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Kammerspiel vs. Massenszenen

Begonnen von Maja, 24. November 2006, 14:26:38

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Maja

Meine Mutter, auf die ich ja immer große Stücke halte, hat mir gerade ganz lieb den Rücken gestärkt. Sie erzählte mir, daß sie es als Leserin bevorzugt, es nur mit einer überschaubaren Anzahl an handelnden Figuren zu tun zu haben, weil sie sonst immer den Überblick verliert. Konkret hatte sie Angst, daß ich beim "Schattenstein", meinem Nanowrimo-Buch, das sie betreut, die jugendlichen Leser mit zu vielen liebevoll ausgearbeiteten Schraten und Erlen komplett überfordere.

Bis dahin hatte ich es immer für eine persönliche Schwäche meinerseits gehalten, daß ich als Autorin schnell den Überblick verlieren, wenn zu viele Figuren anwesend sind, und mich daher beim Schreiben von Massenszenen immer auf ein paar exemplarisch aufgeführte Figuren konzentierte, während der Rest zu belebter Kulisse, bestenfalls Chor, verkam.
Also sind in Varyns Armee-Einheit vielleicht fünfzig Leute, aber nur drei von ihnen haben überhaupt Namen bekommen und spielen eine Rolle. Rebekkas garstige Mitschülerinnen treten auf in Form von Lana, Jessica und Viel Volk. Alexanders Krönung geschieht vor Reihen gesichtsloser Zuschauer (hier liebevoll im Bild festgehalten) - und immer habe ich mich gegrämt, daß ich immer nur mit einer Handvoll Leute aktiv arbeiten kann und mir meine gruppendynamische Unfähigkeit vorgeworfen.

Nun also meine vergnügliche Rundfrage:
Wie viele Figuren braucht eine Geschichte, um zu funktionieren? Wie viele verkraftet sie maximal? Und muß ich wirklich für jeden Elben einen eigenen Lebenslauf schreiben?
Bin mal gespannt auf und über eure Ansichten und Erfahrungen.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Kiwi

Hallo Maja,

also ich würde auch verrückt werden, wenn ich jedem dahergelaufenen Statisten einen Namen und eine Hintergrundgeschichte dazudichten müsste.

Ich hab meiner Barbarenbande vielleicht 6-8 namentlich vorgestellt. Manche nur mit Namen, wenn er gerufen werden musste und manche mit bisschen mehr drumherum. Das reicht auch völlig. Ich bin eh nicht der Massenszenen-Fan.
In einer anderen Geschichte gibt es auch eine Klasse, davon haben zwei einen Namen und einer der beiden taucht noch deutlicher auf.

Ich finde deine Vorgehensweise total in Ordnung und mache es meist auch so.  :jau:

LG,Kiwi

Kalderon

#2
Hallo Maja,


das Thema hatten wir im FF. Ich persönlich finde es sogar besser, wenn sich nur auf wenige Personen konzentriert wird. Massenszenen verkommen meistens zu unpersönlichen Sachlichkeitsschilderungen. Und wenn man aus der Perspektive von jemandem schreibt, dann ist es ohnehin logisch, dass man nicht jeden Hans und Franz mit in die Liste aufnimmt, denn 1. entweder kennt der Protagonist denjenigen nicht, oder aber 2. er ist nicht beachtungswürdig (hartes Wort - sagen wir: geschichtstechnisch nicht beachtungswürdig)

Ich habe auch schon Bücher gelesen, bei denen ich später überlegen musste, wer nun eigentlich wer war. Das ist mühsam und nervig. Ebenso wichtig wie die Anzahl der Personen, ist für mich der Zeitpunkt der Einführung. Wenn man mitten in der Geschichte plötzlich eine neue Figur auf's Auge gedrückt bekommt, finde ich es nervig, weil es mich aus der Geschichte reißt. Es muss also schon einen triftigen Grund dafür geben.

Ich bevorzuge ca. 20 Personen, die Erwähnung finden. Maximal zehn Perspektiventräger habe ich in meiner Geschichte (ein bisschen viel), davon ca. fünf, die näher behandelt werden. Alles andere sind Statisten.


Liebe Grüße: Kalderon

Rei

Hmm, manchmal überfordern mich schon drei Charaktere, die ich auf einmal versorgen muß...  ;D

Ich beschränke mich meist auf eine Hauptfigur (Perspektive) und ein bis höchstens sechs  Individuen, denen ich genug Leben einhauche, daß sie lebendig wirken (wobei ich es allerdings tunlichst vermeide, alle auf einmal auftreten zu lassen... Dann werd ich wahnsinnig...). Und darumherum gibt es noch die anderen, die vielleicht einen Namen abkriegen, aber nicht wirklich wichtig sind.

Massenszenen schreibe ich meist so, daß einzelne Rufe des "Volkes" hörbar sind. So zum Beispiel, als Megha zum Scheiterhaufen geführt wird: Die Leute munkeln, manche äußern sich lauter, weil die Masse Anonymität bietet.

Schelmin

#4
Hi!
Ich finde beides hat irgendwo eine Berechtigung.

Da gibt es bei mir schon auch Massenszenen, wenn meine Helden z.B. in eine Stadt kommen und über einen vollen Marktplatz laufen. Da beschreibt man Gruppen im Ganzen oder auch einzelene Leute, die auffallen, aber ohne ihnen gleich ein Schicksal zu geben.
Wenn man durch die Stadt läuft, blickt man ja auch einzelne Leute an, und es fallen einem Frisuren, Kleider etc. auf. Aber es ist sehr kurzlebig. Man nimmt es wahr, denkt kurz drüber nach und vergißt es wieder. Oder man sieht: da ist eine Demo oder eine Schulklasse, die am Museum ansteht.
Wenn ich an die Schulzeit zurückdenke, gibt es auch ganz wichtige Personen, die ich gut kannte und an die ich mich ewig erinnern werde (warum auch immer), solche, mit denen man ab und zu mal oder kurz Kontakt hatte, oder solche die einfach nur präsent waren.

