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Wie detailliert recherchiert ihr?

Begonnen von HauntingWitch, 08. Dezember 2011, 15:08:36

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Sorella

Ich finde auch, dass es die Mischung macht. Ich schreibe Urban Fantasy. Manche Kapitel handeln an ganz bestimmten Orten in der realen Stadt. Die muss ich wirklich ausführlich recherchieren. Manche Szenen spielen in Wohnhäusern, Gassen, Supermärkten - die sind wohl in jeder deutschen Stadt verhältnismäßig gleich, da brauche ich nicht zu recherchieren, sondern schreibe aus meinem Erfahrungsschatz heraus.

Allerdings sind mir die gut recherchierten Kapitel mit coolen Settings die allerliebsten, auch wenn sie eine Heidenarbeit machen. Gerade schreibe ich ein Kapitel in einer ganz speziellen Großraumdisco. Die habe ich ausführlich recherchiert, aber umbenannt in SixSixSix  ;D  - weil ich was Teuflisches gebraucht habe  :darth:.

Serisamara

Also ich muss schon sagen, ja ihr habt Recht.

Aber ich muss dazu sagen, ich recherchiere zwar auch aber nicht wirklich intensiv. Ich habe bei mir in der Story mehrere Orte in verschiedenen Ländern. Und ja ich hab mir Fotos von der Stadt angeschaut, nur bleiben meine Charas nicht lange an einem Ort. zumindest jetzt noch nicht. Und an dem Ort, wo sie sich länger aufhalten, hab ich ein Schloss im Wald von Frankreich erfunden, weil ich keins gefunden hab, was mir richtig zusagt, oder weil die Schlösser nicht  bewohnt sind und sie von Touristen besucht werden. Das wird bei mir nicht gehen. Also hab ich ein Schloss erfunden, welches in einem großen Waldgebiet verborgen liegt.

Ist das schlimm? Ich frage nur, da ich es sonst abändern muss ;-)

HauntingWitch

Zitat von: Thaliope am 08. Dezember 2011, 15:24:45
Die Entscheidung, ob ich recherchiere oder erfinde, sollte aber auf jeden Fall vom gewünschten Effekt abhängig gemacht werden und nicht aus Angst vor zu viel Arbeit fallen.

Das ist ein wertvoller Hinweis, danke. Ich hatte nämlich bislang zu viel Angst vor zu viel Aufwand und gar nicht daran gedacht, dass das den Effekt so massiv beeinflussen könnte.

Zitat von: TheaEvanda am 08. Dezember 2011, 15:29:44
Orte wo die Bösen wohnen/hantieren/agieren MÜSSEN erfunden sein.
Orte, wo die Guten wohnen/hantieren/agieren DÜRFEN erfunden sein.

Das leuchtet mir ein, ich werde es mir merken.

Zu der Dichte: Ein Teil davon leuchtet mir ein und ist mir auch klar. Natürlich möchte ich keinen Leser mit Details darüber erschlagen, wie viele Meter sich zwischen dem Bahnhof Zürich Altstetten und der Strasse, wo mein Prota wohnt, ziehen. Natürlich erzähle ich dem Leser auch nicht, wie viele Fenster ein Grossmünster oder eine Frauenkirche hat. Da stimme ich völlig zu. ;) Aber ich finde, ob die nun von besagtem Bahnhof nach Hause zwei Stunden oder eineinhalb Stunden zu Fuss gehen, kommt dann schon wieder drauf an. Aber das auch nur, weil ich einheimisch bin und mich bei dem längeren Weg fragen würde, ob die denn da nicht extrem langsam sind. Dann wiederum kenne ich den exakten Weg aber selbst nicht, also wird es wohl kaum eine Rolle spielen. Kommt aber dann der einzige Zürcher Leser, der zufällig dieselbe Distanz jeden Tag geht, und sagt: Hey, du, Witch, aber... dann komme ich mir blöd vor, zumal ich ja im Prinzip selbst einheimisch bin. Gut, das ist jetzt ein sehr einfaches Beispiel und war auch einfach herauszufinden in Zeiten von Google Maps. ;)

Aber das wäre mir fast wieder eine eigene Frage wert, einfach vom Leser-Aspekt her: Wie viel Detail geht, ab wann ist es zu viel?

