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Die Kussszene

Begonnen von Sorella, 25. März 2012, 16:29:24

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Sorella

Weil ich selber gerade an einem Punkt meiner Geschichte bin, an der sich ein Kuss geradezu aufdrängt, habe ich nach Inspiration im Netz gesucht und folgende nette Anleitung/Sichtweise zur gelungenen Kussszene gefunden:

http://hilfe.hpffa.de/index.php/Die_Kuss-Szene#Handwerkszeug

Für meine Jugendbuchgeschichte finde ich die Sichtweise "weniger ist mehr" sehr treffend und habe die Szene nun im Kasten. Trotzdem würde mich jetzt interessieren, wann ihr eine Kussszene als gelungen bezeichnen würdet. Was sind no-go´s? Mit welchen Mitteln vermeidet ihr flache Kussszenen?  :hmmm: Wie schafft man es, den Kribbelfaktor zu erzeugen?

Ich freue mich auf Tipps und Anregungen.

Rynn

#1
Mir ist in solchen Szenen immer die Innensicht viel wichtiger als der eigentliche Kuss. Ich sehe davon ab, einzelne Zungenbewegungen darzustellen, sondern beschreibe lieber die Gedanken und Gefühle, die der Küssende dabei hat. Das Beschriebene soll für mich auf jeden Fall mehr die Gefühlswelt beleuchten, als den Schwerpunkt auf die körperlichen Handlungen zu legen. Nebenbei kann dann das, was beschrieben wird, die Figuren weiter charakterisieren: Wer initiiert den Kuss, wer beendet ihn? Lassen die beiden die Hände in den Hosentaschen oder umarmen sie sich? Solche Dinge zu streifen, finde ich wichtiger, obwohl man es auch da nicht übertreiben sollte.
So ein Schwerpunkt auf Gedanken und Gefühlen ist, glaube ich, vor allem im Jugendbuchbereich oft anzutreffen. Bei Büchern, die ein erwachsenes Publikum anziehen sollen, kann die Gewichtung dann natürlich auch etwas mehr in Richtung Körperliches gehen. Aber selbst da brauche ich persönlich keine genaue Beschreibung, wer gerade wo seine Zunge hat.
»Dude, suckin' at something is the first step to being sorta good at something.« – Jake The Dog

Kati

Das ist aber ein schönes Thema. Ich finde "Weniger ist mehr" ist eine gute Devise, mit der man nicht nur in Jugendbüchern gut fährt. Wer will in einer romantischen Szene denn wissen, wer genau was wie und warum macht? Das finde ich viel zu flach und "technisch". Ein vages "Er küsste sie" hingegen ist aber auch nicht der richtige Weg. Ich finde, man kann bei sowas auch ruhig mal ein bisschen schwafeln und mit den Gefühlen der Protas und Vergleichen arbeiten. Was ich bei Kussszenen auch immer wichtig finde ist, was vorraus geht. Welche Situation und welche Geschehnisse führen dazu? Wer sind die beiden und was denken sie voneinander?

Was ich neben der eigentlichen Szene auch sehr schwer finde, ist den richtigen Zeitpunkt im Plot abzupassen. Ich hatte in meinem Projekt drei Ansätze, habe aber bloß den letzten wahrgenommen, weil sich die anderen beiden irgendwie unpassend angefühlt haben.

Arcor

Ich kann euch beiden nur zustimmen. Weniger ist dabei definitiv oft mehr, gerade was den eigentlichen Kuss angeht. Wichtiger sind definitiv die Emotionen und Gedanken der handelnden Person, vorallem vor dem eigentlichen Kuss und danach, sofern das dargestellt werden soll und der Kuss nicht als Szenenende fungiert.

Wobei es natürlich auch darauf ankommt, wie viel Gewicht dem Kuss beikommt. Ist es der erste Kuss zwischen zwei Figuren? Dann sollte ihm der entsprechende Raum gegeben werden, zumindest wenn er romantisch sein soll. Wenn er nur flüchtig ist, sollte er auch nur flüchtig beschrieben werden. Dann können die nachfolgenden Gedanken und Gefühle umso mehr Raum bekommen. Sind die beiden Figuren bereits ein Paar, kann die emotionale Bedeutung eventuell etwas zurückgefahren werden, ebenso, wenn der Kuss an sich nichts zu bedeuten hat.