Um einen Namen oder Charakter zu bekommen, muß man schon wichtiger für die Geschichte sein. Aber das dürfen schon ein paar Leute sein.

Ich denke, je unwichtiger, desto blasser kann jemand sein. Ich brauche dann keine besonderen Informationen, und muß mir keine Gedanken drum machen. Nur wenn ich die Geschichte total überlade und jedem sein für die Geschichte 100% relevantes Merkmal verpasse, wird es unübersichtlich. Das merkt man auch beim Schreiben. Dann weiß man plötzlich nicht mehr wohin mit allen, und so wirkt es dann sicher auch auf den Leser.

Schelmin

Manja_Bindig

Ich mag ebenfallsüberschaubare Charakterzahlen.
Beim Flügelzyklus wird moentan lustig.

Hauptcharaktere:
Shia
Tym
Tyms Frau Tesla (frisch umbenannt ;) )
Madra
Paldir Mikal

Alle haben sie sich irgendwie miteinander in der Wolle... ^^
 
das ist das Maximum an Haupthandlungsträgern, weil ich sonst nicht mehr fähig bin, jedem seine Geschichteund tiefe zu geben.
Aber wenn es mehr als drei Hauptpersonen sind, macht es wieder Spaß, weil die Geschichteso sehr viel mehr Aspekte erhält... ^^

Berjosa

Meine Liste der handelnden Personen ist in der Regel zu Anfang recht kurz, Marke: Mörder, Opfer, Detektiv. Dann füllt sie sich mit Leuten, die ich nur als eine Art "Dekostück" etwas näher beschrieben habe, später aber wieder aufgreife, weil ich gerade noch jemanden brauche.
Irgendwann laufen dann in meiner Geschichte tausende von Leuten herum mit jeweils ihrer eigenen Unter-Geschichte. Entweder verliere ich an der Stelle völlig den Überblick, oder ich fange an, planmäßig Personal zu sparen: Drei Mitschüler werden zu einem verbacken, Unter-Geschichten werden abgetrennt und in einem eigenen Werk untergebracht, etc.
Trotzdem habe ich gerade bei Kurzgeschichten immer das Problem, dass viel zu viele Leute mitspielen wollen.

Hr. Kürbis

Ich denke mal die Frage kann man auch anders beantworten:

Es geht eigentlich nicht so sehr um die Anzahl an Personen, die erwähnt werden und in der Handlung eine Rolle spielen. Wichtig ist, sie mit Leben zu füllen. Sind die Personen "Sympathieträger" (oder auch das absolute Gegenteil) dann spielt es bei mir keine Rolle, ob ich nun 2, 20 oder 200 Leute haben. Dann macht das Lesen (und schreiben) trotzdem Spaß!
Wobei ich wohl bei 200 Personen garantiert ein Register bräuchte um die Übersicht zu behalten :buch:!

Mein extremstes Lesebeispiel ist hier für mich immer noch Robert Jordans "Rad der Zeit". Habs zwar irgendwann aufgegeben, aber eigentlich mochte ich die gesammte Riege schon sehr gerne.
Das genaue Gegenteil: Eragon! Hab ich nur wegen dem Hype gelesen und für mich war das Buch schon nach Seite drei zu Ende! Und da gibt es nur wenige Personen...

Fazit: Die Chance, sich bei mehreren Charakteren zu verzetteln steigt genau so, wie die Chance, gerade DEN Charakter dabei zu haben, den die Leser lieben...

Steffi

Ich beschränke mich gerne auf wenige Personen, und mag auch solche Geschichten am Liebsten. Ich hasse dieses Hin-und Hergespringe in Büchern,  da war "His Dark Materials" für mich gerade noch zu ertragen - aber die Bücher sind ja auch bloß klasse. Das war auch ein Grund, warum ich nie "Lied aus Eis und Feuer" zu Ende gelesen habe - neben der Tatsache, dass ich es einfach todlangweilig fand, wurden auf den ersten Seiten schon mindestens 30 Figuren eingeführt, die ich nicht auseinanderhalten konnte, und die mich nicht interessiert haben.

Für eine gute Geschichte reichen zwei, manchmal sogar eine Figur :)

Sic parvis magna

Moni

Ich beginne mit den Hauptpersonen und fülle die Geschichte nach und nach mit Nebenpersonen, aber die Erzählperspektive bleibt normalerweise auf den Hauptpersonen. Massenszenen setze ich dann ein, wenn es zur Handlung passt (Marktplatz, Gasthaus, Schlachtfeld ;-) ) und lasse die Hauptcharaktere dann diese "Massen" erleben.

Lg
Moni
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Arielen

Ich beschränke mich auch auf wenige Personen, weil ich gemerkt habe, daß die Leute sich diese viel besser merken können als Massen von NSCs, die auch noch Namen erhalten. Die meisten meiner Hintergrundcharaktere, die nur in einer Szene auftauchen erhalten gar nicht erst Namen, sie bleiben gesichtslos. Ich halte es so wie in der wirklichkeit. In der Wahrnehmung kann man sich auch nur auf eine Gruppe von Leuten konzentrieren, der Rest bleibt unwesentlicher Hintergrund.
Alles liegt im Auge des Betrachters