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Der Fantasyautor im Wandel der Zeit

Begonnen von Kath, 28. Juni 2011, 17:05:37

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Kath

In einem anderen Thread hat Grey einen, wie ich finde, bemerkenswerten Beitrag verfasst, den ich gerne zum Anlass für eine allgemeine Diskussion nehmen möchte (ich hoffe, sie ist mir deshalb nicht böse :versteck:). Grey sagte nämlich:

Zitat von: Grey am 28. Juni 2011, 15:39:54
Na ja - aber ich für meinen Teil weiß zum Beispiel nicht, ob ich in fünf Jahren noch Fantasy schreibe, nachdem ich von High Fantasy auch schon komplett zur Urban und Sci Fi/Dystopie umgesattelt bin. Grundsätzlich merke ich bei mir eine Tendenz, die phantastischen Elemente immer mehr zu reduzieren, und wer weiß wo das noch hinführt? Vielleicht schreibe ich in ein paar Jahren Spionagethriller oder so?

Ich erkenne mich durchaus ein bisschen darin wieder. Auch ich habe mit High Fantasy angefangen, habe mich sogar eine Zeit lang mit dem Weltenbasteln auseinandergesetzt und bin dann irgendwann zur Urban Fantasy geschippert, inzwischen weiß ich nichtmal mehr, ob ich überhaupt noch genügen fantastische Elemente in meine Geschichten einbaue, damit diese noch als "Fantasy" und nicht etwa als "Mystery" durchgehen. Es scheint, als würde ich mit jedem neuen Projekt mehr den Bezug zur klassischen Fantasy verlieren.
Nein, stimmt nicht. Gerade jetzt spukt mir ein Ideenspross im Kopf, der wieder mehr in Richtung Fantasy geht, als mein gegenwärtiges Projekt. Vielleicht sogar wieder High Fantasy, aber um das sagen zu können ist die Idee noch viel zu wage. Und in jedem Fall ist sie anders, als jene zu meinen Anfangszeiten.

Mich würde nun interessieren, ob das andere hier genauso sehen bzw. bei sich beobachten können. Und wenn ja, geht der Trend eher kontinuierlich in die Richtung weniger (oder vielleicht sogar mehr?) Fantasy oder ist es sprunghaft?

Zit

Ich denke, gerade die immer weiter fortschreitende Reduzierung an Fantasy-Elementen, hängt auch viel mit der eigenen Wissensanhäufung zusammen. Zumindest weiß ich von Grey, dass sie Biologie studiert hat. Bei mir selbst beobachte ich ein ähnliches Phänomen, was aber noch nicht ganz so schlimm ist -- auch ich habe studiert. Von mir kann ich weiterhin sagen, dass ich so mit 12 - 14 Jahren ernsthaft angefangen habe zu schreiben und da mit HF gestartet bin. Ich denke, je mehr wir auch verwissenschaftlicht werden, um so mehr schleicht sich das auch in unsere Geschichten ein -- weil diese Verwissenschaftlichung unser Denken beeinflusst. Früher hat ein Drache bei mir eben Feuer gespuckt, weil er es konnte. Heute suche ich eine chemisch-bilogische Erklärung dafür. Oder die Sache mit den Vampiren. Dass das ein Virus sein könnte, da haben wohl weder Grey noch ich das Patent drauf, dennoch erklärt sie es so in der Blutgabe (wenn auch anders als ich es mir bisher dachte).

Auf der anderen Seite ist es aber einfach so, dass wir uns auch als Autoren weiter entwickeln und wie sich unsere Interessen wandeln, so wandeln sich auch die Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Maler haben auch ihre Perioden, Musiker erfinden sich immer wieder neu -- warum sollten Schriftsteller soetwas nicht auch haben. ;D

Ich denke, das Wichtigste bei all der Wandlung ist, dass man seine früheren Interessen nicht auf einmal verteufelt und sich dafür schämt, sondern sich der Wurzeln einfach bewusst. Irgendwann kommen wir alle ja wieder back to the roots, denke ich. (Nein, dafür habe ich keine Belege, aber das denkt sich mein idealistisches Hirn so.) Also selbst wenn ich -- für meinen Teil -- nicht mehr nur noch HF schreibe, sondern auch andere Dinge (Historical, Urban) und neue Genre entdecke (Thriller), so entdecke ich auch Altes wieder (Krimi) -- und am Ende ist es eh wurscht, welchem Genre meine Geschichten angehören, solange sie unterhalten, etwas Eigenes haben und mir selbst die größte Freude machen.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Grey

