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Magie-freie Fantasy?

Begonnen von Fianna, 14. September 2012, 22:46:11

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KaPunkt

Ich wollte nur noch mal verdeutlichen, dass ich nicht meine, das Fantasy nur dann erlaubt ist, wenn man ohne Magie oder magische Wesen nicht auskommt.

Fantasy ermöglicht es meiner Meinung nach, Dinge auszuprobieren und/oder darzustellen, die es bei uns / in unserer Geschichte nicht gibt/gab.
Deshalb finde ich Welten mit fiktiver Geschichtsschreibung, fiktiver Geographie usw. gut und interessant und ja - das ist Fantasy (meiner Meinung nach) und soll Fantasy sein.

Ich habe lieber einen Fantasy Roman, der auch als solcher zu erkennen ist, als einen Fantasy Roman, der behauptet, ein historischer oder sonst wie authentischer Roman zu sein, und dabei Ungereimtheiten fröhlich übersieht. (Das einzige, was mich an meinem geliebtem 'Medicus' stört, ist diese Nummer mit den Händen anfassen und Lebenskraft spüren. Warum ein Fantasy Element in einen ansonsten sauber recherchierten Historischen Roman reinkleistern?)

Aber, wenn man diese abweichenden Elemente, die ich oben erwähnt habe, nicht braucht, um seine Geschichte zu erzählen, sondern sie nur benutzt, weil es einfacher ist, dann bin ich gelinde angegrätzt und würde die Geschichte wahrscheinlich nur lesen, weil ich eben genau diese Welt so gern habe. (Gibt es auch, manche Entwürfe oder Figuren sind mir einfach sympathisch.
Was nicht heißt, dass das dann gute Bücher oder gute Geschichten sind. Darkover ist da immer mein Paradebeispiel ...)

Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

FeeamPC

Ich denke, die Übergänge zwischen Historie , Fantasy und Science Fiction sind sehr schwammig und fließend. Wenn ich zum Beispiel einen geschichtlichen Roman schreibe über eine Epoche und ein Volk, von dem nur winzigste Informationen erhalten sind, formuliere ich auch eine Welt frei nach meiner Vorstellung und Meinung, und bin damit im Fantasy- Bereich, auch wenn das Etikett "historisch" draufklebt. (Ich denke da an gewisse Steinzeit-Romane...)

Klassisch hat Fantasy aber für mich immer die Elemente "erfundene Wesen" und / oder Magie.

Cairiel

Zitat von: Fianna am 14. September 2012, 22:56:07
Dann werde ich mal den Ausgangspunkt für diese Frage posten: in einem anderen Forum habe ich gerade fröhlich geschrieben "Zu dieser Ausschreibung möchte ich eine Fantasy-KG schicken, heute fertig geworden" - und dabei kommt keine Magie vor. Keine magischen Wesen.
Nur die fremde Welt.
Wenn ich so darüber nachdenke, kommt Magie in meinen Kurzgeschichten auch kaum vor. Hin und wieder erfundene Wesen, aber oftmals genügt es mir, sie in meiner selbsterdachten Fantasywelt spielen zu lassen. Das hat bei der Ausschreibung zur Wüsten-Anthologie funktioniert und bei ein paar ausstehenden Ausschreibungen habe ich ebenfalls Fantasy-KGs eingesendet, die meist keine Magie und oftmals nicht einmal erfundene Wesen beinhalten. Der Grund dafür ist schlicht und ergreifend: Die Geschichten kommen ohne aus. Da sie aber in einer Welt spielen, in der Magie und besondere Lebewesen existieren, werden sie von mir als Fantasy gehandhabt.

Um deine Frage zu beantworten: Ich habe kein Problem damit, schreibe es selbst und hätte nichts dagegen einzuwenden, eine solche Geschichte zu lesen. Das gilt jedoch nur für Kurzgeschichten. In längeren Werken brauche ich schon phantastische Elemente, um es als Fantasy werten zu können. Nichtsdestotrotz würde ich diese erfundenen "historischen" Romane trotzdem lesen, sofern sie gut sind. Es ist nur eben kein Fantasy für mich.

