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Sterbende Figuren

Begonnen von Manja_Bindig, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Manja_Bindig

Wie gesagt: Das Sterben einer Figur ist mir manchmal nciht so wichtig. Nicht, dass es mich nicht mitnimmt, wenn ich die figur gemocht habe - aber noch wichtiger ist für mich die Lücke, die der tote hinterlässt. Bei einigen die Unfähigkeit zu trauern, bei anderen die schiere Verzweiflung... andere wieder versuchen, damit klarzukommen, indem sie alles runterwürgen und andere trösten.
Und eines auch: eben ist jemand gestorben, den man geliebt hat. Wie geht es weiter? Wie schnell kehrt man zum Alltagsgeschehen zurück... und wie fällt das Gewissen darüber aus?(hat man ein schlechtes, weil man einfach weitermacht?)

Todesfälle sind wunderbare anlässe, die Psyche der Charas zu sezieren.

Hyndara

Mh, ich sag mal, es kommt drauf an. Im allgemeinen fällt es mir nicht sehr schwer, Figuren, auch Hauptfiguren sterben zu lassen. Wenn ich an den Fantasyzyklus denke, an dem ich schreibe ... Der Vater der Hauptfigur wurde vor seinen Augen geköpft, seine Geliebte im Auftrag seines leiblichen Bruders im wahrsten Sinne des Wortes geschlachtet, Maskot selbst hatte kurzzeitig einen Faible fürs Hautabziehen entwickelt (okay, das war ein Kapitel, und er war nicht er selbst). Und am Ende wird er ja selbst das Zeitliche segnen ...

Ich denke, es kommt drauf an. Wenn es für die Handlung vonnöten ist, muß die Figur eben geopfert werden, auch wenn es eine Hauptfigur ist. Im allgemeinen fällt mir das meist nicht sehr schwer. Aus irgendeinem, mir damals nicht klaren, Grund fiel es mir allerdings schwer, Maskots Geliebte zu töten. Mit der Szene hatte ich Schwierigkeiten, bis mir klar wurde, daß ich da meinen eigenen Tod inzenierte (ja, ich bekenne, in irgendeiner Figur in jeder meiner Geschichten stecke ich). Angelegt war es eigentlich anders, keine Ahnung, warum ich dann plötzlich die Rollen getauscht habe.

Ich denke auch, es kommt auf die Handlung an, wie explizit man eine solche Szene beschreibt. Ist es für die Dramaturgie wichtig oder eher unwichtig. Den Mord an Maskots Vater habe ich mir vor kurzem noch mal durchgelesen. Normalerweise schreibe ich sehr figurenbezogen, durch die Sicht irgendeines Charakters. Diese Szene habe ich aber mehr von außen beschrieben, zwar durch Maskots Augen, aber irgendwie ganz weit weg. Es kommt nicht so recht Emotion rüber. Aber ich glaube, das ist auch richtig an dieser Stelle, wenn man den Hintergrund kennt. Hyndaras Tod dagegen habe ich, nach diversen Fehlversuchen, fast ganz gestrichen und nur den Anfang der Szene gelassen, um dann zum Ergebnis des ganzen zu kommen. Es war einfach ein Ding der Unmöglichkeit, das ganze glaubhaft rüberzubringen.

Ich gehöre eigentlich zu der Sorte Schreiberlingen, die ein, auf den ersten Blick, böses Ende bevorzugen, da kommen bei mir öfter Hauptfiguren um (gell, Linda). Auf der anderen Seite schreibe ich aber auch mal ein Happy End, und da wird, außer dem Bösen, eigentlich wenig gekillt und am Ende stehen die Figuren entweder vor einem Scherbenhaufen, den sie wieder aufbauen müssen, oder sie haben sich alle lieb.

Bis denne
Ramona

silsi

Interessante Frage, Manja.
Ich habe noch nie darüber nachgedacht, dass es schwer sein könnte, einen Charakter sterben zu lassen. Vermutlich, weil ich mehr an der Geschichte hänge als an einem Charakter.

Eine schöne (d.h. gekonnt geschriebene) Sterbeszene ist für mich genauso befriedigend wie eine schöne Liebesszene - obwohl ich zugeben muss, dass ich, wenn ich fröhliche Szenen schreibe, besser gelaunt bin, als wenn ich traurige Szenen schreibe. Die Stimmung des Textes färbt also durchaus ab.

Aber ich denke, ein guter Charkter verdient auch ein würdiges Ende, d.h. ein Ende mit Aussagekraft.

Liebe Grüße
Stefanie

Isabel

#48
Bisher habe ich nur sehr wenige Charaktere in meinen Geschichten "umgebracht", und das hat mich emotional kaum berührt. Ich wusste ja vorher, dass sie an einem bestimmten Punkt der Geschichte sterben werden. Das war von mir schließlich so geplant und kam nicht etwa unerwartet, und ehrlich gesagt: Es macht mir sogar irgendwie Spaß, denn ich liebe dramatische Szenen. Ich würde gerne mal eine Figur über die Klinge springen lassen, die so richtig sympathisch ist, um den Leser zu schocken ;).

Allerdings fällt es mir schwer, von Charakteren Abschied zu nehmen, wenn ich mit einer Geschichte fertig bin. Schließlich haben sie mich über Monate oder sogar Jahre begleitet. Ich bin so daran gewöhnt, mich gedanklich ständig mit ihnen zu beschäftigen, da ist diese Umstellung ein bisschen wie ein Entzug. Dann brauche ich eine Weile, um mit der nächsten Geschichte und den neuen Figuren warm zu werden.

Aber dass ich mit dem Tod eines Charakters grundsätzlich Probleme gehabt hätte ist noch nicht vorgekommen.

Kalderon

Zitat von: Rei am 01. Januar 1970, 01:00:00
Den ersten Teil gibt es hier (zu ersten Testzwecken mal gepostet, um Reaktionen zu kriegen...):

http://www.travar.de/koops/fantasyguide/index.php?action=display;threadid=3190594;board=178

Und am zweiten feile ich gerade... Bin aber schon am Kribbeln, ob ich das Ganze nicht zu einer Geschichte zusammenfasse...

Der erste Abschnitt hat einen sehr harmonischen Klang. Gefällt mir. Es wirkt sehr klar und verständlich. Das war für mich der erste Text, bei dem ich wirklich etwas über das Schreiben gelernt habe. Wirklich - sehr anregend.  :jau:

MarkOh

Also ich muss ehrlich zugeben, dass in meinem Roman-Zweiteiler auch nur Randfiguren den Löffel abgeben. Meine Hauptcharas an sich sollten  ja eigentlich das Ende der Story in die Happy End Schiene drücken. So stirbt nur, was auch sterben muss um die Geschichte am Laufen zu halten...

LG MarkOh

lapaloma

Da ich an die Wiedergeburt glaube, betrachte ich das Sterben als das Durchschreiten eines Tors zu einer anderen, neuen Welt. Sterben ist deshalb für mich zugleich Abschluss und Neubeginn. Das versuche ich auch in meinen Geschichten zu vermitteln.
Im Übrigen denke ich, dass ein Autor tausend andere Möglichkeiten hat, seine Protagonisten aus der Geschichte 'verschwinden' zu lassen, als sie einfach 'abzumurksen'. Um mal so richtig in der Klischee-Kiste zu wühlen: Es ist doch wunderschön, wenn der siegreiche Held am Schluss einfach davon reitet, hinein in den Sonnenuntergang, einem neuen, unbekannten Ziel entgegen ;-) Das lässt nicht nur alle Möglichkeiten für die Zukunft offen, ein solcher Schluss hinterlässt auch beim Leser ein besseres Gefühl - und das kann beim Kauf einer eventuellen Fortsetzung entscheidend sein:
Aus marketing-technischen Gründen möchte ich davon abraten, Protagonisten einfach sterben oder sogar Geschichten 'schlimm' enden zu lassen. Mag sein, dass sich der Autor damit selber therapiert, doch für die meisten Leser ist das keineswegs befriedigend: sie bevorzugen ein Happyend.
Grüsse, Sid

Arielen

Zitat von: MarkOh am 06. Juli 2006, 05:34:46
Also ich muss ehrlich zugeben, dass in meinem Roman-Zweiteiler auch nur Randfiguren den Löffel abgeben. Meine Hauptcharas an sich sollten  ja eigentlich das Ende der Story in die Happy End Schiene drücken. So stirbt nur, was auch sterben muss um die Geschichte am Laufen zu halten...

