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Dialekte

Begonnen von Maja, 23. Februar 2006, 15:16:25

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Aidan

Hallo Manja!

Ich finde es klasse, wenn die Charaktere an ihren Dialekten zu erkennen sind oder charakterisiert werden. Leider kann ich das nicht bieten, denn ich spreche gar keinen und ich kenne auch keinen so genau, dass ich ihn imitieren oder aufgreifen könnte.

Was ich aber mache, dass ich darauf achte, dass sie kein richtiges Schriftdeutsch sprechen. Da werden dann mal Buchstaben verschluckt, Sätze unvollständig gelassen, oder, wenn sie eine fremde Sprache sprechen, Worte gesucht oder gebrochen gesprochen.

Was ich auch schon überlegt habe, vielleicht dem ein oder anderen Gewohnheiten anzudrehen. So wie meine Tochter immer "gell" sagt, oder halt irgendeinen Spruch, der für diese Person dann typisch ist. Aber da meine Figuren zur Zeit eher schweigsam sind, bin ich noch nicht so recht in die Verlegenheit gekommen.
"Wenn du fliegen willst reicht es nicht, die Flügel auszubreiten. Du musst auch die Ketten lösen, die dich am Boden halten!"

,,NEVER loose your song! Play it. Sing it. But never stop it, because someone else is listening."

Churke

Mit Dialekten und Akzenten gehe ich sehr sparsam um, weil ungewohnte Schriftbilder den Lesefluss stören. Ich hatte mal eine (angelsächsische) Figur, die sprach so: "Hattan See ine Meenoote Tsite, oom yber Jesus tsoo discooteeran?"
Und ich habe ich mich extrem bemüht, ihn möglichst wenig reden zu lassen - aus Rücksicht auf den Leser.

Luisa

#47
Den Figuren Dialekte zu geben ist toll, das macht sie authentischer. Zwar würde ich es nicht wie in Churkes Beispiel machen, denn das ist wirklich schwer zu verstehen. Den Satz habe ich dreimal gelesen.  ;)

Ich selber gebe ihnen aber kaum Dialekte, da ich mich einfach nicht gut genug auskenne. Ich habe verwandte in Berlin, also kann ich ab und zu jemanden berlinern lassen, wenn ich das möchte. Aber ansonsten lasse ich es lieber, damit nicht am Ende eine Eigenkreation herauskommt.

Um zu betonen, dass eine bestimmte Person sich weniger gut ausdrückt als eine andere, mindere ich einfach meine Schriftsprache ein wenig. Man kann einfach nicht immer schreiben, wie man spricht, das klingt irgendwann zu merkwürdig.
Zum Beispiel Wörter wie "wirstes". Das ist "wirst du es" und das verwende ich auch nur, wenn mein Chara gerade besonders schludrig klingen soll.

Tenryu

Ich bin nicht so der Anhänger eines naturalistischen Stiles. Daher lasse ich meine Figuren Hochdeutsch parlieren.
Ausnahmsweise habe ich mal eine Nebenfigur ein- oder zwei Sätze auf Kauderwelsch babbeln lassen.

Bei Dialekten besteht zum einen das Problem, daß es bei längeren Reden doch eher mühsam zu lesen ist; und zum anderen es nicht leicht ist, gesprochene Sprache so zu verschriftlichen, daß der Leser sie auch richtig aussprechen kann.
Hinzu kommt auch die Frage der Verständlichkeit.

Echte Dialekte sind schon sehr schwer zu schreiben (vor allem fremde). Und erfundene haben oft etwas künstliches, bemühtes.

Rhiannon

Da meine Hauptpersonen gewöhnlich adelig sind, sprechen diese natürlích auch eine geschliffene Sprache. Bei Nebenpersonen sage ich entweder, dass sie schludrig sprechen, oder ich verschludere kleinere SAchen absichtlich, sowas wie z.B. "Wir ham dann das gemacht!" Oder manchmal versaue ich auch einfach den Satzbau, wie es halt geschieht, wenn man gesprochene Sätze schriftlich überträgt. Und diese Figuren berichten dann auch nicht: "Wir gingen in unser Lager!" sonder "Wir sind ins Lager gelatscht!"

Berjosa

Ich bin an und für sich eine große Anhängerin von Dialekten. Das ungewohnte Schriftbild stört mich wenig, und wenn die Leute nur genug reden, dann gewöhnt man sich eben dran. (Eine andere Möglichkeit wäre, nur ein paar Sätze so zu schreiben wie in Churkes Beispiel, und die weiteren Dialoge normal, mit gelegentlich einem nicht ganz passenden Ausdruck oder einem unverständlichen Wort, das den Akzent wieder in Erinnerung ruft.)
Hab ich schon mal irgendwo erwähnt, dass ich gern Carl Amery lese? Da geht es z.B. darum, dass der Herzog von Bayern der rechtmäßige König von England ist, weshalb eine Menge bayrisch redender Haupt- und Nebenfiguren auftreten. Bayern kämpfen aber nur unter preußischer Führung gut, also gibt es einen preußisch schnarrenden Kommandanten. Die ganze Bande stolpert in Schottland herum, daher reden sie auch noch Englisch mit deutschem Akzent. Prima. Passt alles hervorrangend.
Wenn es in dem betreffenden Abenteuer nun aber nicht um den Untergang der Stadt Passau geht, sondern um Elfen, die sich in einer Fantasy-Welt im engeren Sinn bewegen, finde ich "Ozapft is" ebenso unangebracht wie Lords und Ladies oder Vergleiche mit dem Räuber Hotzenplotz.
Da wirkt es vielleicht besser, kurz zu beschreiben, wie die Figuren genau reden, oder gelegentlich Verständigungsschwierigkeiten zwischen Leuten aus verschiedenen Regionen einzustreuen, ein Nordlicht und einen Südländer, die sich gegenseitig mit ihrer unterschiedlichen Sprechweise aufziehen, oder ähnliches.
In einer meiner Fantasy-Welten gibt es ein Volk, bei dem ein politischer Flügel versucht, sich auch sprachlich vom anderen abzugrenzen. Da es aber insgesamt kontraproduktiv wäre, alle Dialoge auf Printisch zu schreiben, probiere ich das auf Deutsch nachzuturnen, indem die einen sich ihrzen, mit Vor- und Mutternamen anreden und insgesamt etwas steifer sprechen, während die anderen sich duzen, mit abgekürzten Vornamen bzw. Spitznamen anreden und sich eher flapsig ausdrücken.

Ary

Ich mag Dialekte in Fantasygeschichten gar nicht. In irgendeinem Fantasyroman (ich glaube, eswaren ins deutsche übersetzte Bücher von David Eddings) faselte auf einmal eine Nebenfigur berlinerisch. Waaaahrrrgh. Ich hasse das - in der Fantasywelt eines Herrn Eddings exisiet so etwas wie Berlin nicht, darum mag ich da auch keinen beliner Dialekt lesen, auch wenn ich den berliner Dialekt sehr mag.
Manja, eine bayernde Maika kann ich mir nur sehr schwer vorstellen, ebensowenig sächselnde Zwillinge... *duck*
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Manja_Bindig

#52
Ich fands ehrlich gesagt am Anfang auch komisch. Mitten in ihrem ersten in der neuen Version SAtz fing die Gute an, zu bayern.

Und es passte - es passt sogar hervoragend zu ihr. Inzwischen hat sich das so ausgebreitet, dass die untere Mittelschicht und die Unterschicht mehr oder minder stark im Dialekt spricht(rat mal, was der arme Arinyl für Probleme beim Oktavi-lernen hatte).
Und wenn dann noch ihre Tochter in diesem Dialekt anfängt zu schreien und zu zetern - für mich ist es eine Freude zu schreiben und meine Betas grinsen immer beim Lesen(ich hab ne Öterreicherin dabei, die mich auch darauf hinweist, wenn was so nicht geht - es muss ja immer noch verständlich sein)

Die Zwillinge haben von Anfang an gesächselt - allerdings hab ich den Akzent bewusst bemüht gehalten, immerhin beherrschen sie Eriati eigentlich perfekt... der Akzent IST gekünstelt(DAS war ne elene Artbeit - sächsisch fließt mir ja nun mal sehr leicht und locker aus der Feder - meine Muttersprache da extra gekünstelt zu gestalten! Hilfe).

Meine Hauptcharas sprechen allerdings nicht im Dialekt - da fänd ich es dann auf dauer doch nervig. Da Maika und ihre Tochter aber nicht in jedem Kapitel und nicht auf jeder Seite vorkommen, ist das in Ordnung.

Churke

In "Lysistrata" von Aristophanes spricht die Spartanerin Lampito lakonischen Dialekt. In einer Übersetzung, die übrigens ziemlich gelungen ist, hat sich der Übersetzer für Schwäbisch entschieden.  ;D

Tenryu

Bei übersetzten Werken finde ich das mit den Dialekten besonders schwierig. Wie soll man im Deutschen darstellen, wenn einer schottisch, irisch oder australisch redet? Läßt man es sein, geht dem Werk etwas verloren, läßt man die Schotten hingegen irgend einen deutschen Dialekt reden, wirkt das unfreiwillig komisch.

Hr. Kürbis

Das kommt sehr auf das Setting an, bei Fantasy würde ich eher sagen es funktioniert nur bedingt. Silben verschlucken, nuscheln oder ähnliches ist in Ordnung, aber es gibt eben kein Sachsen, kein Bayern o.ä. in meinen Welten, also warum sollten die Leute so reden?
Das ist dann wie bei Star Wars, wo die Aliens der Handelsföderation mit französischem Akzent reden. Obwohl, die sehen ein bisschen aus wie Frösche, ist das Zufall? :hmmm:

Wenn es allerdings Gegenwartsliteratur ist (oder historisch), dann finde ich das in Ordnung und auch "echt". Hab grad ein Buch von Annie Proulx ausgelesen, Postkarten, in dem sich die Mutter zusammen mit ihrer Tochter über die Aussprache der verstorbenen Großmutter amüsiert. Die Mutter gibt dann wieder, was sie noch behalten hat und auf einmal tauchen viele plattdeutsche Begriffe im Text auf. Jetzt kann es natürlich sein, dass auch im Originaltext dort Plattdeutsch gesprochen wird, immerhin sind viele Deutsche in die Staaten ausgewandert und mit der Sprache relativ weit gekommen (zum Beispiel mein Urgroßonkel), also war das, wenn es eine Übersetzung ist, ziemlich naheliegend, es so zu machen.

Coppelia

Bin nicht so der Freund von Dialekten und beherrsche auch kaum einen. Und ich lese leise, Dialekttext kann ich aber praktisch nur laut gelesen verstehen. Und ich mag nicht plötzlich laut lesen.

Außerdem verstehe ich nicht so recht, was Dialekte in Geschichten zu suchen haben, wo es die entsprechenden Gegenden gar nicht gibt. Man kann es vielleicht aus Jux machen, aber ergibt es Sinn? Ok, man kann natürlich ähnliche Verhältnisse innerhalb des Romans schaffen. Aber die Dialekte entwickeln sich ja nicht einfach so, sondern durch Lautwandel im Lauf langer Zeit, dann könnte man sich also auch gleich die Dialekte der benachbarten Gegenden ausdenken ... ;)

Ich hab im Augenblick das "Problem": Mein Prota ist in einer Gegend, wo man Dialekt spricht. Ganz offiziell. Die Menschen, mit denen er zu tun hat, sprechen alle Dialekt. Aber keinen, den es in unserer Welt geben würde. Wie hört er sich also an? Ich weiß es nicht. Ich versuche, ihnen ein paar spanische Einsprengsel zu geben - was durch die Tatsache, dass ich kein Spanisch kann, nicht gerade erleichtert wird - und sie ansonsten umgangssprachlich reden zu lassen. Aber beides ist nicht so einfach, wenn man hochwissenschaftliche Gespräche führt.
Daher werde ich das Dialektproblem wahrscheinlich einfach ignorieren. :-\

Ary

Mir geht's da wie Tenryu, das ist genau mein Problem - ich finde Dialekte, da wo sie nicht hingehören, albern und komisch, und das machtmir eine ernsthafte Geschichte einfach kaputt.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Lisande

Charaktere anhand ihrer Ausdrucksweise zu charakterisieren, finde ich toll - aber Dialekte halte ich für nicht so geeignet, da sind meiner Meinung nach bestimmte Begriffe, bestimmte Angewohnheiten besser.
Ich finde es sehr schwierig, einen Dialekt vernünftig zu schreiben. Meistens wirkt das furchtbar aufgesetzt, vor allem, wenn in Dialekten Lautbilder auftauchen, für die es keinen eigenen Buchstaben gibt. Gerade, wenn man den Dialekt nicht als "Muttersprache" spricht, sollte man sehr vorsichtig mit dem sein, was man tut und schreibt.

In Fantasygeschichten geht es mir wie Aryana und Tenryu - da haben "echte" Dialekte nichts zu suchen, denn es wird sie so in dieser Welt nicht geben. Ich kann gut damit leben, wenn ein Charakter schlechtes Deutsch spricht, wenn es zu ihm passt, das heißt, wenn die Grammatik verdreht oder vereinfacht wird und Wörter genuschelt oder zusammengezogen werden.

Was in diesem Zusammenhang noch recht gut funktioniert, ist ein Ruhrpott-Dialekt (wenn's denn unbedingt einer sein soll) - denn das ist kein Dialekt im eigentlichen Sinne, sondern einfach schlechtes, genuscheltes Deutsch mit verkorkster Grammatik und nur einigen wenigen, typischen Begriffen, die man aber auch gut weglassen kann. Wenn dann also vielleicht ein Stallknecht von "dem Grafen seine Frau ihr neues Pferd" spricht, könnte ich damit noch leben...

Ich finde Coppis Einwand auch sehr wichtig - Dialekte ins oft nur verständlich, wenn man sich das, was da geschrieben steht, laut vorspricht - und das ist blöd und manchmal auch nicht wirklich möglich (ich möchte nicht in der U-Bahn sitzen und anfangen, laut zu lesen).

Also kurz zusammengefasst: ich finde es toll, wenn Charaktere an ihrer Ausdrucksweise erkannt werden können, aber auf direkte Dialekte würde ich eher verzichten.

Steffi

#59
Zitat von: Lisande am 08. Oktober 2008, 10:55:40

Was in diesem Zusammenhang noch recht gut funktioniert, ist ein Ruhrpott-Dialekt (wenn's denn unbedingt einer sein soll) - denn das ist kein Dialekt im eigentlichen Sinne, sondern einfach schlechtes, genuscheltes Deutsch mit verkorkster Grammatik und nur einigen wenigen, typischen Begriffen, die man aber auch gut weglassen kann.

Das Ruhrdeutsche hat sich in den letzten Jahr sehr verflüchtigt, aber eigentlich ist es schon ein Dialekt mit sehr vielen eigenständigen Begriffen, die leider nur mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Und die Grammatik ist nicht bloß verkorkst, sondern stammt unter anderem noch aus dem Gotischen (das allseits beliebte "dem Hans sein Fahrrad" ist so in Überbleibsel ;) ). Auch so Sachen wie "wat" und "dat" sind nicht bloß genuscheltes Hochdeutsch, sondern tatsächlich uralte Variationen die sprachgeschichtlich (ich meine durch die Nähe zu den Niederlanden) begründet sind.

/klugscheißmodus :)

Ich finde, wirkliche Dialekte in Büchern nicht nur oft unfreiwillig komisch, sodern vor allem auch sehr schwer zu lesen wenn es kein Dialekt ist, mit dem der Leser im täglichen Leben zu tun hat. Ich wäre da vorsichtig, ich finde, so etwas kann die Leselust eher abschwächen als anspornen. Bloße Eigenheiten in der Ausdrucksweise einer Figur find ich dagegen klasse.

Sic parvis magna