Faol

Ich sehe das ähnlich wie KaPunkt. Selbst wenn man eine Welt ohne Magie hat, die auch so existiert haben könnte, so kann man ja doch deutliche Unterschiede erkenne und das sind unter anderem die Geschichte und die Geographie der Welt und diese können sehr großen Einfluss auf das Geschehen im Roman nehmen und auch darauf, wie die Personen sich verhalten. Ich finde Das Lied von Eis und Feuer ist das beste Beispiel. Er käme auch ohne Magie aus und trotzdem könnte man seine Geschichten nicht einfach in unsere Mittelalter legen.
Wo ich euch allerdings recht geben. Man sollte nicht einfach einen historischen Roman in eine Fantasywelt legen, nur damit man nicht recherchieren muss, aber Magie muss nicht das einzige sein, was eine Fantasywelt deutlich von einer historischen Geschichte unterscheidet.
Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
(Robert Frost - The Road Not Taken)

chaosqueen

Ich denke, dass für eine sinnvolle Diskussion zu diesem Thema erstmal geklärt werden muss, was alles unter den Begriff Magie fällt.

Ist es Magie, wenn jemand telepathische Fähigkeiten hat? Sind Vorahnungen schon Magie? Oder ist Magie ganz strikt nur Zauberei? Je nach Definition kenne ich durchaus Fantasy-Romane ohne Magie.
In den Büchern von Nalini Singh kommt reichlich Übersinnliches vor, aber keine Magie im Sinne von Zauberei. Die Otherland-Reihe von Tad Williams fällt für mich mehr in den Bereich der Fantasy als in den Bereich der SF, obwohl sie da auch angesiedelt ist, aber es gibt neben dem auch in unserer Welt bekannten Schamanismus mancher afrikanischer Völker keine Magie.
Ich selber mag Geschichten, in denen Menschen Fähigkeiten haben, die je nach Glaube und Überzeugung in unserer Welt durchaus vorkommen können, aber nicht nachweisbar sind. Telepathie, Gedankenlesen, Aufspüren von Menschen / Dingen, eben einfach eine Sensibilisierung für die Umwelt, die über das, was rational erklärbar ist, hinausgeht. Ist das Magie? Und lebe ich deshalb in einer magischen Welt, wenn ich im gleichen Moment jemanden anrufe wie er mich, weil der (gegenseitige) Gedanke an den anderen plötzlich übermächtig wurde?

Umgekehrt könnte man es bereits als magisch betrachten, wenn zwei Menschen im gleichen Moment ihre Liebe für den anderen entdecken. Magie ist ein sehr weites Feld. Die Hunger Games fallen für mich auch irgendwo zwischen Dystopie und Fantasy, und da ist nichts Magisches.

Linda

Zitat von: chaosqueen am 24. September 2012, 21:52:05
Magie ist ein sehr weites Feld. Die Hunger Games fallen für mich auch irgendwo zwischen Dystopie und Fantasy, und da ist nichts Magisches.

genau, was den letzten Halbsatz angeht.
Sorry, Chaosqueen, dass ich dein Posting zum Anlass meines 'Rants' nehme, aber mir fiel das die Tage schon mal negativ auf.
Das Werk spielt in der fiktiven Zukunft der Erde und wäre damit ganz klassisch dystopische SF.  Nix mit Fantasy, ich weiß nicht, wer das in die Schublade gesteckt hat  Rant over.  ???


Ich musste mir beim Schreiben mühsam antrainieren, Magie und ähnliche Fähnchen in meine Stories zu packen, und damit für den Leser als Fantasy zu markieren. Und ich denke, ich ziehe Low Fantasy immer noch für eigenes Schaffen vor.  So viel wie nötig, und so wenig wie möglich.  Magie ist ein Gewürz und ich finde, bei übermäßigem Gebrauch stumpft man dagegen ab.

Aber ich mag (vor allem) ausgedachte Kulturen und Religionen viel zu sehr, um mich mit den historischen zu begnügen. Parallele Welten sind doch sehr spannend - ein richtig schöner Abenteuerspielplatz, im Vergleich mit dem enggeschnürten Korsett der Geschichte. 

Und was das .. "ist nur dann Fantasy, wenn Magie bla blubber", angeht  :nöö:

Farean

Zitat von: Linda am 24. September 2012, 22:46:23
Magie ist ein Gewürz und ich finde, bei übermäßigem Gebrauch stumpft man dagegen ab.
Dem kann ich mich nur aus vollstem Herzen anschließen. :pompom: Magie fühlt sich für mich nur dann magisch an, wenn ihr - auch im Rahmen der Romanwelt! - der Zauber des Besonderen anhaftet, des Einzigartigen. Spätestens, sobald zur Besatzung eines Schiffes standardmäßig soundsoviele Magier gehören und die Bordkanonen mit magischem "Explosivgel" statt Schießpulver betrieben werden (so geschehen in James M. Ward: "Der Magierkadett"), hat die Welt für mich eher an Magie verloren.