Zitat von: Malinche am 08. Dezember 2011, 15:26:36
Carlos Ruiz Zafón hat das im »Schatten des Windes« sehr schön vorgemacht: Er beschreibt ein sehr reales Barcelona, teilweise auch mit ganz genauen Ortsangaben, aber wenn man hinfahren und nachsehen würde, würde man feststellen, dass es an der Adresse dann doch keine kleine Buchhandlung oder eine verfallene Villa gibt. Und das stört selbstverständlich niemanden.

Bei Ruiz Zafón funktioniert das, weil er Barcelona kennt und beschreiben kann. Und ich denke, genau das ist der Punkt.

Ein enorm wertvoller Hinweis. Ich war jetzt nämlich genau aus demselben Grund die ganze Zeit im Zwist. Geht das, auch wenn jetzt da an dieser Strasse tatsächlich kein Haus mit genau dieser Farbe steht oder ist das schon wieder zuu unrealistisch? [OT] Das Buch liegt übrigens noch auf meinem Stapel ungelesener Bücher und wird in dem Fall bald verschlungen. [/OT]

Zitat von: Malinche am 08. Dezember 2011, 15:26:36
Wenn es nur darum geht, dass er unter der Hand einen Job bekommt, reicht Erfinden vielleicht aus. Wenn es für den Plot und den Prota auch wichtig ist, was für einen Job er bekommt, könnte man durchaus noch mal gucken. Wenn es z.B. ein Bauarbeiter sein soll, findet man doch ziemlich schnell heraus, ob es in der Zeit irgendwelche Großbauprojekte gegeben hat ... Ich finde es sehr reizvoll, Fiktion und Realität bei so etwas zu mischen. Ich mag das bei Büchern auch ganz gerne, wenn Fiktives auf diese Weise real unterfüttert wird. Es kann dem Leser, wenn man es gut macht, meiner Meinung nach eben vermitteln, dass der Autor sorgfältig recherchiert hat und weiß, wovon er spricht.

Es ist absolut plottragend, was für ein Job er bekommt. Nun muss ich aber sowieso noch recherchieren, ob mein geplantes Szenario für diesen Beruf überhaupt erst realistisch ist. Das mit dem Mischen ist ein paar Gedanken wert.  :hmmm:

@Grey: Ich habe vor ein paar Wochen an einer Leserunde teilgenommen, da kam in dem Buch ein merkwürdiger Stoff vor (später ein Medikament). Jedenfalls hat die Prota an diesem geleckt, mit der Zunge, um herauszufinden, was es genau ist. Die Prota war geübte, ehemalige CIA-Agentin. Wir haben das alle einfach so hingenommen, weil ja, sieht man ja in den Filmen immer und dann schreibt die einzige Biochemikerin in der Leserunde dazu, dass das absoluter Quatsch sei  und alle diese Filme falsch seien. Etwas Dümmeres könne man nicht machen.

Da dachte ich dann auch so: Hm, okay. Eben, bei mir wäre das wohl der einzige Zürcher-Altstetter oder so, aber das spielt ja dann im Detail keine Rolle. Obwohl ich zwar jetzt Angst habe, dass mir so etwas eventuell auch irgendwann einmal passieren könnte, schreckt mich halt ein gewisses Mass an Aufwand schon ab. Wobei, es dann einfach weniger genau zu beschreiben, ist auch blöd, oder? Dann fehlt dem Leser wieder die Vorstellung...

@Lomax: Nun, in Sachen Kritik denke ich, es wird immer mindestens einen geben, der irgendetwas auszusetzen hat, selbst wenn man detailliert recherchiert hat und sachlich absolut korrekt ist. Dann wird ihn etwas anderes stören. Inwiefern ich damit umgehen könnte, wenn ich schlecht recherchiert hätte, habe ich mir allerdings noch nie überlegt. Auch hier danke für den Hinweis.

@all: Das mit dem "richtigen Flair" gibt einigen Aufschluss, danke. :) Dass es glaubwürdig sein muss, steht ausser Frage, ich war mir nur nicht sicher, ab welchem Punkt das kippt. Aber langsam erschliesst es sich mir.

Arcor

Ich stimme Tanrien zu. Wenn das Schmieden z.B. unwichtig für die Handlung ist, braucht man es nur wenig zu recherchieren. Im Film wäre das etwas anderes, aber im Buch muss man den Blick nicht auf Sachen lenken, die keine Rolle spielen.

