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Welches Genre? Muss ich mich entscheiden?

Begonnen von Cherubim, 04. Juli 2010, 11:11:10

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canis lupus niger

#15
Zitat von: Lina Franken am 06. Dezember 2015, 17:35:58
  Was ich aber sagen will: Es sollten mehr Autoren Mut haben mal die Genres wild durcheinander zu mischen. Es macht Spaß zu lesen, wenn man sich nicht schon nach drei Zeilen denken kann, wie das ganze Endet. DIe Buchläden sollten ihre Regale noch mehr vielfältiger aufteilen, statt nur in die ca 5-10 Standart-Kategorien und auf jedem Buch sollten mehrere Genres direkt im Klappentext angegeben sein. Wäre das eine schöne Welt  :bittebittebitte:

Tja, die Autoren haben den Mut längst, bzw. schreiben liebend gerne, was ihnen gefällt - auch Genremix und überraschende Plotwendungen. Das Problem ist, dass diese mutigen Autoren ihre Manuskripte nicht an den Mann, bzw. Verlag bringen können, weil den Verlagen die Experimentierfreude allzu oft abgeht. Die Großverlage haben es nicht nötig, Risiken einzugehen, weil sie die Regalmeter der Buchhandelsketten per Vertrag zur Verfügung haben, und sie dadurch ihre Ware in jedem Fall verkaufen. Und die Kleinverlage haben in der Regel nicht die Kapitalstärke, allzu oft zu experimentieren. Ein Experiment alle ein oder zwei Jahre geht da schon an die Grenzen des Verantwortbaren.

Aber es gibt ja nun mal auch viele Leser/innen, die nach einem Twilight-, 50 Shades -, Eragon- oder Walking Dead- Erfolg nur so nach weiterer Ware dieser Art gieren. Wie oft findet man in Leser-Foren die Frage: "Wer kennt weitere Bücher, die genauso sind wie xyz?" Hypes entstehen nun mal, weil ein Teil der Leserschaft von einem neuen Thema/Subgenre nicht genug bekommen kann, und es wäre blöd von einem Wirtschaftsunternehmen, eine vorhandene Nachfrage nicht zu bedienen.

Ich persönlich habe auch immer Schwierigkeiten, mich klar zu entscheiden, wie mein Kram einzuordnen wäre. Low Fantasy? Social? Pseudohistorisch? Es gibt Liebesbeziehungen darin. Es gibt in Maßen Magie. Z.T. Fremdvölker oder/und Fabelwesen. In meinem neuesten Projekt müssen die Charaktere eine politische Intrige aufdecken. Ist es deswegen ein Social-Fantasy-Politthriller mit einer Liebesgeschichte zwischen zwei von den vier wechselnden Perspektivträgern? Ich weigere mich, eine Schublade zu wählen, finde aber völlig unbescheiden dass ich da was ... ähm, Saugutes hingekriegt habe.  ;D  Möge die Nachwelt darüber entscheiden. Falls sie es jemals zu Lesen bekommt.


Maja

Jippie! Ich freu mich immer, wenn die alten Threads wieder hochkommen, vor allem, wenn ich heute andere Sachen dazu zu sagen habe als vor fünf Jahren.

Von Haus aus denke ich immer noch, dass man als Autor Genres nicht zu sehr als Korsett betrachten sollte und sich allein vom Genre nichts vorschreiben lassen muss - zum Beispiel, wenn man mit Liebesgeschichten partout nichts anfangen kann, muss man dann unbedingt eine reinquetschen, nur weil das andere Romane so machen? Wenn man nicht vorhat, das Buch als Liebesroman zu verkaufen ...

Aber genau da fängt es an. Genres sind nützlich, wenn man Bücher verkaufen will, und auch, wenn man gerne liest. Genres verbinden Bücher mit ähnlicher Hausnummer zu einer Nachbarschaft, bei der ein Leser hoffen kann, etwas zu finden, das dem eigenen Geschmack entspricht. Und sie erleichtern Buchhändlern, Lesern etwas passendes zu empfehlen. Sie erleichtern es auch den Verlagen, ihre Bücher in die Läden zu bringen, weil es für einen Buchhändler unmöglich ist, jedes Buch im Regal zu lesen. Da hilft die Einordnung in Genres ungemein.