Zur Eingangsfrage: Den von Judith bereits erwähnten Guy Gavriel Kay kann ich auch nur jedem wärmstens ans Herz legen, der nach Fantasy ohne phantastische Elemente sucht. "Die Löwen von Al-Rassan" z.B. schaffen den hervorragenden Kunstgriff, durch das Ausweichen auf eine Fantasy-Welt die komplette Geschichte der spanischen Reconquista auf eine Zeitspanne zu komprimieren, die ein einzelner Charakter im Lauf seines Lebens miterleben kann (und in diesem Buch auch tut); das alles verquickt mit dem Mythos von El Cid. Großartige Fantasy ohne ein Gramm Magie. :jau:

Nichtsdestoweniger gehört für mich persönlich meist wenigstens eine Prise Magie dazu. Aber das ist Geschmackssache.

pink_paulchen

Ich sehe noch einen anderen Aspekt. In meinem aktuellen Romanprojekt gibt es über einen großen Teil des Buches keine wirkliche Magie. Es gibt Technik, die am Rande des Machbaren ist, psychologische Phänomen, die am Rande des Vorstellbaren agieren - aber alles ist eher "naja, könnte ja vielleicht sein". So weit so gut - aber dann komme ich in Kapitel 30 mit einem Tempel der Orakel spricht und im dritten Akt gibt es eine Verwandlung eines Menschen in einen Löwen. Bumms.  :hmmm:
Das Problem: der Leser fühlt sich eventuell dann veralbert, wenn er etwas nah am eigenen Erleben liest und dann aus heiterem Himmel (am Schlimmsten wie bei mir, wenn es erst spät kommt) die Magie überraschend einfällt. Ich habe die Szene in verschiedenen Varianten im Kopf und eine ist deshalb: es ist gar nicht klar, ob das mit dem Löwen wirklich passiert, oder ob das nur eine Art Erscheinung während einer Trance ist. Das würden mir die Science-Leser dann sicher lieber abkaufen, aber ein wenig wäre es Verrat an meiner Idee.

Linda

#23
Zitat von: Farean am 25. September 2012, 08:33:27
Dem kann ich mich nur aus vollstem Herzen anschließen. :pompom: Magie fühlt sich für mich nur dann magisch an, wenn ihr - auch im Rahmen der Romanwelt! - der Zauber des Besonderen anhaftet, des Einzigartigen. Spätestens, sobald zur Besatzung eines Schiffes standardmäßig soundsoviele Magier gehören und die Bordkanonen mit magischem "Explosivgel" statt Schießpulver betrieben werden (so geschehen in James M. Ward: "Der Magierkadett")

nicht zu erwähnen die riesigen Drachen(!), die mit Takelung als Schiffe die Weltmeere befahren. Ich fand die Idee so schräg, dass ich die zwei Bücher unbedingt lesen wollte.
Ansonsten ist es ganz klar eine Fantasy-Variante von Forresters Horatio Hornblower (noch ein Grund, es lesen zu müssen).

Es gibt so einiges an Fantasy, ohne Magie aber Phantasie.

Im Bereich Jugendbuch zB. Elske und Jackaroo von Cynthia Voigt.

Und auch vieles, was sehr reduzierte Magie enthält, also genau ein Schlüssel-Element. Ich schau noch mal in mein Regal, aber spontan fällt mir da Barry Hugharts China-Trilogie ein.

Pink_Paulchen: -
Zitat
Das Problem: der Leser fühlt sich eventuell dann veralbert, wenn er etwas nah am eigenen Erleben liest und dann aus heiterem Himmel (am Schlimmsten wie bei mir, wenn es erst spät kommt) die Magie überraschend einfällt.

genau das ist ja die schreiberische Kunst, es immer anzudeuten und theoretisch möglich erscheinen zu lassen, eben damit die Magie am Schluss nicht als Deus Ex Machina wie ein Teufelchen aus dem Kasten springt. Man kann das zB hervorragend mit einer Entwicklungsgeschichte verknüpfen, indem die Hauptfigur nach und nach herausfindet, wie magisch die Welt doch ist.

Farean

Zitat von: Linda am 25. September 2012, 12:35:04
nicht zu erwähnen die riesigen Drachen(!), die mit Takelung als Schiffe die Weltmeere befahren. Ich fand die Idee so schräg, dass ich die zwei Bücher unbedingt lesen wollte.
Ansonsten ist es ganz klar eine Fantasy-Variante von Forresters Horatio Hornblower (noch ein Grund, es lesen zu müssen).
Naja, für mich fiel es ganz klar in die Rubrik "Bücher, die die Welt nicht braucht". Schräge Ideen gibt es da draußen genug, da muß ich mir nicht unbedingt eine Umsetzung antun, die mich gnadenlos angeödet hat. Aber gut, jedem das Seine.

