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Fantasybezeichnungen (und -namen) - wann ist es zu viel?

Begonnen von Ryadne, 18. Juli 2013, 12:49:51

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Ryadne

Hallo zusammen,

ich habe im Moment zwar kein konkretes Problem damit, aber eine Sache, die mir bei jedem Projekt aufs Neue Kopfzerbrechen bereitet, ist die Frage danach, wie viele "Fantasybezeichnungen" ein Roman verträgt. Wie lange dienen sie einer dichten Atmosphäre, wann verwirren sie den Leser nur noch?

Beispielsweise habe ich vor einer Zeit die Sword and Sorcery-Trilogie "Die Tochter des Magiers"von Torsten Fink gelesen. Darin gab es eine Reihe von vom Autor erfundenen Titeln - für Könige, Prinzen, ich glaube, sogar für Magier und so weiter. Einerseits fand ich das nicht schlecht, weil die Bezeichnungen in sich stimmig waren und so eine Abgrenzung von einer Region zur nächsten stattgefunden hat. Andererseits sind diese Bezeichnungen nur alle fünfzig Seiten mal verwendet worden und dann vergisst man als Leser natürlich leicht, welcher Titel das nun genau war, umso mehr, wenn die Figur, die diesen Titel trägt, vorher noch nicht aufgetaucht ist. Aber sollte man auf eine Extrabezeichnung für einen Titel verzichten, wenn dieser nur selten auftaucht? Ggf. könnte das auch wieder einen unangenehmen Bruch in der Atmosphäre bedeuten.

Das Problem muss natürlich nicht nur bei Titeln oder anderen abstrakteren Bezeichnungen auftauchen, sondern vielleicht auch bei den Namen von Ländern, Völkern oder sogar Figuren.

Wie handhabt ihr sowas?

Mir ist aufgefallen, dass viele Autoren das je nach Volk unterschiedlich angehen. Beispielsweise haben besonders Elfen gerne spezifische Bezeichnungen für Dieses und Jenes, das soll wohl den exotischen Charakter unterstreichen.

Für mich ist erstmal am wichtigsten, dass Konsequenz herrscht. Wenn der Onkel des Königs einen Extratitel hat, der Cousin aber nicht, irritiert mich das (na okay, in Einzelfällen kann das viellleicht Sinn machen).  Wenn ein Kerl Sturmklinge heißt und sein Bruder Ankioras, irritiert mich das auch (außer Sturmklinge hat sich den Namen irgendwie erworben). Ansonsten ist es mir tendenziell lieber, wenn nicht allzu viele gängige Begriffe in Fantasybezeichnungen umgewandelt werden.

Selbst geize ich mit so etwas auch lieber. Da ich meistens ohnehin nicht viele Völker habe und meine Geschichten meist nur an einem Ort spielen, muss ich mich selten der Frage stellen, wie ich so relativ extreme Abgrenzungen vornehme, was für mich der Hauptgrund für die Verwendung von erfundenen Bezeichnungen wäre. Bei mir gibt es dann eher sprachliche Unterschiede zwischen den Hierarchien, dass beispielsweise die einen von "Schwingen" sprechen und die anderen von "Flügeln" oder so etwas. Aber Bezeichnungen mit eigenen Namen spare ich mir für Sachen auf, die z.B. von ritueller Bedeutung sind und dann auch gar keine Entsprechung im Deutschen oder einer anderen mir bekannten Sprache haben. Manchmal stellt sich dann aber auch wieder die Frage - nehme ich besser eine ganz fantastische Bezeichnung oder eine, die dem Deutschen entlehnt ist? Für meine jeweiligen Entscheidungen gibt es dann auch keine wirklichen Begründen, das ist dann einfach eine Gefühlsfrage.


Debbie

#1
Zitatdie Frage danach, wie viele "Fantasybezeichnungen" ein Roman verträgt. Wie lange dienen sie einer dichten Atmosphäre, wann verwirren sie den Leser nur noch?

Oder wann nerven sie den Leser nur noch?  :hmhm?:

Ich bin kein großer Freund von vielen und möglichst abgedrehten Begrifflichkeiten. Spielt der Roman in einem orientalischen *hierbittebeliebigeKultureinfügen* Setting, würde ich entsprechende traditionelle (u. U. alte, nicht mehr gebräuchliche Bezeichnungen) immer sehr begrüßen - spielt er dagegen in einem ganz anderen Setting (keltisch o. ä.) will ich keine arabischen Bezeichnungen, die einfach nur originell sein sollen, aber jeder Logik entbehren.

