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Fantasy All Ager - die neuen Groschenromane

Begonnen von Maria, 25. März 2010, 21:01:31

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Judith

Das wünschte ich auch.
Wobei das ja nicht nur eine Sache von literarisch gebildeten Menschen ist. Meine Erfahrung ist leider, dass Fantasy auch von vielen anderen, die in diesem Genre nicht zuhause sind, mit Schund gleichgesetzt wird.  :( Ich hab Bekannte, die würden Hochliteratur nicht mal mit der Kneifzange anfassen (sind eher Pilcher- und Steel-Leser) und die halten Fantasy für Schund, den nur Leute lesen, die mit der wirklichen Welt nicht klarkommen.  :wums:

zDatze

#31
Ich stelle mir da immer die Frage: "Haben die sich ihre Meinung selber gebildet, oder quaken die nur die Behauptungen von irgend jemandem nach?"
Sobald jemand behauptet Fantasy sei Mist, frage ich immer nach ob der/diejenige überhaupt schon ein Fantasybuch gelesen hat. Kommt da ein Nein zurück, denk ich mir einfach meinen Teil.

Auch wenn ich vorzugsweise Fantasy lese, so greif ich auch ab und zu auf andere Bücher zurück. Nur leider mit der Erfahrung, dass mich die Geschichten nicht fesseln. Möglicherweise habe ich bisher auch Pech gehabt, weil ich "auf gut Glück" einem Buch in der Bibliothek eine Chance gebe. Dass man da Mist erwischt, kann schon sein. Fragt mich nicht nach meinen Auswahlkriterien, aber bisher wars fast immer ein Griff ins Klo.  ::)

Wuo Long

Zitat von: Judith am 29. März 2010, 15:12:30
Wobei das ja nicht nur eine Sache von literarisch gebildeten Menschen ist. Meine Erfahrung ist leider, dass Fantasy auch von vielen anderen, die in diesem Genre nicht zuhause sind, mit Schund gleichgesetzt wird.  :( Ich hab Bekannte, die würden Hochliteratur nicht mal mit der Kneifzange anfassen (sind eher Pilcher- und Steel-Leser) und die halten Fantasy für Schund, den nur Leute lesen, die mit der wirklichen Welt nicht klarkommen. 

Menschen, die ich näher kennen lerne, unterteile ich gerne in folgende Kategorien:

- Notorische Tagträumer (so wie ich)
- Menschen die hundert Prozent ihrer wachen Zeit in der Realität verbringen, wobei ich Realität nicht mit Gegenwart gleichsetze.
- Ehemalige Tagträumer, die es vergessen oder verlernt haben, oder gar bewusst unterdrücken. (Eigentlich gehören sie effektiv zur zweiten Kategorie)

Normalerweise vermeide ich ja Schubladen, aber mir ist aufgefallen, dass ich mit notorischen Tagträumern am Besten zurecht komme und ich behaupte einfach mal, dass fast alle Mitglieder hier im Tintenzirkel ebenfalls zu der ersten Kategorie gehören.
Natürlich sind die Abstufungen fließend und die Schwere der Tagträumerei von Mensch zu Mensch verschieden, doch ich möchte mit dieser Einteilung auf Folgendes hinaus: Es gibt Menschen, die finden das Tagträumen oder Phantasieren nicht nur infantil oder verwerflich, sondern es ist ihnen praktisch fremd.

Unabhängig davon, welche Gründe es dafür gibt, denke ich, dass Menschen ohne die Gewohnheit oder meinetwegen auch die Disposition des Phantasierens mit dem Genre Fantasy nur sehr schwer etwas anfangen können.
Mir fällt dazu ein Meeresbiologie-Praktikum ein, da haben zwei Mitstudentinnen unseren betreuenden Professor vergeblich zu erklären versucht, was für einen Reiz die Fantasy doch habe. Die beiden Studentinnen waren begeisterte Leserinnen von Lycidas und Tintenherz etc., aber der Professor hat trotz sichtlicher Anstrengung null Verständnis gezeigt und immer wieder das Argument gebracht, wie man eine Geschichte gut finden könnte, deren Setting völlig erfunden war und bei der die Welt nach Regeln funktioniert, die "der Empirik der Naturwissenschaft" nicht standhalten können. 

