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[Kurzgeschichte] laufend: Das Buch der Diebe

Begonnen von Ryadne, 25. Juli 2012, 21:51:59

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Malinche

 :gähn: Jetzt möchte ich eine Diebesgeschichte schreiben, in der Zanoni einen 3D-Drucker stiehlt, um sich zu klonen und dann zu zweit chamäleonartig vier Manuskripte gleichzeitig zu lesen ...
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Alaun

Jaja, die Industrialisierung ist gnadenlos  :rofl: So, genug Off topic ...

Alessa

Ich schließe mich Sprotte beim *Hibbeln* an.  Mein Puls ist gerade schrecklich in die Höhe geschossen ... herrje.  ::)

Zanoni

Mit je einem Auge lesen ... na ja, ganz soooooo schlimm ist es noch nicht (nur nahe dran).

Aber das 3D-Klonen wäre tatächlich ein interessanter Ansatz. *g*

Alessa

Ich bin leider nicht mit dabei ...  :'( ... aber ich drücke allen anderen fest die Daumen.

Sprotte


Zanoni

Was aber nichts mit der Qualität der Geschichte zu tun hat, wie Du weißt, @Alessa. ;-)

Es hat sich nämlich eine grundsätzliche Sache gezeigt, über die noch kein einziger Gedanke verschwendet wurde, die jedoch wichtig sein dürfte. Bisher gab es noch keine Geschichten, in denen ein Dieb/Gauner/Halunke/oderwasauchimmer der Antagonist war. Bisher waren diese Figuren immer die Protagonisten und - trotz aller Schwächen und Fehler (oder vielleicht gerade deswegen) - Sympathieträger. Eine Geschichte, in welcher der Dieb der Antagonist ist (oder zu sein scheint) und darüber hinaus vielleicht auch noch Taten begeht, durch es zusätzlich erschweren Sympathie zu der Figur aufzubauen, sind ... na ja, "heikel" für eine Diebesreihe.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich diesem Aspekt leider keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt habe. Das ist ein wichtiger Punkt, den ich schnellstmöglich mit in die Ausschreibungsinfo aufnehmen muss. Allerdings war es bisher auch nicht nötig. Weil die eingereichten Geschichten sowieso nach diesem Schema aufgebaut waren. Offensichtlich haben das die Autoren - ganz automatisch - ebenfalls als ideale Herangehensweise an das Thema gesehen. Und gerade das macht sehr nachdenklich. Denn, wenn es die Mehrheit der Autoren so sieht, müsste das in ähnlicher Weise auch für die Leser gelten. Wenn dann bedenkt, dass es nichts Unangenehmeres gibt, als die Erwartungen von Lesern zu enttäuschen, mit denen diese an einen Titel herangehen, dann bekommt dieser Aspekt noch eine besondere Bedeutung.

Malinche

Hm, aber was genau heißt denn jetzt Protagonist/Antagonist? Wo ziehst du da die Grenze? Ich muss gestehen, wenn das in der Ausschreibungsinfo von vornherein verankert wäre, dass der Dieb reiner Sympathieträger sein soll, würde ich mich beim Schreiben doch eher eingeschränkt fühlen.

Ich nehme jetzt nicht Bezug auf Alessas Geschichte, weil ich sie nicht kenne, aber ich bin gerade etwas verwirrt. Und ich möchte zu bedenken geben, dass ja z.B. schon nach dem ersten Band in einer Rezension die Frage aufkam, warum denn alle Diebe männlich wären (das wurde ja durch den zweiten Band "wiederlegt", wo es auch weibliche Hauptfiguren gab). Ich würde also mal behaupten, dass die Leser trotz allem auch eine gewisse Vielfalt erwarten - und dass ihnen Muster schnell auffallen (also auch: der Dieb ist immer der Prota). Zur Vielfalt würde für mich ab und an ein eher düsterer Dieb auch dazu gehören. Einer, den man jetzt vielleicht nicht hundertprozentig sympathisch findet, aber vielleicht faszinierend. Darf ein Dieb für die Reihe denn so sein, oder meintest du einfach, dass die Kombination Antagonist + total verabscheuungswürdige Taten ein No-Go ist?  ???
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Sprotte