Hallo Kath,

natürlich bin ich dir nicht böse, ich freue mich ja immer, wenn mal jemand sich traut, ein Randthema aufzugreifen und einen eigenen Thread daraus zu machen. :)

Vielleicht sollte ich zu meiner Aussage noch ergänzen, dass meine Umorientierung auch im Grunde keine Wertung darstellt - gute High Fantasy hat ihre ganz eigenen Ansprüche und Herausforderungen. Ich kann mich erinnern, dass ich seinerzeit mit Hingabe an Lavendels und meiner Welt gebastelt habe, über Währung und Zeitmessung bis hin zu Grammatikregeln für die Sprachen, die in der Welt gesprochen wurden. Das alles noch glaubwürdig und irgendwie realitätsnah zu verknüpfen ist ein echt hartes Stück Arbeit, und jeder der sich da mit Leidenschaft und dem nötigen Durchhaltevermögen dransetzt, hat meinen absoluten Respekt!

Das Ding ist nur: Diese Art Literatur interessiert mich inzwischen nicht mehr besonders, weder beim Schreiben noch beim Lesen. Zits Theorie finde ich da tatsächlich sehr interessant, und ich glaube, da ist was Wahres dran. Vor allem aber habe ich über mein Biologiestudium gelernt, dass unsere eigene Welt, unsere Realität, so viele unglaubliche und spannende Facetten hat, dass es mir wie unnötige Mühe vorkommt, eine ganz neue Welt zu erfinden, um meine Fantasie dort auszutoben. Ich war ja schon immer grundsätzlich faul - also suche ich mir lieber auf der Basis von unserer Realität einen Weg, meine Ideen dort einzubinden.

Am allerwichtigsten ist es mir aber, mich immer weiterzuentwickeln und immer besser zu werden. Mein ultimatives Ziel ist es, ein Buch zu schreiben, das eben so echt wie fiktiv ist, das unterhält und gleichzeitig im Gedächtnis bleibt, und das leicht und trotzdem irgendwie weise ist. Wenn ich 80 bin, bin ich vielleicht so weit, dass ich das kann. ;) So lange möchte ich immer wieder neues ausprobieren und so viel ich kann übers Schreiben lernen. Und das kann ich nicht, wenn ich immer nur im Fantasybereich bleibe. So sehe ich das.

Kati

#3
Ich glaube, ich kann da nicht so viel zu sagen, weil ich gerade erst 19 geworden bin und mit 12 oder 13 das Schreiben so richtig angefangen habe. Das in diesem Alter eine Entwicklung stattfindet, ist ja wohl klar. Außerdem habe ich niemals High Fantasy geschrieben.  :)
Aber trotzdem mal: Als ich angefangen habe, zu schreiben, habe ich lustige Liebesgeschichten für Mädchen geschrieben. Ziemlich platt, wie es zu erwarten war. Ich weiß gar nicht, wann ich langsam in die Fantasy abgedriftet bin. Zuerst haben sich die Mädchen dann eben nicht nur verliebt, sondern auch noch mit übernatürlichen Dingen herumgeschlagen. Das war alles sehr lustig und fluffig und leicht. Ich weiß wirklich nicht mehr, wann das ganze diese etwas düstere Note bekommen hat, die meine Urban Fantasy heute auch noch hat. Und wieso ich plötzlich anfing, dunkle Themen und zerrissene Charaktere besser zu finden, als das von vorher. Das muss was mit dem "Sommerregen" zu tun haben, der heute in drei Versionen existiert. Ich glaube fast, daran kann man die Entwicklung sogar ziemlich gut nachvollziehen, auch, wenn die erste Version nur noch in meinem Kopf existiert, wie die meisten Sachen von gaaaanz früher.  ;)
Auf dem Höhepunkt dieser Düsterphase fand ich Mädchenbücher dann total blöd und oberflächlich und alles musste gruselig und düster sein. Ich hatte damals kaum noch Liebesgeschichten drin und sehr viele phantastische Elemente. Das mag ich heute immer noch sehr gern, doch ich erlaube mir seit ein paar Jahren auch wieder, hin und wieder mal einen Witz zur Auflockerung zu bringen.  ;D
Heute schreibe ich eben immer noch meistens Urban Fantasy und ich versuche immer noch, es so gruselig (aber nicht eklig, das mochte ich nie) wie möglich zu machen. Aber, wie gesagt, lustige Elemente sind mir wieder willkommen und seit einiger Zeit werden die Fantasy-Elemente wieder weniger und ich lasse schon recht lang sehr gern wieder Liebesgeschichten und zwischenmenschliche Plotelemente zu.
Ich bin sogar wieder bereit, ein reines Mädchenbuch zu beginnen, allerdings weniger albern und etwas intelligenter als damals.