Mein Betreuer-Prof für die Bachelorarbeit wiederum hat ganz begeistert Bücher wie Harry Potter, Herr der Ringe oder die Dark Material Trilogie von Pullman gelesen. Ich habe ihm sogar Frank Herberts Dune andrehen können.  8)

Deshalb meine ganz persönliche These: Fantasy ist ein Genre für Menschen, die Spaß am phantasieren und tagträumen haben oder es wiederentdecken möchten.

Und die anderen Menschen, die es nicht tun, seien es Hochliteraten oder auch Otto-Normal-Bürger werden Fantasy wohl nicht mal mit der Kneifzange anpacken wollen.

Lomax

Zitat von: zDatze am 29. März 2010, 16:09:10Möglicherweise habe ich bisher auch Pech gehabt, weil ich "auf gut Glück" einem Buch in der Bibliothek eine Chance gebe. Dass man da Mist erwischt, kann schon sein.
Nun ja, zugeben muss man ja, wenn man nach denselben Kriterien mal "auf gut Glück" einem Fantasybuch "eine Chance gibt" und ohne Überblick über das Genre einfach mal das aus dem Laden holt, was einem auffällt, dann bekommt man nicht nur zufällig, sondern sogar mit einiger Wahrscheinlichkeit einen schlechten Eindruck vom Genre. Denn gerade die erfolgreichsten und auffälligsten Titel, die weit vorne liegen, sind in sehr oft nach "Groschenromankriterien" geschrieben. Tut mir leid, wenn ich damit irgendwelchen Fans auf die Füße trete - aber leider muss ich ganz nüchtern feststellen, dass niemand, der Literaturwissenschaft studiert hat oder sonst ein wenig formal-einteilend in der Literatur unterwegs ist, bei Werken wie beispielsweise "Eragon" oder "Biss ..." zu einem anderen Urteil gelangen kann. Streiten kann man da allenfalls noch, ob man das schlimm findet oder nicht  ;)
  Natürlich gibts in Fantasy auch jede Menge andere Bücher, und natürlich sieht es in anderen Genres mit dem "Anspruch" der erfolgreichsten Romane im Durchschnitt wohl nicht anders aus. Trotzdem ist das ein Eindruck, der bei demjenigen hängen bleibt, der sich im Genre nicht auskennt und nur mal kurz "reinschnuppert" und zu diesem Zwecke halt die Bücher anliest, die gerade in aller Munde sind. Um die Spannweite des Genres abzuschätzen, müsste man schon genauer hinschauen und sich vor allem auch mit den Unterschieden auseinandersetzen, die es auf dem Fantasy-Markt, in seinen Subgenres, seiner historischen Entwicklung und den literarischen Ausprägungen dort gibt.
  Aber gerade beim "ahnungslosen" Reinschnuppern landet man halt besonders schnell bei den Werken, die jeden außer einem geborenen Hardcore-Genrefan abschrecken würden ... Nicht dass man dann gleich Zeitungsartikel darüber schreiben sollte, wenn man irgendwo mal ahnungslos reingeschnuppert hat  ;D

Mrs.Finster

Schade, der Link scheint nicht mehr aktuell zu sein. Oder habe ich wieder etwas übersehen  :embarassed:
Glück ist, wenn die Katastrophen in meinem Leben endlich mal eine Pause einlegen :-)

Maria

#35
http://www.wz-newsline.de/sro.php?redid=794857

Hier sollte er noch zu lesen sein.

Was mich an der Einteilung der Literatur so stört ist, dass die gehobene Literatur teils auch deshalb gehoben ist, weil sie sich manches davon als für die Elite der Gesellschaft geschrieben versteht.
Wenn ich meine Sätze so drechsle, dass es mindestens eine Matura / ein Abitur braucht, um sie zu verstehen (am besten ein Uniabschluss) und die Nase rümpfe über eine Leserschaft, die grad mal einen Hauptschulabschluss hat, muss ich mich nicht wundern, dass ich nicht so viele Leser haben.

Kennt jemand ein "literarisch anspruchsvolles" Werk, das packende Story, interessante Charaktere, einfache Sprache und kein deprimierendes Ende in sich vereint?

Den Leuten vorwerfen, sie würden aus der Realtität flüchten finde ich das schlimmste überhaupt. Die Realität ist nicht für alle so lustig und befriedigend wie für die Schreiber des Artikels. Die ist oft sehr frustrierend, unbefriedigend, traurig, depremierend. Da kann ich entweder zur Flasche greifen, mir etwas einwerfen oder ich lese ein Buch, spiele ein Spiel oder schau mir was an, was mir Abwechslung verschafft.  Da ist ein Buch noch die beste Lösung. Menschen das nehmen zu wollen, nur um den elitären Langweilschreibern mehr Leser zu verfassen, finde ich übel.


