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Wenn die Vorstellung nicht mehr mitmacht - ein blindenspezifisches Problem?

Begonnen von Sanjani, 04. August 2011, 21:37:42

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Sanjani

Hallo zusammen,

@Rika: Guter Einwand. Meine Prozession ist ziemlich lang und der Teufelspass ist auch eher unangenehm. Oh shit, mir fällt gerade auf, dass Teufelspass ja gar nicht geht, weil es keinen Teufel gibt :wums:

@Debbie: Gibt es das Buch nur auf Englisch? Klingt wirklich interessant. Vielleicht würde mir das auch weiterhelfen, wenn mir jemand die richtigen Fragen stellen würde. Wieso gibt es eigentlich nicht ein Bord wie die Vorstellungsgespräche für Settings? Vielleicht würde das dem einen oder der anderen ja auch was nützen.

ein blinder Held in einem Fantasy-Buch wäre vermutlich auch nur wieder mit viel Spekulation überhaupt denkbar, weil er sicher andere Fähigkeiten hat als wir normalen Blinden. Und wenn er überhaupt keine Nachteile hätte, wäre das für mich auch schon wieder unrealistisch.
Ich hab in einer meiner Geschichten eine blinde Person, allerdings lebt die auch im Hier und Jetzt und ist vermutlich nicht das, was du dir vorstellst ;-) Aber ein(e) Blinde(r) in einem Fantasy Setting wäre schon interessant.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Judith

Ich will hier nicht off-topic werden, muss aber doch kurz bei dieser Rechnung hier einhaken:
Zitat[Zum Vergnügen: Um von Dresden nach Peking zu wandern (7441.982 Kilometer Luftlinie), bräuchte man:
- 1.488.396,4 Stunden oder
- 62.016,52 Tage oder
- 2.067,22 Monate oder
- 172,27 Jahre oder
- 4 bis 5 Menschen-Generationen. ;D Heftig, nicht?
Schon auf den ersten Blick kam mir das viel zu lang vor (man denke nur an Marco Polo, der eine vergleichbare Strecke zurückgelegt haben muss!). Natürlich ist es möglich, in einem Menschenleben von Berlin nach Peking zu wandern.
Ich weiß nicht, wie du auf deine Rechnung kommst - bei einem Schnitt von 4 km in der Stunde käme man (mit 12 Stunden Gehen pro Tag gerechnet) auf folgendes:
- 29.764 Stunden oder
- 2.480 Tage oder
- 6 bis 7 Jahre

Rika

An die Idee einer blinden Hauptperson im Fantasysetting hatte ich auch schon gedacht, nämlich seit ich einen blinden Freund aus Kanada zu Besuch hatte. Weiter bin ich damit allerdings noch nciht gekommen. Und ja, selbstverständlich müssen die Nachteile erhalten bleiben, sonst ist das ja unrealistisch und/oder pointless.

Vorstellungsboard für Settings? Das geht in Richtung Weltenbastelboard, aber so speziell... gibt's glaub ich noch nicht, und wäre auf den ersten Blick keine schlechte Idee. Auf den zweiten allerdings fange ich ganz schnell an, mich zu fragen, wieviel mensch denn da so beschreiben kann/sollte. Gerade bei den erfahrenen Weltenbauern mit detallierten Welten könnte das sicher schnell ausufern. Andererseits wäre es für diejenigen von uns (mich inklusive), die ihre Welten/settings mehr aus dem Bauch raus beim Schreiben erfinden bestimmt mal höchst interessant und lehrsam. :)

Sprotte

Ich habe einen blinden Magier: Roveon.
Aber er kann sich, wenn er dicht genug dran ist, fremdes Augenlicht leihen. Ist er außerhalb der Reichweite, ist er in Dunkelheit und dann genauso ungeübt wie ich, wenn ich die Augen zumache und versuche, mich in meiner vertrauten Umgebung zu bewegen.

Maja

In einem Roman, den ich Mitte der Neunziger mit Moni schreiben wollte, war die Heldin blind, nachdem ihr ein böser Zauberer die Augen gestohlen und durch zwei Edelsteine ersetzt hatte, und sie zog in die Welt hinaus, um ihre Augen wiederzufinden. Es ist letztlich daran gescheitert, dass die gute Fenoriel kein Profil hatte - blind allein reicht als Charaktereigenschaft nicht aus - und ich mich auch nicht wirklich gut in ihre Situation versetzen konnte, auch wenn es Spaß gemacht hat, es zu versuchen, und ganz viel über Gerüche und Haptik zu schreiben.

Im Nachhinein bin ich froh, dass aus dem Buch nichts geworden ist, ich hasse nämlich eigentlich Geschichten von Behinderten, die große Abenteuer erleben und am Ende zur Belohnung nicht mehr behindert sind, ich habe es lieber, wenn sie Hürden überwinden und am Ende ein besseres Leben haben, so wie sie sind. Es ist sonst verlogen den Behinderten gegenüber, finde ich, und positioniert sie erst recht in der Mitleids-und-arme-Würstchen-Ecke.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Rika

Zitat von: Maja am 05. August 2011, 13:07:48
Im Nachhinein bin ich froh, dass aus dem Buch nichts geworden ist, ich hasse nämlich eigentlich Geschichten von Behinderten, die große Abenteuer erleben und am Ende zur Belohnung nicht mehr behindert sind, ich habe es lieber, wenn sie Hürden überwinden und am Ende ein besseres Leben haben, so wie sie sind. Es ist sonst verlogen den Behinderten gegenüber, finde ich, und positioniert sie erst recht in der Mitleids-und-arme-Würstchen-Ecke.
Ohja, ich würde das auch nicht ändern wollen. Mich reizte an der Idee eben genau der "nicht nur normale/gesunde Menschen können interassante Geschichten/Abenteuer haben/erleben" Aspekt. Aber schwierig ist das auf jeden Fall, sich als nicht-Blinde wirklich da hineinzuversetzen.

caity

Ich habe in der Anthologie "Geschichten eines Krieges" eine Kurzgeschichte über einen blinden Magier veröffentlicht. Es war sehr interessant, die Welt aus seiner Sicht zu beschreiben und einmal auf ganz andere Dinge zu achten, nur die anderen Sinneswahrnehmungen anzusprechen und ich glaube, ich habe in dieser Geschichte unglaublich viel für das Heraufbeschwören von Atmosphäre gelernt. Ansonsten kann ich Majas Posting voll unterschreiben.

@ Rika:
ZitatAber schwierig ist das auf jeden Fall, sich als nicht-Blinde wirklich da hineinzuversetzen.

Schwierig bestimmt, aber ich finde, davon darf man sich nicht abschrecken lassen, im Gegenteil. Ich finde es eine verdammt wichtige Erfahrung, um sich auch mal selbst darüber im Klaren zu werden, wie gut es uns eigentlich geht ... obwohl man es natürlich nie 100% nachvollziehen kann, nur, ehrlich: ich kann mir auch nicht 100% vorstellen, wie es ist, ein Mann zu sein  ;D
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Rika

Zitat von: caity am 05. August 2011, 13:23:55
@ Rika:
Schwierig bestimmt, aber ich finde, davon darf man sich nicht abschrecken lassen, im Gegenteil. Ich finde es eine verdammt wichtige Erfahrung, um sich auch mal selbst darüber im Klaren zu werden, wie gut es uns eigentlich geht ... obwohl man es natürlich nie 100% nachvollziehen kann, nur, ehrlich: ich kann mir auch nicht 100% vorstellen, wie es ist, ein Mann zu sein  ;D
Oh, auch dem kann ich nur zustimmen!  :)

Sanjani

Hallo,

ihr dürft bei dem Thema nicht vergessen, dass es sehr drauf ankommt, wie derjenige erblindet ist. Hat er sein augenlicht verloren? Dann kann er vieles aus seiner Erinnerung zuziehen um im Leben zu bestehen. Eine Freundin meinte mal zu mir, sie könne sich das immer noch gut vorstellen, wenn ihr jemand z. B. einen Weg beschreibt oder eine Umgebung.
Wenn man von Geburt an blind ist, so wie ich, dann ist man es nicht anders gewohnt und Dinge, die für Sehende ganz schlimm sind, wenn sie z. B. mal ins Dunkelcafé gehen, sind für uns völlig normal und praktisch überhaupt nicht erwähnenswert.

Ich dachte bei dem Settingsboard nicht an Welten im eigentlichen Sinne, sondern eher an kleinere Ausschnitte, so wie z. B. meine Burg oder Shinyas Straße mit der Bar drin.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Debbie

@Rika: Sicher sollten einige "Nachteile" erhalten bleiben - aber mehr in der subjektiven Wahrnehmung des Lesers und/oder in wichtigen Schlüsselszenen, in denen der Prota andere Mittel finden muss um sein Handicap auszugleichen. Ich kann mir gut vorstellen, dass jemand mit magischen Fähigkeiten, das Nicht-Sehen ausgleichen kann - z. B. in dem er an den Vibrationen des Bodens spüren kann, wieviele "Menschen" auf ihn zukommen, vielleicht ist er darin sogar so geübt, dass er sie auseinanderhalten und ihre Richtung bestimmen kann... Er könnte Gegenstände wahrnehmen, durch den Wind der sich an ihnen "bricht" und so vielleicht ihre Größe, Position und Schnelligkeit bestimmen...
Puuh, je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Potential tut sich auf  :snicker:

Übrigens gerne geschehen mit dem Buch-Tipp! Das Buch ist wirklich SEHR empfehlenswert  :jau:


@Sanjani: Das Buch gibt es bis jetzt leider nur auf Englisch - aber falls es mal einen Vorlagen-Thread geben sollte, indem man Szenebögen, Charakterbögen, Ortsbögen, etc. einstellen kann, stelle ich meine Vorlagen gerne zur Verfügung  :vibes:
Und unrealistisch wäre es nur, wenn der Autor nicht glaubhaft darlegt, dass er sein Handicap durch seine übernatürlichen Fähigkeiten ausgleichen kann - natürlich können evtl. Nachteile, die Spannung in Schlüsselszenen erhöhen - aber wie gesagt bin ich der Ansicht, dass seine Blindheit nur in Einzelsituationen zum Problem werden sollte...

Habt ihr "Das magische Schwert" (Zeichentrick) gesehen? Einer der Protas ist blind, und kann sicher mehr als normale blinde Menschen, aber es ist eben Fantasy - und ich kann mich nicht an eine Stelle erinnern, in der ich seine "Fähigkeiten" als unglaubwürdig/störend empfunden hätte...


@Maja: Das Motiv, ihre Augen wieder zu finden, hätte mich auch gestört - weil es tatsächlich irgendwie das Gefühl vermittelt, dass davon ihr Glück abhängt... Da wird dem blinden, behinderten oder auch normalen Leser eine unglückliches Bild vermittelt - also nicht, dass man lernen soll und kann, sich mit seiner Behinderung abzufinden und das Beste aus der Situation zu machen, sondern das man dem Verlust einer Fähigkeit "hinterher trauern" soll, und auf Heilung hoffen (was man natürlich machen kann, aber man sollte sich wohl vor allem auf das "Jetzt" konzentrieren).

Ich hatte zumindest nie den Eindruck, dass ein blinder Mensch sein blindes Leben als weniger lebenswert oder erfreulich empfindet als ein Sehender - aber Sanjani darf mich natürlich jederzeit eines Besseren belehren...

Zit

@Judith:

Ich habe den Punkt als Tausender-Punkt gesehen und nicht als Komma. -___- Sind 7 Tsd nicht 7 Mille, hat mich aber nicht gewundert obwohl mir es doch ziemlich hoch vorkam. xD Trotzdem denke ich nicht, dass sich eine Bevölkerung in so kurzer Zeit ausbreitet, das dauert dann doch schon mehrere Generationen, vll. kam ich dann deswegen darauf. Weiß der Geier. ;D Nachgerechnet habe ich jetzt nicht nochmal.

@Sanjani

Es geht ja auch nicht ums Vorstellen. Meine räumliche Vorstellung reicht vll. 2 Kilometer weit, ab da denke ich in Zeit -- weil es für mich im Alltag wichtig ist wie lange ich von A nach B brauche und nicht, welche Strecke ich dazwischen zurück lege. Ich stell mir das auch gar nicht mehr räumlich vor und wenn bei mir Leute durch die Pampa reisen, überschlage ich das Zeitliche schnell. Wenn man eine Referenzstrecke hat (ich weiß nicht, vll. von deinem Wohnort bis zur nächsten Stadt), kann man auch die ausgedachte Wegstrecke überschlagen und damit die Zeit. Es muss ja auch nicht maßstabsgetreu sein; vorallem Karten waren anfangs alles andere als das. War wichtiger zu sehen, wo man hingehen muss als dass man fest ablesen konnte, wie lange man dazu braucht. Wenn deine Leute also für den Bergpass eine Woche brauchen, ist das doch völlig okey. Musst dann nur den Rest deiner Welt in Relation dazu sehen (auch wg. anderen Faktoren, die mit rein spielen). Irgendwann kriegt man auch für solche Relationen ein Gefühl und muss nicht alles haargenau nachrechnen. ;) Sowas lässt sich lernen.

ZitatEs ist sonst verlogen den Behinderten gegenüber, finde ich, und positioniert sie erst recht in der Mitleids-und-arme-Würstchen-Ecke.