LG MarkOh

Na ja, das ist ja eigentlich normal. Aber manchmal denke ich bietet es sich im Rahmen der Dramaturgie auch an, eine der Hauptfiguren sterben zu lassen. Vor allem wenn sie in dem ein oder anderen Happy End stören könnte. Ganz klassisch ist ja der Tod der Rivalin, die dann den Helden sozusagen für die wahre Liebe freigibt. Vor allem in Filmen wird das praktiziert. Oder der Nebenbuhler haucht in der Schlußszene den Geist aus.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Manja_Bindig

Oder die eine "Rivalin" verliert ihren langjährigen Freund, erkennt, dass sie ihn eigentlich die ganze Zeit geliebt hat und zieht von Dannen... und das Hauptpaar ist wieder ungestört. So gesehen: Record of Lodoss War... Sheera...(die hat mir wirklich leid getan... arme Kleine...)

Ich merke grad, ich drohe, schon wieder jemanden umzubringen... komischerweise eine figur, die mir ähnlich ist. *schluck*

Lomax

Zitat von: Sid am 06. Juli 2006, 07:37:16... doch für die meisten Leser ist das keineswegs befriedigend: sie bevorzugen ein Happyend.
... das hängt natürlich auch von der Zielgruppe ab: Wenn man "Literatur" schreiben und Preise kriegen will, dann gilt ein "Happy End" geradezu als unfein. Worüber sich allerdings ein deutscher Fantasy-Autor keine Gedanken machen muss, weil hierzulande dann schon die Fantasy als unfein genug anzusehen ist ;D

Linda

#55
Zitat von: Sid am 06. Juli 2006, 07:37:16
Aus marketing-technischen Gründen möchte ich davon abraten, Protagonisten einfach sterben oder sogar Geschichten 'schlimm' enden zu lassen. Mag sein, dass sich der Autor damit selber therapiert, doch für die meisten Leser ist das keineswegs befriedigend: sie bevorzugen ein Happyend.
Grüsse, Sid


das möchte ich noch mal deutlich unterstreichen.

Ich habe, verstärkt in den letzten Tagen, den Eindruck gewonnen, dass einige bei ihrem Schreiben doch stärker an sich selbst, als an potentielle Leser denken. Ich möchte Schreiben zum Ausdruck der Persönlichkeit oder zum absichtslosen Selbstzweck aus Spaß an der Kreativität nun wirklich nicht verurteilen. Es kommen nicht zwanghaft die schlechtesten Werke dabei heraus. (nicht ironisch gemeint) Aber, und das sollte einem klar sein, auch nicht unbedingt die Bücher, um die Verlage sich reißen.
Das sollte man sich vor Augen halten, um Enttäuschungen zu vermeiden.
Es muss kein seichtes oder unglaubwürdiges Happy End sein. Aber ein Großteil bevorzugt dennoch einen positiven Ausblick für die Helden, die man auf hunderten Seiten lieb gewonnen oder doch zumindest respektiert hat. So ein Ende sollte einfach abgerundet sein, alle tot empfinde ich persönlich als einfach nur ärgerlich (bei einer Kurzgeschichte ist das vielleicht ja mal eine nette Pointe),
Aber das Thema Happy End wäre dann vielelicht wirklich wieder ein neues Thema.

Gruß,

Linda

lapaloma

Zitat von: Lomax am 06. Juli 2006, 12:52:41
Zitat von: Sid am 06. Juli 2006, 07:37:16... doch für die meisten Leser ist das keineswegs befriedigend: sie bevorzugen ein Happyend.
... das hängt natürlich auch von der Zielgruppe ab: Wenn man "Literatur" schreiben und Preise kriegen will, dann gilt ein "Happy End" geradezu als unfein. Worüber sich allerdings ein deutscher Fantasy-Autor keine Gedanken machen muss, weil hierzulande dann schon die Fantasy als unfein genug anzusehen ist ;D
Mhm...dann ist das ja fast ähnlich wie beim Theater. Wenn die Akteure auf der Bühne bumsen wie die Karnickel und mit wüsten Zoten das Publikum beleidigen, nennt man das Kunst  ;D

Kalderon

Zitat von: Linda am 06. Juli 2006, 13:04:08
Ich habe, verstärkt in den letzten Tagen, den Eindruck gewonnen, dass einige bei ihrem Schreiben doch stärker an sich selbst, als an potentielle Leser denken. Ich möchte Schreiben zum Ausdruck der Persönlichkeit oder zum absichtslosen Selbstzweck aus Spaß an der Kreativität nun wirklich nicht verurteilen. Es kommen nicht zwanghaft die schlechtesten Werke dabei heraus. (nicht ironisch gemeint) Aber, und das sollte einem klar sein, auch nicht unbedingt die Bücher, um die Verlage sich reißen.
Das sollte man sich vor Augen halten, um Enttäuschungen zu vermeiden.
Es muss kein seichtes oder unglaubwürdiges Happy End sein. Aber ein Großteil bevorzugt dennoch einen positiven Ausblick für die Helden, die man auf hunderten Seiten lieb gewonnen oder doch zumindest respektiert hat. So ein Ende sollte einfach abgerundet sein, alle tot empfinde ich persönlich als einfach nur ärgerlich (bei einer Kurzgeschichte ist das vielleicht ja mal eine nette Pointe),
Aber das Thema Happy End wäre dann vielelicht wirklich wieder ein neues Thema.

Gruß,

Linda

Da kann man wohl nur nicken. Die meisten Menschen sind Optimisten, auch wenn sie viel nörgeln und quaken. Deshalb möchten die meisten Leute auch ein Happy-End haben (In Filmen, in Büchern und ganz wichtig: im richtigen Leben). Folglich will auch ein Verlag lieber Manuskripte mit einem Happy-End haben. Verkauft sich doch viel besser  ;)
Als Autor jedoch (die meiner Meinung nach alle einen kleinen oder großen Knacks haben), nimmt man sich ja auch mal herraus, seine eigene Sicht und Meinung dem Leser zu unterbreiten, ob er sie nun hören mag oder nicht - einfach um seiner Selbst willen. Damit er nicht nur redet, sondern auch etwas sagt. Das ist jedenfalls mein Steckenpferd. Problematisch, da meine Geschichten meist sehr finster sind. Mein Lieblingsprojekt lässt es nicht zu, dass der Hauptcharakter überlebt. Er erkennt am Ende seine Fehler, doch der Tod ist ihm gewiss. Es ist auch geschichtstechnisch und stiltechnisch nicht möglich, dem ganzen ein Happy-End zu verpassen. Und krampfhaft kann man soetwas ja dann auch nicht versuchen. Obwohl ich mich natürlich bemühe, Happy-Ends zuzulassen. Aber ich nehme dann lieber einen toten Hauptcharakter in Kauf, der die Leser verstimmt, als einen weiterlebenden Hauptcharakter, der mich verstimmt, weil es das gesamte Buch zerstört, und die Leser verwirrt, weil es nicht in die Geschichte passt. :pfanne:

Arielen

Manchmal dürfen Hauptcharaktere ja auch sterben, weil sie damit ihr Schicksal erfüllen. Wenn dann einige der Nebencharaktere, die die Leute auch lieb gewonnen haben, ein bi0ßchen Glück für sich finden sind die meisten Leser ja auch schon zufrieden, weil das Lichtlein der Hoffnung weiter brennt. Nur ganz selten funktionert der völlige Untergang aller Charaktere und ihrer Welt so wie bei Elric, da ja auch er und seine Welt nur ein Teil, eine Facette des Multiversums waren.
Alles liegt im Auge des Betrachters

Linda

@Kalderon

dass Hauptfiguren sterben, muss nicht unbedingt bedeuten, dass es kein Happy End ist. Ich verweise da mal auf "Die sieben Zitadellen" wo der Held auch stirbt, nachdem er eine ganze Menge Erkenntnisse gewonnen hat. Er stirbt an dieser Stelle quasi stellvertretend für sein ganzes Reich und deren dekadenten Lebensstil.
Aber andere kommen davon, die Kultur wird zerstört, um neu geschaffen zu werden. Im Stile von "Stirb und werde"

Wenn eine heroische Hauptfigur stirbt, damit es überhaupt ein Happy end gibt, dann ist das wiederum der nahezu klassische Weg des Helden. Und damit so ungewöhnlich auch nicht.

Es sollte nur passen und nicht zur Regel werden, sonst ist es auch wieder langweilig...

edit: ich sehe gerade, dass Arielen auch was ähnliches zum Thema geschrieben hat.