Ich bin mit Personenbeschreibungen immer extremst zurückhaltend. Das hängt wieder mit meiner Vorliebe für die Perspektive zusammen - warum sollte das Aussehen einer Person beschrieben werden, die der Erleber gut kennt, seine Mutter zum Beispiel? Treten dagegen Fremde auf, muß ich mir die Frage stellen: Worauf achtet der Erleber? Was fällt ihm auf? Widmet er dieser Person überhaupt einen zweiten Blick? Und wieviel nimmt er wahr?
Dies entstand quasi als Gegenbewegung zu einer Szene, die Tobias auf einem Runenkratztreffen vorlas. Es war folgende Situation: Das Bauernmädchen Mara wurde auf eine Burg gebracht. Am anderen Morgen wird sie von Lärm wach, tritt ans Fenster und sieht, wie die Ritter zum Turnier eintreffen.
Und was dann folgte, war die Beschreibung der Ritter. Jedes einzelnen (gefühlt: Tausend). Mit Standarte, Wappen, Farben, Gesicht, Bart und Pferd. Die Szene zog sich über Seiten hin.
Uns Zuhöreren war klar: Alles, was die arme Mara in dem Moment wahrnimmt, ist ein Meer von Rittern. Alle Details gehen unter in der schieren Masse.
Eine andere Unart von Tobias, die mir das Beschreiben ausgetrieben hat, war Nadijas Mantel. Tobias schrieb auch perspektivisch, und er hatte den interessanten Ansatz, daß jeder Erleber, der eine Person neu kennenlernt, sie auch beschreiben darf - selbst wenn der Leser sie schon kennt, und schon weiß, wie sie aussieht, und was sie anhat. Und so lernen wir Nadijas Mantel, weiß, mit roter Verbrämung, kennen, und kennen, und kennen, bis er uns aus den Ohren herauskommt.
Daher geize ich mit Beschreibungen. Auch wenn ich ganz klare Vorstellungen davon habe, wie meine Figuren aussehen - zumindest, was ihre Gesichter angeht. Für Kleidung interessiere ich mich nicht so sehr, dementsprechend schwer fällt es mir, zu beschreiben, was die Leute anhaben.
Eine ausführliche Beschreibung sieht dementsprechend bei mir etwa so aus:
Erst sah er nur den Elomar über sich. Dann ein Gesicht - ein Mann in den Dreißigern, mit strähnigem, rötlichbraunen Haar, das nach vorne fiel, als er sich über Alexander beugte und ihn mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete. Die Augen waren hell und bernsteinfarben und paßten gut in das schmale Gesicht, das man nicht als schön bezeichnen können, das aber nicht anders hätte sein dürfen. Die Nase eine Spur zu lang, das Kinn eine Spur zu spitz - aber man würde auch an keinem anderen Ort der Welt einen Menschen von perfekter Schönheit finden, dieses Privileg blieb allein den Engelsgeborenen vorbehalten.
Die hellen Augen verweilten keine zwei Momente an einer Stelle, ihr Blick huschte hin und her, Alexanders Körper hinauf und hinunter, bis es Alexander zuviel wurde und er sich aufsetzte.
Bei den Hauptfiguren habe ich oft das Problem, an welchen Stellen ist ihr Aussehen einfließen lassen kann. Es ist so abgedroschen, sie vor einen Spiegel zu stellen und Monologe halten zu lassen. Daher kommen da die Beschreibungen in kleinen Puzzelstücken über das Buch verteilt. Das ist mir auch vom Lesen her lieber als seitenlange Details. Auch, wenn wir dann erst später erfahren, daß die Heldin wallendes Haar von der Farbe wilden Flachses hat... Dafür lenkt einen dann auch nichts von der Handlung ab.