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Liegt das Schreiben in den Genen?

Begonnen von Hyndara, 28. August 2006, 02:11:01

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Hyndara

@Kalderon:
Warum sollen wir dich schlagen? Ich habe diesen Thread doch nicht eröffnet, damit einer unter die Peitsche muß, sondern, weil es mich interessiert, was andere zu diesem Thema meinen.
Ich muß zugeben, irgendwie sprichst du mir aus der Seele, wenn du sagst, daß die Kreativität zum Schreiben irgendwoher kommt, aber nicht aus den Genen. Auf der anderen Seite - ich gebe jetzt mal das Gegenbeispiel zu vielen hier:

Wie ich geschrieben habe, war mein Urgroßvater Schriftsteller. Naja, besonders reich und berühmt war er nicht, seine Frau mußte dazuverdienen, damit die Familie überhaupt über die Runden kam. Und er hat wohl größtenteils Auftragsarbeiten erledigt. Zumindest, was ich von ihm gelesen habe, waren meiner Ansicht nach Auftragsarbeiten (heute würde man sagen, Werbetexte aus Tourismusbüros).

Aber, okay, wieder zum Thema zurück. Das oben war eigentlich nur als Erklärung gedacht.

Mir ist nicht bekannt, daß jemand zwischen Urgroßvater Schroller und mir sich irgendwie künstlerisch begabt gezeigt hätte (okay, ein nicht geringer Teil meiner Verwandten väterlicherseits kam im 2. Weltkrieg um. Mag sein, daß die irgendwas angelegt hatten, was eventuell irgendeiner Fliegerbombe zum Opfer fiel, keine Ahnung). Handwerk und Sport, das sind die schrollerschen Begabungen. Meine Eltern waren beide Handwerker (Vater Lackierer, Mutter Weberin, später Polizistin), und auch meine Geschwister haben nicht viel Ansinnen in diese Richtung gezeigt. Meine Schwester hat eine kurze Zeit mal gezeichnet, allerdings nur nach Vorlagen. Von meinen Brüdern dagegen sind mir solche Anwandlungen vollkommen unbekannt. Die sind alle mehr oder weniger handwerklich/technisch begabt.

Tja, und dann  kam ich: Zeichnen, malen (abgebrochene Ausbildung im Aquarellieren), diverse Musikinstrumente (war in drei verschiedenen Bands, habe da die Songs geschrieben und größtenteils auch allein für die Demos eingespielt) - angefangen bei Flöte, Klavier, Gitarre, Trompete, Geige, Schlagzeug etc. - , Gesang (obige drei Bands und eine Zeitlang im Chor) und das Schreiben. Muß ich erwähnen, daß mich bis heute keiner aus meiner Familie so wirklich versteht?

Es wurde zwar groß rumgetönt von meinem Vater, aber gleichzeitig auch klipp und klar festgelegt, daß ich auch ja keine wie auch immer geartete künstlerische Karriere startete. Angefangen bei "brotloser Kunst" ging es über "solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst" bis zu "warum verschwendest du deine Zeit damit? Da kommt doch eh nichts bei raus".

Im Endeffekt habe ich eine ungeliebte Lehre gemacht, stecke beim Schreiben ständig in einem Zwiespalt und habe mich entschieden (okay, auf die harte Tour gelernt, aber immerhin), daß ich von Veröffentlichungen doch besser die Finger lasse. Das Malen/Zeichnen habe ich schon wesentlich eher an den Nagel gehängt, obwohl das wohl das einzige wirklich vorzeigbare ist mit zwei Preisen auf Landesebene gegenüber einer handvoll Veröffentlichungen in Fanzines und Mini-Anthos.

Mein Resumee aus der Angelegenheit:
Sollte es irgendein künstlerisches Gen geben, hat es in meiner Familie wohl einige Generationen übersprungen. Und genau deswegen glaube ich nicht daran, daß es soetwas gibt. Die Veranlagung für Krankheiten kann zwar ebenfalls Generationen überspringen, ist aber im Gegensatz zur Kreativität nachgewiesen und immer im Genom vorhanden (meines Wissens).

Lastalda

Das mit den Genen ist so eine Sache. Man weiß ja inzwischen, dass für die meisten Faktoren nicht etwa nur ein Gen, sondern mehrere ganz verschiedene verantwortlich sind, die sich z.T. gegenseitig regulieren. Das trifft besonders auf Verhaltensweisen zu (und ja: es gibt Gene für bestimmte Verhaltensweisen, die sind durchaus nachgewiesen - nur forscht man auf diesem Gebiet noch nicht lange genug, um wirklich umfassende Aussagen machen zu können, außerdem ist die Foraschung schwierig, weil man ja kaum am Menschen forschen kann).
Wenn wir also annehmen (nur als Arbeitshypothese), dass eine gewisse künstlerisch/kreative Neigung von verschiedenen genen codiert wird, ist es durchaus gut möglich, dass mehrere davon rezessiv vorliegen und das Ganze somit mehrere Generationen überspringt.
(Tschuldigung für's klugscheißen - ich schreib in 3 Stunden genetik-Vordiplom, hatte in letzter Zeit entspechend zu viel Input zu dem Thema *versteck*)

Zusätzölich wundert mich die von vielen genannte und anscheinend als selbstverständlich empfundene Gegensätzlichkeit zwischen naturwissenschaftlich/nadwerklichen und künstlerischen Menschen. Nur weil man seine Brötchen nicht mit Kunst verdient, ist man doch nicht zwangsläufig unkreativ! Nur weil man wissenschaftlich und logisch denkt und einen sowas interessiert, hat man nicht automatisch keinen Sinn für's Künstlerisch-Kreative! (Da kenne ich persönlich eine Menge Gegenbeispiele und schließe mich dabei ein.)
Ein "tumber" Handwerker kann seine Kreativität (so vorhanden) doch auch im Beruf umsetzen, dazu muss er kein künstler werden. Zumal das sich-künstlerisch-betätigen für die meisten Menschen doch eher Hobby als Broterwerb ist, und man da vieles nicht mitkriegt.

Natürlich spielen die Erfahrungen, die man macht, und das Umfeld, in dem man aufwächst, ebenfalls eine gigantische Rolle, besonders darin, wie[/i) sich Kreativität Luft macht. Jemand, dessen Leben von negativen Ereignissen geprägt ist, hat sicherlich eher das Bedürfnis nach einem Ventil, wofür sich so ziemlich jede Form von Kunst eignet.

Von daher@Kalderon: natürlich schreiben wir nicht, weil es in unseren Genen liegt, sonst müssten Kinder von Autoren ja fast immer Autoren werden. Wir schreiben, weil wir das Bedürfnis dazu haben, und kreativ auszuleben, etwas zu erschaffen. Aber ich glaube nicht, dass sich das mit der wahrscheinlichen Existenz von gewissen Erbanalagen ausschließt. :)

Arielen

Ich weiß es definitiv nicht. Wenn ich mir meine Familie so anschaue, bin ich der einzige Aussenseiter unter ihnen, die einzige Autorin und Zeichnerin, keiner, aber auch wirklich keiner zeigt künstlerische oder schriftstellerische Neigungen.
Mein Wissen bezieht sich allerdings nur auf die Generationen bis zurück zu meinem Großmüttern. Meine Großväter sind beide im 2. Weltkrieg gefallen, von ihnen weiß ich nicht einmal die Vornamen, und wenn sie oder ihre Vorfahren etwas waren, dann weiß ich das nicht und die Gene haben sich wenn erst nach vier oder 5 Generationen wieder bei mir gezeigt.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Manja_Bindig

Wie gesagt, ich denke, dass die ANLAGEN erblich sind.
Nicht zur Kreativität allgemein, die hat - sage ich mal - jeder Mensch mehr oder weniger(oder wie erklärt ihr, dass meine Mom ziemlich gutes Zeug aus 10 Sorten Maggi-Tüten zusammenpamt? Ganz spontan ohne anleitung)
Ich meine die Anlagen zum Ventil. die sind vorhanden.
Es kommt darauf an, ob wir sie nutzen wollen/können(stichwort Krieg - mein Uropa war musiker - aber auch erst nach dem Krieg. Davor hatte er anderes im Kopf. Überleben zum Beispiel).
Die Vorstellung nur von den Genen beherrscht zu werden, ohne, dass etwas wirklich von "mir" ist... nein, die Vorstellung schreckt mich sehr ab.

Rei

Zitat von: Manja_Bindig am 29. August 2006, 09:28:57
Die Vorstellung nur von den Genen beherrscht zu werden, ohne, dass etwas wirklich von "mir" ist... nein, die Vorstellung schreckt mich sehr ab.
Wieso denn? Dafür sind die Gene doch da, um uns zu lenken und zu führen... Naja, um uns wenigstens auf den richtigen Weg zu bringen.

Manja_Bindig

Die Gene sind dazu da, dass ein Hund aussieht wie ien Hund und nicht wie ein Krokofant. Sie geben Richtlinien a.
Mehr nicht und das st gut so.
Mir behagt der Gedanke nicht, das ALLES, was ich bin, was ich mache und was ich gern hab in meinen Genen festgeschrieben sein soll. Wo bleibt denn da meine persönliche Entwickung?

Rei

Auch wieder wahr, aber ich muß zugeben, daß mich dieser Gedanke nicht wirklich beunruhigt. *schulterzuck*

Lomax

Zitat von: Manja_Bindig am 29. August 2006, 10:20:13
Mir behagt der Gedanke nicht, das ALLES, was ich bin, was ich mache und was ich gern hab in meinen Genen festgeschrieben sein soll. Wo bleibt denn da meine persönliche Entwickung?
Deine Gene sind ein Teil von dir, genau wie deine Hände und dein Gehirn. Ich finde es schon seltsam, dass manch einer sich "fremdbeherrscht" fühlt, wenn seine Gene etwas bewirken - aber keiner auf die Idee kommt, etwas ist ja nicht von ihm, nur weil seine Hände es gefertigt oder sein Gehirn sich ausgedacht hat ;D

Linda

@Lastalda

ZitatZusätzölich wundert mich die von vielen genannte und anscheinend als selbstverständlich empfundene Gegensätzlichkeit zwischen naturwissenschaftlich/nadwerklichen und künstlerischen Menschen. Nur weil man seine Brötchen nicht mit Kunst verdient, ist man doch nicht zwangsläufig unkreativ! Nur weil man wissenschaftlich und logisch denkt und einen sowas interessiert, hat man nicht automatisch keinen Sinn für's Künstlerisch-Kreative! (Da kenne ich persönlich eine Menge Gegenbeispiele und schließe mich dabei ein.)

*unterstreich*

ich bin der Ansicht, dass man logische Fähigkeiten geradezu benötigt, um überhaupt schreiben zu können. Und daran scheitern m. E. auch so einige, die tolle Ideen haben und sich phantastische Plots ausdenken, denen allerdings eines fehlt - die innere Logik :-) Wenn nicht inhaltlich eines aus dem anderen folgt, wenn sich Figuren nicht folgerichtig entwickeln, dann ist das nur eine Aneinanderreihung von einzelnen Szenen aber kein stringentes Werk.
Viele Werkzeuge des Denkapparates braucht man ebenso in der Wissenschaft wie in der Kreativität. - Wie ich an anderer Stelle schon mal geschrieben habe, es gibt nur "kreatives Schreiben" und kein unkreatives :-)
Nun gut, allerdings ist Logik für ich eben auch keine Weltanschauung, sondern  ein nützliches Werkzeug zum Auseinandernehmen der Welt und Zusammensetzen eigener Konstrukte.

Gruß,

Linda

Lastalda

Logik ist ja auch keine Weltanschauung. Es ist eine Art, zu denken, Kausalität herzustellen und zu erkennen.

Zitat von: Manja_Bindig am 29. August 2006, 10:20:13
Mir behagt der Gedanke nicht, das ALLES, was ich bin, was ich mache und was ich gern hab in meinen Genen festgeschrieben sein soll. Wo bleibt denn da meine persönliche Entwickung?
Kein Mensch (zumindest keiner, der weiß, was ein Gen ist) behauptet, dass alles, was Du bist, in Deinen Genen steckt. Das ist blanker Unsinn. Gene geben eine Reaktionsnorm vor, eine Art Handlungsspielraum. Sie sorgen dafür, dass ein Mensch eben zum Beispiel ein gutes Sprachgefühl hat und Sprachen mit einer Leichtigkeit lernt, die anderen unverständlich ist. Andere haben geschickte Hände. Wieder andere haben ein groeßes intuitives Verständnis für Musik. Sie meisten Menschen liegen irgendwo dazwischen.
Dass es solche Talente gibt, wird keiner bezweifeln wollen, denke ich. Genau das ist es, womit man geboren wird, ein Talent.
Aber Talent alleine bringt einem gar nichts, wenn man nie dazu kommt, es zu benutzen und zu trainieren. Übung und Handwerkszeug gehört dazu, um sozusagen den Rohdiamanten zu schleifen, ebenso wie die Erfahrungen, die wir machen, ja einen Großteil unserer Persönlichkeit ausmachen, was sich wiederum darauf auswirkt, welche unserer vielen Anlagen und Talente sich entfalten.
Und die Erfahrungen, die Du machst, stehen ganz sicher NICHT in Deinen Genen, oder?

Und ich kann es nur wiederholen: es ist ganz sicher nicht EIN Gen - also Marke "der hat das Gen, der wird ein Künstler, der hat es nicht, der wird keiner". Der Mensch hat schätzungsweise 32 000 Gene, die sich fast alle irgendwie gegenseitig beeinflussen. Da ist ne Menge Platz für SEHR komplexe Zusammenhänge und Abstufungen, um einen sehr großen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen Spielraum ist.

Möchtegernautorin

Zitat von: Lastalda am 29. August 2006, 06:42:19
Wenn wir also annehmen (nur als Arbeitshypothese), dass eine gewisse künstlerisch/kreative Neigung von verschiedenen genen codiert wird, ist es durchaus gut möglich, dass mehrere davon rezessiv vorliegen und das Ganze somit mehrere Generationen überspringt.

Das wäre wohl auch meine nächste Überlegung gewesen.
Ob das nun stimmt oder nicht sei einmal dahingestellt. Es scheint zwar so zu sein, dass die Gene viel Einfluss haben, aber wenn man sich die Verhaltensforschung anschaut, wird in dieser auch viel bewiesen. Teilweise widerspricht es sich sogar. DEmnach ist es meiner Meinung nach wahrscheinlich eine nicht eindeutige Mischung aus beidem.

Was das Thema angeht, dass jemand der Wissenschaftler ist nicht auch schreiben kann, das verneine ich sicherlich nicht. Ich komme ja selbst mit den Naturwissenschaften gut zurecht. Das Beispiel meines Opas ist nun jedoch so: Er ist Physiker und schreibt realistische Science Fiction. Es ist auch nicht uninteressant, was er schreibt, aber an seinen Charakteren muss er noch arbeiten.
Was jemand für einen Hintergrund hat, der zu Schreiben anfäng, wichtig dabei ist doch, dass er es auch tut und nicht nur, weil es profitabel oder etwas ähnliches ist, sondern weil man es gerne tut.


Her plants and flowers, they're never the same - Blue and silver, it's all her gain
flying dragons, an enchanted would - She decides, she creates
It's her reality
Within Temptation - "World of Make Believe"

Linda

Zitat von: Lastalda am 29. August 2006, 14:43:46
Logik ist ja auch keine Weltanschauung. Es ist eine Art, zu denken, Kausalität herzustellen und zu erkennen.

aber erklär das mal einem Vulkanier :-)

Elena

Hm... Ich gebe zu dem Thema auch mal meinen Senf dazu.
In meiner Familie bin ich sowohl künstlerisch an sich, als auch im Schreiben insbesonders völlig unvorbelastet. Mein Vater ist Mathematiker, meine Mutter Sportlerin, von meinen Großeltern hat nur meine Großmutter im Alter angefangen, zu malen, und das auch nur kurz.

Was die Frage nach den Genen angeht, bin ich ein bisschen zwiegespalten. Ich bin in einem Haus voller Bücher und ohne Fernsehen aufgewachsen, meine Eltern haben mir immer vorgelesen und ich so schnell wie möglich selbst lesen gelernt. Das Schreiben selbst war also nicht da, aber die Bücher, und das macht eine Menge aus. So ähnlich wird es wohl auch mit Rebecca Hohlbein gewesen sein, wenn man den ganzen Tag von Büchern umgeben ist und die Eltern schreiben, kommt man einfach in Berührung mit dieser Materie. Was man daraus macht, ist eine andere Frage, aber der Sprung ist wesentlich leichter, als wenn man mit Bücher nichts am Hut hat.
Auf der anderen Seite ist es das alleine nun auch wieder nicht. Meine Mutter als Sportlerin schleppte meinen Bruder und mich jede Woche zweimal mit zum Turnen, und keiner von uns betätigt sich freiwillig sportlich. Wir sind da einfach anders gepolt.
Und obwohl wir beide die Kinder unserer Eltern sind, hat mein Bruder mit Malen und Schreiben nichts am Hut. Gut, er zeichnet ab und zu mal, aber er ist mit Leib und Seele Informatiker, womit ich gar nichts anfangen kann.

Ich denke, es hat eine Menge mit "Vorbelastung" zu tun, was Interessen angeht, und "fehlende Gene" werden einen Menschen nicht davon abhalten, sich für Dinge zu begeistern, für die sich die eigenen Eltern oder Verwandten nicht begeistern.

Liebe Grüße,

Elena

Manja_Bindig

@Lastalda:
So wie du es erklärst, sehe ich es ja.
Aber es gibt eben Menschen, die alles an mir, auch meinen Charakter, meinen Genen zuschreiben. Und DAS ist es, was mich wirklich ein bisschen... ähm... ängstigt.
(gut - meine Tante ist ohnehin so ein Fan von Descartes, da wundert mich das auch nicht)

Arielen

Tja, asber ich bin immr noch so klug wie zuvor. Sollten wir aber mit der Professorenfamilie (Mathe und Geschichte) weitläufig verwandt sein, dann erklärt das zumindest meinen Hang zur Logik und meine Liebe zur Vergangenheit.
Alles liegt im Auge des Betrachters