Ich habe derzeit auch zwei Geschichten beim Wickel, in denen der Dieb zwar Perspektivträger, aber ganz eindeutig böse bzw. moralisch nicht vertretbar ist. Da in der Ausschreibung auch etwas von Meuchelmördern stand, hatte ich gedacht, das würde passen.  :'(

Malinche

@Sprotte: Ich würde nicht sagen, dass die beiden böse sind. Sie haben, sagen wir mal, etwas verschobene Prioritäten, und der eine ist auch nicht übermäßig intelligent. Aber böse würde ich sie nicht nennen ...
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Thaliope

#190
ZitatOffensichtlich haben das die Autoren - ganz automatisch - ebenfalls als ideale Herangehensweise an das Thema gesehen. Und gerade das macht sehr nachdenklich. Denn, wenn es die Mehrheit der Autoren so sieht, müsste das in ähnlicher Weise auch für die Leser gelten. Wenn dann bedenkt, dass es nichts Unangenehmeres gibt, als die Erwartungen von Lesern zu enttäuschen, mit denen diese an einen Titel herangehen, dann bekommt dieser Aspekt noch eine besondere Bedeutung.

Also ... ich als Leser bin nicht unbedingt enttäuscht, wenn mir unter anderem auch Aspekte präsentiert werden, auf die ich nicht direkt von allein gekommen wäre. Im Gegenteil. Was ich sagen will: Nur weil die meisten intuitiv zuerst den Dieb zum Protagonisten machen, heißt das doch nicht, dass nicht auch in anderen Konstellationen interessante Geschichten dabei herauskommen können, die einen anderen Blickwinkel aufzeigen. Es gibt doch kaum etwas Schöneres als Geschichten, die mich überraschen :)

FeeamPC

Ein Dieb, der ein Antagonist ist, das beinhaltet automatisch, dass jemand anderes der Protagonist ist, und dann wäre es keine Diebesgeschichte mehr, sondern eine Ermittler-Geschichte .
Also egal ob gut oder böse, nett oder unnett- der Dieb muss zwangläufig der Protagonist der Geschichte sein. Sonst passt sie nicht zum Label.
So würde ich das als Leser jedenfalls empfinden.

Thaliope

Mich wiederum würde eine Ermittler-Geschichte (wenn es denn wirklich nur das eine oder das andere sein kann) in einem Diebes-Buch nicht stören, weil dadurch eine ganz andere Perspektive auf den Dieb entsteht, als wenn diese Geschichte in einem Ermittler-Buch stünde. (Ähnlich wie ein Titel, der auf den ersten Blick nichts mit der Geschichte zu tun zu haben scheint, eine zweite Bedeutungsebene erschließen kann). Also, man könnte damit ganz interessante Sachen machen, finde ich. Aber wahrscheinlich ist das einfach zu viel erwartet und überambitioniert ;)

Zanoni

Hm ... ich sehe, dass die Sache doch komplizierter ist, als zunächst gedacht.

Also die Begrenzung auf einen Dieb(/Halunken/Gauner/Sonstwas) als Protagonisten ist wirklich zu eng gefasst - das stimmt. Aber es sollte schon eine der Hauptfiguren der Geschichte sein.
Wirklich wichtig ist jedoch, dass es beim Lesen gelingt, eine Sympathie für den Dieb zu entwickeln. Selbst, wenn es sich dabei um eine eher ... böse oder tragische Figur handelt.

Im Grunde ähnelt das der Diskussion, die wir hier im Forum auch schon an anderer Stelle relativ häufig geführt haben: Wie böse darf ein Protagonist/Perspektivträger sein?

Etwas sehr Reizvolles an dem Diebesgeflüster-Konzept ist doch, eine Figur, die im allgemeinen eher der Gruppe der "Bösen" zugeordnet wird, so darzustellen, dass man noch Sympathie zu ihr entwickeln kann. Das funktioniert natürlich umso leichter, je "edler" die Gesinnung der Figur ist (siehe Robin-Hood-Thema). Und je verwerflicher die Gesinnung und seine Handlungen sind, desto schwieriger wird es. Aber wie wir wissen, ist es sehr wichtig, dass die Leser mit der Hauptfigur sympathisieren können. Weil andernfalls das Interesse verloren geht (oder gar nicht erst entsteht), wissen zu wollen, wie es weitergeht. Also das Schlimmste geschieht, was einer Geschichte passieren kann - es interessiert sich niemand dafür.