Die Art der Bezeichnungen ist für mich also schon einmal sehr wichtig. Eine Konstellation/Neuschöpfung aus deutschen (wenn man in Deutsch schreibt) oder ggf. lateinischen Bezeichnungen ist für mich da oft angenehmer als komplette Wortneuschöpfungen fiktiver Sprachen, da ich sie als weniger irritierend empfinden. Ganz schlimm finde ich dagegen wirklich die ganzen Bezeichnungen mit Apostrophen, Bindestrichen und dergleichen, eine kaum noch aussprechbare Buchstabenfolge oder selbst erfundene Sprachen. Wenn man schon Sprachen selbst erfinden möchte, sollte man m. M. nach 1) auch wirklich einschlägig bewandert sein und willens, sehr viel Zeit zu investieren und gründliche Arbeit zu leisten, und 2) sich nicht von anderen "erfundenen" Sprachen inspirieren lassen.

Sanjani

Ich mag zu viele Bezeichnungen nicht. Es kommt allerdings auch darauf an, wie häufig sie vorkommen. Wenn es z. B. Bezeichnungen sind für Dinge, die es in unserer realen Welt nicht gibt und wenn diese Bezeichnungen öfter vorkommen, sodass ich sie im Gedächtnis behalten kann, dann ist das noch eher ok, als wenn ich zig Sachen habe, die im Buch 3 mal genannt werden und ich dann schon keine Ahnung mehr habe, worüber ich gerade lese.

Mit Bezeichnungen für Onkel, Prinzen, Magier usw. würde ich mich generell zurückhalten. Bei uns im Serbischen gibt es sehr unterschiedliche Bezeichnungen für die unterschiedlichsten Verwandtschaftsgrade und ich kann sagen, dass es im realen schon schwer ist da durchzusteigen, obwohl man damit aufgewachsen ist. Das in einem Buch zu machen halte ich für nicht angemessen, es sei denn, man wählt die Bezeichnungen so, dass man aus der Bezeichnung selbst heraus noch erkennen kann, was gemeint ist.

Ich selber benutze eigentlich keine fantasievollen Bezeichnungen. Bei mir gibt es Seelengreifer und Mentalzauberer und ich glaube, das ist schon das fantasievollste, was ich anzubieten habe. Und da weiß der Leser noch, worum es geht, wenn er ein bisschen aufmerksam war. Ich weiß halt, dass ich mir das selbst erfundene Zeug sowieso selber nicht merken könnte, deshalb erwarte ich auch von einem Leser nicht, dass er es kann :) Bin da ziemlich pragmatisch.

Ob es der Atmosphäre einen Abbruch tut? Ich denke nicht und meine Betaleser haben sich darüber bisher auch noch nicht beklagt. :)

Im Film von Herr der Ringe fand ich das Elbische nett, weil es ganz exotisch klang und gut ins Setting passte, aber beim Lesen des Buches hat es mich genervt.

Ich kann mir deshalb vorstellen, dass das ein Thema ist, wo Geschmäcker auch sehr unterschiedlich sein können.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Cailyn

#3
Ach Ryadne,

Das ist jetzt eine wirklich gute Frage, mir der ich mich so oft beschäftige. Kurzum denke ich, die Mischung machts.

In meiner Welt gibt es z.B. sehr viele bekannte Titel/Funktionen wie König, Ritter etc. Aber es gibt auch Dinge, die ich erfunden habe. Z.B. heisst in einem der Länder der oberste Richter der Penetor
Etwas speziell halte ich es mit Flora und Fauna. Flora ist gemischt. Es gibt Eigenerfindungen, aber es existieren auch Pflanzen, die es in unserer Realität gibt. Tiere gibt es die gleichen wie bei uns, zumindest die  Nichtmagischen.
Frei erfunden sind jeweils die geografischen Bezeichnungen von Ländern, Städten, Flüssen etc. Aber das versteht sich ja fast von selbst.

Auch wenn ich das für mich jetzt mal so festgelegt habe, grüble ich immer wieder darüber nach, ob das für die Leserschaft in einem angenehmen Rahmen geschieht. Da bin ich mir sehr unsicher. Einerseits soll so viel wie möglich erfunden sein. Andererseits soll es doch auch den Lesefluss nicht stören. Liest man zu viele unbekannte Bezeichnungen für etwas, kann man sich ja kaum mehr auf den Inhalt konzentrieren.

