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Wie bringe ich Tiefe in einen Roman?

Begonnen von Merlinda, 28. August 2013, 21:44:16

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Merlinda

Ich hoffe, ich bin hier richtig. Wenn nicht, dann dürft ihr mich gerne in den richtigen Thread pfannen. :)

Diese Frage beschäftigt mich schon länger.
Wie schafft ihr es, Tiefe in eure Geschichten zu bringen?
Also damit meine ich eine richtige, glaubhafte Welt zu erschaffen, in die der Leser gerne eintaucht, in der er mitfiebert?
Ich frage, weil ich momentan bei meinem Projekt total auf dem Schlauch stehe. Die Idee ist da. Die Protas sind da, die Welt ist da, aber irgendwie fehlt die richtige Würze, dieser Zauber, der fremden Welten, den ich eigentlich haben möchte.
Kennt ihr dieses Problem?
Wie macht ihr das? Habt ihr irgendwelche Tipps? Irgendwelche bestimmten Schemas, die ihr verfolgt?

Liebe Grüße,

Merlinda

Grummel

#1
Merlinda, was macht einen Moment für dich schön? Gibt es einen Ort, an dem du gerne bist, und wenn ja  warum? Beschreibe deine Empfindungen und füge sie in dein Projekt ein.
Beispiel? Ich wohne an einem Hang am Ende eines langen Tals, welches häufig nebelverhangen ist. Wenn morgens die Sonne aufgeht, dann hat man das Gefühl, man schwebe über den Wolken und man blickt in die Unendlichkeit. Wahrscheinlich gibt es Hunderte dieser Orte auf der Welt, aber mein Tal ist größer, der Nebel ist dichter und die Sonne scheint heller.

Weißt du, was ich meine? ;)
"Kaffee?"
"Ja, gerne."
"Wie möchtest du ihn?"
"Schütte ihn mir einfach ins Gesicht!"

Christopher

Das Problem hatte ich auch (vor 2-3 Jahren) dass ich das Gefühl hatte, die Tiefe kommt nicht wirklich rüber.

Die Tage hab ich zwei von den Gratis-Ebooks von Amazon angelesen und bei den Autoren hatte/habe ich das Gefühl, dass diese ihre "Tiefe" mit der Brechstange einbringen wollten. Jeden dritten Absatz taucht irgendetwas neues auf, was dann erstmal in einem Nebensatz/Nebenabsatz lang und breit erklärt wird. Liest sich komisch, anstrengend und doof. So wirds schonmal nicht gemacht.

Bei mir hab ich das auf ziemlich viele Kapitel verteilt. Entweder der Protagonist erlebt die Tiefe der Welt direkt, ist also z.B. bei einer priesterlichen Zeremonie direkt dabei, beobachtet Leute bei ihrem Verhalten o.ä. oder aber ich streue maximal 1-2 Details pro Kapitel ein bei einer Kapitellänge von ca. 4.000 Wörtern. Das ist denke ich nicht zu viel. Ob dabei genug tiefe entsteht?
Ganz ehrlich, sicher bin ich mir nicht  :hmmm:

Da ich also gewissermaßen dasselbe Problem habe/vor denselben Zweifeln stehe, würden mich die Antworten ebenfalls interessieren ;D
Be brave, dont tryhard.

Merlinda

Zitat von: Grummel am 28. August 2013, 21:54:42
Weißt du, was ich meine? ;)
:seufz: Ich weiß was du meinst, aber irgendwie bin ich im Moment zu unfähig das umzusetzen.
Mir geht es da ein wenig wie in dem von Christoph beschriebenen E-Books.

Zitat von: Christopher am 28. August 2013, 21:57:29
Die Tage hab ich zwei von den Gratis-Ebooks von Amazon angelesen und bei den Autoren hatte/habe ich das Gefühl, dass diese ihre "Tiefe" mit der Brechstange einbringen wollten. Jeden dritten Absatz taucht irgendetwas neues auf, was dann erstmal in einem Nebensatz/Nebenabsatz lang und breit erklärt wird. Liest sich komisch, anstrengend und doof. So wirds schonmal nicht gemacht.
So ungefähr habe ich das Gefühl liest es sich auch bei mir.
Und dann kommen da noch die vielen unnötigen Infos dazu, die ich am Liebsten alle wieder löschen würde, aber dann könnte ich auch gleich schreiben
"Und am Ende stand sie auf dem Feld voller Leichen."
Irgendwie bin ich gerade am Verzweifeln.
Vor allem, da ich diese Problem noch nie hatte.
Bei meinen Lichtkriegern zum Beispiel, weiß ich genau wie sie reagieren und agieren. Aber ich glaube, das liegt auch viel daran, dass sie in einer realen Welt unterwegs sind und ich mir nicht alles aus den Fingern saugen muss bzw. will.

Malinche

Ein Schema habe ich nicht, aber ein Punkt, der mir persönlich immer ein Stück weit hilft, ist mehr zu wissen, als ich letztendlich schreibe. Über die Welt, aber auch über die Figuren. Ich mache das nicht bei allen gleich gewissenhaft, aber manchmal habe ich durchaus lange Charakterfragebögen und weiß der Geier was und weiß genau, dass Figur XY keinen Kartoffelbrei mag und früher gern Querflöte lernen wollte. Das wird im Roman zwar niemals auftauchen und eine Rolle spielen, aber irgendwie hilft es mir, das über XY zu wissen und seine Handlungen ... im Einklang damit zu gestalten. Okay, Kartoffelbrei ist jetzt vielleicht nicht das beste Beispiel dafür, aber so von der Sache her. :) Ich bin der Überzeugung, dass solche Dinge helfen, zumindest das Gefühl von Tiefe zu vermitteln. Gerade in Bezug auf den Weltenbau. Ich muss nicht mit hunderten von Details rund um alle Elfenvölker erschlagen werden, die es dort jemals gegeben hat, mir reicht es, wenn ich angefüttert werde, aber aufgrund dieser Häppchen merke: Dahinter steckt mehr, viel mehr, und es ist stimmig.

Aber ein Pauschalrezept, wie man das hinbekommt, habe ich auch nicht. Ich denke aber, dass Grummel da schon in eine Richtung denkt, in die ich auch gehen würde. Es muss bei dir kribbeln, wenn es auch beim Leser kribbeln soll. :) Wenn du das Besondere deiner Welt und deiner Figuren selbst spürst, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass das auch ins Geschriebene fließt.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Debbie

#5
Ich zitiere mal kurz aus dem "Wieviel recherchiert ihr" Thread, da ich dazu schon mal was geschrieben hatte ...

ZitatEinfallsreichtum und Kreativität entwickeln meist die Breite einer Geschichte, während Recherche für die Tiefe und Glaubwürdigkeit einfach unverzichtbar ist!

Und mit Recherche meine ich nicht nur Daten und Fakten, sondern auch die Charaktere - zusammengefasst könnte man also sagen, dass Tiefe, für mich, dadurch entsteht

- wie komplex eine Geschichte ist, also wieviel Subplots (v.a. die, die sich mit der Dynamik zwischen den Figuren befassen) es gibt, und wie vielschichtig die Figuren sind

- wie ausgeklügelt eine Welt ist und beschrieben wird. Will heißen: Je mehr Details der Autor in die Handlung einfließen lässt, desto dreidimensionaler wird der Text für mich. Dabei ist mir nicht wichtig, ob es sich um erfundene Pflanzen, Orte, Tiere oder sonstiges handelt. Solange ich das Gefühl habe, dass alles perfekt in sich stimmig ist & der Autor alles über seine Welt weiß, wird sie auch für mich "real".

- und natürlich wie tiefsinnig das Thema ist. Das muss (oder soll vielleicht) nicht einmal direkt ersichtlich sein, sondern darf gerne zwischen den Zeilen verborgen bleiben und Interpretationsspielraum lassen, u. U. sogar ohne schlussendliche Auflösung oder Stellungnahme durch den Autor.

Edit:
ZitatUnd dann kommen da noch die vielen unnötigen Infos dazu, die ich am Liebsten alle wieder löschen würde, aber dann könnte ich auch gleich schreiben
"Und am Ende stand sie auf dem Feld voller Leichen."

Bloß nicht! Erzähl lieber etwas von den Leichen: Sind es Frauen, Kinder? Krieger? Alte? Junge? Kann man ihre Gesichter noch erkennen? Was für ein Ausdruck ist darauf zu sehen? Liegen die Leichen übereinander gestapelt? In merkwürdigen Positionen? Riecht es nach Blut? Fehlen Extremitäten?
So wird das "Feld voller Leichen" plastisch.
Und die Details müssen unbedingt in die Handlung eingeflochten werden - sonst droht Langatmigkeit.

Steffi

Ich stimme Malinche da zu. Mehr zu wissen als man braucht, ist das Beste.

Mir geht es als Leser immer so: Wenn ich das Gefühl habe, die Welt ist größer als das, was ich von ihr erfahre, dann hat die Welt für mich Tiefe. Bei Tolkien waren es die ganzen kurz erwähnten Schlachten und vergangenen Königreiche, die dem Land eine Geschichte gaben, wie Rothfuss sind es die verschiedenen Akzente und Traditionen was Lyrik und Musik betrifft (zum Beispiel benutzt ein Land nur Stabreime), bei Collins die unaufgeregten Beschreibungen über District 12 und die Selbstverständlichkeit, mit der Katniss ihr Leben hinnimmt. Ich glaube, am wichtigsten ist es, hin und wieder kleine Details einfließen zu lassen, die zwar nicht wichtig für die Handlung sind, der Welt (und damit den Figuren) aber mehr Profil verleihen.

Das ist allerdings in der Praxis schwerer als in der Theorie. Ich scheitere auch oft am Weltenbau.
Sic parvis magna

Christopher

Zitat von: Merlinda am 28. August 2013, 22:03:18
Bei meinen Lichtkriegern zum Beispiel, weiß ich genau wie sie reagieren und agieren. Aber ich glaube, das liegt auch viel daran, dass sie in einer realen Welt unterwegs sind und ich mir nicht alles aus den Fingern saugen muss bzw. will.

Ich bin ja sowieso immer noch der Meinung, dass man es als Fantasyautor mit eigener Welt noch mit am schwersten hat. Wer sich in der realen Welt bewegt hat so viel weniger Infodump/Weltenbau/Beschreibungs/etc-Fettnäpfchen in die er Treten kann ;D

Schreibt man einfach "Morgens in London" hat jeder Leser schonmal ne grobe Vorstellung die gar nicht so weit von dem entfernt sein kann was der Autor dann letztendlich will. Etwas präziser werden en voilà die Bühne steht. Versucht man das mit einer "selbstgebauten" Stadt, wirds schwierig ;D

Aber das ist eher OT.
Be brave, dont tryhard.

Merlinda

#8
Danke für eure Tipps! :gruppenknuddel:
Ich denke, es wird alles auf eine Art Charakterbogen für die einzelnen Länder und Städte hinauslaufen, um überhaupt herauszufinden, von was ich rede.  Ich hab nur Angst die Leser mit diesen Infos zu überfluten. Oder alles zu bunt, bzw. völlig falsch zu vermitteln.
Vielleicht habe ich mich mit dem Projekt auch übernommen und hätte damit noch eine Weile warten sollen. Aber jetzt hat es mich einfach gepackt und ich will das Schreiben.
Hm ... Die kurz erwähnten Schlachten bringen mich da auf eine Idee. Ich könnte doch die Herrscher miteinander über vergangene Kriegsschauplätze diskutieren lassen und diese so genauer beschreiben. Meint ihr man kommt so an die Länder heran? Zumindest teilweise?

[MALINCHE]
Hotlinking entfernt und normalen Smiley eingefügt. :)
[/MALINCHE]

Malinche

#9
Zitat von: Christopher am 28. August 2013, 22:27:39
Ich bin ja sowieso immer noch der Meinung, dass man es als Fantasyautor mit eigener Welt noch mit am schwersten hat. Wer sich in der realen Welt bewegt hat so viel weniger Infodump/Weltenbau/Beschreibungs/etc-Fettnäpfchen in die er Treten kann ;D

[OT] Sag das nicht. Ich habe zwei Romane, die in Peru spielen, und meine Betaleser haben mir da seitenweise Infodump-Geschwafel rausgekürzt, aus dem ich einen eigenen Reiseführer zusammensetzen könnte. ;D Man kann sich mit realer Welt mindestens genauso in Detailreichtum und damit verbundenen Fettnäpfchen verlieren, wirklich.

Zitat von: Merlinda am 28. August 2013, 22:28:17
Hm ... Die kurz erwähnten Schlachten bringen mich da auf eine Idee. Ich könnte doch die Herrscher miteinander über vergangene Kriegsschauplätze diskutieren lassen und diese so genauer beschreiben. Meint ihr man kommt so an die Länder heran? Zumindest teilweise?

Das fände ich eine hübsche Idee, zumindest, wenn es nicht auf Holzhammer-Infodump hinausläuft, sondern nach einem möglichst natürlichen Gespräch klingt, in dem die Teilnehmer manches auch als bekannt voraussetzen und eben nicht im Detail erörtern.

Und eine Kleinigkeit noch:

:wache!: Bitte den Smiley nicht auf diese Weise einbinden. Das geht eleganter mit dem höchstgeheimen Code "gruppenknuddel" zwischen Doppelpunkten.

[EDIT] Ich hab das mal gerade in deinem Post geändert.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Christopher

Zitat von: Merlinda am 28. August 2013, 22:28:17
Hm ... Die kurz erwähnten Schlachten bringen mich da auf eine Idee. Ich könnte doch die Herrscher miteinander über vergangene Kriegsschauplätze diskutieren lassen und diese so genauer beschreiben. Meint ihr man kommt so an die Länder heran? Zumindest teilweise?

Was mich hauptsächlich an solchem "infodump" stört ist, dass er null in die Handlung eingebunden wird. Wenn ich das Gefühl habe, der Autor erzählt etwas bestimmtes nur, damit er ENDLICH mit seiner tollen Weltenbauidee rausrücken kann, stört mich das. Wenn es sich, wie Malinche erwähnte, in einem natürlich wirkenden Gespräch ergibt, ist das ok.

Für die von dir erwähnt Szene müsste dieser Teil der Geschichte eine Rolle spielen. Wenn sich zwei Feldherren einfach so unterhalten und mittendrin platzt einer von denen raus "Weisst du noch, damals?" dann wirkt das gestellt und übers Knie gebrochen. Wenn sie grad an ner Latrine vorbeigehen und sich darüber ereifern wie sehr sich die Bauweise derselbigen seit dem Feldzug XY verbessert hat, wirkt das zumindest auf mich gleich ganz anders ;D
Be brave, dont tryhard.

Kati

ZitatSchreibt man einfach "Morgens in London" hat jeder Leser schonmal ne grobe Vorstellung die gar nicht so weit von dem entfernt sein kann was der Autor dann letztendlich will. Etwas präziser werden en voilà die Bühne steht. Versucht man das mit einer "selbstgebauten" Stadt, wirds schwierig ;D

Da möchte ich mal eben kurz widersprechen.  ;D Ich habe letztens zwei Romane hintereinander gelesen, die beide um 1500 in Venedig spielten. Beide lieferten natürlich dieselben Hintergrundinformationen: Dogenpalast, Canal Grande und so weiter und so fort. Aber der eine Roman hat einen in die Stadt hineingezogen, man hat alles vor sich gesehen und das Gefühl gehabt, man wäre wirklich dort. Der andere Roman... da blieb die Stadt viel eher dumpfe Kulisse, es hätte auch ganz woanders spielen können und wirkte überhaupt nicht echt. Ich stimme zu, dass Weltenbau ganz wichtig ist für die Tiefe im Roman, aber auch in der realen Welt muss man Weltenbau betreiben. Auch London als real existierende Stadt kann man so oder so darstellen: Nicht nur "echt" und "unecht", sondern auch, was die Facetten angeht. Möchte man die Stadt düster darstellen, unheimlich, oder bunt und lebendig? Und das alles ist mit einer Menge Recherche verbunden. Ich gehe immer am Anfang davon aus, dass irgendein Leser noch nie von London gehört hat (unwahrscheinlich, aber trotzdem) und beschreibe die Stadt so, dass auch dieser Leser sie sich vorstellen kann. Wenn man davon ausgeht, dass irgendein Leser gar nicht weiß, wie das Setting aussieht und es danach gehend beschreibt, macht es am Ende kaum noch einen Unterschied, ob man ein reales Setting wählt oder ein ausgedachtes.  :)

Ich denke, anstatt Infodumping sorgt eher für Tiefe, wenn man dem Leser immer mal kleine Einblicke gibt. Also anstatt die gesamte Lebensgeschichte von Figur X herunterzurasseln, kann man immer mal kleine Brocken in die Geschichte einweben, als würde man das ganz nebensächlich tun. Am Ende kann sich der Leser daraus dann zusammenreimen, was Figur X alles so passiert ist und oben drauf wirkt es, als hätte der Autor heimlich noch viel mehr Informationen zu der Figur, die er bloß nicht preisgegeben hat. Ob das stimmt, sei dann dahin gestellt, aber der Eindruck ist da. Schreibt man dieselben Informationen einfach stumpf als Absatz runter, wirkt das eher abgeschlossen und lässt keinen Spielraum mehr.

Smaragd

Tolle Frage, Merlinda!

Für mich hat der Zauber viel mit der Kultur eines Landes zu tun - wie sind die Menschen, was ist für sie normal, welche Gutenachtgeschichten erzählen sie, welche Mythen und Legenden und Religion haben sie, welche historischen Erfahrungen prägen sie? Ein ganz, ganz tolles Beispiel für gefühlte Tiefe ist der Anfang der Serie "Das Rad der Zeit" von Robert Jordan. Lässt man den Prolog außen vor, werden zuerst drei ganz normale Dorfjungen eingeführt. Dann bekommt man mit, wie die Leute im Dorf auf die Ankunft von Fremden reagieren (sehr unterschiedlich). Dann wird bekannt, dass eine der Fremden eine der legendenumwobenen und mit einer Menge Ehrfurcht (Betonung eher auf Furcht) betrachteten Magierinnen ist und einige wollen sie wegjagen, notfalls sogar das Gasthaus des Dorfes niederbrennen - woraufhin sie dann überaus mitreißend von dem Königreich erzählt, zu dem sie mal gehört haben, und dessen Untergang. Gänsehaut pur! Und schon kann man sich die Gegend richtig gut vorstellen, hat eine Ahnung davon, was für Charakterzüge die Menschen haben und dass sie  - wenn sie wollten - vielleicht etwas anderes sein könnten als abgeschiedene Hinterwäldler.

Das Problem ist nur, wie man solche Infos einführt, ohne dass es wie Infodump wirkt. Aber um an Länder heranzukommen, würde ich auch erstmal damit anfangen, mir Dinge aufzuschreiben, die nicht gleich erklärt werden, einfach alles Wissenswerte über das Land, inklusive Klischees (wie werden das Land und die Bewohner von anderen gesehen?). Und dann überlege ich mir, was für die Geschichte interessant wäre. Die Welten, in für mich am realsten wirken, sind die, bei denen ich beim Lesen Hinweise auf in diesem Buch nicht erzählte, aber ebenfalls spannende Geschichten bekomme. Hinweise, die die Fantasie anregen.

Fianna

#13
So ein Mist, sie hat auf 2 Tasten gleichzeitig gedrückt mit den ungeschickte Fingern und jetzt ist der ganze Beitrag weg :(

Dann lasse ich das Beispiel weg und fasse es zusammen: Länder/Kulturen sind wie Uhrwerke, viele Z
Zahnräder greifen ineinander.  Mit deinem Plot hast Du schon einige Zahnräder positioniert (z.B,. scheint ein stehendes Heer vorzukommen), das bedingt direkt eine Vielzahl von anderen kleinen Faktoren, die andere Zahnräder positionieren und wenn man das ganze etwas logisch weiterdenkt, kommt man auf so viele Informationen über das Land, man wusste gar nicht, dass man sie "eigentlich" hat.
Nimmt man sich dagegen einen Weltenbaubogen, fängt an den abzuarbeiten weil man dasGefühl hat, man hat keine Ahnung von seinem Land - ignoriert man diese ganzen kleinen Bedingungen, die hinter dem Plot schon hinter stecken, und schafft im ungünstigen Fall ein unstimmiges Land.
Mit meinen 2-3 Zahnrädern, die ich in jede Richtung logisch weiterdenke, habe ich eine Unzahl an ändern erschaffen, deren Texte (meist Kurzgeschichten) meine Freunde dazu bringen, mir besorgt zu raten, ich solle mir weniger ausdenken, in einer Welt bleiben und mehr schreiben.
Ähems, nein, das ging ganz schnell und ich schreibe wenig weil ich oft Doppelschichten machen muss.

