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Welche Sprache spricht jemand aus dem 14. Jahrhundert?

Begonnen von Nightingale, 05. März 2012, 20:40:08

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Kati

Der Titel ist ganz doof, ich weiß, aber ich wusste leider nicht, wie ich es anders ausdrücken sollte. Das Problem ist Folgendes: Mein nächstes Projekt wird ein in England spielender Zeitreiseroman. Es gibt eine Szene in der es meine Prota ins vierzehnte Jahrhundert verschlägt und damals sprach man in England Middle English. Meine Prota, die aus unserer Gegenwart stammt, versteht natürlich kaum ein Wort. Und ich habe jetzt leider keine Ahnung, wie ich das, was die Menschen dort zu ihr sagen, ausschreiben soll.

Einfach in normalem Deutsch? Aber das geht ja nicht, weil sie die Leute ja nicht versteht. In Middle English, obwohl der Roman ansonsten in Deutsch geschrieben wird? Oder auf Mittelhochdeutsch?

Wie würdet ihr das lösen? Oder welche Lösung würde euch beim Lesen am wenigsten stören?

Maran

Gegenfrage: Ist es wichtig, daß der Leser versteht, was gesagt wird?

Mit meinem Hang zum Perfektionismus  :pfanne: tendiere ich zum Middle English, da es auch so wunderbar und ohne große Worte das Dilemma verdeutlichen würde, in dem Dein Prota steckt. Wenn es aber um für den Leser wichtige Infos geht, dürfte sich dieser Weg als schwierig erweisen.

Alana

Ich kann dazu nur meine laihenhafte Meinung als Leser beisteuern.
Wenn sie wirklich gar nichts verstehen soll, dann würde ich wohl tatsächlich zu Middle English tendieren. Wenn sie und somit der Leser ab und an ein Bröckchen verstehen sollen, würde ich auch beim Middle English bleiben und sie im Kopf übersetzen lassen. Wenn es aber mit der Zeit mehr ist als nur hier und da ein Wort, fände ich ein vielleicht stellenweise etwas modernisiertes Mittelhochdeutsch eine ganz gute Alternative. Es wird ja oft auch so gehandhabt, dass der erste Satz der fremden Sprache original dargestellt ist um darauf hinzuweisen und danach in normalen bzw. in diesem Fall vielleicht in leicht angestaubtem Deutsch weiter geschrieben wird.
Alhambrana

Sunflower

Wenn sie wirklich nichts verstehen soll, würde ich wirklich in Middle English schreiben. Man sieht in Büchern ja öfter, dass Ausländer auch wirklich in ihrer Sprache sprechen. Der Leser versteht dann auch öfters nichts, aber das tut die Prota ja auch nicht. Aber wenn das zu aufwändig ist oder dir nicht gefällt, dann würde ich auf Mittelhochdeutsch schreiben.

Edit: Maran und Alana waren schneller :)
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Maran

Zur Not kann man die Übersetzung ja in einen Anhang packen, fällt mir gerade ein.

Malinche

Ich würde nicht alles ausschreiben. Wenn sie sowieso kaum ein Wort versteht, fände ich das unrealistisch. Wenn man Kauderwelsch hört, differenziert man da nicht so klar. Ausschreiben würde ich einzelne Worte oder Phrasen, die sie vielleicht aufschnappt, und ja, das dann auf Middle English. Wenn die Leute irgendwann merken, dass sie nicht versteht, werden sie sich ja sicher noch auf andere Weise behelfen - per Zeichensprache?

Falls deine Prota sich dann irgendwann besser ins Middle English einfindet und auch mehr versteht, würde ich dann ein altertümliches Deutsch wählen, vielleicht angelehnt ans Mittelhochdeutsche, um auszudrücken, dass diese Leute "anders" sprechen. Also ungefähr so wie Alana das beschrieben hat.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Ryadne

Zitat von: Alana am 05. März 2012, 20:46:28
Es wird ja oft auch so gehandhabt, dass der erste Satz der fremden Sprache original dargestellt ist um darauf hinzuweisen und danach in normalen bzw. in diesem Fall vielleicht in leicht angestaubtem Deutsch weiter geschrieben wird.

Das wäre auch mein Vorschlag gewesen. Vielleicht kannst du das auf Deutsch geschriebene ja noch durch Kursivschrift oder so als "Fremdsprache" kennzeichnen.