Gutes Thema! ich bin gespannt auf weitere Antworten.

Alana

Ich denke, das hängt auch vom Genre ab. In High Fantasy kann man sich wahrscheinlich mehr davon erlauben, in Romantasy nur ein paar wenige.
Ich persönlich bin kein Fan von solchen Sonderbezeichnungen, besonders selbst ausgedachte Titel, die aber unseren völlig entpsrechen und nur anders genannt werden, kommen mir fast sogar schon wie eine Schikane vor. Wenn der Titel eine Bedeutung im Plot hat, dann ist das natürlich was anderes.
Generell mag ich nicht gerne einen Wald von Wortneuschöpfungen, durch den ich mich als Leser schlängeln muss, weder bei Titeln, noch bei anderen Dingen. Lieber beschränkt man sich auf ein paar wenige, wirklich schöne, die dann auch in Erinnerung bleiben und nicht zu Verwirrung führen.
Ich bin aber sicher, das ist Geschmacksache.
Alhambrana

Antigone

Ich glaube, das ist etwas, was man ziemlich schnell satt bekommt. Beim ersten Fantasybuch denkt man sich wahrscheinlich noch, toll, exotisch, was für ne Phantasie der Autor doch hat... Beim zehnten dann nur noch: ach ne, das ist doch ein stinknormaler Hase, warum den jetzt Chrumpatz nennen....  ;D

Erträglicher wird es, wenn man den Eindruck hat, dass die Dinge sprachlich zusammenpassen. Also einer erfundenen Sprache entstammen könnten. Wenn es aber nur eine wilde Mischung aus zusammengeklauten, pseudo-lateinischen und anderen Sprachen, und dann vielleicht noch garniert mit möglichst vielen h, y, jy etc ist, dann lieber danke nein.

lg, A.

dat xrüsli

Zitat von: Alana am 19. Juli 2013, 11:57:41
Ich persönlich bin kein Fan von solchen Sonderbezeichnungen, besonders selbst ausgedachte Titel, die aber unseren völlig entpsrechen und nur anders genannt werden, kommen mir fast sogar schon wie eine Schikane vor.

Genauso sehe ich das auch, selbst in der High Fantasy (auch wenn ich generell kein so großer Fan dieses Subgenres bin). Ich sag mir dann immer: Ich lese das Buch doch auf Deutsch, wieso soll ich mich also mit fremdsprachigen Begriffen rumärgern, wenn es doch eine deutsche Übersetzung dafür gibt? Ich lese in anderen Romanen doch auch nicht von "King XY" nur weil er in England spielt. ;)

Bei Eigennamen die aber keine direkte Übersetzung haben (also vorzugsweise Länder- und Städtenamen, aber durchaus auch Ränge innerhalb einer Organisation oder eines Systems, das mit nichts auf der Erde zu vergleichen ist) sehe ich das anders und hier habe ich dann auch nichts dagegen, wenn ein paar Ländereien genannt werden, die nicht für die Handlung notwendig sind, einfach nur weil es der Atmosphäre förderlich ist.

Assantora

Ich bin auch kein Freund, von zu vielen Bezeichnungen, die einfach danach schreien: "Ich bin Fantasy, ich darf das."
Natürlich ist es jedem Autor selbst überlassen, ob er einer Königin nicht einen anderen Titel gibt. Aber wenn diese Person die gleichen Rechte und Pflichten hat, wie eine irdische Königin, kann man sie genauso gut eine Königin bleiben lassen und muss sie nicht Arashai nennen, oder so.
Tatsächlich mag ich es lieber, wenn man Bezeichnungen verwendet, die einfach alt sind. Ein gutes Beispiel ist der Truchsess, ein Titel, den heutzutage kaum mehr jemand kennt, der aber klare Aufgaben, Rechte und Pflichten hat. Warum in die Ferne schweifen, wenn alles, was man braucht, so nahe liegt?

Wirklich eigene Titel würde ich wahrscheinlich bei Natürvölkern benutzen, die zum Teil eine komplett andere Lebensauffassung haben und bei denen kann man sich mit Rechten und Pflichten so austoben, dass alles bunt gemischt ist.

@ OT
Weiß eigentlich jemand ganz spontan, wie das mit dem König ist, wenn seine Religion mehr als einen Gott hat? Gibt es da irdische Beispiele? Kam mir gerade in den Sinn.

