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Wenn die Vorstellung nicht mehr mitmacht - ein blindenspezifisches Problem?

Begonnen von Sanjani, 04. August 2011, 21:37:42

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Sanjani

Hallo zusammen,

ich schlage mich schon seit jeher mit einem nervigen Problem herum. Es gibt bestimmte Dinge, v. a. in größeren Dimensionen, die ich mir einfach nicht vorstellen kann und ich weiß nicht, ob das jetzt daran liegt, dass ich blind bin oder ob ich meine Vorstellungskraft da auch noch trainieren könnte. Deshalb wollte ich mal fragen, ob ihr das auch kennt.

Ich möchte z. b. über eine Schlacht schreiben. Ich weiß, dass sie stattfinden soll, mit welchen Waffen und welchen Gegnern, ungefähr in welchem Setting, aber das war's denn auch. Ich kann mir nicht wirklich gut vorstellen, wie sich das ganze abspielt, und orientiere mich daher immer an Sachen, die ich selbst schon einmal gelesen habe. Eine meiner Betas, die übrigens selbst auch blind ist, hat mir dann auch gesagt, dass meine Schlachtenbeschreibungen nicht so der Knaller sind. Wenn ich z. B. den Herrn der Ringe anschaue, kann ich mir einen Höreindruck davon machen, wie es in so einer Schlacht zugeht, aber ich kann ja die Bilder nicht sehen, was ich in diesem Punkt als großen Verlust empfinde.

Andere Sachen sind z. B. tempel oder andere große Gebäude, wo andere Autoren so schön beschreiben können, was daran besonders ist, z. B. die Gemälde an den Wänden oder die Schnitzereien in dem großen Holzportal oder so etwas. Ich kann das zwar auch beschreiben, aber das bleibt bei mir immer irgendwie blass und farblos.

Aktuell habe ich eine Burg, in welcher eine Szene stattfinden soll. Ich stelle mir die Burg vor mit einer großen Eingangshalle, von der aus eine Treppe nach oben führt. Oben soll das Stockwerk wie ein Balkon aufgebaut sein, sodass man hinuntersehen kann und auch alles hört, was unten gesprochen wird. Aber dann geht es los mit so idiotischen Fragen wie z. B. wenn ich in einen Gang geh und in ein Zimmer im ersten Stock, wie weit muss ich ungefähr entfernt sein um noch etwas zu hören? Oder wie schnell bin ich im Zweifelsfall über die Brüstung nach unten gesprungen um jemandem zu helfen?
Aber das sind eher die kleineren, einfacheren Aspekte. Die Schwierigkeit ist für mich immer, die Burg oder den Tempel oder die Schlachtsituation usw. plastisch zu beschreiben.
Ähnlich geht es mir bei Personenbeschreibungen, v. a. in Bezug auf Kleidung.

Wenn ich selbst schon mal gewisse Sachen erlebt habe, gelingt mir das oft viel besser, aber in vielen Burgen z. B. herrscht ja nicht mehr diese alte Stimmung, die sind ja meist restauriert und zu Museen umgebaut, sodass ich mir von einem Besuch in verschiedenen Burgen nicht viel erhoffe.
Auch in Kirchen ist es für mich oft schwierig. Ich gehe zwar gern in Kirchen und bekomme auch einen eindruck von dem Gebäude, aber ich habe das Gefühl, dass mir trotzdem vieles verschlossen bleibt, wie die Kirche z. B. genau eingerichtet ist und ob sie sehr geschmückt ist oder nicht. Klar beschreiben mir meine Begleitpersonen das, aber natürlich nicht in allen schillernden Einzelheiten und auch nicht so poetisch, wie ich das brauchen könnte.

Mich würde mal interessieren, ob euch das auch so geht und wenn ja, was ihr für Strategien entwickelt habt um damit zurechtzukommen (außer Bilder anschauen oder so was ;-)). Ich hab heute schon überlegt, ob ich meine Legosteine wieder rauskramen und meine Burg einfach mal bauen sollte. Ich habe früher sehr viel gebaut und denke, dass mir das vielleicht helfen könnte, zumindest bei Gebäuden.