Ary

@Maria: Markus Zusak, "Die Bücherdiebin", Khaled Hosseini, "Drachenläufer", Aliza Olmert, "Ein Stück vom Meer" - nach einem kurzen Blick in den eigenen Schrank. :) Ich finde diese Bücher schon "literarisch", sie behandeln anspruchsvolle Themen und erzählen packende Gschichten.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Geli

Das Problem der deutschen Literatur überhaupt ist, so scheint es mir zumindest, dass es hierzulande nahezu verboten ist, sich beim Lesen einfach nur zu amüsieren. Ich weiß nicht, ob wir das immer noch dem Bildungsbürgertumsanspruch seit der Weimarer Klassik verdanken, der Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg, als vermutlich jeder Deutsche (Schriftsteller) beweisen musste, dass er auf jeden Fall ein guter Mensch ist - oder der Großwetterlage.

Fakt ist, dass ich immer wieder feststelle, sogar in wissenschaftlichen Werken, dass Sprache gefälligst staubtrocken daherzukommen hat, möglichst auch noch moral-angesäuert, um als ernsthaft wahrgenommen zu werden. Im Angloamerikanischen Sprachraum ist das vollkommen anders. Da findet man überall ein gewisses Augenzwinkern, die Fähigkeit des Autors, sich notfalls auch mal selbst auf die Schippe zu nehmen. Aber solche Kumpanei mit dem Leser ist auf deutsch geschrieben fast unmöglich - und noch unmöglicher ist es, als Kritiker in Deutschland selbst Literatur locker zu sehen.

Wer für irgend ein Format Buchkritiken schreibt, geht (vielleicht unbewusst) immer noch davon aus, dass der Leser gebildet werden muss. Dabei merkt Der schon ganz von selbst, was Mist ist, und was gut. Außerdem ist das, Gut oder Mist, immer persönliche Geschmackssache. Was gerade Kritiker gern vergessen.

Ich für meinen Teil würde lieber einen guten Fantasy All Ager-Groschenroman unters Volk bringen und damit mindestens die Startauflage verkaufen, als von einem Kritiker den literarischen Ritterschlag bekommen - und außer Ruhm nichts verdienen. Wobei mit klar ist, dass man vom Schreiben höchstens ab einer Startauflage von einer halben Million pro Buch halbwegs leben kann.

Lomax

Zitat von: Maria am 30. März 2010, 04:36:00Die Realität ist nicht für alle so lustig und befriedigend wie für die Schreiber des Artikels. Die ist oft sehr frustrierend, unbefriedigend, traurig, depremierend.
Nun ja, genau das wird von den Leuten, die Realitätsflucht verurteilen, meist ja nicht geleugnet. Im Gegenteil sind das vom intellektuellen Flügel her meist ganz besonders "angsty people", die die Wirklichkeit in den düstersten Farben sehen - und Realitätsflucht deswegen verurteilen, weil man seine Zeit ja stattdessen lieber dafür nutzen sollte, die Wirklichkeit zu verbessern.
  Da dürfte dein Einwand also nicht als Gegenargument gelten.
Zitat von: Geli am 30. März 2010, 08:26:13Wobei mit klar ist, dass man vom Schreiben höchstens ab einer Startauflage von einer halben Million pro Buch halbwegs leben kann.
Och nö, so schlimm ist es ja eigentlich auch nicht. Ich wäre schon mit Auflagen im nicht allzu niedrigen 5stelligen Bereich zufrieden - davon sollte man gut leben können. Wenn man zwei Bücher pro Jahr und mehr schafft, reichen wohl auch schon niedrige 5stellige Auflagenzahlen zum leben. Zumindest wenn man sich mit "halbwegs leben" zufrieden gibt  ;D

Judith

Zitat von: Maria am 30. März 2010, 04:36:00
Kennt jemand ein "literarisch anspruchsvolles" Werk, das packende Story, interessante Charaktere, einfache Sprache und kein deprimierendes Ende in sich vereint?
Das ist insofern eine fast nicht zu beantwortende Frage, weil da die Geschmäcker deutlich auseinander gehen. Ich etwa konnte Kehlmanns "Die Vermessung der Welt" gar nicht mehr aus der Hand legen, während andere sie schnarchlangweilig fanden.  :hmmm: Aber für mich ist dieser Roman ein Paradebeispiel für packende Literatur.
Sehr spannend finde ich auch die Romane von Christoph Ransmayr. Mein Liebling ist "Die letzte Welt", aber einfacher zu lesen ist vermutlich "Morbus Kitahara". Aber es ist halt auch schwierig, was jemand als "einfache Sprache" definiert. Mein Problem mit vielen Fantasyromanen ist ja gerade, dass sie mir sprachlich nicht gefallen - ist mir da die Sprache zu "einfach" oder liegt es an einer gewissen 08/15-Schreibweise, die sich nicht von anderen Romanen abhebt (und die manchmal so klingt, als würde sich da jemand sklavisch an "Regeln" in Schreibratgebern halten)? Ich weiß es nicht genau.

Maria

Mit "einfacher Sprache" meine ich kurze Sätze. Hauptsätze, maximal ein, seltener zwei Nebensätze. Keine verschachtelten Konstruktionen, keinen schwer verständlichen Wortschöpfungen, nicht episch, szenisch und bildhaft genug, dass sich auch jemand, der keinen Göthe oder Schiller hinunter bekäme, in die Geschichte ziehen lässt.

Und als "literarisch wertvoll" werden Bücher dann ja vor allem erachtet, wenn das die Kritiker in den Zeitungen schreiben, wenn es Preise gibt für das Buch und sich jeder verhält wie ein Bürger aus "Des Kaisers neue Kleider", alle verstehen es, alle finden es super, auch wenn sie in Wahrheit darüber gähnen.

"angsty people"? Statt sich an den wenigen schönen Dingen im Leben  zu erfreuen, seine Energie darauf verwenden, das Leben zu verbessern? -  klingt ja schön in der Theorie. Aber wenn man sich jede freie Minute nur mit seinen familiären/Bezihungs-Katastrophen, der Unfähgikeit der Politik, dem Schrecken des Terrors und dem Ende der Welt befasst und wie man es als einzelner verhindern könnte, ist man vielleicht bald reif für die ersten Antidepressiva.

Steffi

Zitat von: Lomax am 25. März 2010, 23:04:51
Was allerdings an der Spitze der deutschen Hochliteratur abbricht, das lässt sich nicht substituieren. Da ist es also wirklich ein Verlust an Substanz, wenn im Feuilleton sich die "Popart-Ereignisse" ablösen und die literarische Substanz auf der Strecke bleibt.


Auch das lässt sich pauschalisierend nicht so sagen. Es mag heute weniger akute "Problembücher" geben, die sich gezielt gegen die Gesellschaft wenden, das ist aber eher dadurch begründet, dass das "Bürgertum" nach 1945 völlig zerfallen ist und sich nun in viele Schichten und Subkulturen aufgedröselt hat. Die aus "dem" Bürgertum stammende Hochliteratur gibt es einfach nicht mehr, eben weil es das klassische Bürgertum nicht mehr gibt. Was im Moment in der Literaturszene passiert ist die Archivierung des Zustandes der Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit in Form, deshalb ist "Popart" mit ihren expliziten Referenzen zu Bands, Filmen etc. gar nicht mal soho unwichtig oder nicht lesenswert. Davon ab gibt es aber noch jede Menge hervorragende Autoren der Gegenwartsliteratur, die zwar nicht einen so großen Bekanntheitsgrad haben mögen wie Heinrich Böll oder Nelly Sachs, die aber trotzdem großartige Literatur produzieren, z.B. Judith Hermann, Daniel Kehlmann oder Feridun Zaimoglu.
Sic parvis magna

Lomax

Zitat von: Steffi am 03. April 2010, 08:05:04..., das ist aber eher dadurch begründet, dass das "Bürgertum" nach 1945 völlig zerfallen ist ... ist die Archivierung des Zustandes der Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit in Form,
Dazu von mir kein Widerspruch.
Zitat von: Steffi am 03. April 2010, 08:05:04deshalb ist "Popart" mit ihren expliziten Referenzen zu Bands, Filmen etc. gar nicht mal soho unwichtig oder nicht lesenswert. Davon ab gibt es aber noch jede Menge hervorragende Autoren der Gegenwartsliteratur, die zwar nicht einen so großen Bekanntheitsgrad haben mögen wie Heinrich Böll oder Nelly Sachs, die aber trotzdem großartige Literatur produzieren, z.B. Judith Hermann, Daniel Kehlmann oder Feridun Zaimoglu.
Mag sich im Einzelfall erweisen - im Augenblick sehe ich da jedenfalls keine Literatur von Bedeutung. Und Bedeutung mache ich vor allem an langfristiger Wirkung fest - sozusagen Literatur, die treibt, nicht solche, die getrieben wird. Bei den sichbaren Größen der Vergangenheit war das, wenn auch mit gewisser Fehlerquote, durchaus schon zum Zeitpunkt des Schaffens absehbar. Heute ist das zumindest schwieriger, und schon das allein ist ein deutlicher Substanzverlust.
  Wo ist der neue Autor, der langfristig auch international ein Standing entwickeln kann wie beispielsweise Grass? Wo der Autor, der mehr als einen kurzfristigen Hype trägt und dessen Werke Jahrzehntelang wirken können? Wo ist der Literat, der auch auf die U-Literatur "abstrahlen" kann und damit zeigt, dass tatsächlich noch die Hochliteratur die Akzente der literarischen Entwicklung setzt?
  In all diesen drei möglichen Bereichen literarischer Bedeutung - internationales Standing, langfristige Bedeutung der Werke und Einfluss quer durch die literarische Entwicklung des Kulturraums - sehe ich einen ganz signifikanten Bedeutungsverlust zeitgenössischer Hochliteratur. Da sehe ich nicht ein Segment, wo die Größen von heute nicht bedeutungsloser wirken schon verglichen mit der Nachkriegsgeneration.

Mag sein, dass ein paar trotzdem übrig bleiben, sich langfristig und aus der Distanz betrachtet als bedeutsame Autoren unserer Zeit herauskristallisieren. Ich würde wohl andere Kandidaten dafür nennen als du - ich würde mich beispielsweise Judith anschließen und Ransmayr dazu zählen. ;)
  Aber da mag der Geschmack das Urteil trüben, und wer recht behält, mag man in 30 Jahren sehen. Tatsache bleibt allerdings, dass man es jetzt nicht sieht, ist für sich genommen schon ein Substanzverlust. Mehr als einen literaturhistorischen Trostpreis sehe ich für die aktuelle deutsche Hochliteratur eigentlich nicht in Aussicht - ich fürchte, Literaturgeschichte wird derzeit anderswo geschrieben.

FeeamPC

#43
Für mich haben All-Ager und gute Literatur dasselbe subjektive Merkmal: ich mag sie nach einem längeren Zeitraum (Tage, Wochen, sogar Jahre oder Jahrzehnte) noch einmal lesen und finde sie immer noch gut. Manchmal entdecke ich nach langer Zeit völlig neue Perspektiven in einem Text, die mir beim ersten Durchgang entweder nicht auffielen oder nicht wichtig waren. Eine völlig subjektive Wertung, die aber für mich funktioniert.

Da versammeln sich so unterschiedliche Dinge wie die ersten Elfquest-Comic-Bände oder Leutnant Blueberry, Der Schatz im Silbersee (Karl May ist ja soooo trivial  ;D), Der Name der Rose, Heidi (ja, ich stehe eisern zu meinen Kinderbüchern- in der nicht-Disney-verkitschter Form), Die Rättin, Der Medikus, Das Kreuz mit der Kirche, Der Schimmelreiter, Das erste Schiff auf der Newa, Wüstenblume usw, usf, also alles schön bunt durcheinander, sowohl vom Fachgebiet als auch vom Thema oder der Zielgruppe.

Warum auch nicht? Das Wichtigste am Lesen ist, daß es Spaß machen soll und Intellekt plus Fantasie fordert und fördert- Dinge, die sich keineswegs ausschließen.

gbwolf

Thienemann-Verleger Klaus Willberg stößt die Debatte über diese "Zielgruppe" wieder einmal an: http://www.boersenblatt.net/465855/
Ein wenig mit spitzem Unterton, wie mir scheint, auch wenn es natürlich reizvoll ist, demnächst nicht mehr quasi jedes Buch in der Bibliothek ins All-Age-Regal (Ja, wir haben so etwas und es ist in den letzten Jahren explodiert!) zu stopfen, sondern beispielsweise in "Krimi für Adaptiv-Pragmatische ab 10"  :snicker: