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Charakter als Indiz der "Schreibbarkeit"?

Begonnen von Kraehe, 10. Februar 2011, 18:24:35

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Kraehe

Hallo zusammen :)

Also.
Da ich gerade mit zwei Perspektiventrägerinnen und diversen Protas arbeite hat sich mir gestern und heute so eine Frage bezüglich deren "Schreibverhalten" ergeben.

Die eine ist nämlich nicht auf den Mund gefallen, etwas spröde, sehr eigenständig und hat schon mal auch ein Problem damit, zu tun, was man ihr sagt.
Die andere ist dann doch ziemlich jung und stiller. Entsprechend - auch einfach weil Erfahrung fehlt - ist sie noch "leichter umstimmbar"...

Und was mir so dabei aufgefallen ist: der Charakter spiegelt sich auch im "Schreibverhalten" wider.
Die erste der beiden Damen hat meistens andere Ideen für meine Szenen als ich. Sagen wir mal, sie gestaltet meineen Plot aktiv mit. Ist nicht schlecht, aber ich muss viel für sie umschmeißen/anpassen. Weil sie mir halt nicht zuhören will...  ::)

Die zweite der beiden ist da doch sehr viel leichter zu handhaben. Wirklich große Abweichungen gibtes bei ihr nicht, sie hält sich gut an mein Skript und so weiter und so fort... ist dabei auch weniger anstrengend ;)

Und heute fiel mir so auf, dass das doch durchaus auch zu ihrem Charakter passt. Jeweils. Ohne dabei sagen zu wollen, die eine sei wirklich weniger lebendig als die andere.
Kennt ihr das auch?
Dass sich Charas mal eigenständig machen, kennt man ja und kennen anscheinend die meisten.
Aber dass sich der Charakter der Figur auch in der Schrebbarkeit niederschlägt? Ist euch das auch schonmal passiert/aufgefallen, vor allem wenn ihr verschiedene Protas habt die eine Perspektive haben?

lG
Krähe

Sanne

Hallo Krähe

Hmm - aufgefallen ist mir das noch nicht, aber ich habe auch bisher noch nicht speziell darauf geachtet. Hört sich aber logisch und nachvollziehbar an.

Jetzt hast Du mich neugierig gemacht.  ;D

Werde ich mal stöbern gehen  bei meinen Projekten ...  :buch:

Liebe Grüße
Sanne
;)

Malinche

Mir ist das gerade gestern wieder passiert. Ich wollte eine ganz feierliche Szene schreiben, in der mein Barkeeper Blake lernt, mit seinem magischen Agavenfeuer umzugehen.

Und was soll ich sagen: Blake hat erst mal blockiert. Weil er nicht der Typ dafür ist. Hat einen Streit angezettelt und meine Prota und ich haben zwei Seiten gebraucht, bis er sich zähneknirschend auf alles eingelassen hat.

Umgekehrt habe ich es auch schon erlebt, dass Charas blockieren, wenn man eben nicht auf sie hört und seine Autorenmeinung beim Schreiben von Szenen durchdrücken will. Bei den Kondorkindern hatte ich das, dass es erst voran ging, als ich meiner Berggöttin Sabancaya erlaubt habe, so zu sein, wie sie halt wirklich ist.
»Be suspicious of the lemons.« (Roxi Horror)

Rhiannon

Oh ja, ich kenne das. Bei meinen beiden Persepktivträgerinnen ist es auch so. Die eine ist grundsätzlich der Meinung, Männer sind böse, um sie also mit denen zur Kooperation zu kriegen, muss ich auch manchmal ordentlich Umwege gehen, die andere ist Menschen gegenüber grundsätzlich offener, die kann ich auch mal zu anderen Leuten dazuschmeißen, ohne, dass es gleich eine handfeste Blockade gibt.

Runaway

Hm... ich habe ganz oft das Problem, daß meine Protas so schwierig gestrickt sind, daß ich mir manchmal richtig einen abbreche, um zu Papier zu bringen, was die eigentlich gerade machen. Nebenfiguren machen es mir da nicht so schwer, die gehorchen eigentlich immer :P
Ich hatte das Problem letztens wieder. Erst wollte ich aus der Perspektive meiner Protagonistin schreiben, was mit ihrem Mann los ist. Sie hat es aber nicht rausgekriegt. Ich dachte dann irgendwann mal, ich schlüpfe in seine Perspektive, aber toll war das auch nicht... das war alles so verzwickt, daß ich es gelöscht habe und jetzt alles in der Fortsetzung aufarbeite.
Haben die ja gut hingekriegt!  :pfanne:

Emilia

Mit solchen Blockaden habe ich eigentlich (noch) keine Erfahrungen gemacht, obwohl es nicht selten vorkommt, dass meine Figuren auch mal ihren Kopf durchsetzen und anders handeln, als es vorgesehen war. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich sie für gewöhnlich einfach machen lasse und erst später schaue, ob die Szene in dieser Form überhaupt zur Geschichte passt und wie sinnig sie erscheint. Im schlimmsten Fall kann ich die (als allmächtiger Autor, höhö) ja einfach wieder rausschmeißen. ;)

Maran

...  :hmmm: ... Xaverine hat etwas geschrieben, das bei mir gerade ein Licht der Erkenntnis aufleuchten läßt. Bevor ich mit dem plotten anfing, hatte ich eigentlich keine Probleme mit bockigen Charakteren. Im besten Falle hatte ich mir ein Foto aus einem Katalog (oder was auch immer) rausgesucht, dem Menschen auf dem Photo einen Namen gegeben, ihn mit diversen Charaktereigenschaften versehen, das setting grob festgelegt und dann einfach losgeschrieben. (Ok, längere Werke sind auf diese Art auch nicht von mir beendet worden, weil ich viel zu oft an Punkte kam, an denen ich nicht wußte, wie es weitergehen sollte.  :schuldig:) Aber die Charaktere funktionierten und entwickelten sich auch, vielleicht, weil ich sie einfach machen ließ.

Nun, da ich doch mehr und mehr "nach Plan" schreibe, oder es zumindest versuche, stelle ich fest, daß die Charas sich verselbständigen. Das taten sie vorher auch, aber da durften sie es ja. Wenn ich aber meine, mein Prota müsse jetzt da und dort hin, weil das für die Geschichte und ihren Fortgang wichtig ist, dann erweist sich die Eigenständigkeit eines Protas als umso schwieriger für das Schreiben der Geschichte, je eigensinniger ich diesen Charakter angelegt habe.  :seufz:

Faol

Bei mir wirkt sich der Charakter aus dessen Sicht ich schreibe, sehr auf mein Schreibverhalten aus. Bei meinem letzten Buch habe ich aus drei Perspektiven geschrieben und bei der einen, bei meiner Rebellin lief es immer gut, weil sie die Plotlöcher immer mit nicht geplanten Szenen gefüllt hat. Die anderen beiden waren eher brav und da hing ich dann immer wieder.
Two roads diverged in a wood, and I -
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
(Robert Frost - The Road Not Taken)

Farean

Zitat von: Maran am 10. Februar 2011, 20:19:14
Im besten Falle hatte ich mir ein Foto aus einem Katalog (oder was auch immer) rausgesucht, dem Menschen auf dem Photo einen Namen gegeben, ihn mit diversen Charaktereigenschaften versehen, das setting grob festgelegt und dann einfach losgeschrieben.
@Maran: Danke für diesen Beitrag! Du hast mich gerade an was erinnert, was bei meinem letzten Projekt sicher dazu beigetragen hat, daß meine Protagonistin so lebendig war. Ich glaube, ein Bild von ihr (naja, eher im Sinne von "es stellt ihren Typ dar") in einer heroischen Pose war zumindest einer der "Zündfunken", die sie in meinem Kopf so lebendig haben werden lassen.

Zitat von: Faolan am 11. Februar 2011, 09:11:45
bei meiner Rebellin lief es immer gut, weil sie die Plotlöcher immer mit nicht geplanten Szenen gefüllt hat. Die anderen beiden waren eher brav und da hing ich dann immer wieder.
Genau das Problem habe ich zur Zeit auch mit meinen Charakteren. :-\ Meine Protagonisten in meinem letzten Projekt sprühten einfach nur so vor Eigenständigkeit, da mußte ich mich nur zurücklehnen und mitschreiben, was sie treiben. Bockig wurden sie erst, als ich gegen Ende versuchte, sie am Plot entlang auf den Showdown zuzuführen (was vermutlich unnötig war, denn der Plot wurde zu 100% von ihren Zielen und Leidenschaften bestimmt). Meine jetzigen Protagonisten sind immer etwas unentschlossen und gucken mich zwischen den Szenen ratlos an: "Was sollen wir als nächstes machen?" :P

Sanjani

Hallo zusammen,

ich kenne das überhaupt nicht, dass meine Charas bocken, wenn sie nicht so sein sollen, wie sie möchten. Bei mir sind die charas so eng mit dem Plot vernetzt, dass sich die Geschichte normalerweise von selbst ergibt. Und wenn es doch mal hakt, liegt es gewöhnlich immer daran, dass ich irgendeine Szene schreiben muss, auf die ich gerade keine Lust habe, aber nicht an den Charas selbst.

LG Sanjani
Die einzige blinde Kuh im Tintenzirkel :)

Kraehe

Ich würde jetzt ja auch nicht sagen, dass es hakt, nur weil manche eben nicht so mitspielen wie sie sollen.
Aber manche gestalten den Plot halt doch sehr aktiv mit und verlangem einem mehr Flexibilität ab als andere ;)

Gwee

Ja, das kenne ich auch sehr gut von meinem NaNo-Projekt aus 2010. Coralie und Ronan haben irgendwie alles hinausgezögert und wollten nicht, dass ich wieder den roten Faden aufnehme.
Ich denke allerdings, dass das eher positiv ist. Je ausgereifter eine Figur ist, desto einfacher lässt sie sich schreiben und fängt damit auch an, ihre Geschichte selbst zu erzählen. Daher ist es nur logisch, dass es schwerer fällt eine Szene zu schreiben, die nicht zur Person passt oder ihr widerstrebt. In letzterem Fall sollte man sich aber wohl nicht jedes Mal nach der Figur richten, denn ansonsten geht man ja jedem Konflikt aus dem Weg.
Das finde ich bei meinem momentanen Hauptprojekt auch so hilfreich. Ich arbeite zurzeit die Charaktere aus und allein dadurch ergibt sich schon ein Großteil der Story. Es ist wie ein Rubbellos und der Charakterentwurf ist die Münze, mit der ich den Plot frei rubble.
Natürlich kommt das auf den Autor an und ich bin mir sicher, dass es anderen vollkommen anders gehen wird als mir, aber für mich ist die Kooperation der Charaktere sehr wichtig und solange ich nicht genug über sie weiß geht sowieso gar nichts.
Es ist so eine Art Obsession, glaube ich. Das Schreiben fasziniert mich so sehr,
daß, wenn es mir verboten würde, ich langsam daran sterben würde.
Johannes Mario Simmel

HauntingWitch

Also ganz genau in dieser Form kenne ich das nicht. Was ich habe, sind Charaktere, mit denen ich besser schreiben kann als mit anderen, also leichter in einen Schreibfluss komme und auch schneller Erzähltempo, Stimmung, usw. finde. Da entwickelt sich dann meistens auch eine gewisse Eigendynamik, allerdings bleibt sie im Rahmen meiner beabsichtigten Plots/Szenen. Bis auf einmal, da habe ich einem Charakter dann eine grössere Rolle zugestanden, weil sie sich mir so aufgedrängt hat.  ;) Ich empfinde das aber auch immer als gut, denn oft "passieren" mir die meiner Meinung nach besten Sequenzen so. Wenn ich kaum noch etwas machen muss, ausser die Finger zu bewegen und mich am roten Faden entlangzuhangeln, und der Rest wie von alleine kommt.

Es gibt aber auch das Gegenteil: Charaktere, mit denen ich irgendwie einfach nicht die Kurve kriege. Da läuft die Geschichte zäh, habe ich monatelange Blockaden und wenn ein Dialog angesagt wäre, fällt mir nichts, aber wirklich gar nichts Vernünftiges ein. Das sind meistens die Charaktere, die einfach noch zu wenig ausgereift sind oder noch besser ausgedrückt, schlicht zu jung sind (nicht innerhalb der Geschichte, sondern als Charakter für die Geschichte).

Melenis

Hm. Ich kenne das gar nicht. Meine Charaktere sprechen auch nicht zu mir und rumkommandieren können die mich erst recht nicht. Deswegen fällt es mir auch schwer, z.B. "Spielchen" mit meinen Charakteren durchzuführen (z.B. diese Outtakes Aufgabe vom Workshop), weil ich mir meine Charaktere außerhalb der Story nicht vorstellen kann. Sie sind wohl einfach zu fest darin verankert, als das ich mit ihnen irgendwelche absurden Charakterinterviews führen könnte. Ich weiß auch nicht, ob das schlecht oder gut ist, aber na ja, ich vermisse es auch nicht :)
Also kann ich die Frage eindeutig mit Nein beantworten  :omn:

Shin

Ich hatte es noch nicht, dass meine Charaktere meinen ganzen Plot umwerfen, da ich meistens nur einen halben habe und der restliche während des Schreibens vor meinem Auge auftaucht - wahrscheinlich auch durch die Hilfe meiner Protas.
Was ich kenne ist, dass sich einige Personen leichter schreiben lassen, als andere.
Am Beispiel meines Schattenkampfes: Toshi ist ein hitzköpfiger Junge, der die Antwort auf alle seine Fragen am besten schon gestern haben will und oft mit dem Kopf durch die Wand rennt. Der zieht die Geschichte ungemein an und bringt Dynamik rein.
Eizo hingegen ist nachdenklicher, sucht in jeden Worten und jedem Handeln den tieferen Sinn und hinterfragt gerne. Da musste auch ich öfters inne halten und mir alles durch den Kopf gehen lassen.

Bei mir selbst ist es auf jeden Fall so, dass meine Figuren auch außerhalb der Geschichte existieren. Ich stehe ja auch manchmal mit einer Freundin im Kleidergeschäft und sage: "DAS würde Miakoda verdammt gut stehen!"
Wenn es möglich ist, habe ich zu all meinen Figuren die Vorgeschichte im Kopf. Manchmal wird sie eingebaut, manchmal eben nicht. Aber was hat meine Figur zu der gemacht, die sie jetzt ist? Das ist wichtig für mich. Erst wenn ich alles weiß, kann ich gut schreiben.
"The universe works in mysterious ways
But I'm starting to think it ain't working for me."

- AJR
"It's OK, I wouldn't remember me either."        
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