Ich hoffe, ihr könnt mir vielleicht ein bisschen weiterhelfen.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Shin

Hallo Sanjani,

ich kenne dein Problem.
Ich bin zwar nicht blind, doch ich tue mich manchmal wirklich sehr schwer damit, mir Begebenheiten vorzustellen. Das beginnt schon bei der Bar in meinem akuellen Projekt. Ich sehe draußen vor ihr immer nur eine dunkle Straße, die ins Stadtinnere führt. Und in meiner Vorstellung ist diese Straße immer leer. Ich weiß nicht, was für Häuser dort stehen, ob es Geschäfte gibt und wer dort wohnt. Als wäre es nur ein schwarzer Weg mit dieser einzigen Bar.

Es gibt für mich keine bestimmte Lösung, dieses Problem zu beheben. Meistens stelle ich mir solche Szenen immer mehrmals vor. Ich gehe immer und immer und immer wieder die gleiche Situation durch und hoffe dadurch, dass ich immer ein Detail mehr erkenne.

lg Shinya
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Ary

An Details hakt es manchmal bei mir auch. Naturbeschreibungen bekomme ich ganz gut hin, aber bei Gebäuden, die ich mir selber ausgedacht habe, komme ich auch oft nicht weiter. Mein Freudenhaus gerade... ich glaube, ich muss mir tatsächlich einen Grundriss malen, damit ich den Bau vernünftig beschreiben kann. Im Moment habe ich das gefühl, so ein Haus, wie ich es da beschreibe, kann es gar nicht geben. *arghs*
Ein Patentrezept habe ich dagegen aber auch nicht... ich habe einfach ein saumäßig schlechtes räumliches Vorstellungsvermögen und kann überhaupt nicht mit Entfernungen arbeiten. Karten zeichnen ist ein Graus für mich, ich tue es nie, und irgendwann bekomme ich dann die Quittung, weil das, was ich mir vorstelle, so alles nicht geht.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Sanne

Hallo Sanjani,

schwierig, was Du da beschreibst, aber verstehen kann ich es schon irgendwie.

Ich habe manchmal auch das Problem, dass ich bestimmte Dinge zwar genau kenne, aber nur teilweise oder unzureichend  beschreiben kann.

Was mir manchmal hilft ist, dass ich versuche auf verschiedene Arten daran gehe. Also nicht nur was ich sehe (was bei Dir ja ersetzt werden muss allein durch Dein Vorstellungsvermögen), sondern auch was man hören kann dabei, ob es kalt oder heiß, nass oder trocken ist, ob es muffig riecht, oder nach Blumen, wie es sich anfühlt, wenn man es anfasst und so weiter.

Also möglichst viele Sinne ansprechen, damit kann man das ganze Bild einfach runder machen.

Ich weiß nicht, ob es Dir jetzt weiterhilft, aber ich konnte mich manches Mal aus solchen Situationen befreien.

Liebe Grüße
Sanne

Steffi

Hallo Sanjani,

mir geht es da manchmal ganz ähnlich wie dir. Auch wenn ich Burgen und Tempel sehen kann, fällt mir die Beschreibung von solchen Orten in meinen Romanen doch manchmal schwer. Ich habe für mich herausgefunden, dass es oft reicht, solche Settings bloß anzureißen und mithilfe von zwei, drei Sachen kurz zu skizzieren. Dabei greife ich oft auf Sinneseindrücke wie Gehör oder Geruchssinn zurück. Ich glaube, dass solche Eindrücke auch bei Sehenden intensiver sind und eher im Gedächtnis bleiben als das, was man sehen kann. Ich weiß zum Beispiel zu jeder Zeit, wie es im Kölner Dom riecht oder die Orgel in Notre Dame klang, könnte dir aber nicht genau beschreiben, wie es darin aussieht - oder nur sehr vage und das, obwohl ich zumindest im Kölner Dom schon oft drin war.

Ich glaube, dass so kleine Details wie "Es roch nach altem Holz" viel mehr dazu beitragen, ein lebendiges Setting zu schaffen, als wenn man jede Säule und jede Stückverzierung einzeln beschreibt.
Sic parvis magna

TheaEvanda

Hallo Sanjani,

Bei manchen Dingen hilft es mir, die Sachen einfach zu behaupten. Es ist in einer Erzählung eigentlich egal, ob man nach zehn oder erst nach zwanzig Metern etwas sehen oder hören kann: Behaupte es einfach und bleibe konsistent, dann merkt der Leser nicht, dass du etwas gefaked hast.