Das von mir seinerzeit erwähnte Buch "Fool on the Hill" war immer ein Geheimtip, es wurde weiterempfohlen von Leuten, die es gelesen hatten, und damit funktionierte es gut. Aber ohne persönliche Empfehlung existieren genrelose Bücher in einer Art Vakuum, und das macht es für uns als Autoren schwerer, sie loszuwerden. Wir mögen die Nase rümpfen über Verlage, die das Risiko scheuen, und Buchhändler, die nichts kaufen, was sich nicht einordnen lässt und zu dem es keine Vergleichsliteratur gibt - was ich immer wieder merke, wenn es um meine "Gauklerinsel" geht, die ein großartiges Buch ist, aber schwer zu verkaufen - nur wir können nicht die Buchhändler zwingen, ausgerechnet UNSER Buch zu lesen, nur weil es sich sonst nicht verkaufen lässt. Meine große Verzweiflung in meiner Zeit als Buchhändlerin war, dass mir überhaupt keine Zeit mehr blieb, das zu lesen, was ich gerne lesen wollte.

Genres sind da eine große Erleichterung. Die Bücher von Dorothy Sayers, Liebesgeschichte hin oder her, sind immer noch Krimis und lassen sich Krimilesern gut vermitteln. Das Auftreten phantastischer Elemente in einem Thriller macht das Buch eher zu Phantastik oder Fantasy, weil Leser das eine im anderen nicht erwarten, sich umgekehrt aber kein Fantasyleser über ein bisschen Spannung und psychologischen Anspruch beschweren wird. Wir dürfen uns nicht von ihnen einengen lassen, aber sie sind nützlich - wenn man Bücher über den Buchhandel verkaufen will.

Wer nicht auf Veröffentlichungen aus ist oder Spaß daran hat, als Selbstverleger den Vertrieb komplett selbst zu übernehmen, kann an einer anderen Stelle ansetzen. Dann sind Genres nicht mehr verpflichtend. Schreibt, was und wie ihr wollt. Wenn ihr es dann doch an Agentur oder Verlag bringen wollt, schaut, in welche Kategorie es am besten passt, sprich, wo in der Buchhandlung ihr danach suchen würdet. Aber was ihr primär für euch schreibt, hat keine Grenzen und Beschränkungen.

Genres bringen, wenn schon keine festen Vorschriften, zumindest Spielregeln mit - insbesondere, wenn man bei Untergenres ankommt. Will man als Autor in einem Genre erfolgreich sein, sollte man sich zumindest an den wichtigsten Eckposten entlanghangeln. Ich bin jetzt zum Beispiel nicht der allergrößte Romantiker unter der Sonne. Aber ich schreibe Gaslicht, und zum Gaslichtroman gehört eine Liebesgeschichte. Sie kann den Hauptaspekt der Handlung darstellen oder eher eine kleine Rolle spielen, sie kann ein Happyend haben oder tragisch ausgehen - aber irgendeine Form von Liebe gehört dazu.

Das akzeptiere ich - wenn nicht, hätte ich mir ein anderes Genre ausgesucht - aber ich kann selbst entscheiden, wie ich diese Romanze konstruiere, und ich mache es so, wie es mir gefällt und ich es selbst romantisch finde. Man kann heiße Erotik, sogar pornographische Elemente in einem Gaslichtroman unterbringen. Das ist nicht mein Ding, also tue ich es nicht. Meine Liebe kann zarter und zurückhaltender sein. Manche Leser werden das bedauern und hätten gerne mehr als Händchenhalten und einen einzelnen schüchternen Kuss - aber auch innerhalb eines Genres sind nicht alle Bücher gleich. Nur wenn gar keine Liebe vorkommt, würde dem Buch etwas fehlen, es wäre nicht rund. Also spiele ich nach den Regeln.

Und wenn mir eine Regel partout nicht in den Kram passt - dann ist das erstmal kein Genre für mich, um Bücher zu verkaufen. Aber schreiben - schreiben darf ich sie trotzdem.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

LinaFranken

Zitat von: canis lupus niger am 06. Dezember 2015, 17:59:44

Tja, die Autoren haben den Mut längst, bzw. schreiben liebend gerne, was ihnen gefällt - auch Genremix und überraschende Plotwendungen. Das Problem ist, dass diese mutigen Autoren ihre Manuskripte nicht an den Mann, bzw. Verlag bringen können, weil den Verlagen die Experimentierfreude allzu oft abgeht. Die Großverlage haben es nicht nötig, Risiken einzugehen, weil sie die Regalmeter der Buchhandelsketten per Vertrag zur Verfügung haben, und sie dadurch ihre Ware in jedem Fall verkaufen. Und die Kleinverlage haben in der Regel nicht die Kapitalstärke, allzu oft zu experimentieren. Ein Experiment alle ein oder zwei Jahre geht da schon an die Grenzen des Verantwortbaren.

Aber es gibt ja nun mal auch viele Leser/innen, die nach einem Twilight-, 50 Shades -, Eragon- oder Walking Dead- Erfolg nur so nach weiterer Ware dieser Art gieren. Wie oft findet man in Leser-Foren die Frage: "Wer kennt weitere Bücher, die genauso sind wie xyz?" Hypes entstehen nun mal, weil ein Teil der Leserschaft von einem neuen Thema/Subgenre nicht genug bekommen kann, und es wäre blöd von einem Wirtschaftsunternehmen, eine vorhandene Nachfrage nicht zu bedienen.


Das erste unterschreibe ich sofort, da etscheidet tatsächlich und LEIDER der $ darüber, welche Wege beschritten werden, tja, da lässt sich auch kaum was machen, die Welt dreht sich nun mal um Wirtschaftlichkeit.

Das zwiete ist aber, nach meiner Meinung schon eher ne Grundsatz-Frage: Was war zuerst da? Das Huhn oder das Ei? - Der Leser oder das Buch?
Ich unterstelle mal ganz dreist, das hier das Angebot die Nachfrage zumindest fördert, wenn nicht sogar komplett bestimmt. Ich denke viele Leser lassen sich gerne mal von einer neuen Sache mit gut aufgezogener Marketig-Strategie (wie bei Shades of Grey) gerne verführen, auch wenn sie an "so etwas" sonst vorbeigelaufen wären, weil sie bei der Flut an Einheits-Brei eh den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen.

Entropy

Ich finde das Thema auch sehr interessant. :)

Zitat von: canis lupus niger am 06. Dezember 2015, 17:59:44
Aber es gibt ja nun mal auch viele Leser/innen, die nach einem Twilight-, 50 Shades -, Eragon- oder Walking Dead- Erfolg nur so nach weiterer Ware dieser Art gieren. Wie oft findet man in Leser-Foren die Frage: "Wer kennt weitere Bücher, die genauso sind wie xyz?"

Wenn ich ganz ehrlich bin, dann gehen mir solche Fragen auch oft als Leserin durch den Kopf. Mir gefällt etwas, ich habe genossen das zu lesen, ich will mehr davon. Und gerade da helfen Genres unglaublich weiter aus der großen Masse das herauszufiltern, was einem gefallen könnte. Im Buchladen gehe ich eben immer zum SF-Regal und mache einen weiten Bogen um die Liebesschnulzen. Die Genres sind in dieser Hinsicht, wie von Maja angemerkt, eine große Erleichterung für Leser, Buchhändler, Bibliothekare, Verleger und meiner Meinung nach auch für Autoren.

Denn ich finde, ein Genre lässt sich immer noch sehr individuell auffassen. Steht denn irgendwo geschrieben, dass ein Fantasy-Buch Drachen und Magie enthalten muss? Natürlich hat der Leser gewisse Erwartungen, aber mir persönlich gefällt es auch mal etwas zu lesen, auf dem zwar Fantasy draufsteht, aber weder Drachen noch Magie drin sind und davon gibt es eine Menge Bücher, wenn man mal im Laden sucht. Schwieriger wird es, wenn die Genres immer weiter aufgeteilt und spezifiziert sind. Low Fantasy, High Fantasy, Steamfantasy, ... Da muss man als Autor immer mehr "Regeln" beachten und ich kann verstehen, dass einen das einschränkt. Deswegen ist es meiner Meinung nach besser im Fall der Unklarheit sich für ein übergeordnetes Genre zu entscheiden. Da hat man selbst mehr Spielraum und eckt bei Hardcore-Fans nicht an.