KaPunkt

In wie fern jetzt?
Die Römer hatten auch Könige, bevor sie die Republik ausprobiert haben. Und mehr als einen Gott. Selbes gilt für die Griechen.
In wie fern die jetzt mit den Königen im mittelalterlichen Lehenssystem vergleichbar sind, kann ich dir aber nicht sagen.

Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Fianna

#9
Ich verwende erfundene Begriffe nur sparsam, dafür wiederholen sie sich häufig (ich nehme also nur die wichtigsten Begriffe/Namen) und/oder ich variiere sie.

Beispielsweise habe ich in einem Fantasyprojekt den Sklavenstand (der mit keinem Abhängigkeitsverhältnis aus irgendeiner unserer Kulturen zu irgendeiner Zeit übereinstimmt) mit einem speziellen Wort benannt.
Von dem beim Leser eingeführten Wort für Sklave habe ich ebenfalls einen Plural gebildet (sehr einfach, der abschließende Vokal des Wortes wurde verdoppelt), außerdem das Wort für "Sklaverei" abgeleitet (das allseits bekannte Wort + neuer Vokal und Konsonant).
Beim ersten Auftreten war absolut klar, was das Wort bedeutet - im weiteren Verlauf muss der Leser diese Erinnerungsleistung einfach bringen. Da es im Prinzip das bekannte Wort mit einem Konsonanten ist (der Vokal dient nur der besseren Aussprache, ohne klänge es seltsam), sollte das auch klar sein.

Weitere Worte, die eigentlich einen eigenen Begriff verdienen, habe ich aufgrund ihres seltenen Auftretens mit einem (erfundenen) deutschen Begriff benannt. Diese Begriffe sind teilweise selbsterklärend, ansonsten ist jedoch der Bezug soweit klar, dass der Leser sich sofort an die vorher gegebenen Informationen zu diesem Berufsstand/Magierklasse/was-auch-immer erinnert.

Ich persönlich würde ja auch weitere Worte erfinden mögen, aber ich folge dem Prinzip "Funktion geht über Design" ;) Lieber nutze ich nur wenige Wörter, und nutze dort die Möglichkeiten dafür auch aus (Ableitungen zum Plural, Nomen, was auch immer).


Ryadne

Zitat von: Assantora am 19. Juli 2013, 21:05:32
Tatsächlich mag ich es lieber, wenn man Bezeichnungen verwendet, die einfach alt sind. Ein gutes Beispiel ist der Truchsess, ein Titel, den heutzutage kaum mehr jemand kennt, der aber klare Aufgaben, Rechte und Pflichten hat. Warum in die Ferne schweifen, wenn alles, was man braucht, so nahe liegt?

So etwas finde ich auch sehr schön. Ich lese gerade (immer noch...) "Das Licht hinter den Wolken" von Oliver Plaschka, da macht der Autor es so, dass er zum Beispiel in südlichen Gefilden Titel wie "Don" verwendet, die tatsächlich mehr in südlichen Ländern genutzt werden und so etwas. Das halte ich für eine tolle Lösung, wenn die geweckten Assoziationen zur Umgebung passen.

Wenn Bezeichnungen in einen falschen Kontext gesetzt werden, stört mich das aber dafür umso mehr (wenn es mir mal auffällt). Ich meine, Fantasy und so, da sollte man sich das erlauben können, aber irgendwie ist es mir dann doch wieder lieber, wenn die Begriffe bei einer noch bestehenden inhaltlichen Anlehnung verfremdet oder sonst lieber ganz neu erfunden werden.

Zitat von: Sanjani am 18. Juli 2013, 20:06:29
Im Film von Herr der Ringe fand ich das Elbische nett, weil es ganz exotisch klang und gut ins Setting passte, aber beim Lesen des Buches hat es mich genervt.

Wenn ganze Absätze in erfundenen Sprachen wiedergegeben werden, finde ich das eh immer etwas störend. Wirkt manchmal wie Lückenfüller auf mich, vor allem, wenn es sich um augenscheinlich nicht mal besonders sinnhaft ausgearbeitete Sprachen handelt. Oder wenn wie bei Drachenlanze immer und immer wieder die Zaubersprüche ausgeschrieben werden, obwohl man da doch eh nur drüber hinwegliest.

Zitat von: Antigone am 19. Juli 2013, 12:23:32
Erträglicher wird es, wenn man den Eindruck hat, dass die Dinge sprachlich zusammenpassen. Also einer erfundenen Sprache entstammen könnten. Wenn es aber nur eine wilde Mischung aus zusammengeklauten, pseudo-lateinischen und anderen Sprachen, und dann vielleicht noch garniert mit möglichst vielen h, y, jy etc ist, dann lieber danke nein.

Ach ja, die Sache mit den Ypsilons.  ;D Ich glaube, irgendwo ist festgeschrieben, dass ein schöner Fantasyname möglichst viele Ys und am besten noch ein paar Vs beinhalten soll.

Rakso

Hallo Ryadne,

über die Fragen, die Du stellst habe ich mir auch schon oft den Kopf zerbrochen. Und ich denke, das kommt darauf an, was man als Autor beim Leser implizieren möchte. Ich finde man muss nicht zwangsläufig den "irdischen" Terminus für einen Stand oder Beruf verwenden, nur weil ein erfundener Begriff das gleiche bedeutet. Andererseits sollte schon eine Geschlossenheit vermittelt werden.

In zwei unterschiedlichen Projekten meinerseits verwende ich unterschiedliche Strategien. Im Ersten verwende ich für die menschliche Bevölkerung Titel, die es in unserer Welt gibt. Ich "übersetze" quasi die administrative oder religiöse Bedeutung aus der Ausgangssprache. In der Regel bediene ich mich dort lateinischer Titel, vor allem aus dem Militär und dem Staatswesen. Für alle nichtmenschlichen Völker verwende ich eigene Termini.
Im zweiten Projekt verwende ich ausschließlich fiktive Titel. Der Grund ist einfach. Die Perspektivträgerin kennt diese Titel nicht, sie kann nichts mit ihnen Anfangen und kennt ihre Bedeutung nicht. Wie der Leser. Sie werden nur durch ihre Zuständigkeiten eingegrenzt. Der Einfachheit halber verwende ich aber nicht allzuviele, höchstens fünf.

Das Beispiel mit dem "Don", welches Du ansprichst, Ryadne, finde ich zum Beispiel ziemlich unpassend. Für eine erfundene Welt, ohne Bezug zu unserer, wäre er meiner Ansicht nach falsch. Im Italienischen ist Don der Titel eines Geistlichen und der spanische Don, bzw. der Portugiesische Dom implizieren eine Verbindung zum Christentum. Für einen Fantasy-Roman, der im mittelalterlichen Spanien spielt oder in einem Alternativuniversum fände ich jedoch in Ordnung.



Als Linguist möchte ich gerne eine Lanze für diejenigen brechen, die Sprachen erfinden. Debbie meinte, man solle sich nicht von anderen konstruierten Sprachen inspirieren lassen. Der Meinung bin ich auch. Aber man muss eben bedenken, dass aus auf der lautlichen Ebene nicht so viele Möglichkeiten gibt sich von anderen Abzugrenzen. In der Grammatik ist das kein Problem, aber die wenigsten Leser interessieren sich für die Wortbildung der Begriffe, sie wollen einfach das Buch lesen.
Man muss auch bedenken, dass unser lateinisches Alphabet ja nur wenige Laute wiedergeben kann, nur so an die zwanzig bis dreißig Konsonanten und weniger Vokale. Es gibt aber viel mehr. Unnötig viele Apostrophe, Akzente, Gravis, Hatscheks, Ogoneks oder Ys und Xs braucht es nicht, aber eben so viele, wie für die fiktive Sprache nötig. Ob ich z. B. einen Ejektiv jetzt als t' (in IPA), tx (in Na'vi) oder tc (so stelle ich meine Ejektive dar) wiedergebe ist erstmal zweitrangig. Tatsache ist man muss sie ja irgendwie von einem "normalen" t unterschieden.

Zitat von: Assantora am 19. Juli 2013, 21:05:32
@ OT
Weiß eigentlich jemand ganz spontan, wie das mit dem König ist, wenn seine Religion mehr als einen Gott hat? Gibt es da irdische Beispiele? Kam mir gerade in den Sinn.

Im antiken Indien gibt es verschiedene Begriffe, die sich mit König übersetzen lassen. In der Regel handelt sich sich um mehr oder weniger frei regierende Herrscher. Die genauen Unterschiede kenne ich jedoch nicht.

Pestillenzia

Zitat von: Szajkó am 21. Juli 2013, 19:07:22
Debbie meinte, man solle sich nicht von anderen konstruierten Sprachen inspirieren lassen. Der Meinung bin ich auch.

Ich sehe das anders. Warum sollte ich mich nur von real existierenden/ausgestorbenen Sprachen inspirieren lassen und nicht von erfundenen? Sich inspirieren zu lassen bedeutet ja nur, sich Anregungen zu holen, aber nicht, das Vorhandene eins zu eins zu kopieren. Abgesehen davon gehöre ich zu den Lesern, die beim Lesen eines Buchs keine neue Sprache lernen sondern sich einfach "nur" gut unterhalten lassen wollen. Wie der Autor Verben von Substantiven ableitet (oder umgekehrt), wie er konjugiert und dekliniert ist mir egal. Wenn ich Bücher von Yrsa Sigurdardottir lese, will ich primär auch nicht Isländisch lernen.

Ich lese gerade ein Buch, in dem der Autor einen seitenlangen Anhang hinsichtlich seiner erfundenen Elfensprache angefügt hat. Dort geht er genau auf Wortbildung, Grammatik etc. ein. Ein "Wörterbuch" gibt es im Anhang auch noch. Das soll der Leser dazu nutzen, die einzelnen Kapitelüberschriften, die in Elfisch geschrieben sind, zu übersetzen. Das ist mir definitiv zu viel des Guten, weil einfach zu mühsam. Abgesehen davon würde es mich jedes Mal komplett aus dem Text herausreißen, wenn ich nach jedem Kapitel erst drei, vier, fünf Wörter nachblättern und mich dann auch noch mit den Wortbeugungen herumschlagen müsste, um die Überschriften zu verstehen. Wenn er die deutsche Übersetzung gleich mitgeliefert hätte, wäre es ein nettes Gimmick, so finde ich persönlich die elfischen Überschriften einfach nur überflüssig.

Kleines OT: ich habe gerade "Ejektiv" gegoogelt und folgendes Ergebnis bekommen: "Ejektive sind nichtpulmonale Konsonanten, meist Plosive, die durch eine rasche Aufwärtsbewegung des Kehlkopfes bei geschlossener Glottis und durch anschließende Lösung des oralen Verschlusses gebildet werden." --- Ist es nicht schön, wenn ein Fremdwort durch drei andere erklärt wird? Da soll noch einer sagen, Behördensprache wäre leserfeindlich.

Cailyn

Zitat von: Szajkó am 21. Juli 2013, 19:07:22
Als Linguist möchte ich gerne eine Lanze für diejenigen brechen, die Sprachen erfinden. Debbie meinte, man solle sich nicht von anderen konstruierten Sprachen inspirieren lassen. Der Meinung bin ich auch.
Da stellt sich bei mir die Frage, ob es denn überhaupt noch möglich ist, etwas wirklich Neues zu erfinden. Es ist ja ähnlich wie bei diversen Plots, bei Figuren etc...es gibt schon fast alles.
Aber wenn man mal den Master of Fantasy anschaut (Tolkien), dann muss man ja zugeben, dass auch ein Meister und Phantast wie er, vieles (sogar sehr vieles) von Bestehendem abgeleitet hat. Seine erfundenen Sprachen, für die er enormen Respekt erntet, sind ja sehr mit dem Gälischen verwandt - vor allem was den Klang der Elbensprache angeht.
Daher fragt es sich, ob es denn wirklich das Neue ist, das so hoch bewertet werden soll... oder ob es auch einfach eine Kunst ist, "Altes" neu zu erfinden und in einem neuen Zusammenhang zu bringen. 

Dämmerungshexe

An sich habe ich wenig gegen eigene Begriffe in Fantasy-Romanen - aber sie sollen dann bitte auch spezielle Dinge benennen. Ein Gegenbeispiel hierfür wären die Romane von Trudi Canavan - da gibt es am Ende ein Glossar mit den Erklärungen für die von ihr erfundenen Begriffe - und irgenwie hätte man da überall auch die deutschen Wörter benutzen können. Die Umbenennungen haben dem Roman keinen Mehrwert gebracht, eher verwirrt (wozu brauche ich ein anderes Wort für "Spinne", wenn es sich nicht um ein spezielles Tier handelt?).

Ich denke also solche Eigenkreationen sind dort sinnvoll und gut wo sie der Geschichte und der Welt in der sie spielt, mehr Tiefe verleihen und gleichzeitig den Leser nicht stören und verwirren.

Ich selbst benutze erfundene Titel und dergleichen gerne auch mal als Erweiterung zum Namen einer Figur, damit ich nicht immer nur diesen verwenden muss, sondern ein wenig Abwechslung reinbringen kann.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques