eignen.

KaPunkt

Interessant, das KGs über 'flat characters' definiert werden (können). War so bisher nicht bewusst und für mich war immer eine der ehernen Grundregeln, dass sich die Hauptfigur verändern 'muss'. Dass Sie etwas lernen, eine neue, wichtige Erfahrung machen, eine Entscheidung treffen muss. Egal, was für eine Sorte Geschichte.
Tatsächlich fallen auch viele meiner liebsten Kurzgeschichten in diese Kategorie.

Ich denke, aus einer KG-Idee kann man keinen Roman machen und aus einer Roman-Idee eine KG zu basteln, kann nur scheitern.
Die Kunst besteht darin, zu erkennen, für was sich eine Idee eignet.
Wenn dir für die Idee schon am ersten Tag zehn verschiedene Figuren durchs Hirn springen, ist es vermutlich keine KG. Wenn sich der Höhepunkt der Geschichte in einem einzigen Dialog darstellen lässt, wird wohl kein Roman draus werden.

Ich lese und schreibe KGs sehr gerne, wenn auch nicht besonders oft (dieses Jahr habe ich eine zu Ende gebracht) und ich liebe an ihnen das absolut Scharfe.
Du kannst dir labern in einer KG nicht erlauben. Stattdessen ist es hier völlig in Ordnung, sozusagen mit einem einzigen Pinselstrich etwas anzudeuten, was dann erst im Kopf des Lesers aufblättert und zu einem Panorama wird. (Die hohe Kunst)

Krähe hat mir dann bei einem meiner Roman Projekte 'vorgeworfen', dass ich den Roman zur sehr wie eine Kurgeschichte schreiben würde - also, dass man hinter jeden Satz erstmal einen Moment hinterher denken muss.
Ich denke, damit hat sie absolut Recht.
Einen Roman liest man anders. Wenn ich auf tausend Seiten jeden Satz einzeln verkosten muss, ist das zu anstrengend. Auf drei Seiten ist das herrlich.

Ich hoffe, dass macht ein wenig Sinn, ich falle jetzt nämlich gleich ins Bett.
Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Sprotte

ZitatInteressant, das KGs über 'flat characters' definiert werden (können). War so bisher nicht bewusst und für mich war immer eine der ehernen Grundregeln, dass sich die Hauptfigur verändern 'muss'. Dass Sie etwas lernen, eine neue, wichtige Erfahrung machen, eine Entscheidung treffen muss. Egal, was für eine Sorte Geschichte.
Tatsächlich fallen auch viele meiner liebsten Kurzgeschichten in diese Kategorie.
So habe ich es im Englischunterricht mit Hemmingway auch gelernt. Ein die Figur veränderndes Ereignis wird in den Klassikern beschrieben, und die Figur geht daraus mit ganz neuen Ansichten heraus.