Sie hätte doch auch eine Verwandlung durchmachen können, dass sie ihre Augen nicht mehr haben will, weil sie ja die Suche nach ihnen natürlich ohne sie gemseitert hat und es ihr auch so gut geht?
Wobei ich nicht entscheiden will, ob so eine Haltung tatsächlich "besser oder schlechter" ist, weil man auch da wieder einen Strick drehen kann. Die Frage ist ja, ob man fehlendes Augenlicht tatsächlich als Behinderung ansieht oder als "nicht-natürlich" oder "nicht-gesund" und darunter dann leidet oder man sich einfach so nimmt und sein Leben lebt. Ich muss da immer an den einen Mann denken, der keine Arme und Beine hat und trotzdem durch alle Welt reist und anderen in einer ähnlichen Situation erzählt wie toll es ihm geht und dass die das auch können.
Und ich als Nicht-Behinderter in dem Sinne bin ja wohl der Letzte, der urteilen sollte.

Ich denke in letzter Zeit über eine blinde Heilerin nach, bin mir aber noch nicht einig, ob das wirklich so zusammen geht, weil sie nicht wirklich ihrem Beruf dann nachgehen kann. Aber ich würde nie die Blindheit selbst zum Plot machen, sondern es ist für sie nur eine zusätzliche Hürde und zwingt mich als Autor, ihre Probleme anders zu lösen als würde sie sehen.

@Debbie

Du kannst deine Bögen ins Weltenbastler-Board stellen. :)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Sanjani

Hallo zusammen,

@Debbie: Ich hätte Interesse an deinen Vorlagen. Falls du sie nicht ins weltenbastelboard stellen willst, vllt magst du sie mir ja als PM schicken?

Na ja, ich denke, es gibt alles, auch Blinde, die ihr Leben weniger lebenswert finden. Es ist ja schon so, dass die Behinderung eben genau das ist, eine Behinderung (v. a. weil man von anderen behindert wird :) ) und die bringt auch Nachteile und entbehrungen mit sich. Das kann man m. E. nicht wegdiskutieren. Aber es kommt viel drauf an, welche Lebenseinstellung einem mitgegeben wird. Es gibt blinde, die sich sehr viel selbst bemitleiden, weil ihnen vermittelt wurde, dass sie nichts können und bemitleidenswert sind - es ist für die Eltern sicher oft viel schwieriger als für die blinden Personen selbst, zumindest, wenn sie von Geburt an blind sind. aber da spielen sicher ganz viele Faktoren mit rein.

Blinde Heilerin finde ich eigentlich ganz cool. Die muss dann ja auch erst mal tasten, wo eine Verletzung zu finden ist.

@Zitkalasa: Ok, vielleicht bin ich ja auch noch lernfähig :) Aber dass ich mir das nicht mehr räumlich vorstellen kann, wenn die Entfernungen zu groß sind, macht mich oft ziemlich kirre. Vielleicht hilft dagegen ja auch mal eine ordentliche :pfanne:

LG Sanjani, die immer noch nur die Burghalle sieht und das steinerne Geländer unter den Fingern hat. Aber manche Dinge müssen wohl auch einfach reifen.
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Tintenweberin

Zitat von: Sanjani am 04. August 2011, 23:21:12
@Tintenweberin: Das klingt interessant. Nach so etwas suche ich, zumal Träume für mich auch eine wichtige Quelle der Inspiration sind. Es gibt einige Klarträume, die sich bei mir ins Gedächtnis gebrannt haben und von denen ich noch manchmal profitieren kann.
Deine Fragen zu diesem Thema sind nicht vergessen, aber ich denke, sie passen nicht mehr recht in den Gesamtzusammenhang dieses Fadens. Wenn du glaubst, dass das Thema auch für andere Leute interessant sein könnte, sollten wir vielleicht einen neuen Faden aufmachen und wenn es nur ein Randthema ist, schicke ich dir gerne auch eine PM mit Adressen, bei denen du Trance-Arbeit lernen kannst.

Mohnrote

Hallo Sanjani,


ein extrem spannendes Thema, das du hier ansprichst. Ich plane unter anderem gerade eine Geschichte, in der eine Blinde und ein Junge, der "zuviel" sieht, aufeinander treffen. Schon allein deshalb finde ich die Diskussion hier super faszinierend und denkanstoßend.
Also zunächst einmal möchte ich als ganz persönliche Meinung anmerken, dass detaillierte Beschreibungen von Zimmern oder Distanzen oft überbewertet werden. Natürlich wirkt es beeindruckend, wenn der Autor mit soviel Info aufwarten kann, aber was bringt das eigentlich für die Story?
Ich konzentriere mich bei meiner Schreiberei immer sehr darauf, Stimmungen zu erzeugen und schließe öfter mal die Augen, um mich in eine Szene hinein fühlen zu können. Wenn ich mir also einen Raum aus einer meiner Geschichten vorstelle, sehe ich nicht unbedingt die genaue Anordnung der Möbel vor mir, sondern denke viel mehr an die Erinnerungen, die mein Prota mit dem Ort verknüpft. Ein nasskalter Herbstabend, der Geruch nach Harz und feuchten Haaren, Flammenknistern.. Ohne diesen Inhalt ist der Raum tot, und dann nützt es mir auch nichts, wenn ich weiß, wo der Herd steht.
Du musst ja nicht schreiben wie es in einem Film aussieht, dafür sind wir ja Schriftsteller. Und jeder hat seinen eigenen Stil. Andere Autoren beschreiben Holzschnitzereien - das ist deren gutes Recht, aber genauso interessant ist es doch, auf andere Art zu erfahren, welche kalten Schatten der Tempel auf den Vorplatz fallen lässt, oder dass der Weihrauchgeruch den Hals eng werden lässt. Schon allein das kann ja dann dazu führen, dass der Leser ganz von selbst die Assoziation herstellt, dass die Figuren auf den Porträts, die hinten im Tempel hängen, traurig aussehen. Und der Autor hat seine Aufgabe erfüllt, ohne ewig über den Gesichtsausdruck der Person zu lamentieren!
Auch was Schlachten und betrifft: Ich bin noch nicht dazu gekommen, über eine Schlacht zu schreiben, aber wenn es einmal soweit ist, würde mich da viel eher interessieren, was in dem Charakter vorgeht, der sich mittendrin befindet. Also z.B. wie warmes Blut über seine Hände läuft und in seinem Nacken klebt, wie er angerempelt wird oder ihm ein Pferd auf den Fuß steigt, Staub und Tränen in seinen Augen, der Gestank nach, ähm.. einer Darmverletzung. Das wäre für mich eine Schlachtbeschreibung, die mich an der Situation teilhaben lässt. Und das wirkt meiner Ansicht nach tausend mal besser als die zwar imposanten aber distanzierten Bilder aus Herr der Ringe.
Und immer gilt ja: Mach dein eigenes Ding. Du kannst dir also nicht genau vorstellen, aus welcher Entfernung man von unten herauf in der Burg noch Stimmen hören kann. Hier würden mir aber sofort dutzende Möglichkeiten einfallen, die das beeinflussen können: Windrichtung, schräge Wände, die Töne zurückwerfen, etc.. Ich wundere mich heute noch, warum ich jedes Wort meiner Nachbarn so deutlich hören kann, als würden sie neben mir sitzen.. Von daher hätte ich da keine Bedenken, die Stimmen einfach nach deiner Pfeife tanzen zu lassen. ;)

Deine Idee mit dem Nachbauen finde ich toll! Wenn man eine ungefähre Vorstellung von einem Haus hat, ist es bestimmt ein guter Weg, sich da intuitiv leiten zu lassen.


Liebe Grüße!

Sanjani

Hallo Mohnrote,

danke, du machst mir gerade wieder Mut :)

Die Sache mit den Schlachten beschäftigt mich insofern, weil eine meiner Betas meine Geschichte zweimal gelesen hat. Einmal vor zwei oder drei Jahren und noch einmal vor ein paar Wochen. Sie konnte sich an vieles nicht mehr erinnern und so war es mehr oder weniger noch mal neu für sie. Und sie hat mir bei beiden Malen die Schlachten angekreidet (die ich aber auch nicht verändert hatte). Genauso hat sie mir zweimal dieselben Dinge angemerkt, die sie schön fand. Und so soll es ja auch sein, dass man ein Buch auch mehrfach lesen kann und es trotzdem wieder schön ist. Aber deshalb liegen mir die Schlachten vielleicht auch zu sehr im Magen.
Wobei ich mich auch manchmal frage, inwieweit man sie nun wirklich braucht. Weglassen kann ich sie nicht, weil ich dann einen Bruch hätte, aber auswalzen muss und möchte ich sie auch nicht. Und so geht es mir bei anderen Settings zum Teil auch.

Die Burgszene ist eigentlich auch etwas einfacher. Vielleicht sollte ich da nicht so viel drüber nachdenken, sondern einfach mal wieder losschreiben. Wenn's mir nicht gefällt, gibt es ja immer den Papierkorb ^^

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)