Zitat von: Maja am 06. Dezember 2015, 18:16:37
Manche Leser werden das bedauern und hätten gerne mehr als Händchenhalten und einen einzelnen schüchternen Kuss - aber auch innerhalb eines Genres sind nicht alle Bücher gleich. Nur wenn gar keine Liebe vorkommt, würde dem Buch etwas fehlen, es wäre nicht rund. Also spiele ich nach den Regeln.

Ja, das ist der Punkt auf den ich hinauswill. Innerhalb eines Genres existiert trotz der "Regeln" noch eine sehr große Auswahl an unterschiedlichen Auffassungen und Ideen. Als Autor sollte man sich nur nicht von den Klischees leiten lassen und denken, dass man diese zwingend erfüllen muss, um in dem Genre Erfolg zu haben. Gerade die frischen Ideen sind es oft, die die Leser beeindrucken, geht zumindest mir so.

Tintenteufel

Ich möchte an dieser Stelle auch mal eine Lanze für Genres brechen.
Nicht aus Sicht der Verlage oder Leser (das ist mir eigentlich gleichgültig), sondern aus der des Schreibers.

Man muss außerdem prinzipiell zwischen Sujet und Genre unterscheiden.
Man kann einen gruseligen Fantasyroman schreiben oder einen phantastischen Gruselroman. Diese Dinge erfordern aber völlig unterschiedliche Stile und Eigenheiten. Lange Szeneriebeschreibungen sind in beiden sicherlich gefordert, genauso wie womöglich phantastische Kreaturen und übersinnlicher Krams in einer anderen Welt.
Beständige Infodumps ruinieren mir aber jegliche Spannung im Grusel, in der Phantastik sind die zum Weltenbau halbwegs erlaubt. Andersrum lassen einen angedeutete Halbwahrheiten in den meisten Thrillern noch lange überlegen, was passiert ist...in der Fantasy interessiert mich die Welt dann schlicht nicht mehr, usw.
Natürlich sind das keine in Stein gemeißelten Wahrheiten und man wird für jedes Beispiel einen Meister finden, der dagegen verstößt, aber sie geben ein Gefühl für das, was ich sagen will.

Das Genre liefert da eine Grundstruktur. Einen kurzen, klaren Abriss, was ich mir selbst von der Geschichte erwarte.
Man kann eine Vampirgeschichte (Sujet) z.B. als Horror (Genre) verkaufen. Dann bekomme ich Dracula oder Salems Lot. Oder auch als Humor, dann ist es der kleine Vampir. Als Liebesgeschichte Twilight. Als Fantasy etwas Hohlbeins Chronik der Unsterblichen oder die Wächterreihe.
Und alle haben Elemente, Motive, die in den anderen völlig fehl am Platz wären. Der schnoddrige Stil Holbeins ruiniert sämtlichen Grusel, die animalische Darstellung der Vampire bei King wäre der Tod für jede vernünftige Liebesbeziehung usw.

Indem ich mir vor dem Schreiben bewusst werde, in welchem Rahmen ich mich ebwegen möchte, kann ich ein klares und fokussiertes Werk schaffen. Jede Abweichung ist eine bewusste und unterstreicht den Zusammenhalt der Geschichte - und ist kein Potpourri an zusammenhangslosen Ideen, die zwar ganz furchtbar individuell sind, aber dem Leser auch nichts geben.

Nachtrag:
@Entropy: Drachen und Magie sind eben die Sujets. Fantasy ist das Genre. Manche Sujets gehören zum Kern eines Genres, andere nicht. Eine Fantasygeschichte ohne Drachen hat ihre Berechtigung...eine ohne Phantastik nicht. :D

LinaFranken

Bei den Posts von Maja, Entropy und Tintenteufel ist mit eine besondere Kleinigkeit aufgefallen:
Zum einen kann ich es gut nachvollziehen, das sowohl die Buchhändler wie auch die Käufer einen groben Überblick brauchen, der AUtor sich aber nicht gleichzeitig in eine Nische mit vielen Regeln drängen lassen will wie Steam-Fantasy als Unterkategorie von Fantasy.

Und das ist diese kleine Unterscheidung, die die Verlagsbranche nach meiner Meinung falschmacht: Warum wird ein Genre wie Fantasy in viele kleine Mini-Genres wie Steam-Fantasy und Drak-Fantasy und wie-auch-immer-Fantasy zerstückelt und somit im Grunde für ein noch kleineres Publikum interessant. Im Grunde könnte man sagen, das die Branche nach Sujets aussortiert und zerstückelt.
Anstatt es zu zerstückeln, könnte man es weiter öffnen indem man ein übergeordnetes Gerne wie Fantasy mit einem anderen üergeordneten Gerne zusammenfügt, wie zum Beispiel Krimi. So könnte auf dem Buch-Cover stehen "Schlag-mich-tot, Roman von Hans Wurst, Fantasy/Krimi oder Fantasy-Krimi"
Damit liessen sich durchaus, wie schon erwähnt wurde, auch Krimi-Leser anziehen ungeachtet dessen, welche Sujets noch mit reingestopft wurden.
(ps ich "stopfe" mit Leidenschaft alles rein, was nicht angenagelt ist ;D)

Maja

@Lina Franken
"Fantasy-Krimi" ist ein durchaus existierendes Untergenre. Es ist nicht das allerverbreitetste (aber das ist mein Gaslicht auch nicht). Auf Covern oder im Klappentexten findet sich diese Einordnung aber durchaus. Das Regal, in dem das Ganze in der Buchhandlung dann landet, ist üblicherweise nur mit "Fantasy" bezeichnet. Da steht dann Sword and Socercy neben Steampunk neben Fantasy Thrillern. Die einzige Unterscheidung, mit der man da rechnen kann, ist eine Trennung zwischen Allagern/Jugendbuch und Erwachsenenliteratur. Fragt man hingegen den Buchhändler seines Vertrauens nach Fantasy-Krimis, hat man eine faire Chance, dass der seine Regale kennt und das passende Buch rauszieht. Da hilft diese kleinteilige Einteilung also durchaus, wenn buchstäblich im Magen alles wieder zusammenkommt.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Valkyrie Tina

Zitat von: Lina Franken am 06. Dezember 2015, 19:10:01
So könnte auf dem Buch-Cover stehen "Schlag-mich-tot, Roman von Hans Wurst, Fantasy/Krimi oder Fantasy-Krimi"
Damit liessen sich durchaus, wie schon erwähnt wurde, auch Krimi-Leser anziehen ungeachtet dessen, welche Sujets noch mit reingestopft wurden.
(ps ich "stopfe" mit Leidenschaft alles rein, was nicht angenagelt ist ;D)

öh, nö, das sagt mir als Leser nämlich genau gar nichts. Fantasykrimi, was soll das sein? Als Leser ist meine Frage normalerweise "Ich hätt gern ein Buch das in die gleiche Richtung geht wie xy" Und das ist auch der Grund für die Untergenres. Fantasy umfasst so viel, aber die sind total unterschiedlich. Dass die Genreeinteilung nicht perfekt funktioniert, stimmt. Aber es größer zu machen, hilft nicht.

LinaFranken

@Maja   Ich muss definitiv den Buchladen wechseln! Ich lande immer bei einem der mir sagt: Fantasy-Regal links, Krimi rechts... Danke... Voll hilfreich... :wart:

Ich stimme aber in der Theorie durchaus zu, in der Praxis klappt das leider nur nicht immer.
An dem "bitte das Gleiche wie XY", bin ich aber auch schon öfter gescheitert. Da muss ich an ein wundervolles Buch ("Moths") denken, das zum Beispiel die Nischen-Sparte der Homo-Lovestory mit einem wirklich gut durchdachten Mystery/Fantasy-Krimi verbindet. Also wirklich viele Gernes und Sujets harmonievoll zusammengefügt. Aber wann immer ich nach etwas vergleichbarem suche, werde ich zu schmalzigen Homo-Porno-Schmunzetten geleitet.
Daher wage ich mal die Behauptung, das die Buchbranche ein Monster geschaffen hat, von dem sie langsam gefressen wird: Soll heißen: Weder die Verlage noch die Buchhändler haben noch einen Überblick über das, was sie letztendlich selbst rausbringen. Wie soll da der Arme Leser noch was finden? Er muss ja zwangsläufig an dem groß aufgebautem "Shades of Mist"-Regal hängen bleben.
Ich stimme da dem Argument zu, das die Mundpropaganda im Sinne von "Hey, ließ mal das da!" sehr wichtig ist, quasi einer der wenigen Leuchttürme auf dem unübersichtlichen Meer.

Maja

Nicht Verlage und Buchhandlungen haben dieses Monster geschaffen - in allererster Linie waren das die Leser. Deswegen können wir die Fälle, in denen Bücher, die stark von den bisherigen Genrevorstellungen abwichen und ein Erfolg geworden sind, auch so schnell und an einer Hand abzählen: Weil es eben die Ausnahme ist. Es gibt durchaus Leser auf der Suche nach dem noch nie dagewesenen. Nur sind es deutlich weniger, als man als Autor - oder auch als Buchhändler - erwartet. Zu viele kommen und wollen genau das, was sie zuletzt hatten, in einer leicht anderen Schattierung. Deswegen wirken manche Genres so uniform und vermitteln einem das Gefühl, dass es alles das gleiche ist: Weil es das ist, was die Leute kaufen. Eine Frage von Angebot und Nachfrage. Mehr dazu habe ich in diesem Thema ausgeführt: http://forum.tintenzirkel.de/index.php/topic,17291.msg768517.html#msg768517 - deswegen will ich hier nicht den ursprünglichen Threadansatz zur Bedeutung von Genres in eine falsche Richtung drängen. :)
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

LinaFranken

Ich habe mir das Thema durchgelesen, und um damit den Kreis zum Anfang zu führen, könnte man also sagen, das es kein Autor-Verlag-Leser-Missverständniss ist, sondern ein Autor-Leser-Missverständniss.
Wenn man also die Verlage und Geschäfte mal außenvor lässt, wäre man wieder bei der Frage angelangt:

Muss ich als Autor aufpassen, das es für meinen "Genre-Salat" genug Nachfrage gibt?

Wenn die Leser nur nach bestimmten Genres nachfragen, sollte man diese dann bedienen? Und hierzu muss ich sagen, ich habe schon viele Fälle von "Leser als folgsames Schaf" erlebt, um es mal überspitzt zu formulieren. Gerade Shades of Mist ist da ein super Beispiel, weil ich so viele Leute kenne die sagen: -Hab mir das Buch auch gekauft! - Liest du denn überhaupt Erotik-Romane? -Eigentlich nicht. -Warum hast du es dann gekauft? - Na, weil es überal in der Werbung ist!  -Und wie hat es dir gefallen? -Hab gar nicht fertiggelesen. :wums:
Im Grunde sollte also nicht der Autor aufpassen, das er nicht zu viele Genres auswählt um Anklang zu finden, sondern man müsste eher das Publikum sensibilisieren für die vielfältigen Möglichkeiten, die Autoren bieten. Das aber wiederum würde nur durch einen langen Prozess entstehen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Ich kann für mich persönlich nur hoffen, das eines Tages im Buchladen ein Regal steht mit der Überschrift "Crossover"  :bittebittebitte:

JarlFrank

Zitat von: Maja am 06. Dezember 2015, 19:17:01
@Lina Franken
"Fantasy-Krimi" ist ein durchaus existierendes Untergenre. Es ist nicht das allerverbreitetste (aber das ist mein Gaslicht auch nicht). Auf Covern oder im Klappentexten findet sich diese Einordnung aber durchaus. Das Regal, in dem das Ganze in der Buchhandlung dann landet, ist üblicherweise nur mit "Fantasy" bezeichnet. Da steht dann Sword and Socercy neben Steampunk neben Fantasy Thrillern. Die einzige Unterscheidung, mit der man da rechnen kann, ist eine Trennung zwischen Allagern/Jugendbuch und Erwachsenenliteratur. Fragt man hingegen den Buchhändler seines Vertrauens nach Fantasy-Krimis, hat man eine faire Chance, dass der seine Regale kennt und das passende Buch rauszieht. Da hilft diese kleinteilige Einteilung also durchaus, wenn buchstäblich im Magen alles wieder zusammenkommt.

Ich finde ja genau das an Fantasy so schön, sowohl als Leser als auch als Autor. Ich habe schon Fantasy-Romanzen gelesen, Fantasy-Krimis, Fantasy-Thriller, Fantasy-Erotik, Fantasy-Wasweißichwas... es gibt so viele Unterordnungen der Fantasy, dass man einfach sagen kann, dass in der Fantasy so ziemlich alles geht. Ist zwar sicher nicht bei jedem so, aber ich kann mit all diesen Genres etwas anfangen, und ich würde einfach mal behaupten, dass Fantasy-Leser an sich gerne mehrere Genres lesen. Es gab auch bis vor kurzem ein größeres englischsprachiges Magazin namens "Crossed Genres", das besonders gerne Geschichten veröffentlichte, die Genres miteinander kombinierten (leider hat sich das Magazin vor Kurzem geschlossen, einerseits aus privaten und beruflichen Gründen, andererseits weil die finanziellen Mittel fehlten... was nicht an dem Prinzip des Genre-Mischens lag, sondern einfach daran, dass Anthologien und Magazine nicht so eine große Zielgruppe haben wie Romane und Novellen).

Wer also Genre-Kombis schreiben möchte, ist in der Fantasy genau richtig. Ich hab schon Fantasy-Bücher gelesen, die eine Mischung aus Horror, Romanze und Erotik hatten, oder Romanze, Action und Abenteuer, und dabei nie definitiv nur einem dieser Genres zuzuordnen waren, sondern immer schön die Balance hielten. Und dann gibt's noch die, die Fantasy und Science Fiction miteinander kombinieren, sodass am Ende was neues und innovatives bei herauskommt.

Es gibt also durchaus Leser, die mit Genre-Kombis etwas anfangen können. Einige mögen die sogar lieber als geradlinige Stories, die man genau einem Genre zuordnen kann. Im englischsprachigen Raum gibt es viele Literaturagenten, die frische neue Ideen innerhalb der Fantasy sehen wollen, und die auch spezifisch nach Genre-Kombis fragen. Mir scheint, als wäre man im deutschsprachigen Raum noch wesentlich konservativer, was das angeht. Während die Engländer und Amis Autoren wie China Mieville haben, der durch seine sehr unkonventionelle Fantasy berühmt wurde, bleiben die unkonventionelleren Fantasy-Autoren hierzulande eher bei Klein- und Mittelverlagen, während die großen Publikumsverlage doch eher traditionelle Fantasy verlegen (oder eben Übersetzungen aus dem Englischen). Jedenfalls ist das so der Eindruck, den ich habe - korrigiert mich, falls es auch deutsche Autoren mit unkonventionelleren oder Genre-verbiegenden Geschichten gibt, die bei den großen Verlagen unterkommen!

Da die meisten Trends in der englischen SciFi und Fantasy erst eine Weile brauchen, bis sie hier ankommen, kann es auch gut sein, dass verbogene Genre-Grenzen auch hier irgendwann mehr Popularität gewinnen werden. Aber vielleicht ist es auch, wie bei den meisten innovativen Werken, die etwas neues wagen, eine Sache des Glücks. Wenn man Glück hat, kommt man groß raus, und dann gibt es plötzlich viele Leser, die "more of the same" haben wollen, und dann hat man einen Trend losgetreten.

Aber an sich würd ich sagen: Ja, für Genre-Salat gibt es genug Nachfrage! Ich gehöre auf jeden Fall zu den Nachfragenden. :)

Valkyrie Tina

Zitat von: Maja am 06. Dezember 2015, 19:47:40
Deswegen können wir die Fälle, in denen Bücher, die stark von den bisherigen Genrevorstellungen abwichen und ein Erfolg geworden sind, auch so schnell und an einer Hand abzählen: Weil es eben die Ausnahme ist.

Den Satz fand ich total einleuchtend- bis ich drüber nachgedacht hab...
Harry Potter ist ein Crossover zwischen den traditionellen Internatsromanen wie Dolly und Hanni und Nanni, und klassischer Phantasy mit dem Auserwählten, Magie und dem bösen Overlord. Im Verlauf der Geschichte sterben Kinder, ein No-go bei Internatsgeschichten.

Dan Brown ist ein Crossover zwischen klassischen Thrillern mit übermächtigen Gegners und Dokumentationen, mit heftigen Infodump.

Terry Pratchet war ein Crossover zwischen Fantasy und... der Himmel weiß was noch alles!

Sogar das vielgescholtene Shades of Grey - Young Adult vermischt mit Pornographie.

Ich sage nicht, dass die die ersten waren, die sowas gemacht haben- aber es war nie so eine Hausnummer vor diesen großen Erfolgen. Insofern - ja, die Top 10 der Buchlisten sind selten weit von ihren Grenzen weg. Aber die, die wirklich bahnbrechend waren und diese Übererfolge geworden sind, scheinen doch in einigen, wenn nicht vielen Fällen, ihre Genregrenzen gesprengt zu haben.

Aber noch was ganz anderes: Lina: sagst du buchstäblich, dass du nicht mehr als 10 Romane jemals fertig gelesen hast? Ähm, woher weißt du dann, dass die alle gleich sind?

JarlFrank

Seh ich ähnlich wie du, Tina. Die Romane, die den wirklich großen Durchbruch schaffen, sind meist keine Trendverfolger sondern werden zu Trendsettern, selbst in den Fällen, in denen das Buch an sich nichts besonderes ist - wie im Falle von 50 Shades, das sowohl von Schreibstil als auch Inhalt eher seicht ist. Aber das Buch hat durch seinen Erfolg doch erst die gigantische "Erotikroman mit Milliardär"-Flut ausgelöst. Das Genre war natürlich schon da, aber erst durch dieses Erfolgsbuch ist es so zum riesen-Renner geworden.

Ähnliches mit Harry Potter. Da meinten doch sogar die meisten Verlage, die es ablehnten, dass der Genre-Mix von Young Adult (anfangs sogar noch eher Middle Grade, von der angepeilten Altersklasse her) und Fantasy, bei der sogar mal gestorben wird, nicht publikumstauglich ist. Für die Kinder zu brutal, für die Erwachsenen nicht erwachsen genug. Und was ist passiert, als es dann doch mal bei nem Verlag unterkam? Sowohl Kinder als auch Erwachsene haben das Werk verschlungen.

Die großen Gipfelstürmer auf den Bestsellerlisten sind eigentlich eher selten genrekonform, stattdessen sind es Trendsetter die kurz darauf klischeehaft erscheinen weil sie von jedem kopiert werden. Die Bücher, die sich brav in den Grenzen ihres Genres aufhalten, bleiben dann eher in den top 50 als in den top 10. Jedenfalls innerhalb der Fantasy habe ich bisher wenige Romane und Reihen gesehen, die nur alte Klischees neu aufwärmen und es damit in die Bestsellerlisten schaffen. Im deutschen Raum wäre die einzige wirklich klassische High Fantasy die mir da einfällt "Die Zwerge" von Markus Heitz, während mir im englischen Raum gar keine einfallen. Sogar George Martins "Song of Ice and Fire" Reihe ist nicht unbedingt typische Fantasy, sondern versucht mit der Mischung aus klassischer Fantasy und charakterfokussierten politischen Intrigen etwas neues... und erreicht damit sogar die Massen, die mit der traditionellen Standard-Fantasy nichts anfangen können.

LinaFranken

#29

Zitat von: Maja am 06. Dezember 2015, 19:47:40

Aber noch was ganz anderes: Lina: sagst du buchstäblich, dass du nicht mehr als 10 Romane jemals fertig gelesen hast? Ähm, woher weißt du dann, dass die alle gleich sind?

Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben, weshalb ich immer wieder anfange welche zu lesen, die meisten jedoch tatsächlich in der Mitte oder nach einem Drittel weglege und sie dann im Wandschrank einstauben. Bei vielen, die ich fertig gelesen habe, versuche ich es wieder zu verdrängen, weil es ein Fall von vergeudeter Zeit war.  ::)
Zu meine Favoriten zählen aber tatsächlich unter anderem der hier erwähnte Dan Brown, der Sachbuch mit Thriller mischt oder auch Hohlbein, der Thriller mit Fantasy mischt, oder der ein oder andere Klassiker wie die Sherlock-Orginale. Aber letztendlich ist mir das nie gut genug. Vielleicht bin ich zu anspruchsvoll oder zu wählerisch, aber ich wünsche mir noch mehr Genre-Salat!
Vielleicht bin ich da wirklich ein schräger Vogel, oder hab meine Nische nicht gefunden (mich deshalb auf Sachbücher spezialisiert)aber ich sehne mich etwas das vier/fünf... von mir auch auch zehn Genres verbindet. :bittebittebitte:
Was mich letztendlich dazu bewogen hat selbst so ein experimentelles Werk zu machen. Ob sich dafür aber jemals ein Verlag findet oder interessierte Leser, ist dann natürlich schon ein anderes Thema.