Wenn es hingegen eine Rolle spielt oder eine Tätigkeit beschrieben wird, sollte das bitteschön schon so recherchiert worden sein, dass man keine Anfängerfehler macht.
Für meine neue Geschichte brauche ich z.B. Hintergrundwissen über's Segeln. Verschiedene Segeltechniken kenne ich inzwischen, da ich entsprechende Literatur zuhause habe. Aber dennoch werde ich mich nochmal auf die Suche begeben, um für die benötigten Schiffstypen das Interior herauszufinden, da ich das nur von anderen Typen weiß und es doch sehr unterschiedlich ist.

Aber einen Wolf muss man sich nicht recherchieren, v.A. für Fantasy nicht. Niemand wird merken, ob man etwas von Segeln versteht, wenn die Protagonisten nur durch einen Hafen laufen.  ;)
Not every story is meant to be told.
Some are meant to be kept.


Faye - Finding Paradise

Serisamara

@witch, mein Freund ist ITler und rauft sich immer die Haare, wenn in Filmen oder Serien die sogenannten Hacker ganz schnell und einfach mal sich irgendwo reinhacken. Oder wenn in z.B. CSI die Leute ein kleines Bild 100fach vergrößern und dann ein glasklares Bild des Verbrechers erscheint. Er erklärt mir auch immer warum das nicht geht ( ich vergesse es nur ständig) . Aber er sagt auch, das es halt ein Film ist.

Das mir nochmal dazu.

Dogtales

Zitat von: Arcor am 08. Dezember 2011, 16:23:47
Aber einen Wolf muss man sich nicht recherchieren, v.A. für Fantasy nicht. Niemand wird merken, ob man etwas von Segeln versteht, wenn die Protagonisten nur durch einen Hafen laufen.  ;)

Sehe ich genau so.
Wenn mein Prota aus einer Stoff-verarbeitenden Familie stammen würde, dann müsste ich recherchieren von wo der Stoff kommt, wie er gewonnen, verarbeitet, gefärbt, was auch immer wird. Dann würde ich da aber auch Herzblut reinstecken und alles genau wissen wollen. Wenn er aber nur eine Hose kauft, dann wird ihn (und den Leser) die Herstellung wohl wenig interessieren.

Im Prinzip versuche ich, von allem einen gewissen Grundstock an Wissen zu haben. Und nur da, wo es wirklich notwendig wird, tiefer zu gehen und weiter zu recherchieren.

Das jedoch nur für Fantasy. Ich wage zu behaupten, dass auch ein Fantasy-Leser eine ganz andere Erwartungshaltung hat, als Leser von SF oder Historischen Romanen. Wenn ich in einem Buch lese, wie eine Brücke oder ein Dom gebaut werden, dann verlange ich auch, dass die Informationen die der Autor mir vorlegt stimmig sind.
Wenn eine Protagonistin in der Steinzeit ganz viele tolle Dinge erfindet, Kulturen und Völker überwindet und zusammenführt und kurz davor steht, das Rad zu erfinden, dann glaube ich das nicht. Auch dann nicht, wenn die Autorin sich intensiv mit der Epoche beschäftigt hat und den Rest halbwegs stimmig rübergebracht hat.

Es stellt sich mir aber auch die Frage, kann man zu viel recherchieren?
Ich meine, irgendwann gibt es vielleicht ein zuviel des Guten, man ist versucht, Wissen zu übermitteln, dass der Leser nicht braucht oder das vielleicht sogar den Lesefluss oder die Glaubwürdigkeit stören würde, obwohl es an sich korrekt ist.

Das fällt mir nämlich ein, weil ich meinte, nachdem mein Freund und ich Breaking Dawn gesehen haben, das Ausdrucksverhalten der (Wer-)Wölfe stimmt nicht mit ihrem Verhalten und Gedanken überein. Ein Detail, was mir auffällt, weil ich mich damit intensiv beschäftigt habe. Ein Detail, dass die Wölfe für mich unglaubwürdig gemacht hat und das Empfinden des Films negativ beeinflusst hat. Mein Freund jedoch meinte, es würde die Dramatik beeinflussen, wenn sie sich "korrekt" verhielten, da der Zuschauer Zähne und Speichel und böse, böse Wölfe sehen wollte.
Gut, das war jetzt beim Film, aber vielleicht gilt das auch beim Roman?

HauntingWitch

Zitat von: Dogtales am 09. Dezember 2011, 13:17:17
Gut, das war jetzt beim Film, aber vielleicht gilt das auch beim Roman?

Ja, habe ich sogar schon gelesen. Da stand in einem Vampirbuch, dass das Blut in einer riesigen Fontäne herausspritzt, wenn die Halsschlagader aufgerissen wird. Das ist medizinisch korrekt, dieses Blut müsste spritzen und der guten Dame über Haut und Kleider fliessen, bis sie die Wunde nicht mehr spürt vor Nässe. Aber ich als Vampirfan, will ich, dass der Vampir so schlechte Tischmanieren hat? Nein, natürlich nicht, ich will einen, der dieses Blut alles sofort in seinen Mund führt und zwar gefälligst ohne zu kleckern. Versuch das mal (also nein, natürlich nicht in Realität!!), das geht praktisch nicht. Auch der geübteste Vampir wäre rein physisch nicht in der Lage, so viel Blut auf einmal aufzusaugen oder da wegzulecken. Aber als Leser ist mir das Piepegal, denn ein Vampir hat elegant und agil zu sein, da gibt es nichts zu rütteln.  ;D

Also ja, kann man. Ich frage mich auch immer, wo ist die Grenze zur Allgemeinbildung? Wann nötige ich meinem Leser zuviel Information auf, die er aber eigentlich sowieso schon besitzt? Ich weiss nicht, ob das noch zum Thema gehört, finde ich aber auch sehr schwierig.

Alana

#22
Ich sehe das so, wie wohl die meisten hier. Manches muss einfach stimmen. Medizinisches zum Beispiel. Oder auch Pflanzen. Naütrlich kann ich eine Pflanze erfinden, aber wenn ich über eine existierende Pflanze schreibe, dann möchte ich auch, dass die Daten stimmen. Wenn ich über eine andere Zeit schreibe, muss es nicht total akkurat sein, aber es muss möglich sein. Bis zu einem gewissen Grad natürlich. Wenn man sich nicht ganz konkret dafür entscheidet, die Regeln so richtig zu brechen. Das ist ja eigentlich auch das reizvolle daran. Wenn man immer nur schreiben würde, was wirklich passiert oder passiert ist, dann wäre es ja eine Nacherzählung und kein Roman. Aber um die Grenzen zu sprengen, muss man eben auch eine gewisse Menge an Wissen haben.
Wieviel hängt für mich vom Genre, von der Zielgruppe und von der Vorkommenshäufigkeit im Roman ab. Ich schreibe keine historischen Romane, deshalb recherchiere ich meistens solange, bis ich etwas finde, mit dem ich arbeiten kann und das ausreicht, um die Geschichte logisch und authentisch erscheinen zu lassen.

@Dogtales: Das ist definitiv so, wie dein Freund sagt. Ich habe mal eine Doku über genau solche absichtlich falschen Fakten in Filmen gesehen. Zum Beispiel gibt es da das Phänomen des Einschusslochs. Das Blut läuft immer auf der Seite raus, wo der Zuschauer ist. Der Dramatik wegen. Müsste aber, soweit ich mich erinnere, da rauslaufen, wo die Kugel austritt.

@Tanrien: Ich mache das auch so. Ich schreibe erst ein Gerüst, informiere mich teilweise während des Schreibens ein wenig und recherchiere dann erst hinterher richtig. Ich habe vor, das dann jetzt beim editieren umzusetzen. Das hängt aber auch damit zusammen, dass ich wenig Plotte und oft erst beim schreiben merke, was ich überhaupt an Fakten brauche. Bei meinem Nano-Roman habe ich vorher nicht gewusst, dass ich einiges aus dem Mittelalter brauchen würde.

Alhambrana

Darielle

Guten Morgen.

ZitatIch schreibe erst ein Gerüst, informiere mich teilweise während des Schreibens ein wenig und recherchiere dann erst hinterher richtig.

Diese Arbeitsweise ist mir früher auch angenehmer gewesen. Inzwischen gehöre ich zu denen, die am liebsten plotten und das "spontane, freie Schreiben" eher als lästiges Tippen betrachten. Nein, natürlich überrascht einen der Charakter hier und da, aber gerade - da schließe ich mich eurer Meinung an - wenn es um recht "reale" Welten geht, der Effekt gar erzielt werden soll, dass sich der Leser direkt hineinversetzen kann, weil er weiß wie eine Villa oder ein Zaun aussieht, dann muss gründlich recherchiert werden.
Ich schließe mich erst jetzt diesem Thema an, obgleich ich schon öfter hier mitgelesen habe. Der Fakt, dass ich meine Shadows vor nunmehr einem Jahr aus einer witzigen Idee heraus geboren und einfach mal so eben getippt habe, lässt mich jetzt daran zweifeln wie sinnvoll das war. Keine Frage, eine Szene zu schreiben und dann zu wissen, dass man genau das weiter verfolgen möchte, ist reizvoll. Viel erträglicher erscheint es mir aber, erst gründlich zu recherchieren und dann zu plotten. Erst am Ende, wenn der Plot lückenlos und detailreich genug erscheint - in logischer Abfolge ohne Haken wohlgemerkt, dann kann das Tippen beginnen.
Ich sehe mich besonders bei den Shadows immer wieder mit dem Gedanken konfrontiert, dass ich ja erst noch recherchieren muss, um bestimmte Szenen nachträglich einfügen zu können. Wenn ich kein Material, kein Wissen zu der Materie habe, fällt mir das Tippen, ja das Erzählen, ausgesprochen schwer. Ich werde unsicher und möchte am liebsten nochmal nachschauen.
So habe ich zum umstrittenen Wohl des NaNo die Shadows inklusive Recherchen gänzlich eingefroren, um sie jetzt wieder auszugraben. Ja, einmal in den Zoo fahren und intensiv forschen, das ist mir aktuell nicht möglich. Zwar kann ich mich inzwischen auf verschollen geglaubte Schätze in Buchform beziehen, es ist doch aber nicht das gleiche. Es erzeugt nicht das Gefühl, die Grundstimmung die ich brauche.

Anders bei den Falva. Ja, auch hier recherchiere ich vorher. Aber nicht so akribisch. Ich möchte mit beiden Werken auf gesellschaftliche Missstände hinweisen, liebe aber gerade bei den Falva die Freiheit, meine Welt entgegen irdisch-logischen Gesetzen aufzubauen. Die Hintergrundrecherchen können fast nebenher stattfinden.
Allein, weil ich die Vorgehensweise als leichtgängiger, einfacher organisierbar und mit mehr Durchhaltepotential schätze, würde ich sie jedem Interessierten zumindest zeigen wollen. Ob derjenige sie umsetzt, bleibt ihm überlassen. Jedoch könnte ich auch bei reiner Fantasy nicht gänzlich drauf los schreiben. Das macht es zugegeben sehr schwer und ich komme vor allem mit den Shadows gelegentlich an meine Grenzen, wenn ich die kargen Ressourcen anschaue und mich frage auf welchen vorzeigbaren Quellen ich meine Arbeit aufbauen soll. Trotzdem. Ich glaube, wenn man wirklich an den Recherchen interessiert ist, sich dafür begeistert, dann fällt es nicht schwer an dem Projekt als Ganzes festzuhalten und nachhaltig voranzukommen.

ZitatEs stellt sich mir aber auch die Frage, kann man zu viel recherchieren?
Ich meine, irgendwann gibt es vielleicht ein zuviel des Guten, man ist versucht, Wissen zu übermitteln, dass der Leser nicht braucht oder das vielleicht sogar den Lesefluss oder die Glaubwürdigkeit stören würde, obwohl es an sich korrekt ist.

Ganz genau das Gefühl hatte ich bei den "Säulen der Erde". Der Anfang war spannend, aber als ich merkte, dass es nur um die Technik ging, wie dieses Ding nun gebaut werden sollte, da ließ ich das Buch sinken. Ok, hätte man mir vorher gesagt, dass dieser Roman was für Architekten ist und nicht für jemanden, der eine spannende Geschichte erwartet, hätte ich es von Beginn an nicht gelesen. Den Spagat zu finden, ist schwierig, aber nicht unmöglich. Wo war das nochmal mit der Formel von der Beziehung zwischen Aktionssätzen und Beschreibungen? Ich glaube, dass auch das eine Rolle spielt - bei allzu viel Beschreibung bleibt immer noch etwas auf der Strecke, wahrscheinlich zu Anfang irgendwo der Leser. Was ich mir vorgenommen habe, ist das Wissen nur unterschwellig durchschauen zu lassen. Ich gebe der Handlung dabei den Vortritt, auf die Gefahr hin, dass der Leser am Ende immer noch nachfragen wird. Aber das darf er. Denn ich möchte ausreichend recherchieren, um diese eventuell kritischen Fragen problemlos beantworten zu können.

Und um nochmal das Beispiel mit der Stadt aufzugreifen - man darf mich nicht fragen in welcher Stadt all diese Grausamkeiten spielen. Ich würde mir gar nicht trauen, das einer Stadt anzuhängen. Davon abgesehen, dass das Institut und auch die dahinterstehenden Sponsoren rein fiktiv sind. Ich würde mich wahrscheinlich auch nicht wohl fühlen bei dem Gedanken, diese Straße entlang gehen zu müssen, ganz real. Selbst wenn dort kein Haus steht. Hinzu kommt, dass ich mir eine bestimmte Dichte/ Struktur der Stadt vorstelle - ich bin nicht sicher, wo ich genau diese finden würde. An dieser Stelle steht für mich die Geschichte wieder im Vordergrund. Es geht nicht darum, wo es passiert, sondern was und wem. Das stellt sich bei reiner Fantasy wahrscheinlich wieder anders dar, aber so weit bin ich noch nicht. Was die Erschaffung der Falva-Welt anbelangt, so bin ich noch ganz am Anfang des Lernprozesses. Das einzige was ich letztlich über den Ort allgemein wissen muss, ist, dass er irgendwo in Deutschland liegt und nicht etwa in Brasilien - denn dann würde sich doch auch die Intention zu stark verändern.

Ich glaube, ich rede hier grad drumrum... Dazu muss ich mir auf jeden Fall noch einmal Gedanken machen.  :-X

Erdbeere

Bei gewissen Dingen kann ich aus meinem eigenen Erfahrungsschatz oder aus meinem direkten Umfeld zehren, was sehr praktisch ist. Segeln ist da so ein Beispiel: Meine Mutter hat den Hochseeschein, ist leidenschaftliche Seglerin und hat mich als Jugendliche dazu verdonnert, Kurse zu nehmen. Ich habe es gehasst, aber immerhin weiss ich, wie es sich anfühlt, bei starkem Wind alleine und in Panik in einer kleinen, wackligen Nussschale zu sitzen. Dies und vor allem mein Aufwachsen in den Bergen und meine Leidenschaft für die Natur haben mir auch sehr viel über Wetter beigebracht.
In meinem Umfeld habe ich mehrere Reiter (eine Freundin reitet sogar Western), ich habe Sänger und Piloten, Spiritisten und Biologen, Anwälte und Elektroniker. Wenn ich ein konkretes Problem habe und mit den Recherchen nicht mehr weiter komme, finde ich meist jemanden, der mein Problem auseinander nehmen kann und mir helfen kann, da derjenige die Fachperson ist.

Ich finde, Recherchen helfen einem nicht nur, seinen Roman plausibel und logisch zu gestalten, sondern erweitern auch das persönliche Wissen. Man hat schliesslich nie ausgelernt. Es ist immer wieder amüsant, wenn Leute mich irritiert anschauen und fragen, woher ich denn das jetzt wieder wüsste. Ich zucke dann nur mit den Schultern und sage, ich hätte mich eben mal damit beschäftigt. Zudem liebe ich es, mein Hirn zu füttern. 8) Es ist ja nicht so "zwanghaft" wie damals in der Schule, sondern auf freiwilliger Basis, und vielleicht macht genau das den Reiz für mich aus. Wenn ich jetzt, wie aktuell der Fall, Budapest Ende des 19. Jahrhunderts als Setting brauche, so wälze ich eben Bücher aus der Bibliothek, verbringe Stunden im Internet, bevor ich auch nur einen Satz schreibe. Ich habe da, wie Malinche so schön gesagt hat, einen hohen Anspruch an mich selbst, bis ich zufrieden bin und das Setting atmosphärisch, stimmig und glaubwürdig rüberbringen kann, auch wenn es sich um Fantasy handelt.