Demnach ist meine Entwicklung als Fantasyautorin wohl das Einpendeln zwischen den beiden Extremen, die ich da bedient hatte.  ;)

EDIT: Was ich vergessen habe: Eins ist immer gleich geblieben. Ich habe immer gern mindestens einen historischen Nebenplot dringehabt.  ;)

Franziska

ich dachte erst, es geht dir um die Veränderung historisch gesehen, aber du meinst wohl biographisch.
Bei mir ist es so, dass ich schon immer nicht nur Fantasy geschrieben habe. Mein erster von zwei Romanen ist Fantasy, ich habe ihn mit 15 angefangen. Es ist High Fantasy, aber kein klassisches Setting. Ich kann nicht sagen, wie ich mir die ganze Welt ausdenken konnte, aber das brauchte Zeit. Bisher ist noch keine neue Welt zu mir gekommen, und ich kann nur jeden bewundern, der sich in kurzer Zeit eine funktionierende Welt ausdenken kann, ohne zu viele Klischees zu bedienen. Mich interessiert HF schon noch, aber es gibt wenige Romane, die ich aus dem Bereich wirklich gut finde, da mich allzuviele Klischees schnell langweilen. Ich würde auch zustimmen, dass wenn man älter wird, und studiert, die Ansprüche allgemein steigen. Das muss ja nicht heißen, dass man High Fantasy nicht mehr mag, aber eben eher die anspruchsvolle Variante. Man hat ja je älter man wird auch immer mehr gelesen. Was man als Kind noch neu entdecken konnte, kennt man jetzt auswendig. Bei mir ist es so, dass ich immer schon an SF und an Gegenwartsliteratur interessiert war und auch beides schreibe. Ich habe noch eine Idee für ein Fantasy-Kinderbuch, ob mir danach noch was einfällt weiß ich nich. Da sind noch 3 SF Projekte, und einige Gegenwartssachen.

zDatze

#5
Meine Wurzeln sind auch in der High Fantasy zu finden. Meine ganz erste Geschichte, die ich mit einer Freundin zusammen ausgedacht und zum Teil aufgeschrieben habe, ging es eigentlich schon relativ blutig zu. Viel Gemetzel und noch viel mehr Drama. (Ich glaube, ich muss mal wieder die Notizen rauskramen ...)
Zwischen diesen ersten Schritten und später, lag dann allerdings eine etwas größere Lücke von 2-3 Jahren. Als ich dann wieder begonnen habe. (Diesmal alleine.) Habe ich mich meistens an Diebesgeschichten versucht. Dabei habe ich mich eher von der Location eingeschränkt und den Handlungsort in einer einzigen Stadt festgelegt. Das ist auch etwas, das meine Geschichten auch jetzt noch prägt. Ich verzichte ganz gerne auf die große Weltreise und konzentriere mich auf einen kleinen Ausschnitt einer Welt.
Dann kam noch einmal eine Pause dazwischen und seitdem habe ich zwei Fantasyprojekte (einmal humorvoll, einmal Siegelmagie+Dämonen+19.Jahrhundert-Setting) und zwei Jugendbücher ganz ohne Fantasy fertig bekommen.

Im Moment driften meine Ideen sehr auseinander. SF ist dabei, ein uralt HF-Projekt, einige Urban-Fantasy-Projekte, dann noch was in Richtung Cyberpunk und ein Mantel&Degen-Abenteuer. Ich kann mich im Moment gar nicht entscheiden, in welche Richtung ich gehen soll bzw gehen will. Von daher ... jetzt gerade fühle ich mich ein wenig zerrissen und könnte gar nicht sagen in welche Subsparte ich mich selber einordnen würde.