Einen Anhang finde ich in solchen Fällen störend, weil man dann dauernd rumblättern muss, wenn man was wissen will. Also, wenn das jetzt nur ab und zu vorkommt, dann geht das, aber wenn sich deine Leute jetzt über mehrere Seiten oder gar Kapitel in Middle English unterhalten, dürfte das schon sehr anstrengend werden.

KaPunkt

Ich schließe mich Maliche in allen Punkten ausgenommen eines:
Falls deine Prota mit der Zeit ein gewisses Verständnis für die Sprache entwickelt, wäre ich schwer begeistert, die 13. Kriger Methode angewandt zu sehen.
Fall du den Film nicht kennst: Ein Araber findet sich plötzlich allein in einer Gruppe Wikinger wieder. Er versteht kein wort und verbringt die nächsten Wochen damit, einfach nur zuzuhören und zu beobachten. Mit der Zeit versteht er immer mehr Worte. Das wird so umgesetzt, dass die Wikinger ihre eigene, unverständliche Sprache sprechen und dann mit der Zeit immer mehr Brocken in verständlicher Sprache auftauchen. Do you verstehst?

Liebe Grüße,
KaPunkt
She is serene
with the grace and gentleness of
the warrior
the spear the harp the book the butterfly
are equal
in her hands.
(Diane di Prima)

Kati

Verstehen muss der Leser nichts, Eliza soll nicht mit vielen Leuten sprechen. Ich möchte nur verdeutlichen, dass man damals anders gesprochen hat, damit klar ist, warum Eliza keinen nach dem Weg fragt und so. Die verstehen sie ja auch nicht. Sie bleibt auch nicht lange da, sie landet nur hin und wieder aus Versehen nicht in ihrer gewünschten Zeit.  :darth:

Dann tendiere ich momentan auch zum Middle English. Es müssen ja auch nur kleine Brocken sein, nur um zu verdeutlichen, dass es kein modernes Englisch ist.

Steffi

Zitat von: Malinche am 05. März 2012, 20:50:10
würde ich dann ein altertümliches Deutsch wählen, vielleicht angelehnt ans Mittelhochdeutsche

Aus klugscheißerischen Gründen möchte ich nur erwähnen, dass die Gute bei "richtigem" Mittelhochdeutsch (und nicht das, was auf Mittelaltermärkten gern als Mittelhochdeutsch ausgegeben wird) auch kein Wort verstehen würde ;)

Ansonsten schließe ich mich Malinche aber an, ich würde es wohl ähnlich halten.
Sic parvis magna

Adam_Charvelll

Zitat von: Steffi am 05. März 2012, 21:03:34
Aus klugscheißerischen Gründen möchte ich nur erwähnen, dass die Gute bei "richtigem" Mittelhochdeutsch (und nicht das, was auf Mittelaltermärkten gern als Mittelhochdeutsch ausgegeben wird) auch kein Wort verstehen würde ;)

Also ich finde, dass man Mittelhochdeutsch (und auch Middle English) ziemlich gut verstehen kann. Wenn mans laut vorliest sind die meisten Satzfetzen eigentlich recht schnell entschlüsselt. Insofern denke ich, dass man auch ungefähr verstehen würde, was gemeint ist.

Andere Frage: Kannst du denn Mittelhochdeutsch? oder Middle English? Lesen und Entziffern ist ja eine Sache, aber selbst regelkonform verfassen ist viel schwieriger, denke ich!

Wenn du dem Leser die Gelegenheit geben willst, die Sätze nach 20-30 Sekunden selbst entschlüsseln zu können, würde ich die Mhd empfehlen. Ansonsten Middle English, da man da schon länger dran sitzt und es eventuell schnell aufgibt, es zu entschlüsseln.

Kati

Ich habe ein Semester Deutsch studiert, ein bisschen Mittelhochdeutsch kann ich. Die drei, vier Sätze in Middle English würde ich mir wohl von jemandem übersetzen lassen, der Ahnung hat. Ich muss auch gestehen, dass ich kaum Mittelhochdeutsch verstanden habe, bevor ich es ein Semester lang gehört habe. Vielleicht hier und da ein Wort, aber eine Bedeutung konnte ich da nie erfassen.  :versteck: Man sagt immer, ich hätte Sprachgefühl, aber ich glaube das nicht.  ;D

Na ja, eigentlich muss der Leser gar nicht verstehen, was da gesagt wird. Eliza landet mitten auf einem Marktplatz und wird gefragt, was sie da macht, wer sie ist, was sie will. Sie bleibt ja auch nicht lang. Es soll nur authentisch aussehen. Es soll ja das richtige Mittelalter sein, in dem sie landet und keine Phantasiewelt. 


Arielen

Zitat von: Kati am 05. März 2012, 22:22:59
Ich habe ein Semester Deutsch studiert, ein bisschen Mittelhochdeutsch kann ich. Die drei, vier Sätze in Middle English würde ich mir wohl von jemandem übersetzen lassen, der Ahnung hat. Ich muss auch gestehen, dass ich kaum Mittelhochdeutsch verstanden habe, bevor ich es ein Semester lang gehört habe. Vielleicht hier und da ein Wort, aber eine Bedeutung konnte ich da nie erfassen.  :versteck: Man sagt immer, ich hätte Sprachgefühl, aber ich glaube das nicht.  ;D

Na ja, eigentlich muss der Leser gar nicht verstehen, was da gesagt wird. Eliza landet mitten auf einem Marktplatz und wird gefragt, was sie da macht, wer sie ist, was sie will. Sie bleibt ja auch nicht lang. Es soll nur authentisch aussehen. Es soll ja das richtige Mittelalter sein, in dem sie landet und keine Phantasiewelt.

Dann ist doch alles klar - wenn der Leser eh nichts verstehen muss, dann kannst du doch gut ein paar Sätze in Mittelhochdeutsch oder -englisch einfügen, weil sie dem Ambiente dienen und nicht mehr. Du kannst sie allenfalls dann auch noch später "ahnen lassen", dass die Leute so gewirkt haben, als wollten sie wissen, wer sie sei und was sie hier wolle, dann hast du den Bogen geschlagen. Mehr würde ich nicht machen.
Alles liegt im Auge des Betrachters

chaosqueen

Als ehemalige Studentin der Literaturwissenschaft (Deutsch und Englisch ;)) und als Perfektionistun empfehle ich, tatsächlich Mittelenglisch zu nehmen - denn zumindest ich als Leser würde mich fragen, warum die Menschen um sie herum Mittelhochdeutsch sprechen, wenn es sie nach England verschlagen hat.

Im Übrigen finde ich die Idee toll, ich mag Bücher, in denen auch mal gezeigt wird, dass sich die Menschen rund um den Globus eben nicht alle automatisch verstehen, sondern dass es Sprachbarrieren gibt. Und wenn dann noch jemand aus einer anderen Zeit ankommt, versteht dieser erstmal gar nichts. - Gerade in manchen TV-Produktionen landen die Leute ja im Mittelalter und können sich mit ein paar Klamotten tarnen, die Sprache ist die gleiche wie heutzutage. Da fasse ich mir immer an den Kopf!

Falls Du Hilfe brauchst, kann ich gerne schauen, was ich noch hinbekomme, meine Bücher hab ich alle noch, und einfache Sätze sollten sich basteln lassen - allerdings ist das, was uns aus dem Mittelenglischen / Mittelhochdeutschen erhalten geblieben ist, natürlich Schriftsprache und entspricht damit auch nur begrenzt dem, was auf der Straße gesprochen wurde, aber das wird sich nicht ändern lassen. Mit Chaucer kommt man vermutlich ganz gut ans Original, weil er in den Canterbury Tales sehr verschiedene Menschen zusammenbringt, die - wenn ich mich richtig erinnere - auch durchaus unterschiedlich gestochen sprechen (manche eben sehr viel weniger). ;)

Rika

Erstmal - bravo für das Darstellen der Sprachbarriere! :)
Dann schliesse ich mich definitiv auch den Middle English Befürwortern an, würde das allerdings sehr in Grenzen halten, allenfalls nur ganz kurze Phrasen direkt einbinden (ggf lautmalerisch leicht abgewandelt a'la wie es sich für sie ungefähr anhört), ansonsten nur beschreibend erwähnen, dass sie die Leute halt nicht versteht. Lange Sätze wären da nur ablenkend und frustrierend für mich als Leser. Einige wenige Worte oder Phrasen, die der Darstellung von "unverständliche Sprache" dienen tragen zur "Farbe" und Echtheit des Ambientes bei.