Zitat von: Linda am 25. September 2012, 12:35:04
genau das ist ja die schreiberische Kunst, es immer anzudeuten und theoretisch möglich erscheinen zu lassen, eben damit die Magie am Schluss nicht als Deus Ex Machina wie ein Teufelchen aus dem Kasten springt. Man kann das zB hervorragend mit einer Entwicklungsgeschichte verknüpfen, indem die Hauptfigur nach und nach herausfindet, wie magisch die Welt doch ist.
Stimmt. In dieser Disziplin hat Patricia McKillip in "Winterrose" ihre Meisterschaft bewiesen. Die Magie wird so subtil eingeführt, daß man im entscheidenden Schlüsselmoment als Leser selbst nicht weiß, ob die Protagonistin vielleicht doch nur an einer überreizten Phantasie leidet - und das, obwohl auf dem Buchdeckel ja sogar schon "Fantasy" steht und vom Beginn des Buches an immer wieder ein Bezug auf alte Sagen angedeutet wird. Eine entsprechende Erwartungshaltung wird also gefördert, und trotzdem balanciert man als Leser (zusammen mit der Prota) eine Ewigkeit auf dem Grat zwischen "es gibt Magie" und "es ist alles Einbildung".

Dämmerungshexe

Irgendwie fällt mir bei dem Thema spontan "Star Wars" ein - Prinzessin, schwarzer Ritter, böser König, junge Helden, Ritter/Mönche - an sich ist das von deer Grudnstory her ja auch klassisches Fantasy - nur dass es keine Magie gibt, sondern Technologie. Und Die Macht wird ja auch mit einer Form von Symbiose zwischen zwei Lebensformen erklärt.

Ich denke mal in Anbetracht dessen, dass früher praktisch alles was man sich nicht erklären konnte entweder mit Göttern oder mit Magier erklärt wurde (die Entstehung des Wetters, Heilkräfte durch Wissen, ...) wäre es ziemlich einfach die Magie aus der Fantasy raus zu lassen - genug zu staunen gibt es allemal.  :o
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Farean

Zitat von: Dämmerungshexe am 25. September 2012, 17:12:29
Ich denke mal in Anbetracht dessen, dass früher praktisch alles was man sich nicht erklären konnte entweder mit Göttern oder mit Magier erklärt wurde (die Entstehung des Wetters, Heilkräfte durch Wissen, ...) wäre es ziemlich einfach die Magie aus der Fantasy raus zu lassen - genug zu staunen gibt es allemal.  :o
Jetzt, wo du's sagst... :hmmm: In den SPQR-Historienkrimis von John Maddox Roberts kommt man sich manchmal vor wie in Fantasy-Romanen. Nicht, daß Roberts jemals offensichtliche Magie auftauchen läßt - aber dadurch, daß sein Ich-Erzähler als authentischer antiker Römer daran glaubt, gewisse Ereignisse auf magisches/göttliches Wirken zurückführt und voller Ernst an gewissen religiösen Zeremonien teilnimmt, fühlt es sich streckenweise sehr magisch-mystisch an.

canis lupus niger

Zitat von: Farean am 25. September 2012, 18:41:20
... dadurch, daß sein Ich-Erzähler als authentischer antiker Römer daran glaubt, gewisse Ereignisse auf magisches/göttliches Wirken zurückführt und voller Ernst an gewissen religiösen Zeremonien teilnimmt, fühlt es sich streckenweise sehr magisch-mystisch an.

Das ist noch gar nichts gegen solche Bücher wie die Odyssee oder die Herkules-Sagen. Ein von mir sehr bewunderter evangelischer Pastor hatte sogar einmal den Mut, mir in einem persönlichen Gespräch zu sagen, dass der die Jesus nachgesagten Wunder ähnlich bewertet, wie die Großtaten anderer antiker Helden.

Kay


Hmhm... Jules Verne wird auch oft als Begründer der Fantasy genannt (jedenfalls in Frankreich), da ist jetzt Magie auch nicht ganz oben. Und literarisch war es ja lange eine Unterart der SciFi, ich glaube also nicht, dass Magie sein muss. MZB' Herrin von Avalon ist ein Klassiker aber fast ohne explizite Magie (wenn man von der Elfenszene absieht), der Großteil könnte auch Traum/VIsion/Illusion sein, oder ist es zu lange her, dass ich das gelesen habe. In meinem Buchschrank stehen viele, viele Bände, wo wenig bis keine Magie drin ist und trotzdem (zu Recht) Fantasy draufsteht.