Komisch ist nur, dass, obwohl ich in Zürich lebe, ich die Stadt jetzt nie als Setting brauchen könnte. Es fühlt sich einfach seltsam an, meine Figuren durch die mir so vertrauten Viertel gehen zu lassen. Zürich ist nicht sooo klein, aber doch zu klein, um in meinen Augen Setting für Urban Fantasy zu bilden. Da gehe ich lieber nach New York, Berlin, London oder Tokyo. Keine Ahnung, warum, aber ich habe auch das Gefühl, dass deutsche Grossstädter nicht unbedingt ein Buch lesen wollen, das in der kleinen Schweiz spielt. Mag ich ja nicht mal selbst. Meine Mutter hat mir gestern grad ein Buch gezeigt (Krimi, schweizer Autor), in dessen Eingangskapitel die Figur beschreibt, wo sie her kommt - aus meinem Heimatdorf, verdammt, und das ist wirklich ein Kaff in den Bergen. Klar hat mein Herz geklingelt bei all den vertrauten, regionalen Namen, die nur wir kennen, die dort aufwuchsen, trotzdem grauste es mir davor, es zu lesen.

@Witch: Da ich auch mal in Altstetten gewohnt habe, würde ich dir auch auf die Finger klopfen, wenn du deinen Prota den falschen Bus nehmen lässt. ;D

HauntingWitch

Zitat von: Erdbeere am 14. Dezember 2011, 12:39:46
Komisch ist nur, dass, obwohl ich in Zürich lebe, ich die Stadt jetzt nie als Setting brauchen könnte. Es fühlt sich einfach seltsam an, meine Figuren durch die mir so vertrauten Viertel gehen zu lassen. Zürich ist nicht sooo klein, aber doch zu klein, um in meinen Augen Setting für Urban Fantasy zu bilden. Da gehe ich lieber nach New York, Berlin, London oder Tokyo. Keine Ahnung, warum, aber ich habe auch das Gefühl, dass deutsche Grossstädter nicht unbedingt ein Buch lesen wollen, das in der kleinen Schweiz spielt.

Genau deshalb schreibe ich eins.  ;) Und genau das Gleiche dachte ich anfangs auch: Zürich kennst du zu gut, Zürich ist zu klein, Zürich ist zu unweltlich. Aber wer sagt denn das? Wer schreibt mir denn das vor? Lukianenkos Wächter-Reihe spielt in Moskau. Das ist auch "somewhere far beyond" um einmal meinen diesbezüglichen Lieblingsausdruck zu gebrauchen und die Romane meines Lieblingsautors spielen in Schweden, meist nicht einmal direkt in Stockholm selbst. Ist das nicht genauso unweltlich und klein und nicht "Urban" genug? Nun ja, die Bücher funktionieren. Warum sollte also ein Urban Fantasy Buch in Zürich nicht funktionieren? Ich werfe ja keine Leichen in die Limmat oder Ähnliches. ;) Das wäre mir dann doch etwas zu schweizerisch. Und ich merke dabei auch, wie wenig ich die Stadt eigentlich kenne. Das ist ganz witzig: Es kommt den Beschreibungen enorm zugute, dass ich gewisse Dinge einfach weiss, die ich mir bei fremden Städten gar nicht erst überlege bzw. ich dann drüber stolpere, weil ich es nicht weiss. Gerade Namen von Buslinien oder Distanzen oder gewisse räumliche Beschreibungen. Es wird einfach automatisch irgendwie genauer. Bis jetzt gefällt mir das super und ich würde nicht im Traum auf die Idee kommen, das Setting zu ändern. Im Gegenteil. Irgendein Lektor mag dann meine Stadt schon auch so sehr wie ich. (Sage ich jetzt einfach mal so ganz selbstherrlich).  ;D

et cetera

@Erdbeere
Vielleicht findet sich doch der eine oder andere Ort in Zürich, der einen guten Schauplatz für einen Roman abgeben würde :) Ich fand meine Heimatstadt auch immer zu langweilig, aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke, hat sie immerhin ein Schloss und ein Römerkastell, daraus müsste sich eigentlich was machen lassen.

@Thema
Ich denke, es macht einfach einen Unterschied, ob man recherchiert und dann das Wissen aus guten Gründen nicht nutzt (z.B. weil es notwendig ist, dass die gewünschte Bar neben der Uni liegt und nicht am anderen Ende der Stadt) oder ob man von vorneherein nicht recherchiert, weil es zu aufwendig ist.
Ich selbst recherchiere auch nicht sonderlich gerne, aber ich stelle einfach fest, dass es ohne nicht geht, weil man den Texten anmerkt, dass ich keine Ahnung von der Materie hatte. Dabei geht es mir noch nicht einmal so sehr um lokale Begebenheiten, sondern eher um Arbeitsweisen oder Abläufe (z.B. was geschieht mit einem Mann, der laut brabbelnd durch die Innenstadt geht und dabei einer Polizeistreife über den Weg läuft?).
Also, ein klares "Ja" zur Recherche, auch wenn es manchmal lästig ist.

Alana

ZitatViel erträglicher erscheint es mir aber, erst gründlich zu recherchieren und dann zu plotten. Erst am Ende, wenn der Plot lückenlos und detailreich genug erscheint - in logischer Abfolge ohne Haken wohlgemerkt, dann kann das Tippen beginnen.

Ja das wäre mir auch lieber. Ich würde mir so wünschen, dass ich das könnte. Ich hab es auch versucht. Das Ergebnis war, dass ich 2 Jahre lang nichts geschrieben habe. Jetzt versuche ich es also mal andersrum und habe immerhin schonmal ein First Draft, aus dem vielleicht mal etwas werden kann. Ich hoffe aber sehr, dass ich mit der Zeit lerne, es andersrum zu machen, weil es wirklich viel effizienter ist.

@Thema: Ich drücke mich immer ein wenig vor der Rechcherche, weil ich dann von einem zum nächsten gehe und das Gefühl habe, die kostbare, kinderfreie Zeit schlecht zu nutzen. Mir ist klar, dass das eigentlich Blödsinn ist, aber dennoch fühlt es sich so an. Dabei merke ich zur Zeit, dass gerade die Recherche auch viel Inspiration birgt. Plötzlich hat man doch nochmal eine neue Idee für den Plot oder findet einen Charakterzug für den Prota, den man bisher einfach nicht festnageln konnte.

Alhambrana

Erdbeere

@Witch, et cetera: Der Punkt geht an euch. Eigentlich hätte Zürich einiges zu bieten, auch historisch gesehen. Trotzdem brauche ich wohl noch etwas "Zeit", bis ich mich wage, die Stadt als Setting zu nehmen. Falls überhaupt jemals.

Manbou

Leider kann ich nicht ständig auf Reisen gehen, um zu recherchieren und mir Sachen genau anzuschauen, denn dann hätte ich immerhin eine Ausrede, ständig weg zu sein  ;)

ZitatAhhh, ich bin alleine auf weiter Flur? Ich hasse Recherche.
Nein, überhaupt nicht. Aber ich finde schon, dass es manchmal ein notwendiges Übel ist, weshalb ich mir meine Schauplätze gerne mal erfinde (was mich auch auf Fantasy gebracht hat, da man ja da normalerweise nichts über irgendwelche Orte herausfinden muss). Wenn am eine Story in einer realen Stadt spielen lassen will, musst man sie allerdings kennen - sei es die Heimatstadt oder einfach nur eine Stadt, in der man schon mal war - oder man reimt absichtlich etwas um, damit es in den Plot passt, wie et cetera richtigerweise behauptet hat. Wenn man allerdings in einem Kaff wohnt wie ich, wäre es natürlich ein bisschen langweilig für Leute, die außerhalb dieses Kaffes leben...
Natürlich spielt Authentizät  schon eine große Rolle, aber notfalls spielen solche Schnitzer keine Rolle, wobei man es natürlich nicht darauf ankommen lassen sollte. Tatsächlich gibt es zum Beispiel in der Harry Potter-Serie einen Fehler, nämlich dass es im Bahnhof King's Cross in London gar keinen Bahnsteig zwischen Gleis 9 und 10 gibt (zumindest so ähnlich), und das Buch verkaufte sich trotzdem mehr als gut. Also rate ich dir, Erdbeere, von Gewalttaten aufgrund des falschen Busses ab; und außerdem, wenn du da wohntest, wie willst du dr sicher sein, dass sich nicht längst alles geändert hat?  ::)

Trotzdem finde ich es immer wieder schön, in einem Buch (ab und zu mal!) detaillierte Beschreibungen von Vorgängen, Gebäuden zu finden. Das versetzt einen Doch ein wenig mehr in die Situation hinein.