Selbst, wenn es sich bei der Hauptfigur/Perpektivträger um eine richtig böse Figur handelt, muss es irgendetwas an ihr geben, was man als "gut" betrachten kann. Es gibt ja tatsächlich einige Beispiele (Film oder Buch), in denen solch ein schwieriges Unterfangen gelungen ist. Das kann bspw. ein böser Mensch sein, der beginnt, umzudenken. Die Spannung würde dabei durch die Frage entstehen, ob er das schafft oder scheitert. Es könnte aber auch eine Figur sein, die zwar keinerlei böse Absichten verfolgt, aber dennoch genau das tut. Oder eine irgendeine verquere Logik oder Lebenseinstellung hat, und deswegen sogar meint, sie wäre auf Seiten der Guten. Oder (vermeintliche) Zwänge als Ursache für schlechtes Handeln, oder Unkenntnis, fehlendes Verständnis ... oder, oder, oder. Denkbar ist Vieles. Eine Hauptfigur kann ruhig zwiespältig angelegt sein, also seine guten wie auch schlechten Seiten haben. Genau genommen, macht so etwas die Figur sogar noch deutlich interessanter. Um aber einen Leser für eine Geschichte zu interessieren, muss es jedoch irgendeinen "positiven" Ansatzpunkt geben, der Sympathie und Identifikation mit der Hauptfigur ermöglicht. Andernfalls hat man als Autor verloren.

Ansonsten ... tja, Protagonist/Antagonist ... hm. Die Grenze zwischen beidem würde ich so ziehen, dass man als Leser mit Ersterem mitfiebert und sympathisiert, während Letzterer sich bemüht, den Ersteren am Bestehen seines "Abenteuers" zu behindern. Daher sollte bei einer Geschichte der Diebesgeflüster-Reihe die Sympathie (trotz allem, was geschieht) eher auf Seiten des Diebes sein. Damit fallen alle Geschichten heraus, die eher nach einem klassischen Krimi-Konzept aufgebaut sind. Da ist der "Zwielichtige" von Anfang an der eindeutig Böse, den es zu jagen gilt. Die Sympathien sind daher bei solchen Geschichten immer auf Seiten des "Gerechten" (wobei es natürlich auch etliche Fälle gibt, in denen zusätzlich dazu auch eine gewisse Sympathie mit dem "Zwielichtigen" empfunden wird, aber das ändert nichts an der Grundausrichtung.)

Aber wie gesagt, das Thema ist doch komplexer als gedacht. Einfach nur auf Dieb als Protagonist zu bestehen, bringt nichts. Daher würde ich es jetzt eher so formulieren, dass der Dieb der - oder einer der wesentlichen - Symphatieträger der Geschichte sein muss. Genauso wie beim Krimi der Kommissar/Detektiv der - oder einer der wesentlichen - Sympathieträger sein muss. Wenn eine Geschichte den Eindruck vermittelt, es wäre in ihr anders herum, dann dürfte sie es sehr, sehr schwer bei den Lesern haben.


EDIT: Als ich mit dem Verfassen dieses Beitrags beschäftigt war, sind schon einige Beträge hinzu gekommen, die genau diesen Punkt ansprechen. Diebesgeschichte vs. Ermittlergeschichte. Beides hat seinen Reiz, keine Frage. Aber wie ich immer wieder betone: Enttäuscht niemals die Erwartungen Eurer Leser! Das ist das Allerschlimmste, was man als Autor machen kann. Nicht ohne Grund benutzen viele Autoren verschiedene Pseudonyme für verschiedene Genre und/oder Arten von Geschichten - damit die Leser wissen, was sie jeweils erwarten können!

Zanoni

Kleine Ergänzung:
Vielleicht kennen ja einige von Euch "Die Glasbücher der Traumfresser". Der Auftragskiller, der dort als einer der Sympathieträger auftaucht, ist alles andere als ein "guter" Mensch. Auch sind seine Motive, den wirklich Guten zu helfen, nicht die allerbesten. Aber trotzdem hat es der Autor geschafft, dass man als Leser mit dieser Figur mitfiebert. Das ist für mich ein typisches Beispiel für das oben erwähnte Prinzip.