Ich habe auch mein liebes Problem mit den fünf Sinnen. Blind bin ich zwar nicht, aber ich habe sehr unterschiedliche Augen und meine Fernwahrnehmung ist nicht der Bringer - wenn mir jemand einen Ball zuwirft, kann ich ihn nur fangen, wenn er vorher auf dem Boden aufgeschlagen ist. Ohne Hören geht bei mir da nichts.
Warum konzentrierst du dich in deinen Beschreibungen nicht auf das, das du am Besten kennst? Ich verspreche dir, dass keine sehende Person so fit in akustischer und taktiler Beschreibung ist wie du.

Taktile Eindrücke in einem reichen Haushalt wären zum Beispiel von Wandteppichen aus edlen Materialien. An anderer Stelle stünde der leicht klebrige Griff von Polyesterfasern, das Echo deiner Schritte in  einem großen (Kirchen-) Raum gegenüber dem geschluckten Schall in einer übermöblierten Kamer.
Genauso könntest du die Schlachtenszene auf einen Charakter konzentrieren, dem du "auf der Schulter" folgst und dessen Eindrücke du wiedergibst. Nicht sehend, sondern der Lärm, die Unordnung, das Getöse, einzelne Schlachtrufe, die nahenden Hufeinschläge eines Pferdes, dessen Reiter ihn niederreißen möchte.

Ich hoffe, das hilft?

--Thea
Herzogenaurach, Germany

Tintenweberin

#6
Es gibt Trace-Übungen (z.B. von Milton Erikson oder bei den "Schamanis") die sämtliche Sinneskanäle "zusammenschalten".

Wenn ich Orte beschreiben will, die ich mir im "wachen" Zustand nicht ausreichend lebhaft vorstellen kann, dann schaue ich sie mir in einer Tranceübung an. Dabei bekomme ich nicht nur optische sondern auch akustische und olfaktorische Eindrücke (manchmal kann ich sogar spüren, ob es in einem Haus wärmer oder kälter ist als in dem Raum, in dem ich mich wirklich aufhalte).

Ich mache schon so lange Trancearbeit, dass ich fast "aus dem Stand" in diesen Bewusstseinszustand (der einem sehr klaren Traum nicht unähnlich ist) wechseln kann. Einem ungeübten Trancereisenden würde ich empfehlen, eine Musik auszuwählen, die seiner Meinung nach zu dem Gebäude oder der Situation passt, die er sich genauer ansehen will. Vor diesen Titel würde ich mir allerdings noch zehn Minuten "klassische" Trance-Musik (schamanische Trommeln oder Rasseln, vielleicht auch Dijeridoo oder Klangschalen) schneiden um mich langsam aus dem Wachbewusstsein davon zu stehlen.

Bei den Gestalttherapeuten ist es üblich auch Bewegungstrancen zu machen (dabei liege ich nicht still sondern bewege mich mit verbundenen Augen tatsächlich in "meinem inneren Raum"). Diese Technik war für mich eine echte Entdeckung, denn damit erzeugt mein Unbewusstes noch viel lebhaftere Bilder als mit einer Trance im Liegen oder Sitzen.

Zit

Hei, Sanjani,

das ist ja ein sehr spezifisches Problem, das du hast. Bist du denn seit Geburt blind oder hast du irgendwann das Augenlicht verloren? Mich würde nämlich interessieren, ob du wirklich Bilder siehst wie ich sie als Nicht-Blinder durch meine Augen sehe, oder eben nicht.
Wenn ich dich recht verstehe, funktionieren alle anderen Sinne aber bei dir? Vielleicht werden deine Szenen, wie beispielsweise Kämpfe, plastischer, wenn du mehr die restlichen fünf Sinne beschreibst. Also das Klirren der Schwerter, der Gestank nach Schweiß, Blut und Schmodder oder Eisen (wenn sie eben im strömenden Regen kämpfen), die Todesschreie, dieser metallische Geschmack von Blut im Mund, das Brennen und die nasse Wärme, wenn einem das Blut aus einer Wunde schwappt bis ihn zur plötzlichen Kälte (wegen Blutverlustes) und dem Tod. Wenn du diese Sinne alle mit einbaust, dann wird dir das sicher keiner übel nehmen, wenn du schreibst, dass XYZ das Schwert hebt und auf ABC los geht und dann nicht näher auf ihre Bewegungen eingehst.
Aber vielleicht stellst du auch einfach einen Textausschnitt ein, dann kann ich mir mal vergegenwärtigen, ob und wo es genau hakt meiner Meinung nach. :)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Sanjani

Hallo ihr Lieben,

erst einmal danke für die vielen Antworten. Da scheine ich mit dem Problem doch nicht völlig allein zu sein.

@Shinya: Hast du schon mal versucht in deiner Heimatstadt oder in anderen Städten nach Inspiration zu suchen? Ich könnte mir vorstellen, dass es was bringt, wenn man einfach mal schaut, in welchen Umgebungen man bei sich zu Hause Bars vorfindet.

@Aryana: das mit den Entfernungen kenne ich auch. Ich hab auch schon mal überlegt, ob ich mir eine karte zeichnen soll (es gibt da so Folie, wo alles erhaben wird, was man draufmalt). Ich kenne die einzelnen Städte meiner Welt ganz gut, könnte dir aber nicht sagen, wie weit sie wirklich auseinander liegen.

@Sanne, Steffi und Thea: Ja, mit anderen Sinneseindrücken arbeite ich selbstverständlich auch und beschränke mich in vielen Settings auf ein paar Sätze - manche Autoren walzen Beschreibungen auch zu sehr aus. Aber trotzdem wirken sie irgendwie nicht auf mich oder vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Es hat jedenfalls noch kein Beta irgendwas dran bemängelt.
Ein anderes Problem, das sich ergibt, ist, dass man ja nicht immer Dinge anfasst. Also wenn ich in einer leeren Burg nach Personen suche, werde ich als sehende Person wohl kaum alles anfassen. Da habe ich dann halt eher so was geschrieben wie dass der Staub überall fingerdick liegt und das Echo der Schritte verschluckt. Aber verfallene Wandteppiche würde ich da als Chara nur anfassen, wenn ich sie hochheben wollte um nachzusehen, ob sich dahinter etwas verbirgt (wobei mir gerade auffällt, dass das in die aktuelle Szene eigentlich schon gut passen würde).

@Tintenweberin: Das klingt interessant. Nach so etwas suche ich, zumal Träume für mich auch eine wichtige Quelle der Inspiration sind. Es gibt einige Klarträume, die sich bei mir ins Gedächtnis gebrannt haben und von denen ich noch manchmal profitieren kann.
Allerdings ist für mich Trance oder Meditation (da gibt es ja auch ne Form, wo man ins Traumbewusstsein reinkommt) immer mit einer latenten Angst verbunden. Ich leide bei Träumen öfter mal an Schlafparalyse, d. h. ich träume noch, bin aber gleichzeitig wach und kann aber meinen Körper nicht bewegen, weil die Muskeln noch zu schlaff sind. Und meistens passiert mir das bei Albträumen, deshalb habe ich immer die Bedenken, dass ich aus so einer Sache nicht mehr herauskomme, wenn da vielleicht doch irgendwas auftaucht, was ich unangenehm finde. Inwieweit das realistisch ist, weiß ich nicht, aber das schränkt mich ein so etwas mal auszuprobieren bzw. lange genug zu verfolgen um wirklich mal in so einen Bewusstseinszustand reinzukommen.

@Zitkalasa: Ich bin von Geburt an blind, habe aber noch Lichtwahrnehmung und sehe in der Dämmerung auch noch Umrisse und weiße Linien auf der Straße, alles, was sich gut voneinander abhebt. Es gibt ein paar wenige Bilder, die sich mir eingebrannt haben, aber ich könnte sie vermutlich nicht beschreiben. Ich denke da an einen Abend in der Dämmerung. Ich war auf einer Wiese spazieren, es hatte geschneit, aber der Schnee lag nur stellenweise. Das gab ein ganz interessantes Bild, weil die Wiese an unterschiedlichen Stellen unterschiedlich hell war. Aber ich seh ja keine Farben, sodass ich das so nicht in einen Text schreiben könnte *lach*
Meine anderen Sinne sind an sich ok, aber ich hab natürlich auch eine Gewichtung. So läuft bei mir vieles über das Gehör, während ich meine Nase eher vernachlässige (v. a. beim Schreiben, wie mir gerade auffällt). Und beim Tasten muss es ja, wie oben schon erwähnt, auch einfach passen. Wenn ich so darüber reflektiere, glaube ich, dass ich beim Schreiben eher nach innen gekehrt bin, d. h. ich schreibe eher das auf, was der Charakter denkt und fühlt, wenn er in einer Situation ist, und weniger das, was er wahrnimmt. Also ich schreibe quasi eher das, was die Wahrnehmung mit ihm macht. Das ist mir vorher noch gar nicht so bewusst geworden.
Die Schlachtszenen stell ich hier jetzt nicht rein, das wird etwas OT, aber ich schick dir vllt mal ne PM, dann könntest du sie dir mal anschauen. Sind nicht besonders lang geworden ^^

Sorry, dass es jetzt so lang wurde.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Runaway

Ich hab kürzlich noch darüber nachgedacht, ob deine Texte sich vielleicht in der Gewichtung etwas von unseren unterscheiden. Ich hätte auch vermutet, daß du innengerichteter schreibst, weil das mit den visuellen Eindrücken natürlich etwas schwieriger ist.
Aber ich kann dich auch beruhigen, mir geht es manchmal mit Vorstellungen und Beschreibungen genauso. Ich bin jemand, der irgendwie nie die Lust und die Muße hat, sich irgendwelche Örtlichkeiten bis ins kleinste Detail vorzustellen. Manchmal staune ich auch sehr über die Begriffe, die andere Autoren für Materialien verwenden... die würden mir nie einfallen. Ich würde darauf auch irgendwie gar kein Gewicht legen. Eigentlich beschreibe ich sehr wenig und irgendwie ärgert mich das auch. Ich war der Meinung, daß man sich meine Settings nur schlecht vorstellen kann, aber inzwischen habe ich mir versichern lassen, daß das nicht so ist. Deshalb habe ich da auch nicht weiter dran gearbeitet.
Aber ich habe auch den Eindruck, daß ein paar Bröckchen, die man dem Leser hinwirft, ausreichen, damit er sich selbst sein Bild machen kann. Und das macht für mich auch den Reiz beim Schreiben und Lesen aus - es regt die eigene Phantasie an!

Rika

Mich haben noch nie Dinge gestört, die in einer Beschreibung nicht drin waren. Das einzige, was mich stören kann, ist wenn etwas in der Beschreibung nicht zusammenpaßt, sie in sich nicht stimmig ist, oder etwas erst als X beschrieben wird, und später als ein nicht-vereinnehmliches Y. (Immer vorausgesetzt, daß es auffällig genug ist. Ich pflege nicht nachzurechnen, ob z.B. die Größe beschriebener Räume auch in die beschriebene Gesamtgröße eines Hause reinpaßt. Aber wenn ein Raum erst nach hinten raus liegt, und dann später wer aus dem Fenster vorn die Straße sieht... das mag ich nicht.)

Ich habe noch nicht genug Erfahrung mit dem Schreiben, um so richtig mit diesem Problem aneinandergeraten zu sein, aber ich merke schon, daß ich mir eine Szene vorstellen können muß, wenn ich sie schreiben will. Ich habe mich schon dabei ertappt, z.B. eine Haltung einzunehmen, um zu sehen, wie sich das auf Reichweite auswirkt, oder ob bestimmte Bewegungen möglich/naheliegend sind...

Zit

Ja, tu das mal mit der PM, das interessiert mich wirklich. :)

Wenn du sowieso nach innen gekehrt schreibst, dann kann man auch an den Gedanken des Charakters drehen, kurze, unvollständige Sätze, ausdrucksstarkes Vokabular -- oder auch gar nichts, um Geschwindigkeit in den Text zu bringen. Aber da muss ich erstmal selbst ein Beispiel schreiben, darauf habe ich mich bisher noch nicht so konzentriert. Wenn es fertig ist, stell ich es mal rein oder schicke es dir als PM. ;)

Ich kann mir auch vorstellen, dass ein guter Lektor einem dann bei den "optischen Beschreibungen" aushelfen kann, wenn man als Blinder da eingeschränkt ist.

ZitatIch kenne die einzelnen Städte meiner Welt ganz gut, könnte dir aber nicht sagen, wie weit sie wirklich auseinander liegen.

Hm, hast du dir schon mal versucht es in Tagesreisen vorzustellen? Also die Zeit als Maß zu nehmen und nicht die Entfernung? Wenn ich mir überlege, dass Berlin und Dresden gut 169 Kilometer auseinander liegen und meine Charaktere 24 Stunden durchgehend wandern mit einer Geschwindigkeit von 4 Kilometer pro Stunde, dann bräuchten sie für die Strecke 33,8 Stunden, also gut anderthalb Tage. Und das eben ohne Pause. Mit Pausen und Essen und Sonstigem wären es sicher drei bis fünf Tage zu Fuß.
Deutschland selbst misst von Nord nach Süd 876 Kilometer -- um die Strecke ohne Rast und Ruh zu durchwandern, bräuchte man 175,2 Stunden; das sind circa sieben Tage. In Wahrheit dauert es bestimmt dreimal so viel, wenn nicht noch länger; bei der Strecke muss man ja immer wieder neu Essen und Trinken kaufen oder suchen; je nach Epoche.

[Zum Vergnügen: Um von Dresden nach Peking zu wandern (7441.982 Kilometer Luftlinie), bräuchte man:
- 1.488.396,4 Stunden oder
- 62.016,52 Tage oder
- 2.067,22 Monate oder
- 172,27 Jahre oder
- 4 bis 5 Menschen-Generationen. ;D Heftig, nicht?
Man kann aber auch mit dem Flugzeug fliegen, das dauert dann, je nach Fluglinie, sogar nur 13 Stunden ... Es lebe die moderne Technik.]
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Sanjani

Hallo noch mal,

@Rika: Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Mich persönlich stört es schon, wenn ich einen Raum einmal in Fuß beschrieben habe (also dessen Dimensionen) und dann in Schritten, ich bin da noch pingeliger als du, scheint mir
Normalerweise stört es mich auch nicht, wenn etwas nicht drin ist, aber ich bin von manchen ausführlichen Beschreibungen so beeindruckt und ärgere mich dann, dass ich das nicht auch so hinbekomme.
Und manche Orte sind bei mir auch irgendwie zu blass geblieben, z. B. die Hütte, wo meine Druidin lebt. Aber eine Konkrete Beschreibung, wo man sich genau vorstellen kann, an welcher Stelle der Kamin und die Kommode sind, konnte ich nirgends unterbringen. Ich hab aber dann mal eine Leserin gefragt und die fand es auch in Anbetracht dessen, was da in dem Moment passiert, auch unpassend. Also habe ich es gelassen. Aber jedes Mal, wenn ich in diese Hütte komme, bleibt sie vor meinem inneren Auge blass.

@Zitkalasa: Ohje, 169 km in 3-5 Tagen? Mein Heer braucht 5 Tage über den Teufelspass, das dürfte dann schon recht unrealistisch sein, oder? Und wenn meine Drachenkrieger 5mal so schnell fliegen wie Fußgänger unterwegs sind, sind sie auch recht langsam ...
lol na ja, aber ob das wirklich jemandem auffällt?

Ich hab versucht solche Sachen teilweise zu umgehen. Ich habe z. B. nicht genau geschrieben, wie lange man vom Teufelspass bis hinauf in die Eisberge braucht. Ein paar Wochen sind das zu Pferde, aber da könnte ein längerer Weg ja auch durchaus realistisch sein. Das ganze Durcheinander liegt aber vermutlich daran, dass ich es erst mal so nach Gefühl geschrieben und erst danach überlegt habe, ob das überhaupt so hinkommen kann.
Ich glaube, ich hab hier sogar mal einen Thread zum Thema gelesen, aber finde es trotzdem schwierig mir das vorzustellen.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Debbie

Hallo Sanjani,

das Problem mit der Beschreibung hatte ich auch, bis ich "Description & Setting" von Ron Rozelle gelesen habe. Er hat so eine Art "Szenebogen" empfohlen, in dem man alle "Eckdaten" der Szene im Vorhinein aufschreiben kann, so dass man beim Schreiben ein lebendiges Bild vor Augen hat. Seit ich mir diese Fragen stellle (Klima, Wetter, Landschaft, Tageszeit, Jahreszeit, Geruch, Geräusche, Empfindung, evtl. Geschmack, etc.) mangelt es meinen Szenen eigentlich überhaupt nicht mehr an Beschreibung.
Man kann auf dem Bogen auch bereits im Voraus die Handlung grob skizzieren, und dann schauen, welche Beschreibung zu welcher Handlung/Geschehen passen würde - das ermöglicht sogar die Beschreibung nahtlos in die Handlung einzuflechten.

Ehrlich gesagt, finde ich als "Sehende" es extrem schwierig, mir keine Farben vorstellen zu können oder für Beschreibungen zu nutzen. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch die Formenwahrnehmung anders ist als bei Sehenden...

Was mich allerdings faszinieren würde, wäre ein Buch aus der Sicht eines blinden Helden - dessen andere Sinne entsprechend geschärft sind, dass seine Blindheit für ihn überhaupt kein Problem/Nachteil darstellt. Vor allem bei magischen Wesen kann es da sicherlich eine Möglichkeit geben...
Das wäre mal was ganz anderes, und mich würde wahnsinnig interessieren, wie er oder sie die Welt sieht.

Rika

Zitat von: Sanjani am 05. August 2011, 10:57:28
@Zitkalasa: Ohje, 169 km in 3-5 Tagen? Mein Heer braucht 5 Tage über den Teufelspass, das dürfte dann schon recht unrealistisch sein, oder? Und wenn meine Drachenkrieger 5mal so schnell fliegen wie Fußgänger unterwegs sind, sind sie auch recht langsam ...
lol na ja, aber ob das wirklich jemandem auffällt?
Mmm, Zitkalasa läßt außer acht, daß mensch ja nicht in der Vogelfluglinie wandern kann. Wenn es 169km Luftlinie sind, dann ist die gewanderte Strecke warscheinlich deutlich länger, vor allem wenn es keine direkte Straße gibt, und dazu kommt noch auf und ab. Gerade wenn es steil bergauf oder bergab geht, kommt da dann viel an zu laufender Distanz hinzu, und außerdem ist es anstrengender und geht langsamer. (500 Höhenmeter sind was ganz anderes als 500 meter! ;) )
Bei einem Heer kommen dann noch  Karren auf denen Ausrüstung und Proviant mitgeführt wird, hinzu, deren Geschwindigkeit sich teils nach Zugtier richtet... gezogen. Da kommen dann auch noch ganz stark als Einfluß die Weg- und Wetterverhältnisse hinzu. Hat es z.B. stark geregtnet und sind die Wege schlammig, dann verlangsamt das sehr doll. Hält der Regen an, zehrt das mehr an den Kräften und mindert die Motivation.
Sicher kann man auch Eilmärsche machen, aber das ist halt doch sehr extrem und bringt starke Schwächung der Truppen und Verluste mit sich. (Wikipedia hat Beispiele)

Ich finde von daher, daß deine 5 Tage für einen Paß nicht unrealistisch klingen, je nach Höhe, Wegqualität und Wetter. Bei richtig schlechtem Wetter/Wegqualität vielleicht eher im Sinne von "zu wenig".

Zitat von: Debbie am 05. August 2011, 11:36:12
das Problem mit der Beschreibung hatte ich auch, bis ich "Description & Setting" von Ron Rozelle gelesen habe. Er hat so eine Art "Szenebogen" empfohlen, in dem man alle "Eckdaten" der Szene im Vorhinein aufschreiben kann, so dass man beim Schreiben ein lebendiges Bild vor Augen hat.
Das klingt interessant, danke für den Tipp.