Ich würde daher mal als ungenaue Faustregel sagen: Wenn der Plot erfunden ist, ist es Fiction. Wenn das Setting oder die Figuren erfunden sind, beginnt Fantasy. Je mehr Technik dabei ist, desto näher komme ich in den Bereich SciFi, die Fantasy nahesteht. Da gibt es viele Beispiele für fließende Übergänge.

Ich finde auch nicht, dass Fantasy-Autoren "fauler" sind als normale. Wenn irgendwer vor sein erstes Kapitel "London 1756" schreibt, hat jeder Leser sofort ein ungefähres Bild vor seinem geistigen Auge, das man dann nur noch ein bisserl korrigieren muss (Ungenauigkeiten kann man da genauso als "dichterische Freiheit" abtun). Wenn ich jetzt bei mir "Athon, Zeitalter des Rads 2892" darüber schreibe, hilft mir das gar nichts. Ich muss eine komplette Welt trickreich beschreiben, darf dabei den Leser nicht zutexten oder mit Begriffen erschlagen, die er noch nicht kennt... Also ich finde historische Romane deutlich leichter zu schreiben, auch wenn man vorher mehr lesen muss (aber das ist doch keine Arbeit).

Diese Plot-Regel (Fantasy-Welt nur wenn man sie unbedingt braucht), kannte ich nicht und ich kann das nicht teilen. Was heißt schon "brauchen". Selbst Herr der Ringe könnte man vom Plot her wunderbar als Krieg der Zivilisationen schreiben. Terry Pratchetts Plots funktionieren auch in einem anderen Setting (von dem wüsste ich auch einige Bücher, wo Magie eigentlich gar keine Rolle spielt!) ohne Scheibenwelt. ABER: Die Vorstellung neuer, funktionierender Welten ist doch gerade das was den Reiz des Genres ausmacht, wobei es ja mittlerweile auch jede Menge Fantasy in einem realen Setting gibt. Ist das (z.B. trendy Vampire in verschlafenen Kleinstädten, Zauberschulen im englischen Hinterland) dann nicht eher eine Mischform? Wobei nach meiner Arbeitsthese, wäre das Setting dann halt eine Welt, die der unseren verblüffend ähnlich sieht, aber doch ein fantastisches, der Vampire wegen. Ja, das kann ich halten, bis mich einer mal beißt. Und dann auch, denn dann wäre das eben kein Fantasy mehr, sondern real.
Gegenansatz: Die Temeraire-Reihe würde ich jetzt trotz Drachen, die eine Luftwaffe in den napoleonischen Kriegen darstellen, spontan vom Bauch her nicht als Fantasy einstufen, sondern eher als alternative Geschichte. Da fehlt mir das "Fantastische", weil die einzige Idee ist die, dass es Drachen gibt, der Rest ist recht plausibel historisch aufgezogen.

Farean

Zitat von: canis lupus niger am 25. September 2012, 19:59:08
Das ist noch gar nichts gegen solche Bücher wie die Odyssee oder die Herkules-Sagen. Ein von mir sehr bewunderter evangelischer Pastor hatte sogar einmal den Mut, mir in einem persönlichen Gespräch zu sagen, dass der die Jesus nachgesagten Wunder ähnlich bewertet, wie die Großtaten anderer antiker Helden.
Von einem Pastor wirklich eine sehr mutige Aussage. Respekt vor dem Mann! :)

Woran mich das wieder erinnert, ist eine Sache, die mein Religionslehrer in der Oberstufe uns einmal erzählt hat: daß die Wundergeschichten, die in den Evangelien über Jesus stehen, damals recht gängige "Reklame-Anekdoten" waren, die man über jeden "Promi" erzählte, von dem man herausstreichen wollte, wie toll er war. Den wundersamen Fischzug z.B. erzählte man sich damals ebenso über Aristoteles.

Zitat von: Kay am 25. September 2012, 21:13:30
Diese Plot-Regel (Fantasy-Welt nur wenn man sie unbedingt braucht), kannte ich nicht und ich kann das nicht teilen.
Ich auch nur bedingt. Für mich persönlich habe ich die Faustregel gefunden, daß die besten Geschichten immer untrennbar mit ihrem Genre verflochten sind, also nicht verlustfrei in ein anderes verpflanzt werden können. Beispiele dafür - sowohl im positiven als auch im negativen Sinne - finden sich von Ellis Peters' Cadfael-Reihe bis hin zu Star Trek. Das bedeutet aber nicht automatisch, daß eine Fantasy-Geschichte "schlecht" sein muß, wenn sie auch in einem anderen Genre funktionieren würde.