@Kati
Den Zeitpunkt zu treffen ist definitiv eine Kunst. Ich glaube, da bin ich auch noch ein gutes Stück entfernt.  :) Was aber auch, gerade bei Kurzgeschichten, eine gute Möglichkeit ist, ist es, den Kuss oder die Chance auf einen Kuss anzudeuten, darauf hinzuarbeiten und dann nicht darzustellen, ob er erfolgt oder nicht. Das bleibt dann dem Leser und seiner Neigung und Phantasie überlassen.
Not every story is meant to be told.
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Faye - Finding Paradise

Rynn

#4
Zitat von: Arcor am 25. März 2012, 16:53:11
Wobei es natürlich auch darauf ankommt, wie viel Gewicht dem Kuss beikommt. Ist es der erste Kuss zwischen zwei Figuren? Dann sollte ihm der entsprechende Raum gegeben werden, zumindest wenn er romantisch sein soll. Wenn er nur flüchtig ist, sollte er auch nur flüchtig beschrieben werden. Dann können die nachfolgenden Gedanken und Gefühle umso mehr Raum bekommen. Sind die beiden Figuren bereits ein Paar, kann die emotionale Bedeutung eventuell etwas zurückgefahren werden, ebenso, wenn der Kuss an sich nichts zu bedeuten hat.
Oh, ja! Das ist ein guter Hinweis, das finde ich auch sehr wichtig. Wenn es in einem Roman schon der dritte, vierte, fünfte Kuss ist oder wenn die Figuren schon zu Beginn des Romans in einer Beziehung sind, dann darf der auch gerne mit einem "Sie küssten sich." abgehandelt werden, maximal noch mit ein oder zwei folgenden Gedanken der Figur.
Ich bin bei meiner Antwort natürlich automatisch vom ersten, bedeutungsvollen Kuss ausgegangen. Aber es gibt ja auch noch andere Küsse als die ersten, die auch angemessen geschrieben werden sollten. ;D
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Melenis

#5
Meiner Meinung nach sollte man so eine Kussszene immer dem Charakter anpassen, der gerade die Perspektive hat. Von da gibt es natürlich 1000 Möglichkeiten, je nachdem, wie der Chara halt so gepolt ist und wie die Kussszene rüberkommen soll.
Ich hatte mal einen Protagonistin, die von einem viel älteren Mann geliebt wurde, von dem sie aber nichts wollte und wirklich nur freundschaftliche Gefühle hatte, sie wusste aber von seinen Gefühlen und hat dann nachgegeben und ihm seinen Kuss gewährt. Nur bin ich bis heute nicht ganz sicher, ob die Szene wirklich 100% so rübergekommen ist, wie ich es mir ursprünglich gedacht habe. Von dem her ist das schon ein spannendes Thema und ich glaube in so eine Kussszene kann man so viel reinbringen, viel mehr nur als das reine Küssen, und es lohnt sich schon, mal über den Tellerrand zu schauen und nicht immer die gleichen Metaphern und Vergleiche zu benutzen.

Alana

Vielen Dank für den Link, Sorella. Der ist sehr interessant.

Ich sehe es auch so, dass weniger mehr ist. Irgendwelche Beschreibungen von Zungen, die an der Mundschleimhaut entlangstreifen (kommt in letzter Zeit sehr oft vor) versuche ich als Leser immer zu ignorieren. Ich beschreibe maximal die Interaktion der Lippen ( da gibt es einige recht schöne Möglichkeiten, finde ich). Dann können Hände ja auch ganz gut eingesetzt werden und man kann sich aneinander drängen etc.
Für mich entsteht viel vom dem Kribbelgefühl aus der Szene vor dem Kuss. Zum Einen aus dem ganzen bisherigen Plot, da muss schon Spannung da sein, der Leser muss wollen, dass sie sich jetzt unbedingt küssen. Und zum Anderen aus der direkten Situation vor dem Kuss, aus einem Dialog z.B. oder daraus, in welcher Pose die Charaktere zueinander stehen, wie ihre Körpersprache ist. Also versuche ich, das kurz zu beschreiben, ohne dass es technisch rüber kommt. Und dann finde ich sehr wichtig, dass der Leser auch die Gefühle der Person erkennen kann, die nicht der Perspektiv-Träger ist. Durch die Art, wie er/sie küsst oder was er/sie vielleicht noch davor sagt oder sich verhält, bewegt etc.
Insgesamt finde ich es wirklich schwierig und ich habe keine Ahnung ob mir das so gelingt, wie ich mir das vorstelle.

