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Eine Frage des Humors?

Begonnen von zDatze, 02. August 2010, 14:11:26

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zDatze

Ich war jetzt schon dreimal soweit, dass ich dieses Thema eröffnen wollte. Ich war nur jedes mal ratlos, wie ich es formulieren sollte.

Mir passiert es manchmal, dass meine Prota mitten in einer düsteren Szene auf einmal einen Anflug von Galgenhumor an den Tag legt. Jedes Mal wenn ich dann über so eine Stelle lese, frage ich mich automatisch, ob das noch in Ordnung geht.
Mir ist klar, dass jede Figur ihre eigene Erzählstimme hat. Wenn es passt, dann passt es eben. Aber beschleichen euch da ab und zu Zweifel, ob diese Stimme auch den Leser anspricht? (Mir ist auch klar, dass man nicht jeden Geschmack treffen kann.)
Mir gefallen bissige Dialoge und sarkastische Gedankengänge. Aber nur weil mich die Aussage von einem Prota anspricht, heißt das nicht automatisch, dass es jemand anderem auch so geht. Gibt es für euch eine Grenze an erträglichem Spott?

Also kurz gefragt: Wie haltet ihr es mit Sarkasmus, Ironie, Zynismus bzw. sonstigem Humor in euren Geschichten?
Ja? Nein? Ab und zu? Oder auf gar keinen Fall?

Waffelkuchen

#1
Ich habe relativ viel Humor in meinen Büchern, weil jeder Prota seine Art von Humor hat- die einen weniger, die anderen mehr. Die einen blödeln rum, die anderen geben überall ihren zynischen Senf dazu... Ich unterdrücke das nicht, ich lasse es einfach passieren und denke nicht darüber nach, ob das jetzt jemand nicht witzig finden könnte. Wie du schon gesagt hast: Allen kann man es eh nicht recht machen, also versuche ich es erst gar nicht.
Ich glaube, das Schlechteste was man machen kann, ist zwanghaft witzig sein zu wollen bzw., im anderen Extrem, alles zwanghaft ernst zu machen. Dann wirkt es gekünstelt und das finde ich in jedem Fall schlecht.

Was das "passend zur Situation" angeht - als ich mal 40°C Fieber hatte, habe ich rumgescherzt, dass ich sicher die Vogelgrippe erwischt habe und sterben werde. Passend zur Situation? Absolut nicht. Was steckte dahinter? Eigentlich hatte ich ziemliche Angst und habe versucht, darüber hinwegzutäuschen. Das sagt also viel über mich aus, oder? Insofern ist doch Humor auch ein Mittel zur Charakterisierung und ich fände es schade, das einfach zu vergeben, aus Angst, man könnte die Atmosphäre dadurch zerstören. Solange man die Dramatik nur mit etwas Humor würzt, kann da doch nicht viel schief gehen. Da muss man sich einfach auf sein Gefühl verlassen, glaube ich. :)
Ich heb mein Glas und salutier dir, Universum / Dir ist ganz egal, ob und wer ich bin
Fremde - Max Herre, Sophie Hunger

Thaliope

Ich liiiieeebe Zynismus, Sarkasmus, Spott und bitterbösen Humor in jedweder Form. Kann ich gar nicht zu viel von kriegen.
Klar gibt es Leute, die damit nichts anfangen können. Ich persönlich schreibe einfach nicht für die ;)
Die einzige Gefahr sehe ich darin, dass du dir eine mühsam aufgebaute Stimmung durch einen flapsigen Kommentar zerstören könntest, da müsstest du halt am Ende durchgucken, ob das der Fall ist und dann ggf. ein paar Sprüche streichen. Aber sonst - hau ordentlich drauf - meine Meinung.

LG
Thali

Tokanda

Prinzipiell finde ich das gut. Meiner Meinung kommt es allerdings auf den jeweiligen Kontext bzw. die entsprechende Szene an. In düsteren Szenen ist Galgenhumor absolut ok, heißt ja schließlich "Galgen"-humor...   ;D
In meiner aktuellen Lektüre gibt es auch dramatische oder düstere Szenen, in denen einer der Charaktere plötzlich einen ironischen Kommentar raushaut oder etwas flapsiges in die Runde wirft. Nicht immer gelungen, wie ich finde. Teils reist mich das aus der Stimmung raus, nicht weil da etwas Ironisches steht, sondern weil die Formulierung meiner Ansicht nach leicht plump ist oder gerade diese Art Flapsigkeit in diesem Moment nicht passt, eher irritierend wirkt. Ich finde, dass es sehr darauf ankommt, nicht zu überziehen. Das ist eine Gratwanderung, denn wie du schon geschrieben hast, die Geschmäcker sind verschieden.


Andererseits kann ein Autor es quasi zu seinem "Erkennungszeichen" machen, seine Schreibe mit ironischen oder sarkastischen Komponenten zu würzen, das kann durchaus stilprägend sein. Ob's gefällt, hängt ja immer vom Leser an sich ab. Wie heißt es so schön: "Beauty lies in the eyes of the beholder"

FeeamPC

Ich finde, es kommt auf den Typen und seine Gesellschaft an. Wenn du über japanische Samurais schreiben würdest, wäre flapsiger Humor im Heer des Shogun vermutlich nicht so angebracht. Bei einem deutschen Landsknecht, der unter Tilly durch die Lande zieht, schon eher. und bei einem Gaukler in der Fantasy-Welt, der nebenbei als Spion arbeitet, würde ich Humor sogar erwarten.

Churke

Wenn ich sowas lese, fällt es mir in der Regel positiv auf: "Der Autor hat Humor!" Wenn eine Figur "the bright side of life" sieht, macht sie mir das sympathisch.

Nur muss es eben unter dem Strich zu der Figur auch passen und sollte nicht in Klamaukige abdriften oder versuchen, einen Witz zu umzingeln. Ich selbst übertreibe es manchmal etwas dabei und quetsche mit Gewalt noch einen Gag heraus. Beim Überarbeiten fällt mir das dann regelmäßig auf und wird gestrichen.
Es gibt aber auch Situationen, in denen ist so etwas völlig unpassend. Als Autor muss man das eben einfach merken...  :psssst:


Rika

Ich finde es bei sowas einzig wichtig, daß es zum Charakter paßt - und natürlich, daß das Buch von der Stimmung her eben "stimmig" ist. So wie es sich anhört, paßt, ja gehört es bei deinem Chara geradezu dazu - da wäre es dann warscheinlich eher schlimm, es ganz rauszustreichen und den Chara um eine Facette ärmer/flacher zu machen.

Was ich nicht mag ist, wenn es fast schon in Slapstick ausartet, aber so hört es sich hier nicht an.

Feuertraum

Humor ist so eine Sache für sich.
Wie schon einige vor mir geschrieben haben, dürfen die Gags nicht auf Teufel komm raus geschrieben sein, gleichzeitig müssen die, die geschrieben werden, auch sitzen.
Allerdings gibt es spezielle Instrumente, wie Gags vorbereitet werden, wie man den Leser (das Publikum) in seinen Bann zieht und ihn immer wieder aufs neue damit überrascht.

Humor ist in meinen Augen eines der am schwierigsten zu schreibenden Gebiete überhaupt.
Was hat eigentlich He-Man studiert, dass er einen Master of the universe hat?

Kuddel

Durch meine Arbeit auf Sanitätsdiensten habe ich auch eine Art von Galgenhumor entwickelt. Der kommt einfach mit der Zeit und einiges davon landet in meinen Romanen. Ich finde es vollkommen in Ordnung, wenn in schrecklichen Momenten der Verstand versucht mit Humor der Situation zu entkommen.
Allerdings sollte es, wie schon gesagt, nicht erzwungen klingen. Dann kann es schnell falsch ankommen beim Leser.

The first draft of everything is shit - Ernest Hemingway

Maran

Humor ist etwas, was man lernt. Darüber gibt es wissenschaftliche Studien. (Zumindest eine ...  :hmmm:)

Allerdings dienen Galgenhumor, Sarkasmus und Zynismus einem anderen Zweck als Witze. Während letztere unterhalten sollen, nehmen erstere einer Situation den Schrecken oder bauen emotionale Stresssituationen ab. (Bestes Beispiel: Gremlins, die Mikrowelle - auch das ist m.E. eine Art Galgenhumor. Ich hätte den Film nicht durchgestanden, wäre das "Bing" nicht gekommen ...) Insofern ist wohl auch nichts gegen diese Art von Humor in den entsprechenden Szenen einzuwenden, vorausgesetzt, es passt zu dem kommentierenden Charakter in der entsprechenden Situation und wirkt nicht gekünstelt.

Feuertraum hat Recht: Humor IST das am schwierigsten zu schreibende Gebiet.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, daß die besten Einfälle die sind, über die man nicht im Vorfeld nachdenkt, die einfach so "rausflutschen", und ich würde mir auch gar keine Gedanken darüber machen, wie sie beim potentiellen Leser eventuell ankommen könnten, denn, wie schon gesagt, Humor wird erlernt.

Issun

Ich liebe trockenen Humor in Geschichten.
Eine Prise Humor kann Charaktere sehr sympathisch machen. Wichtig ist, dass der Charakter, wenn er die Bühne betritt, nicht aus seiner Rolle fällt. Als Autor weiß man am besten, wie die eigenen Figuren in welcher Situation reagieren würden. Nimm an, jemand wird vom Leben richtig durchgeschüttelt. Obwohl er schon völlig am Ende ist, erhält er zur Draufgabe noch eine Hiobsbotschaft (weil Autoren es sich leisten können, gemein zu sein :snicker:). Jetzt hängt es von seinem Temperament ab, wie er reagiert. Ist er bierernst? Dann wird er die Botschaft genau so aufnehmen. Er wird vielleicht verzweifeln oder sich aufraffen, das hängt wiederum von anderen Eigenschaften ab. Ist er naiv? Dann nimmt er es zunächst vielleicht auf die leichte Schulter und gibt einen Kommentar ab, den andere in seiner Situation unpassend fänden. Vielleicht überschätzt er sich aber auch, oder er ist ein Verdränger, der seine Probleme mit einem lockeren Spruch abtun will. Oder er ist einfach notorisch sarkastisch. ;)

Es ist also in erster Linie wichtig, herauszufinden, ob der Galgenhumor für deine Charaktere stimmig ist. Ist er das, kann er gerade die richtige Würze in einer Geschichte sein. Ich glaube, es gibt keine Menge an Humor, die jede Erzählung haben muss oder auf keinen Fall übersteigen darf. Solange du keinen auktorialen Erzähler hast, bleibt der Humor ganz deinen Figuren überlassen.

Liebe Grüße,
Issun

Kati

Wie schon oft geschrieben wurde, kommt es ganz auf die Situation an. Eine lustige Person würde in einer ernsten Situation sicherlich Witze machen, während eine ernste oder melancholische das sicherlich nicht tun würde.
Was ich oft habe, ist, dass durch solche Kommentare die Stimmung flöten geht, wenn man den Kommentar von der Figur nicht erwartet. In einem schaurigen Horrorroman würde ich auch Galgenhumor sicherlich unpassend finden, es sei denn von Anfang an steckt ein wenig Humor in der Geschichte.
Es gibt allerdings auch Situationen, in der Humor komplett fehl am Platze ist, finde ich. Wenn zum Beispiel eine wichtige Person stirbt, will ich keinen Humor dabei haben, das passt einfach nicht.

Kraehe

Zitat von: Maran am 02. August 2010, 21:59:02
Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, daß die besten Einfälle die sind, über die man nicht im Vorfeld nachdenkt, die einfach so "rausflutschen", und ich würde mir auch gar keine Gedanken darüber machen, wie sie beim potentiellen Leser eventuell ankommen könnten, denn, wie schon gesagt, Humor wird erlernt.
Würde ich auch so sagen. Und dem meisten Gesagten ebenfalls zustimmen. Ich für meinen Teil mag Sarkasmus und dergleichen generell gerne - solange es eben für Geschichte und Charakter stimmig ist. Und wenn der Charakter schon selbst zu sprechen beginng 8)
Man muss ja auch bedenken, dass es den Charakter auch noch einmal markanter macht und das ist ja nicht schlecht. Selbst wenn es auf einen Teil Leser abstoßend wirken könnte (wenn man das in Kauf nehmen kann/will) macht es den Chara ja dreidimensional und polarisiert immerhin. Und das bedeutet, dass der Leser immerhin irgendwelche Gefühle entwickelt ;)
Ansonsten ist Humor mit Vorsatz wirklich schwer zu schreiben, finde ich.
Aber auch genial, weil er vielfältigst verwendet werden kann - um jetzt Angst oder Unsicherheit zu überspielen, um Spannung aufzubauen (ginge ja auch) oder auch, wenn sich jemand in Humor flüchtet, weil er nicht ernsthaft reden und etwas von sich preisgeben möchte...  :hmmm:

Mondwölfin

Wie schon zuvor geschrieben wurde, ist Humor etwas zutiefst Subjektives. Und gerade Galgenhumor ist oft ein Schutzschild für die Seele, um mit allzu grauenvollen Situationen zurechtzukommen - so gesehen, ist diese Art von Humor besonders in düsteren Szenen zu finden, und für Außenstehende oft gar nicht zu verstehen oder wirkt auf diese sogar kaltherzig bis geschmacklos.

Eine schwierige Gratwanderung - aber wenn sie gut umgesetzt ist, ein perfektes Stilmittel, das das sprichwörtliche "gefrierende Lächeln" oder "Lachen, das im Halse stecken bleibt" auslöst oder auch eine allzu spannende SItuation durch "befreiendes Lachen" auflockert.

Was davon jetzt zu deinem Prota passt oder auch zu der Wirkung, die du mit der Szene erzielen willst - tja, das liegt in deiner Hand :) Und im Zweifelsfall kannst du ja einen der Mitspielenden wie den größten Skeptiker reagieren lassen...

Redwood

Mir ist das gerade gestern auch passiert. Ich sitze und schreibe, wie jemand eine schwere Armverletzung erleidet, sein Freund gerade von einer Mistgabel aufgespießt wurde und obendrein auch noch eine nich gerade wohlgesinnte Gruppe von Soldaten anrückt und er denkt darüber nach, wie oft der kleine Mann vor ihm sich wohl schon in seinem Leben die Hosen gewaschen hat (zumindest war ich gerade im Begriff zu schreiben, dass er darüber nachdenkt). ???

Recht merkwürdig, passiert aber manchmal. Ich hab das einfach stehen lassen...

LG, Redwood