Telas

Also ich finde man sollte immer der Nase nach schreiben. Will heißen, man sollte einfach das Genre schreiben, dass einem im Moment am meisten Spaß macht und mit dem man sich am besten identifizieren kann. Sicher, die Verlagsprofis werden mir hier sofort widersprechen und sagen, man muss das schreiben, was die Verlage sehen wollen, aber für mich als Amateur stellt sich diese Problematik nicht.
Ich weiß noch genau, wie ich mit 16 angefangen habe. Damals hatte ich vorgenommen, NIEMALS Fantasy zu schreiben weil ich dachte, das würden die Leute doch sowieso nur für Herr der Ringe und Harry Potter Abklatsche halten. Und warum das Ganze? Weil ich gar nicht wusste, wie viel Möglichkeiten mir die Fantasyliteratur später bieten würde.
Stattdessen schrieb ich ein Jugendbuch mit realem Setting. Aber schnell merkte ich, dass auch dieses Buch schon viele Sagen und Legenden enthielt. Und dann wechselte ich doch zur Fantasy, inspiriert durch den Vater eines Freundes, der Mitte 40 seinen Fantasyerstling herausbrachte und der das bis heute beste Buch ist, dass ich je gelesen hatte. Dann besann ich mich auf meine Interessen und kam schließlich zu dem Entschluss. Interesse für Geschichte gepaart mit einer blühenden Phantasie, darauf konnte die Antwort nur Fantasy heißen. In dieser Hinsicht bin ich also genau in der anderen Richtung unterwegs wie die gute Grey. Weg vom Realismus, rein in die Phantastik. Ob sich das wieder ändern wird? Vielleicht. Ich würde niemals ausschließen, zum Realismus zurückzukehren.

Das Leben ist verrückt und du weißt nie, wohin dein Weg dich führt.

Runaway

Ich bin auch überhaupt nicht festgelegt auf eine Sache. Begonnen habe ich mit Abenteuergeschichten und Kinderkrimis, dann mit sozialkritischem Zeug weitergemacht, dann aufgehört - und wurde durch Herr der Ringe zum Schreiben zurückgebracht und in Fantasy eingeführt. Da war ich 16.
Was mich jedoch immer schon interessiert und fasziniert hat, war Psychologie. Ist ja für uns Autoren auch nicht uninteressant, schließlich wollen wir glaubhafte Charaktere entwerfen.
Ich hab dann Fantasy geschrieben, und zwar eine ganze Menge - HF und historische Fantasy. Das war von 2002 bis 2009. Ist ja schon eine ganze Weile...
Aber schon als ich meine erste Trilogie (die ich, wie alle meine Fantasy-Sachen, immer noch sehr mag), begonnen habe, wußte ich, daß ich eigentlich später auch mal was anderes machen will.

Ein (sozusagen) Kindheitstraum war eine Endzeitgeschichte. Ich wollte mal richtig stilecht die Welt untergehen lassen, ähnlich intelligent wie in Contact und von der Art her wie in 28 Days later (wobei ich den Film da gar nicht kannte. Ich wußte nur die Richtung, in die es gehen sollte).
Heute und durch euch weiß ich, das heißt dann Dystopie... ;D Jedenfalls war das vor zwei Jahren mein Übergang von der Fantasy weg. Denn eigentlich hatte ich in meinen Texten immer fantastische Elemente und mußte mich schon sehr zwingen, realistisch zu bleiben.

Dann war es aber endlich soweit, daß ich doch Psychologie studieren konnte und nach einem Jahr rückte die Idee, es doch mal mit einem Profiling-Thriller zu versuchen, in greifbare Nähe. Das wollte ich schon seit Jahren, nur wollte ich es fachlich fundiert anfangen, so daß ich den Leuten mal mehr als Unfug serviere, und deshalb war das Studium und sogar ein entsprechendes Seminar zum Thema natürlich sehr hilfreich.
Deshalb schreibe ich jetzt seit anderthalb Jahren wie eine Besessene Thriller. Was danach kommt, weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Aber ich bin da offen für alles und ich würde mich auch nicht für meine alten Sachen schämen!

Grey

Zitat von: Andoras am 28. Juni 2011, 21:45:42
Sicher, die Verlagsprofis werden mir hier sofort widersprechen und sagen, man muss das schreiben, was die Verlage sehen wollen, aber für mich als Amateur stellt sich diese Problematik nicht.

Na ja, ich bin zwar noch kein richtiger Profi sondern bestenfalls auf dem Weg dorthin, aber ich sage: Nö. Stimmt so nicht. Am besten ist es tatsächlich immer, wenn man ganz ganz viele verschiedene Ideen hat, die man alle unglaublich gern umsetzen will, und die stellt man seinem Verlag alle vor und freut sich dann, egal wie der Verlag sich entscheidet. ;)

Also, die Miezedatze ist auf jeden Fall auch auf keinem schlechten Dampfer. ;D

Zitat von: Andoras am 28. Juni 2011, 21:45:42
Das Leben ist verrückt und du weißt nie, wohin dein Weg dich führt.

Och. Verrückt, ja. Aber der Weg ist das Ziel, ne? Finde ich so.

zDatze

Zitat von: Grey am 28. Juni 2011, 22:20:13
Also, die Miezedatze ist auf jeden Fall auch auf keinem schlechten Dampfer. ;D
Dampfer war das richtige Stichwort. Das Projekt hab ich ganz vergessen zu erwähnen. Gestaltwandler + Steampunk + Piraten anyone? Ich glaube, ich geh mich dann mal eingraben ...  :versteck:

Lomax

Zitat von: Grey am 28. Juni 2011, 20:14:55Diese Art Literatur interessiert mich inzwischen nicht mehr besonders, weder beim Schreiben noch beim Lesen. Zits Theorie finde ich da tatsächlich sehr interessant, und ich glaube, da ist was Wahres dran.
Nun ja, da muss ich mich dann auch mal als Gegenposition anbieten ... wenn auch nicht als wirkliches Gegenteil. Denn einerseits kann ich bei mir so eine Entwicklung nicht feststellen. Ich mag immer noch High Fantasy und lese sie auch gerne, und ich bewege mich sogar gerne in den Welten, die ich im Laufe der Jahrzehnte erschaffen habe (und hoffe immer noch, dass ich endlich mal Romane unterbringe, die auf diese Welten passen, und ich nicht jedes Mal was Neues aus dem Boden stampfen muss  :engel:). Einerseits.
  Andererseits hat sich schon was verändert. Ich habe in den 2000er Jahren privat weniger High-Fantasy geschrieben als in den 90ern, und meist ... hm, andere Stoffe. Und dass ich jetzt High Fantasy schreibe, liegt auch zum guten Teil daran, dass halt High Fantasy gekauft wurde, und nicht meine angebotenen Mystery-Thriller. Und ich würde immer noch gerne auch mal anderes schreiben.
  Wiederum andererseits, für mich fühlte sich das nie so an, als wäre ich "umgesattelt", als hätte ich "mit High Fantasy angefangen und mich dann fortentwickelt". Denn wenn ich mir meine Exposees und Fragmente der letzten 20 Jahre anschaue, stelle ich fest, dass ich schon immer sehr querbeet durch die fantastischen Subgenres geschrieben habe. Die Ideen, die mir am meisten am Herzen lagen und die ich als die "wertigsten" ansah, waren schon vor zwanzig Jahren Dinge am Rande der Phantastik - Geschichten, bei denen das phantastische Element mehr spürbar als greifbar war. Wohingegen ich High Fantasy immer mehr als "leichtfüßigere und actionreichere" Lektüre angelegt hatte. Dementsprechend habe ich vermutlich früher mehr High Fantasy geschrieben, gerade weil es temporeicher war und ich mich an die "schweren" Stoffe erst mit mehr Erfahrung beherzter herangetraut hatte. Und ich erinnere mich noch sehr gut, dass ich mich schon mit 16 vor allem als "Horror-Autor" gesehen habe - paradoxerweise obwohl ich kaum jemals in diesem Genre geschrieben habe. Der Begriff fühlte sich einfach richtiger an, um den Kern zu beschreiben, der in allen meinen Geschichten quer durch alle Subgenres steckt, und die Motivation, die mich zum schreiben trieb und treibt. Daran hat sich im Prinzip gar nichts geändert, und so empfinde ich auch die Tatsache, dass ich im Laufe der Zeit andere Schwerpunkte beim schreiben habe, eher als wechselweise "Phasen" denn als "Entwicklung" mit Interessen, die man hinter sich lässt.
  Und einen "schweren" Kern hatten meine Geschichten sowieso immer schon, auch bei meiner jugendlich unbekümmerten High Fantasy. ;) Als ich zu meiner Bundeswehrzeit meine Geschichten Kameraden vorzulesen pflegte, brachte einer meiner Zuhörer auf den Punkt, was mir selbst bis zu diesem Zeitpunkt nie bewusst gewesen ist: "Gibt es in deinen Geschichten eigentlich immer nur Leid und Unglück und Tod? Wo bleibt die Liebe? Können deine Figuren nicht einfach mal glücklich sein?"
  Danach habe ich versucht, das existenzielle Grauen nicht mehr ganz so offensichtlich werden zu lassen und auch den freundlicheren Aspekten des Seins einen Platz in meiner Prosa einzuräumen. Daran habe ich hart gearbeitet Anfang der 90er - und ich habe das Gefühl, diese Entwicklung und der Schnitt zwischen den Geschichten vorher und nachher ist bei mir der härteste Themenwechsel und die größte inhaltliche Umorientierung, die ich vollzogen habe.

Ich würde also sagen, eine Entwicklung bei dem, was ich schreibe, kann man wohl irgendwie feststellen, und je nachdem, wie genau man hinschaut, stellt es sich doch sehr unterschiedlich dar. Auf jeden Fall sprechen auch meine Geschichten von vor 20, 25 Jahren noch zu mir. Ich würde sie jetzt anders schreiben, als ich sie damals geschrieben hätte, aber das ist eher eine Frage von Fähigkeiten, Ausdrucksmöglichkeiten und Erfahrungen - aber schreiben will ich sie alle noch. Und wenn man einen Unterschied bemerkt, dann liegt der wohl eher darin, wie ich High Fantasy oder Phantastik schreiben würde und weniger daran, was davon ich schreibe.
  In welches Genre die Dinge, die ich schreiben will, besser passen und was ich am besten schreiben kann ist wiederum eine andere Frage, über die ich öfter mal nachgrübele. Und ich würde auf jeden Fall ganz gern auch mal was anderes am Markt haben, um darauf vielleicht mal eine Antwort zu bekommen.
  Nur zu den Tierfabeln, mit denen ich mit 6 angefangen habe, komme ich vermutlich nicht mehr zurück :engel:

... und grad seh ich noch dein letztes Zitat:
Zitat von: Grey am 28. Juni 2011, 20:14:55Am besten ist es tatsächlich immer, wenn man ganz ganz viele verschiedene Ideen hat, die man alle unglaublich gern umsetzen will, und die stellt man seinem Verlag alle vor und freut sich dann, egal wie der Verlag sich entscheidet.
Hehe - so versuche ich das auch. Aber es ist zwiespältig, denn einerseits freut man sich über das, was kommt. Andererseits brennt auch immer alles unter den Nägeln, was nicht genommen wird und was man auch unglaublich gern umsetzen will  ;D

Grey

Zitat von: zDatze am 28. Juni 2011, 22:26:25
Dampfer war das richtige Stichwort. Das Projekt hab ich ganz vergessen zu erwähnen. Gestaltwandler + Steampunk + Piraten anyone? Ich glaube, ich geh mich dann mal eingraben ...  :versteck:

Nee, voll gut, nicht eingraben! Schreiben! :pompom:

Leo

Hm... ich könnte mir auch nicht vorstellen, keine Fantasy mehr zu schreiben... etwas anderes als Nebenprojekt, das schon, aber nicht als Schwerpunkt. Meine ach-so-reale Thriller-Idee, die mich bisher am weitesten von der Fantasy weggeführt hat, ist mittlerweile auch kein wirklicher Thriller mehr und das Setting von modern über das historische in ein pseudohistorisches Setting mit immer stärker werdenden Steampunk-Einschlägen gewandert.

Ich merke zwar, wie ich mich in Richtungen entwickle, die ich nie für möglich gehalten habe, aber es kommen auf der anderen Seite auch genug Ideen, die eher "back to the roots" führen. Wenn diese ausgehen sollten, könnte auf jeden Fall eine Entwicklung wie Kath sie zur Diskussion gestellt hat entstehen.

LG, Leo

Judith

Meine Leseinteressen haben sich in den letzten Jahren tatsächlich mehr von der High Fantasy weg in Richtung Urban Fantasy und "klassische" Phantastik verlagert. Das liegt aber mehr daran, dass ich phantastische Elemente in unserer Welt schon immer sehr mochte und es da derzeit einfach mehr Auswahl an Literatur gibt, während ich bei High Fantasy ein wenig übersättigt bin und das Gefühl habe, hier auf nichts Neues mehr zu stoßen.
Aber wenn ich mal wieder richtig gute High Fantasy finde, freu ich mich immer sehr, da das ja doch immer noch mein Lieblingsgenre ist.

Beim Schreiben habe ich mich auch eher an High Fantasy versucht, und ich mag da auch die Ideen und das Setting beim Planen und Brainstormen immer sehr - aber beim Schreiben will das nicht so recht klappen. Irgendwie nervt mich da dann doch die Jetztzeit und das Realweltsetting, während ich in meine Fantasywelt immer wieder mit Freuden eintauche.
Wenn ich auf meine bisherigen Schreibprojekte zurückblicke, dann stelle ich da auch eine gewisse Kluft fest: Bei meinem Urban Fantasy-Romanen bin ich von den Ideen eigentlich sehr überzeugt, aber die Umsetzung klappt gar nicht. Mit beiden Projekten habe ich mich ziemlich verrannt, es fehlt die Atmosphäre, und die Figuren spuken auch nie durch meinen Kopf.
Hingegen ist es bei meinen High Fantasy-Projekten so, dass ich sowohl meine alten Sachen als auch die neuen eigentlich von der Grundidee her meist nicht so berauschend finde, aber dennoch fühle ich mich darin sofort wohl. Die Figuren sind permanent in meinem Kopf präsent, mir fallen mit ihnen ständig irgendwelche Szenen ein, ich liebe es, über sie zu schreiben und ich liebe es auch, über die fremden Kulturen in meiner Welt zu schreiben. Ich finde die Texte nicht unbedingt toll, aber ich finde, dass sie Atmosphäre haben und dass meine Fantasywelt greifbarer wird als es die reale Welt in meinen Texten jemals ist.

Woran das liegt, weiß ich nicht wirklich. Aber es ist interessant zu sehen, dass meine Entwicklung beim Lesen und Schreiben da jeweils in verschiedene Richtungen läuft. Ich möchte meine Urban-Sachen eigentlich auch nicht aufgeben, und ich habe auch allgemein eine große Lust, noch mehr mit phantastischen Elementen und Sagenwesen in unserer Welt zu schreiben. Aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie ich in das ganze besser "reinkommen" soll.

Um übrigens diese seltsame Kluft nochmal an konrekten Beispielen festzumachen: Ich habe bisher viermal am NaNo teilgenommen, 2007 und 2009 mit High Fantasy, 2008 und 2010 mit Urban Fantasy/Dystopie. 2007 war ein ganz toller NaNo, wo mit dem Roman alles gut geklappt hat - inzwischen ist er annähernd fertig überarbeitet. 2009 war im November etwas mühsamer, weil der Roman sehr chaotisch war, aber jetzt im Nachhinein arbeite ich gern weiter an dem Text, hab viele Ideen für die Überarbeitung und bin davon überzeugt, dass noch etwas annähernd brauchbares dabei herauskommen wird.
2008 hingegen hab ich den NaNo geschmissen, und ich weiß bis jetzt nicht, was ich mit meinem Donaufürsten anfangen soll, um daraus noch einen brauchbaren Text zu machen. 2010 hab ich den NaNo zwar geschafft, aber seit dem Erreichen der 50.000 hab ich an dem Text nicht mehr weiter geschrieben, er spukt mir nur sehr wenig im Kopf rum und ich bin auch hier ratlos, wie ich weiter daran arbeiten soll.

Drachenfeder

Meine ersten Kurgeschichten waren dramatischer Art und habe nichts mit Fantasy zu tun gehabt, obwohl ich zu dieser Zeit schon gänzlich in pöhantastischen Welten verloren war. Ich habe mir es aber nicht zugetraut so etwas zu schreiben.

Mein erster Roman wurde dann eine große High Fantasy Geschichte und auch die Shortstorys wandelten sich zur Phantastik.
Mein aktuelles Projekt ist nun Urban Fantasy.

Wer weiß, vielleicht schreibe ich danach einen Thriller? Ich möchte mich im Genre nie für immer festlegen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass fantastische Elementen gänzlich aus meinen Geschichten verschwinden.