Alhambrana

Churke

Zitat von: Alana am 25. März 2012, 17:44:40
Für mich entsteht viel vom dem Kribbelgefühl aus der Szene vor dem Kuss.

Ein sehr guter Punkt. Eigentlich hängt alles von der Situation ab. "Sie küssten sich" ist immer gleich, aber die Umstände...  Je nach Intention können aber auch viele der "So-bitte-nicht!"- Beispiele der Sache den gewollten Pepp verleihen.  ;D 

Mogylein

Zitat von: Rynn am 25. März 2012, 17:00:29
Oh, ja! Das ist ein guter Hinweis, das finde ich auch sehr wichtig. Wenn es in einem Roman schon der dritte, vierte, fünfte Kuss ist oder wenn die Figuren schon zu Beginn des Romans in einer Beziehung sind, dann darf der auch gerne mit einem "Sie küssten sich." abgehandelt werden, maximal noch mit ein oder zwei folgenden Gedanken der Figur.

Naja, nur, weil man bereits ein Paar ist, heißt das nicht, dass sämtliche Küsse alle "Leichtgewicht" sind. Obwohl es nicht mehr der erste Kuss ist, gibt es wohl in jeder Beziehung zusätzlich ein paar sehr emotionale, sehr bedeutsame Küsse (die meiner Meinung nach oft dem ersten Kuss in nichts nachstehen). Beispielsweise wenn es Probleme in der Beziehung gibt, und man den Partner wieder an sich ranlässt. Oder wenn einer der beiden ein eigenes emotionales Problem hat und ein starker Kuss kommt, der bedeutet "Es hat nichts mit dir zu tun". Ein Kuss im richtigen Augenblick, wenn man sich gerade unerträglich hässlich findet. Der Kuss bei der Hochzeit. Wenn jemand die magischen drei Worte nicht sagen kann und stattdessen einen Kuss benutzt.
Alles wichtige Küsse, die nicht die ersten sind - und die zumindest in meinen Romanen auch nicht weniger Raum bekommen.

Handwerklich finde ich Kussszenen schwierig, denn es gilt, den richtigen Ton anzuschlagen, das Warten lang, aber nicht zu lang zu machen und bloß nicht mit unschönen Satzkonstruktionen die Magie aus dem Augenblick zu stehlen. Ich versuche, einen Kuss so zu beschreiben, wie ich ihn fühle - meistens habe ich die Augen zu, also kann ich nicht sagen, ob ihm das Blut in die Wangen schießt oder wie genau sich seine Lippen auf meine Lippen pressen. Aber ich rieche ihn ganz nah bei mir, höre wie mein Blut in den Ohren rauscht und spüre das Kribbeln in meinen Fingerspitzen. Ich finde, diese kleinen Sensationen zu beschreiben, ist viel wichtiger, als was genau passiert - denn die meisten Leute haben schon Mal geküsst und wissen, dass dabei meistens mehr passiert, als nur ein paar rosige Hautstückchen aufeinander zu pressen.
   "Weeks of Writing can save you hours of plotting."
- abgewandeltes Programmiersprichwort

Sprotte

ZitatAber ich rieche ihn ganz nah bei mir, höre wie mein Blut in den Ohren rauscht und spüre das Kribbeln in meinen Fingerspitzen. Ich finde, diese kleinen Sensationen zu beschreiben, ist viel wichtiger, als was genau passiert - denn die meisten Leute haben schon Mal geküsst und wissen, dass dabei meistens mehr passiert, als nur ein paar rosige Hautstückchen aufeinander zu pressen.
Das unterschreibe ich mal vollkommen. Ich habe eben gesucht: Die Kußszene in Juran ist sieben (!) Normseiten lang. Da passiert definitiv mehr als nur Lippenpressen und das Atmen dabei nicht vergessen.
Duft des anderen Körpers, Wärme, der eigene Herzschlag, der einem fast die Kehle zuschnürt etc.

Rynn

#10
Zitat von: Mogylein am 25. März 2012, 19:09:58
Naja, nur, weil man bereits ein Paar ist, heißt das nicht, dass sämtliche Küsse alle "Leichtgewicht" sind. Obwohl es nicht mehr der erste Kuss ist, gibt es wohl in jeder Beziehung zusätzlich ein paar sehr emotionale, sehr bedeutsame Küsse (die meiner Meinung nach oft dem ersten Kuss in nichts nachstehen). Beispielsweise wenn es Probleme in der Beziehung gibt, und man den Partner wieder an sich ranlässt. Oder wenn einer der beiden ein eigenes emotionales Problem hat und ein starker Kuss kommt, der bedeutet "Es hat nichts mit dir zu tun". Ein Kuss im richtigen Augenblick, wenn man sich gerade unerträglich hässlich findet. Der Kuss bei der Hochzeit. Wenn jemand die magischen drei Worte nicht sagen kann und stattdessen einen Kuss benutzt.
Alles wichtige Küsse, die nicht die ersten sind - und die zumindest in meinen Romanen auch nicht weniger Raum bekommen.
Wenn das so klang, als ob ich das anders sähe, dann habe ich mich etwas unklar ausgedrückt. Was ich meinte: 'Normale', sprich: unwichtige, Küsse sollte man auch nicht um des Kusses willen seitenweise auswälzen. Natürlich gibt es viele verschiedene wichtige Küsse, die ihren Platz bekommen sollten, da stimme ich dir auf jeden Fall zu.
Was ich sagen wollte: Wenn Figuren sich ein Buch über wieder und wieder küssen und ich mir dann jedes Mal seitenlange Beschreibungen dazu durchlesen muss, finde ich das unnötig; ganz abgesehen davon, dass sich das dann auch schnell abnutzt. Da sollte man staffeln, wann der Roman eine längere Beschreibung verlangt und wann nicht.
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Churke

Zitat von: Sprotte am 25. März 2012, 19:16:56
Das unterschreibe ich mal vollkommen. Ich habe eben gesucht: Die Kußszene in Juran ist sieben (!) Normseiten lang.

Da fange ich dann irgendann an vorzublätter. Man soll es mit der ROMANtasy nicht übertreiben.  ;D

Arcor

Zitat von: Sprotte am 25. März 2012, 19:16:56
Die Kußszene in Juran ist sieben (!) Normseiten lang. Da passiert definitiv mehr als nur Lippenpressen und das Atmen dabei nicht vergessen.

Kommt dabei auf den Schreibstil an, aber mir geht es da wie Churke. Das könnte mir zu lang sein für einen einzigen Kuss. Wenn da noch Dialog dabei ist, der darauf hinführt, mag es gehen, aber reine Beschreibung der Gedanken und Gefühle wäre mir zu lang.
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Faye - Finding Paradise

Sprotte

#13
Es ist definitiv mehr dabei. Sonst hätte ich mich schon beim Schreiben gelangweilt. Schön, daß ich damit nicht alleine stehe. Ich schreibe eine Kußszene auch nicht des Knutschens wegen alleine. Ich möchte schon mehr im Gesamtkontext damit bewegen.

Calysta

Also ich finde Kussszenen unglaublich erotisch. Zumindest kann einem da ganz schön der Magen flau werden ... wenn sie richtig geschrieben ist. Also ich hatte schon Kussszenen von einer Seite bis hin zu 3 Zeilen gelesen (veröffentlichte Roman, merke ich an, von bekannten Autoren).
Was ich schön finde ist, wenn man den Atem des anderen schmecken kann oder sie sich ganz lange in die Augen schauen, bevor sie sich gegenseitig sanft mit der Zungenspitze über die Lippen fahren und um Einlass bitten  ;)
Hier gilt allerdings das Gleich wie für Sexszenen: manchmal ist weniger mehr. Explizit ist ein Kuss ein genau so großer Graus wie eine erotisierende Sexszene. Es muss die richtige Dosis sein und vor allem muss das Timing bei allem stimmen. Von dem tiefen Blick in die Augen, das Spüren und Schmecken des Atems, bis hin zu den Gefühlen, die sich dabei im Prota ausbreiten. Die eigentliche Knutscherei wird dann ganz schnell Nebensache, wenn der Leser überglücklich ist, wenn sich das Kribbeln im Bauch einstellt - ist mir bisher nur bei 3 Büchern passiert.

Ich lese solche Szenen gerne meinem Testpublikum vor, um die Wirkung zu testen (meist Mädels). Das hilft sehr, wenn die Testpersonen rote Ohren bekommen oder aber einen anstarren, als hätte man etwas aus einem Ein-Hand-Roman vorgelesen  ;) Und meist bespreche ich danach dann die Szene mit meinen Testhörerinnen, um zu ergründen, warum dies und das und jenes in die Hose gegangen ist.