Mein schönes Beispiel, dass sich an Deinen Infos aus dem Eingangspost orientierte und mit historischen Infos und Beispielen unterfüttert war, mag ich jetzt nicht mehr neu schreiben, das hat eben eine halbe Stunde gedauert :(

Aber mein Angebot steht noch (welches Angebot? Achja, der Beitrag ist verschwunden) und wenn Du Dich am Freitag oder Sonntag mit mir in Facebook oder Skype verabredest, nehmen wir Dein Land und deinen Plot als Beispiel und probieren die Zahnrad-Methode mal aus, vielleicht hilft es Dir ja.
Bisher war ich immer erfolgreich im Länder-erkunden-helfen :)


EDIT:
Okay, eigentlich gehts noch weiter: wenn man den Plot entwickelt hat, betrachtet man sich die einzelnen Elemente der Kultur (ich nenne das Logikprobe) und schaut, ob man mit diesem Land und diesen Gegebenheiten zu diesem Plot kommt. Oft hängt da ein bisschen was, die Geschichte kann sich in 2 Richtungen entwickeln oder vielleicht sogar wahrscheinlicher in eine falsche, manchmal gibt es sogar gravierende Probleme - und indem man wieder an den Zahnrädchen schraubt, bis alles logisch passt, baut man nicht nur eine komplett stimmige Welt, sondern bekommt meistens noch direkt Material für vage Plotdieen a la "Person A/Gruppe A und Person B/Gruppe B haben schon immer ein Problem/eine Rivalität gehabt weil [hier etwas überlegen]".
Dadurch, dass diese kleinen Dinge mit den winzigen Schrauben und den größeren Schrauben zusammen hängen, ergibt sich eineschöne, stimmige Welt.
Einzelne Details streue ich da freihändig rein, die passen auch perfekt zum Rest und sind stimmig (weil ich mein verdammtes Land nun ja bis auf die Knochen kenne).

HauntingWitch

Zitat von: Merlinda am 28. August 2013, 22:28:17
Ich denke, es wird alles auf eine Art Charakterbogen für die einzelnen Länder und Städte hinauslaufen, um überhaupt herauszufinden, von was ich rede. 

Kennst du den hier schon? http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,7280.0.html  ;)

Ich denke, ein allgemeines Patentrezept gibt es nicht. Aber bei mir selbst sind mir sowohl als Leserin als auch beim Schreiben zwei Dinge aufgefallen:

1) Ich fiebere mit einzelnen Charakteren mit, nicht mit einer ganzen Welt. Wie sehr ich in das Buch eintauche, wie emotional ich dabei bin, hängt davon ab, wie sympathisch mir der tragende Charakter ist. Nehmen wir z.B. Game Of Thrones (die Serie, denn das Buch kenne ich noch nicht). Obwohl ich die Welt von Winterfell interessanter finde, als die des Pferdevolkes und somit von Daenerys Targaryen, durchlaufe ich während den Daenerys-Passagen viel mehr Gefühle. Nicht, weil ich die Starks nicht mag. Im Gegenteil. Aber sie ist der Charakter, der mich am meisten mitreisst, unabhängig davon, wie viel optisch schöner andere Kulissen für mich sind. Warum gerade sie, das kann viele Gründe haben. Ich glaube, da hat man als Autor einfach Glück oder Pech, dass sich der Leser mit dem Charakter gut identifzieren kann oder auch nicht. Aber man kann versuchen, die Gefühle und Empfindungen, Vorlieben, Abneigungen und Wertvorstellungen des Charakters so treffend wie möglich darzustellen.

2) Es sind oft vermeintliche Kleinigkeiten, die mir eine Welt lebensecht erscheinen lassen. Eine Blumenvase in der Wohnung einer Protagonistin zum Beispiel. Ist das irgendeine Blumenvase? Oder ist das die chinesische, antike Blumenvase, die sie von der Grossmutter geschenkt bekommen hat und die deshalb unbezahlbar ist? Das geht ein bisschen in das hinein, was Malinche schon gesagt hat. Man muss das nicht in allem Detail erklären, wenn es nicht relevant für die Geschichte ist. Aber wenn man es für sich weiss, kann man diese Dinge nebenbei einstreuen und somit tiefer hineingehen, ohne den Leser mit Infos zu erschlagen.

Bei Städten merke ich ausserdem, dass ich eine Stadt, die ich in Realität gesehen habe, automatisch besser beschreiben kann. Seit ich in meinen Ferien wieder mal in London war, fällt mir auf, was ich bei meinem Erstling alles hätte noch einbauen und besser und echter machen können. Bei Zürich beschreibe ich sogar automatisch mehr vom Stadtbild, einfach weil ich es viel lebendiger im Kopf habe. Das finde ich an fiktiven Städten das Schwierigste, daran arbeite ich auch noch.