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Plotten mit der Heldenreise

Begonnen von Hanna, 04. Oktober 2009, 22:16:18

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Hanna

Nach langer erfolgloser Suche hier im Zirkel habe ich mich nun endlich dazu durchgerungen, das Thema hier zu eröffnen.

Vor einigen Wochen erzählte mir eine Freundin von dieser Methode, von der sie in der Federwelt (oder dem anderen Magazin) gelesen hatte. Ich konnte damit nichts anfangen und da sie mir die Informationen auch nicht nachgereicht hat, ging das erst mal unter. Bis ich plötzlich unter Zeitdruck stand und in meinem Plot vollkommen festhing. Da bemühte ich die gute Wikipedia. Und Wikipedia spuckte das hier aus:

http://de.wikipedia.org/wiki/Heldenreise

Der Artikel von dem meine Freundin erzählt hat, ging noch etwas weiter. Irgendjemand hatte wohl herausgefunden, dass alle Hollywoodfilme und Bücher, die besonders erfolgreich sind, auf diesem Konzept beruhen und jene, die es nicht tun, eher untergehen.

Als ich die verschiedenen Stufen durchging, dachte ich sofort: Eragon! Oder von mir aus auch Star Wars, was ja aufs Gleiche hinaus läuft. Aber nicht immer ist das so deutlich und ich erinnere mich daran, dass meiner Freundin nach in dem Artikel stand, man solle sich mal einen x-beliebigen Film nehmen und ihn darauf untersuchen. Das wäre eine gute Übung.

Das habe ich natürlich nicht getan. Dafür bin ich viel zu faul. Trotzdem machte es irgendwie "klick" bei mir und ich konnte die Methode ganz wunderbar zum Plotten verwenden.

Ich schrieb die Punkte ab und setzte dann meine eigene Geschichte darunter und auch wenn ich nicht alle Punkte erfülle (z.B. mag ich keine älteren Mentoren), verhelfen mir die Überschriften zu Inspiration und erleichtern es mir, in meinem Plot die Übersicht zu behalten.

Ich habe jetzt bereits zwei Projekte damit innerhalb kürzester Zeit durchgeplottet und bin wirklich sehr zufrieden mit dieser Methode.

Arbeitet sonst noch jemand damit? Wie sind eure Erfahrungen?
#notdeadyet

Ary

Klingt interessant und sicher auch nützlich, aber gemacht habe ich es noch nie. Danke für den Tipp, vielleicht hilft mir das bei meinem NaNo-Project of Doom weiter!
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Judith

Ich hab von Campbell das Buch "Der Heros in tausend Gestalten", wo er das alles sehr ausführlich beschreibt. Gerade bei Märchen, Heldenepik und auch höfischen Romanen findet man eine Heldenreise in der Art sehr häufig. Bei Romanen hab ich aber das Gefühl, dass die Gefahr, in Klischee-Fantasy abzudriften, recht hoch ist. Natürlich gehe ich jetzt nicht davon aus, dass jemand die Punkte eins zu eins übernimmt, aber dennoch ist das halt die Struktur, die man auch bei HdR findet - und davon gibt es ja leider schon genug schlechte Kopien.
Ich finde Campbells Buch toll und es kann einem auch so manche Aha-Erlebnisse bescheren, aber man muss meiner Meinung nach schon sehr aufpassen, wieweit man das Heldenreise-Muster übernimmt.

Linda

... was bei den vielen schlechten Kopien meines Erachtens nach aber eher untergeht, ist der innere Aspekt der Reise. Döselige Küchenjungen sind Schlagdraufe geworden, aber innen hat sich nix getan. Gähn. Die Helden haben das Artefakt gewonnen (oder sind es los geworden), aber was ist mit dem Nektar der Weisheit, den sie von ihrer Reise mitbringen sollten? Fehlanzeige.

In diesem Sinne habe ich das Heldenreise-Prinzip ja gern erweitert auf den Inner Space - bsw beim Geisterwolf. Im Grunde ist auch jede Schamanengeistreise eine solche Heldenreise... das passte also hervorragend zum Thema Schamanen und Entwicklungsroman.

Ach ja, das plotten nach der Methode ist für mich als alter Märchen- und Legendenfreak natürlich nichts Neues. Bewusst habe ich das allerdings nicht gemacht, das ist bei mir fest verdrahtet als Grundgerüst des Erzählens :-)

Gruß,
Linda

Coppelia

Genau darüber habe ich vor 2 Tagen noch mit meinem Coautor geredet. Interessant. :hmmm: Ich kenne das auch schon als einen von vielen möglichen Plots, allerdings bin ich irgendwie nie auf die Idee gekommen, dass ich ja meinen momentanen Roman auch nach dem Schema aufgezogen hab.

Wie Linda auch sagt, kenn ich das eher als psychologischen Plot, wo der Held schließlich das, was er findet, nicht mehr braucht, oder es etwas anderes ist als er dachte, er das, was er aber eigentlich braucht, quasi durch das Suchen findet.

Vielleicht ist mein momentaner Plot doch nicht so im Eimer. :hmmm: Immerhin ist das hier eine episodenhafte Handlung mit Charakterentwicklung im Zentrum. Bei mir ist das Ergebnis allerdings eher umgekehrt, und mein Held zahlt für das, was er nicht hätte haben sollen, mit einem Teil seiner Menschlichkeit. Aber immerhin das erkennt er dann auch.

Hanna

Die innere Entwicklung ist mir auch sehr wichtig und wie oben schon gesagt, hangele ich mich sicher nicht von Punkt zu Punkt. Aber mir haben die verschiedenen Stationen als anhaltspunkt und Inspiration sehr geholfen. Sozusagen als Ausgangspunkt: von "was sollte jetzt passieren" zu "das passiert bei mir".

Ich glaube das Hauptproblem bei den schlechten HdR-Kopien ist, dass sie nicht nur die Handlung übernehmen, sondern auch das Setting. Wenn der HdR in dieser Welt im Hier und Jetzt passieren würde, sähe die Geschichte allein deshalb schon anders aus, weil andere Grundvoraussetzungen da sind.
#notdeadyet

Drachenfeder

Hmm  :hmmm: interessant klingt das schon. Echt das stand in der Federwelt??
Also da ich eh sehr sehr wenig Plotte kommt es trotzdem nicht für mich in Frage... oder? Wenigstens mal ausprobieren? *grübel*



Hanna

Öhm. Entweder in der Federwelt oder aber eben in dem anderen Magazin, dessen Namen ich vergessen habe. Ich lese alle beide nicht, weiß aber, dass meine Freundin zwei Magazine abonniert hat. Wenn mir der Name wieder einfällt, trage ich ihn gerne nach.

Ich habe früher auch nicht geplottet, aber im Laufe der Zeit habe ich das Instinktschreiben verlernt, war dann lange Zeit mit Plot und Konzept aber ebenso unglücklich. Mittlerweile geht es ganz gut. Man muss sich eben erst an Zaumzeug gewöhnen.  ;D
#notdeadyet

Drachenfeder

Ich frag nur weil ich die Federwelt auch im Abo habe =) Und das mir gar nicht aufgefallen ist =)



Gargoyle

Hi Gothanna,

das Ganze bezieht sich mit Sicherheit auf dieses Buch:
http://www.amazon.de/Masterplots-Woraus-Geschichten-gemacht-werden/dp/3861503026

Leider ist es, wie man dort erfährt, vergriffen. Die Heldenreise ist einer von 20 Standardplots, die in Filmen und Romanen immer wiederkehren. Außerdem gibt es da noch den Sucheplot, den Rettungsplot, etc.

Zu meinem Glück hat mir meine befreundete Autorin eine Kopie dieses Buches geschickt, denn was dort drin steht ist wirklich sehr hilfreich und gibt einem beim Plotten grundlegende Gerüste und Mechanismen zur Hand.

Mehr kann ich dir dazu jetzt leider auch nicht sagen, als dass es dieses geniale Buch zur Zeit nirgendwo zu kaufen gibt. Eine Chance wären Antiquariate oder ebay.  ???



Aidan

Ich meine, es wäre auch nicht die Federwelt, sondern die TextArt gewesen.

In dem Schreibkurs, den ich irgendwann mal angefangen habe, war es Thema in den Heften zum Drehbuch. Leider befinden sich die Unterlagen gerade in irgendeiner Kiste, sonst könnte ich mal versucehn, eine Zusammenfassung zu schreiben. Sollte ich den Heften schneller begegnen als erwartet, kann ich das noch tun. Ansonsten bitte ich - sollte Bedarf und Interesse bestehen - um einiges an Geduld. Dann könnte ich das nachschieben. (nicht vor Ende des Jahres)
"Wenn du fliegen willst reicht es nicht, die Flügel auszubreiten. Du musst auch die Ketten lösen, die dich am Boden halten!"

,,NEVER loose your song! Play it. Sing it. But never stop it, because someone else is listening."

Coppelia

#11
@ Gargoyle
Glaub nicht. Das Buch habe ich, und obwohl dieser Plot ähnlich darin vorkommt, gibt es Unterschiede. Das Buch orientiert sich vermutlich eher an der verlinkten Theorie.

Die ursprüngliche Theorie kommt wohl aus der Sagenforschung, hoffe, ich erinnere mich richtig. Mein Coautor wollte mir da noch Material schicken. :hmmm: Andererseits könnte ich ja auch selbst mal suchen gehen an der Uni.

Linda

#12
 Aäääm - ... das alles bezieht sich mit Sicherheit auf Joseph Campbells "Der Heros in tausend Gestalten" von 1950. Das "Schema" wird und wurde auch in Drehbuch-Kursen gelehrt,  Campbell selbst z.B war entzückt, wie exemplarisch Star Wars -Ep.4  A new Hope diesem Gerüst folgt.
Der Mann hat sich sein Leben lang mit Mythen, Religionswissenschaften, Märchen und anderen 'sinngebenden' und tiefenpsychologischen Texten beschäftigt.

Die Masterplots kamen meines Erachtens nach erst viel später. Überschneidungen sind da aber sicherlich zu finden.

Gruß,
Linda


Coppelia

Ah, wenn es aus dem Filmbereich kommt, ist es kein Wunder, dass mein Coautor das kennt (und ich nicht). Der ist ja vom Film ... :hmmm:

Lavendel

Eigentlich kommt er ja nicht 'vom Film'. Ich glaube, er hatte irgendwas mit Philosophie zu tun. Seine Analyse von Mythen hatte jedenfalls einen tiefenpsychologischen Ansatz. Er hat auch über Religionen geschrieben (er hat sie verglichen und kam zu dem Schluss, dass sie alle sich mit der Suche nach der einen Wahrheit beschäftigen, das aber nur auf unterschiedliche Weisen tun - also haben nach Campbell alle  Religionen den gleichen Kern).
Bei Campbell geht es überhaupt immer um die symbolische oder universelle Bedeutung. Er denkt quasi in Metaphern. Mit Helden hat er sich beschäftigt, weil sie (als Figuren) seiner Meinung nach universelle Wahrheiten vermitteln (über Selbstfindung, die Rolle des Einzelnen in der Gesellschaft und über das Verhältnis dieser beiden).

Es wurde ja schon gesagt, dass Campbell sich lange mit verschiedenen Mythen und Heldensagen beschäftigt hat. Die Heldenreise ist das Ergebniss einer Analyse (auch wenn er selbst glaube ich gesagt hat, dass Wissenschaft den Mythos killt oder etwas in der Art). Auch wenn eine Geschichte immer mit zeitgenössischen oder regionalen Motiven arbeitet, bedient sie sich doch immer universeller und quasi 'ewiger' Ideen.

Es ist nur so, dass man (auch wenn es verführerisch ist) nicht einfach den Umkehrschluss ziehen kann. Wenn man sich an Campbells Heldenreise entlanghangelt, kommt man nicht automatisch zu einem erfolgversprechenden Plot. Ich will nicht bestreiten, dass es einige Themen gibt, die in der Literatur immer wieder vorkommen, weil sie über die Zeit und einzelne Regionen hinaus eine Bedeutung für das menschliche Leben haben. Nur kann man seine Theorie deswegen nicht formelhaft anwenden und glauben, damit immer ultimative Plots zu erschaffen (man könnte eventuell in Klischees abrutschen ...)

Kritik an Campbell gibt es sowieso genug. Alles, was von sich selbst behauptet universell zu sein, sollte wahrscheinlich als erstes in Frage gestellt werden.
Man sollte vielleicht auch bedenken, dass die Welt sich in den letzten grob gesagt 250 Jahren extrem verändert hat. Die industrelle Revolution in England und politische Revolution in Frankreich haben einen Prozess losgetreten, der unsere Gesellschaft so tiefgreifend verändert hat wie es zuletzt vielleicht das Sesshaftwerden des Menschen getan hat. Unsere Mythen aber kommen naturgemäß zum großen Teil aus der Zeit davor (weil die Zeit davor viel länger ist). Können diese Mythen also für uns heute, wo wir so vieles als nicht mehr fest erleben, universell gültig sein?

Die Frage sollte man sich zumindest stellen, bevor man die Heldenreise als Formel akzeptiert, finde ich.