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Plotten mit der Heldenreise

Begonnen von Hanna, 04. Oktober 2009, 22:16:18

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Cailyn

Zitat von: Coehoorn am 21. November 2013, 09:48:33
Ich denke schon, dass sich der Herr der Ringe in erster Linie um Frodo dreht und nicht um das Schicksal von Mittelerde.
Das sehe ich anders. Schon nur, dass nicht Frodo den Ring gefunden hat, sondern sein Onkel Bilbo, der wiederum eine ganz eigene Geschichte mit dem Ring verbindet, zeigt doch, dass die Geschichte nicht mit Frodo begann.
Ausserdem ist dieser kurze Ausschnitt aus Mittelerde, in welcher das Buch spielt, ja wirklich nur ein Ausschnitt. Ehrlich gesagt würde ich Herr der Ringe nicht in dieses Schema von der Heldenreise setzen können. Tolkien hatte ja dramaturgisch eine ganz andere Art als die meisten Autoren. Es ist meiner Ansicht nach auch nicht so geschickt aufgebaut. Die ersten hundert Seiten glänzen ja vom Schreibstil her und ich habe mich zumindest gleich in die Welt an sich verliebt. Aber der Spannungsbogen gleicht eher einem eingeschläferten Hund  ;). Laut der Heldenreise müsste ja schon viel, viel früher wirklich was passieren, um Konflitke einzubauen. Gut, da wären z.B. die Ringgeister, die relativ früh auftreten, aber dann kommt diese ellenlange Passage mit Tom Bombadil, der ja nicht wirklich etwas zur Geschichte beiträgt.

Coehoorn

Hmmmm.... eine durchaus logische und nachvollziehbare Argumentation.

Ich hab Frodo bis jetzt immer als den Dreh- und Angelpunkt betrachtet. Nach der Argumentation ergibt sich ein ganz anderer Betrachtungswinkel.  :jau:

Cailyn

Ja, vermutlich kann man LOTR ja auch von ganz verschiedenen Seiten aus betrachten. Und wenn der Fokus bewusst auf Frodo gesetzt wird, sieht es schon anders aus.

Pandorah

Zitat von: Gargoyle am 05. Oktober 2009, 12:59:28
Hi Gothanna,

das Ganze bezieht sich mit Sicherheit auf dieses Buch:
http://www.amazon.de/Masterplots-Woraus-Geschichten-gemacht-werden/dp/3861503026

Leider ist es, wie man dort erfährt, vergriffen. Die Heldenreise ist einer von 20 Standardplots, die in Filmen und Romanen immer wiederkehren. Außerdem gibt es da noch den Sucheplot, den Rettungsplot, etc.

Zu meinem Glück hat mir meine befreundete Autorin eine Kopie dieses Buches geschickt, denn was dort drin steht ist wirklich sehr hilfreich und gibt einem beim Plotten grundlegende Gerüste und Mechanismen zur Hand.

Mehr kann ich dir dazu jetzt leider auch nicht sagen, als dass es dieses geniale Buch zur Zeit nirgendwo zu kaufen gibt. Eine Chance wären Antiquariate oder ebay.  ???

Ich habe gerade zufällig gesehen, dass es das Buch in Englisch weiterhin zu einem vernünftigen Preis gibt. Im Deutschen kann man für ein gebrauchtes Exemplar ja aktuell 100,00 Euro hinlegen. :hmhm?:

http://www.amazon.de/20-Master-Plots-Build-Them/dp/1599635372/ref=pd_bxgy_eb_text_y

Roca Teithmore

Oh ja die Helden Reise. Der ewige Zirkel der epischen Geschichte :D
Wer kann schon abstreiten, dass es nicht eine Geschichte gibt, die einen Mitgerissen hat und irgendwie berührte die durch diesen Epos geschlendert sind.

Selbst Kill Bill wendet sie an. Das ist wirklich sehr amüsant, wenn man den Film mal auf die Art und Weise aus einander nimmt.

Ich denke ich habe diese Art des Erzählens schon als Kind unterbewusst angewendet und ich halte es auch nicht für eine schlechte Methode sich ein Gerüst daran auf zu bauen. Man kann es auch sehr gut verpacken, wenn es andere Mittel mit auf nimmt. (Kill Bill ist sehr Lyrisch erzählt z.T. hat aber eine Epische Geschichte)

Schaut euch mal Mythologie oder Sagen an, selbst Jesus! Alle Geschichten haben ähnliche Aspekte. Warum sie so gut funktionieren...
Also meine Theorie dazu ist ganz einfach, dass Menschen gerne Geschichten Hören um zu lernen. Also für das Leben. Das mag ein bisschen Abstrakt klingen, aber der Helden Epos richtet sich erstmal an normale Leute, die vor eine Aufgabe gestellt werden manchmal auch durch einen eigenen Fehler (oder auch später) und durch ihr Handeln an den Taten wachsen und triumphieren. Ich meine es ist doch viel spannender sich in jemanden hinein zu versetzen, der selber noch lernen und wachsen muss als jemanden zu zu schauen der Perfekt ist. Wie will ich denn was "lernen" wenn der eh schon scheinbar alles richtig macht. Wie will ich lernen welche Entscheidungen falsch sein können? Deswegen funktionieren so Plastik Helden die Perfekt sind auch nicht so gut... Superman ist da wohl eine Ausnahme, weil er eigentlich fast als Gott an zu sehen ist (ich persönlich kenne nur Leute die ihn langweilig finden... aber er hat einen neuen Film bekommen und existiert seit Jahrzehnten, man kann ihn fast als neue Sagenfigur ansehen, daher klappts vermutlich). Andere Superhelden sind besonders in ihren alten Versionen eher Platt, damit Leute sich hinein versetzen können wie sie die Abenteuer meistern. Das ist denke ich auch das spannende an der Heldenreise.

So Klischee. Haha. Also man kann sagen das die Heldenreise ein Klischee ist ja. Oder die Gefahr für Klischees birgt. Ja. Das liegt einfach daran das Epische Geschichten also Balladen im Grunde ein sehr strukturiertes Muster haben und man sich gern auch Klischees bedient, um etwas einfacher zu erzählen und schnell klar zu stellen. Dafür sind sie auch da. Also Klischees. Für mehr braucht man sie auch nicht zu verwenden dann man kann sie auch recht schnell in der Regel durchbrechen. Dann wird das ganze auch wieder spannender. Oder man Karrikiert sie eben wie in Anhalter durch die Galaxis. Großartige Bücher.
Zudem ist man bei der Heldensaga auch nicht an das typische Fantasy Adventure gebunden. Man kann auch im Drama (Ödipus) oder der Lyrik (Pans Labyrinth) diese anwenden.

Was einem echt auch gute - andere Ideen für Heldenreisen bietet sind Rollenspielwerke - also nicht die vorgefertigten Kampagnen sondern die Regelwerke für Spielleiter. Gerade die Heldenreise ist ja das was ein Spieler da durchlebt. Die Tipps für Spielleiter eine spannende Kampagne zu erstellen eigenen sich in der Regel auch super für Romane.

Fianna

In meinem aktuellen Projekt bringe ich den Mentor um, und Helden gibt es zwei.
Mir persönlich ist die Heldenreise zum Lesen und zum Plotten auch immer zu langweilig.


Ich hab mir mal das Buch auf Englisch besorgt und bin gespannt auf die anderen Plots. Bestimmt finde ich da etwas, was mehr mein Fall ist.

canis lupus niger

ZitatIrgendjemand hatte wohl herausgefunden, dass alle Hollywoodfilme und Bücher, die besonders erfolgreich sind, auf diesem Konzept beruhen und jene, die es nicht tun, eher untergehen.

Irgendwie denke ich, dass die Unterhaltungsliteratur (und nicht nur die) immer ärmer wird, wenn sich alle Autoren auf derartige Schemata beschränken. Es gibt keine Überraschungen mehr und als Leser denkt man dann irgendwann: "Wann, verflixt nochmal, taucht endlich der ältere Mentor auf? Wer könnte das wohl sein?"

Viel schöner und spannender finde ich es, wenn man sich auch vom Plotverlauf überraschen lassen darf.

Ob jetzt all die Mühen, die der Prota auf sich genommen hat, durch einen unglücklichen Zufall oder durch einen ausnahmsweise mal nicht völlig dämlichen und selbstgefälligen Antagonisten hinfällig geworden sind, oder

ob der Protagonist am Ende stirbt, ohne zu wissen, dass alle seine Bemühungen doch noch zur Rettung der Welt geführt haben,

ob die Situation durch einen völlig unerwarteten Schachzug eines unterschätzten "dritten" noch gerettet wird, so dass der "Held" als Depp dasteht und sich für die Zukunft vornimmt, etwas weniger selbstgefällig zu sein, ...

Wenn immer nur die gleiche Geschichte mit abgeänderter Deko erzählt wird, kann man sich das Schreiben auch gleich ganz schenken. Oder ich kann es mir schenken, weitere neue Bücher zu lesen, denn "DIE HELDENREISE" kenne ich irgendwann schon auswendig. Ich möchte beim Lesen aber unterhalten werden. Neue Bücher kaufe ich, um NEUE Geschichten zu lesen, nicht immer die gleiche.

Merrit

Ich denke die Geschichte bestimmt die Deko, nicht umgekehrt.
Ich oute mich und gebe zu, ich liebe das Gerüst der Heldenreise. Aber es ist immer nur ein Gerüst, welches als Fundament dient. Was darauf aufgebaut wird, liegt ganz an einem selbst.
Doch empfinde ich es nicht gänzlich als störend, wenn hier und dort das Gerüst durchschimmert.
Geschichten, die jeglichen logischen Ablauf vermissen lassen, verstören mich da schon eher, und damit meine ich nicht den roten Faden, der ja auch vorhanden sein sollte ;-).
Mir hat die Erkenntnis, daß ich eine Heldenreise schreibe eher geholfen. Aber später werde ich ggf auch andere Grundgerüste ausprobieren.

Zanoni

Zitat von: Roca Teithmore am 27. Dezember 2013, 19:09:33Also meine Theorie dazu ist ganz einfach, dass Menschen gerne Geschichten Hören um zu lernen. Also für das Leben.
Hi Roca,

ja, das scheint tatsächlich der Schlüssel zu sein! Zu den Fragen, warum wir uns überhaupt für Geschichten interessieren, und warum uns manche dieser Geschichten mehr beeindrucken als andere. Und natürlich zu den grundlegenden Prinzipien, die beim Erzählen von Geschichten von Bedeutung sind.

Meine Theorie: Es gibt 12 verschiedene Aspekte, die bei jeder Form des Dazulernens - oder Übersichhinauswachsens - (denn darum scheint es bei den meisten Problemen und Herausforderungen, die uns im Leben begegnen, zu gehen) typischer auftreten können (nicht müssen). Egal um was es geht, worin eine Herausforderung konkret besteht, es wird so gut wie immer eine Ausgangssituation geben (1. Stufe, Alte Welt) und eine finale Situation, nach Meisterung der Herausforderung (12. Stufe, Neue Welt). Es wird so gut wie immer eine Heroldsituation geben (Ruf des Abenteuers), wenn sich die Herausforderung ankündigt bzw. durch jemanden oder etwas angekündigt wird. Es wird so gut wie immer eine Situation geben, in der wir selbst uns weigern, die Herausforderung anzunehmen, oder im Gegenteil am liebsten sofort losstürmen würden, wo sich dann aber erst einmal die Umstände weigern. Bis dann auf "wundersame Weise" unerwartet Hilfe auftaucht (der sogenannte Mentor), der entweder die widrigen Umstände beseitigt oder uns ins Gewissen redet und doch noch dazu bringt, die Herausforderung anzunehmen. Und so weiter und so weiter ...

In der Wirklichkeit wie auch beim Plotten nach Heldenreiseprinzip müssen nicht immer alle Stufen auftreten. Sie müssen auch nicht immer in der gleichen Reihenfolge geschehen. Aber oft werden Geschichten als "vollständiger" wahrgenommen, wenn alle Stufen enthalten sind. Nicht, weil sie auftreten müssen, sondern weil sie auftreten können.

Grundsätzlich muss man aber deutlich zwischen Geschichten unterscheiden, bei denen "nur" bestimmte Geschehnisse beschrieben werden, und denen, in der die Veränderung einer (oder mehrerer Personen) im Vordergrund steht. Oder anders formuliert: Ob es in einer Geschichte nur (allein) um die Schilderung "äußerer Ereignisse" geht, oder ob diese auch mit "inneren Prozessen" der Hauptfigur in Verbindung stehen.
Beispiel: Bei einer Fantasy-Geschichte kann es um einen Konflikt zweier Völker/Reiche gehen und wie die Hauptfigur diese Geschehnisse miterlebt und/oder wesentlich zur Problemlösung beiträgt. Die zusätzliche "innere Ebene" - und damit das, wo das Heldenreiseprinzip besonders wirkungsvoll wird - käme hinzu, wenn die Hauptfigur darüber hinaus auch eine innere Wandlung vollzieht ... bspw. vom ängstlichen Kind zum/zur mutigen Held/in oder vom Krieger zum Pazifisten oder ... oder ... oder ...

Ich denke, dass das Heldenreiseprinzip genau an dieser Stelle, wenn es um die "inneren Prozesse" geht, oder die Synchronisation der "äusseren Geschehnisse" mit den "inneren Veränderungen", besonders hilfreich und wirkungsvoll ist. Und gerade diese zusätzliche Ebene vermag es, einer Geschichte - egal, ob Roman, Film oder Spiel - mehr "epische Wucht" zu geben. ;-)

Fianna

Ich habe mir dieses Buch mit den 20 Masterplots besorgt, und direkt einige andere gefunden, die ich tatsächlich als ansprechender empfinde.

Spontan habe ich alle zukünftigen Projekte in diese Plot-Kategorien eingeordnet, unhd das macht nicht nur Spaß, sondern hilft auch enorm.

Nur bei 2 Projekten passt es nicht so ganz, da werde ich nochmal vor dem Plotten diese Zusammenfassungen durchgehen.
Im Zweifel sind es Riddle. Sie haben alle einen überraschenden Twist am Ende, der alles ändert, und ich hab beim Einteilen meiner Projekte schon festgestellt, dass ich offensichtlich ein Riddle-Typ bin  8)

Coppelia

#70
Auch ich habe Campbells Buch gelesen und mag es sehr. Genau der richtige Stoff für einen spirituell veranlagten Epik-Fan wie mich. Ich denke auch, dass die Theorie ihre Richtigkeit hat und beim Plotten helfen kann, wenn man sich vorgenommen hat, eine Geschichte nach diesem Schema aufzubauen. Vor allem finde ich die Heldenreise außerordentlich tiefgründig, voller beeindruckender Symbolik.

Ich habe Lutans Handlung in "Blutgeister" ziemlich akribisch nach der Heldenreise aufgezogen, bezweifle aber, dass das so einfach jemandem auffällt, weil der fantastische Anteil alles andere als offensichtlich ist. ;)

Ein schönes Beispiel für die Anwendung der Heldenreise ist auch eins meiner Lieblingsbücher, Unten am Fluss/Watership down.

Cailyn

Coppelia,
Ich bin von diesem Arbeitstag nach 7 Stunden ohne Pause am Rechner so erschöpft, dass ich in deinem Post tatsächlich gelesen habe "einen spirituell verklagten Epik-Fan wie mich". Drei Mal habe ich diese Stelle immer gleich falsch gelesen und gedacht: Herrje, was soll das nur sein?  :rofl: Heute ist mein Hirn bereits im Standby.  ;)

absinthefreund

Zitat von: canis lupus niger am 28. Dezember 2013, 11:55:09
Viel schöner und spannender finde ich es, wenn man sich auch vom Plotverlauf überraschen lassen darf.

[...]

Wenn immer nur die gleiche Geschichte mit abgeänderter Deko erzählt wird, kann man sich das Schreiben auch gleich ganz schenken. Oder ich kann es mir schenken, weitere neue Bücher zu lesen, denn "DIE HELDENREISE" kenne ich irgendwann schon auswendig. Ich möchte beim Lesen aber unterhalten werden. Neue Bücher kaufe ich, um NEUE Geschichten zu lesen, nicht immer die gleiche.

Die Einhaltung der Heldenreise schließt nicht aus, dass man sich vom Verlauf des Abenteuers überraschen lassen kann.
Die Heldenreise ist so etwas Grundsätzliches für die Literatur wie die Einteilung der fünf Akte im klassischen Drama (dieses Pyramiden-Schema). Die Heldenreise findet sich in der traditionellen High Fantasy wie im postmodernen Entwicklungsoman (der ja auch High Fantasy sein könnte :hmmm:) wieder.
Auf der Suche nämlich nach neuen Handlungsverläufen, wie es sie noch nie gegeben hat, werden wir uns recht bald im Kreis drehen, weil wir als biologischer Organismus schnell an unsere körperliche und geistige Grenzen stoßen. Soll heißen, unsere biologische Existenz und Bindung an Zeit und Raum ermöglicht nur eine sehr geringe Zahl an unterschiedlichen Ausgangspunkten, Verläufen und Endpunkten, wie unser Leben verlaufen könnte. Macht Sinn. Selbst wenn wir - z.B. in phantastischen Geschichten - meinen, alle Grenzen der Physik aushebeln zu können, sind wir an bestimmte Muster gebunden, wenn wir eine Geschichte mit logischen Abläufen und Sinnhaftigkeit schreiben wollen.

Kennst du die Theorien über die sieben (es gibt auch zwölf) grundlegenden Plotverläufe? Ich habe kein Buch dazu gelesen, das Thema wurde nur während meines Studiums mal von der Dozentin angerissen. Den sieben (oder zwölf) grundlegenden Plotverläufen liegt auch der Kern der Heldenreise zugrunde. Dieser Mann hat das Buch geschrieben: Christopher Booker.

Ich habe mich zuerst geweigert zu glauben, dass wir als Autoren tatsächlich so eingeschränkt sein sollen in unserem, ja, "Handlungsspielraum", aber die Kunst ist es ja, das beste aus dem zu machen, was man hat, nicht wahr?
Es ist weniger wichtig, dass es einem Autor gelingt die Heldenreise zu umschiffen, als dass es ihm gelingt, seine Geschichte, so alt das Gerüst auch sein mag, mit Leben und Klugheit zu füllen, um den Leser von seiner Welt zu überzeugen und ihn im besten Falle dazu zu bringen, sich Gedanken zu machen. Der Aspekt des Lernens durch Lesen wurde hier ja schon ausgeführt. Die beste Literatur ist die, die uns zum Denken anregt.


Zitat von: canis lupus niger am 28. Dezember 2013, 11:55:09
Ob jetzt all die Mühen, die der Prota auf sich genommen hat, durch einen unglücklichen Zufall oder durch einen ausnahmsweise mal nicht völlig dämlichen und selbstgefälligen Antagonisten hinfällig geworden sind, oder

ob der Protagonist am Ende stirbt, ohne zu wissen, dass alle seine Bemühungen doch noch zur Rettung der Welt geführt haben,

ob die Situation durch einen völlig unerwarteten Schachzug eines unterschätzten "dritten" noch gerettet wird, so dass der "Held" als Depp dasteht und sich für die Zukunft vornimmt, etwas weniger selbstgefällig zu sein, ...

Was du hier sagst, würde die Heldenreise ja nicht untergraben, sondern im schlimmsten Fall einen merkwürdigen Bruch im Handlungsverlauf erzeugen, der die Leser irritieren würde. Das könnte zwar im wahren Leben so passieren, aber wir wollen ja keine Romane schreiben, wie sie im wahren Leben passieren könnten. Wir wollen etwas aussagen mit unseren Geschichten und unserem Helden die Früchte seiner Arbeit gönnen, weil er der Vertreter einer Ideologie (im Sinne von Weltanschauung) ist, die irgendwo Satisfaktion erlangen muss - durch das Herbeiführen von Gerechtigkeit, bspw. Wenn die Ideologie keine Satisfaktion erlangt, ja, dann können wir uns das Schreiben der Geschichte tatsächlich sparen.
Diese Satisfaktion kommt in allen Arten von Romanen vor, dessen Ende einigermaßen "rund" ist, also, der Protagonist verändert aus der Geschichte herausgeht (oder verändert stirbt).
Dass der Held die Ideologie seiner Geschichte verkörpert, ist ein typisches Fantasy-Ding. (In anderen Romanen zeigt der Handlungsverlauf die Ideologie auf, die die Geschichte transportieren soll, z.B., wenn es darum geht, am Protagonisten ein negatives Exempel zu statuieren und ihn am Ende scheitern zu lassen. Hiermit wären wir wieder bei der Tragödie.)

Wenn man es tatsächlich darauf anlegt, den ersten oder dritten der Fälle in Kraft treten zu lassen, die du oben vorstellst, dann müssen sie berechtigt sein. Dann ist die Ideologie des Helden nämlich die falsche und es braucht den Dritten, der sich als der wahre Held entpuppt. Ansonsten raubst du der Geschichte das Wesentliche, nämlich den Abschluss ihrer Entwicklung, auf die sie die ganze Handlung über hingearbeitet hat. (Heldenreise und Entwicklungsroman arbeiten ja auch eng zusammen.)

Ich finde es immer wieder interessant, wie wir uns gegen die Heldenreise sträuben, dabei ist sie eine wunderbare Form Geschichten zu erzählen.

Coppelia

Gerade läuft auf arte eine interessante Doku über Star Wars und die Heldenreise. Sie wird Dienstag noch einmal nachts wiederholt, falls jemand sie aufzeichnen möchte.
Mir gefällt sie sehr gut, und ich platze gerade noch mehr vor Stolz über meine "Blutgeister". ;D

Hier der Link: http://www.arte.tv/guide/de/050596-000/star-wars-die-geschichte-einer-saga

HauntingWitch

Danke für den Tipp, Coppelia.  :)