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Der Autor und Mängelexemplare

Begonnen von Kaeptn, 14. Oktober 2010, 16:18:31

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Kaeptn

Hallo,

ich hab da mal eine Interessens-Frage an die Fachleute hier unter uns: Heute war bei real mal wieder großer Wühltisch mit Büchern (Preisred. Mängelexemplare (die i.d.R. gar keine Mängel haben)) für 3,49 Euro und ich hab da auch gestöbert und mich dabei gefragt: Verdient der Autor eigentlich an diesen Büchern noch mit? Oder gelten die nicht als verkaufte Auflage sondern quasi als "Ausschuss"?
Und wer macht eigentlich den Stempel drauf? Der Einzelhändler, weil er die Lagerbestände loswerden will und nur auf diese Weise den Preis senken darf? Oder kann man solche Pakete von "Mängel"exemplaren explizit beim Verlag ordern?

Danke im Voraus für die Antwort(en)

Rigalad

Ich glaube nicht, dass der Einzelhandel die Preise selbstständig ändern darf. Die werden ja i.d.R. vom Verlag vorgegeben. Generell habe ich da auch zu wenig Ahnung von, aber ich weiß, dass es in meinem Vertrag eine Klausel gibt, die besagt, dass für den Fall, dass Auflagen sich nicht (mehr) verkaufen lassen, diese verramscht werden dürfen. Ich nehme an, dass sind dann die Wühltischfälle.
Die Bücher, die wirklich durch Fehldrucke Mängel aufweisen, sei es durch fehlende Seiten usw., werden dann bestimmt auch vom Verlag entsprechend gezeichnet und als Mangelexemplare in den Verkauf gebracht.
Wie gesagt, ich weiß es nicht, ist lediglich eine Vermutung.

Hanna

Die Verramschungsklausel kenne ich auch. Bevor Bücher verramscht werden, unterliegen sie doch auch der Buchpreisbindung, oder? Ist aber auch alles nur gefährliches Halbwissen.
#notdeadyet

Grey

Also in meinem Vertrag für die Vampire steht es so, dass der Verlag die Restexemplare verramschen darf, wenn der Verkauf in zwei aufeinanderfolgenden Jahren unter einer bestimmten Stückzahl gelegen hat. Die gehen dann eben zum Wühltisch.

ZitatAm Erlös ist die Autorin in Höhe ihres sich aus Absatz 4.2 ergebenden Grundhonorarprozentsatzes beteiligt

Man bekommt also theoretisch noch Geld. Aber wie viel das ist, wenn das Ding schon verramscht werden muss und die Beteiligung des Autors je nach Vertrag zwischen 5 und 10% liegt, lohnt sich wohl gar nicht erst auszurechnen. ;)

Wie das mit wirklichen Mängelexemplaren ist, ob die überhaupt in den Handel kommen ... keine Ahnung. ???

Moni

Die Bücher, die man in den Großbuchhandlungen und zahlreichen Kaufhäusern in den Kisten liegen sieht, sind keine Mängelexemplare im eigentlichen Sinn. Oft sind es Restauflagen von Titeln, deren Ladenpreis aufgehoben ist (was passiert, wenn ein Titel vergriffen ist, also nicht mehr regulär erworben werden kann), oder aber Titel aus erloschenen Verlagen (Knaur Fantasy in der ganz alten Aufmachung ist ganz oft dabei) und es gibt sogar Verlage, die solche Überschüsse in den Auflagen mit einrechnen und dann nachher durch Abschreibung trotzdem noch Geld verdienen. Letzeres ist aber schon eine Dunkelgrauzone, wenn es um die Preisbindung geht.

Richtige Mängelexemplare, mit fehlenden Seiten etc. werden normalerweise (wenn z.b. ein Kunde das merkt und im Laden zurückgibt) vor Ort vernichtet und allenfalls noch die HTS (Haupttitelseite) an den Verlag geschickt (Stichwort körperlose Remission). Das war zumindest in meiner Ausbildungszeit noch üblich, aber die liegt nun auch schon zehn Jahre zurück und ich bin seit 8 Jahren nicht mehr im Ladengeschäft tätig, sondern hinter den Kulissen. Wie Remissionen von Mängelexemplaren jetzt laufen, kann ich also nicht genau sagen. Fakt ist, solche Exemplare werden in der Regel nicht mehr in den Handel gegeben. Bei einem Knick im Cover oder sonstigen Beschädigungen sieht es anders aus, dann wird das Teil "verramscht", also als Mängelexemplar gekennzeichnet, der Verlag kriegt ne Info, Buha eine Mängelgutschrift und der Buchhändler darf das Teil als Mängelex für preiswert verkaufen.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Maja

#5
Hallo Käptn,

es ist schön, daß du dich im Board "Phantastik und Fantasy" so wohl fühlst, aber auch wenn wir alle Fantasyautoren sind, heißt das nicht, daß du jedes Thema, das irgendwas mit Schreiben zu tun hat, in diesem Board eröffnen sollst - es geht darin nicht um die Entwicklungen der Verlagsbranche, sondern um Phantastik und Fantasy im Allgemeinen und insbesondere im Nicht-Buch-Bereich. Du darfst Themen auch in anderen Boards eröffnen, vor allem in den richtigen, und wir bitten dich, das in Zukunft auch zu tun.

LG, Maja

P.S. Ich schreibe das jetzt nur hier und nicht auch noch in die drei anderen Threads, die ich gerade verschieben mußte, weil sie völlig deplaziert waren.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Churke

Bei ebay werden "preisreduzierte Mängelexemplare" ziemlich planmäßig verkauft. Man mus auch sehen, dass Preise von 3,50 bis 5 Euro eher Budget- als Ramschpreise sind.
Manchmal, insbesondere, wenn Kaufhäuser schließen (Erfahrungwert), werden da die Ramschkisten ausgepackt und Bücher für 1, 2 Euro verhökert. Da habe ich echt schon günstig eingekauft.
Ein einziges (!) Mal habe ich auch *echte* Mängelexemplare mit Fehldrucken, schiefen Formaten etc. gesehen. 

JulyRose

Mängelexemplare sind übrigens auch die Exemplare, die vom Buchhandel remittiert werden. Die wieder ins Hochregallager einzusortieren, wäre zu kostenintensiv. Also Stempel drauf und inne wühlkiste damit, die dann meist pauschal für einen Palettenpreis wieder an den Buchhandel verkauft werden.

Tja. Schöne, schöne Bücherwelt. *schluchz*

LG, Juliane

Churke

Zitat von: Grey am 14. Oktober 2010, 17:11:49
Man bekommt also theoretisch noch Geld. Aber wie viel das ist, wenn das Ding schon verramscht werden muss und die Beteiligung des Autors je nach Vertrag zwischen 5 und 10% liegt, lohnt sich wohl gar nicht erst auszurechnen. ;)

Ich habe gerade gesehen, dass der Standardvertrag des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels vorsieht, dass im Fall der Verramschung der Autor mit dem *normalen* Honorarprozentsatz beteiligt wird. Es wird also geteilt wie zuvor - nur ist der Kuchen kleiner.

Grey

Ja, nichts anderes habe ich doch gesagt. ::)

FeeamPC

Ich greife mal das Thema wieder auf, weil es für mich gerade aktuell wird.
Remissionen bedeuten leider auch, dass möglicherweise Autoren am Ende für ihre Bücher zunächst überhaupt kein Geld sehen. Ich habe nämlich gerade mal wieder einen Schwung Remissionen (über 70% der Verkäufe der betroffenen Titel) vom Buchgroßhandel zurückbekommen. Bücher, die irgendwann letztes Jahr von denen angekauft wurden, Bücher, für die die Autoren natürlich auch bereits Honorar bekommen haben. So etwas wie ein Minus-Honorar (also dass der Autor zurückzahlen muss) gibt es nicht. Der Verlag bleibt also erst einmal mit dem Minus sitzen.
Das bedeutet, ich muss mir ernsthaft überlegen, ob ich den Zeitraum, nach dem die Autoren ihr Geld bekommen (zumindest das für die gedruckten Bücher), nicht drastisch ausweiten muss.
Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien der Buchgroßhandel einkauft, wenn da plötzlich so viele Retouren in einem Schwung kommen. Erst kaufen die unter besten Konditionen ein, mit Tricks im Vertragtext, die ihnen ermöglichen, mehr als die vom Gesetzgeber festgelegten maximalen 50% zu kriegen, und dann gibt es nach sechs bis zwölf Monaten noch größere Retouren. Betroffen sind übrigens vor allem die Anthologien.
Für einen kleinen Verlag kann das einen ziemlich plötzlichen Liquiditäts-Engpass geben. Zumal ja, weil so viel vom Buchgroßhandel eingekauft wurde, ich auch noch einen Nachdruck gemacht habe, um selbst überhaupt Bücher an Lager zu haben. Der hat sich dadurch leider als komplett sinnlos herausgestellt.
:wums:

Silvia

6 oder 12 Monate bis zur Rückgabe war bei uns im Buchhandel auch immer Standard. Nicht verkaufte Barsortimentsbücher gingen nach 6 Monaten zurück, da bis dahin die Rücksendefrist lief. Die Barsortimente oder andere Großhändler werden ähnliche interne Zeiträume haben, nehme ich an. Und wenn die alle die Erstauflage des Titels relativ zeitgleich kauften, dann geht nach x Monaten relativ zeitgleich der nicht verkaufte Schwung wieder retour.
Da ich in dem Bereich aber nie tätig war, ist das nur eine Vermutung.

Kaeptn

#12
Zitat von: FeeamPC am 22. August 2016, 13:56:52So etwas wie ein Minus-Honorar (also dass der Autor zurückzahlen muss) gibt es nicht. Der Verlag bleibt also erst einmal mit dem Minus sitzen.

Also ich habe bei beiden Verlagen von denen ich schon Abrechnungen über mehrere Jahre hatte (und auch bei neobooks) Remittenden als negative Position in der Honorarabrechnung gehabt. Zwar musste ich nichts zurückzahlen, aber das Minus wurde eben mit dem PLUS durch die aktuellen Verkäufe verrechnet. Also meiner (unerfreulichen) Erfahrung nach darfst du z.B. das Minus für die Rücksendungen mit dem Plus der seit der letzten Rechnung verkauften eBooks des gleichen Autors verrechnen. Ob du das Geld zurückfordern kannst wäre eine interessante Frage. Letztlich steht dem Autor das Honorar nicht zu, denn die Bücher wurden ja nicht verkauft.

Von diesen Rücksendepraktiken hat Torsten Low auch schon mal berichtet, kann deinen Ärger gut nachvollziehen :(

FeeamPC

Stimmt, ich habe die Möglichkeit, das Minus mit zukünftigen Abrechnungen zu verrechnen. Das wirklich ärgerliche daran ist, dass ich einen Liquiditätsenpass kriege, tatsächlich überlegen muss, ob ich in bestimmten Bereichen den Autoren in Zukunft noch später erst ihr Geld auszahlen kann (dann nämlich, wenn ich sicher sein kann, dass keine Retouren mehr kommen), und dass ich durch dieses "Titel horten" der Großhändler völlig unnötige Nachdrucke machen musste. Das ist Kapital, das bei einigen Titeln damit auf Jahre gebunden ist. Eine mögliche Konsequenz ist natürlich, dass ich an noch kleinere Auflagen denke, was dann allerdings den einzelnen Buchpreis nicht gerade billiger macht.

Zit

#14
Hm. :hmmm: Da war doch was... Verkehrsordnung, Paragraf 6. Ich verstehe das so, dass du das als Verlag unterbinden kannst, indem du Remissionen dem Buchhandel/ den Barsortimenten für so einen langen Zeitraum einfach versagst. Am einfachsten wären wohl Verträge ohne RR.
Aus meiner aktiven Zeit weiß ich jedenfalls noch, dass solche Remissionen nach solchen langen Zeiträumen zwar weit verbreitet waren, aber auf RR fußten. Die Frage ist nur, welch langen Atem du als Kleinverlag hast. Ich kann mir vorstellen, dass dann einfach weniger Bestellungen reinkommen werden. (Andererseits hast du dann auch den Ärger mit den überflüssigen Nachdrucken nicht.) Vernünftige Buchhandlungen sollten verstehen, dass man als Kleinverlag nicht so verschwenderische Konditionen bieten kann wie Großverlage. (Die an so langen Fristen aber auch zu knabbern haben.) ADAC zBsp. durften wir damals nur unterschriebenem Schein vom Vertreter remittieren. War zwar ein Blankoformular, aber trotzdem natürlich kein Freifahrtsschein, weil die Titel zuvor schon (idealerweise beim Vertreterbesuch) abgesprochen wurden. Kam auch regelmäßig alle paar Monate für Altauflagen vor, die wir eben über den Verlag bezogen hatten und nicht über das Barsortiment. Wenn die standartmäßigen sechs Monate fürs Barsortiment verstrichen waren, haben wir natürlich trotzdem lieb beim Vertreter angefragt. :innocent:

Was ich sagen will: Für die aktuellen Fälle hilft dir das natürlich nichts mehr. Ich hoffe, dass du es irgendwie überleben kannst. Und für die Zukunft vll. einfach kein (volles) RR.

PS: Das ist jetzt nicht bevormundend gemeint. Mir ist nur der Paragraf eingefallen, die Erklärungen sind eher für andere, die ihn nicht kennen.
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt