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Fantasy Romance mit Setting in Deutschland?

Begonnen von gbwolf, 10. August 2009, 10:00:59

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gbwolf

Nachdem ich erfolglos versucht hatte, die Idee für meinen Wer-Koala Sid Felsenkatze auf's Auge zu drücken, werden die Überlegungen stärker, eine humorvolle Fantasy Romance zu schreiben, eine kleine Schwester der vielen Chick Lits auf dem Markt.
Von den Kreaturen her scheint ja alles möglich zu sein, wenn ich sehe, dass Mary Janice Davidson nach den Vampiren und Werwölfen die Meerjungfrauen und Feen ins Rennen schickt, darum mache ich mir keine Sorgen. Was ich halt nicht mag, ist ein Spielort innerhalb der USA. Nachdem ich gerade "Weiblich, ledig, untot" gelesen habe, graut es mir vor dauerplappernden, herrischen Dummchen, die auf Marken-Schuhen durch Amiland trippeln.
Meine Handlung müsste eigentlich in Griechenland spielen, aber den "Way of life" der Griechen kenne ich überhaupt nicht. Am Liebsten würde ich die Handlung in einer deutschen Stadt ansiedeln, die ich selbst gut kenne, Karlsruhe, Bochum, Gelsenkirchen oder Stuttgart vielleicht. Eventuell geht auch noch eine Stadt, die ich ein bisschen kenne und mit der Leute etwas assoziieren: Heidelberg, Leipzig oder Regensburg.

Wie sehr ihr denn das, wenn eine Art von Geschichte, die so sehr vom anglophonen Sprachraum geprägt ist, wie Urban Fantasy oder Fantasy Romance, im deutschen Sprachraum spielt und in der Jetzt-Zeit? Welche Argumente sprechen dafür oder dagegen? Immerhin schreiben auch amerikanische Autoren in Gegenden, die dort bestimmt als "provinziell" und uninteressant empfunden werden. Minneapolis stelle ich mir jedenfalls nicht als Glamourhauptstadt vor und dennoch sind die Vampirromane von Davidson Bestseller.

Wenn ihr denkt, so etwas kann und sollte nicht in Deutschland spielen, glaubt ihr, es ist bei einem flotten, humorvollen Roman sehr wichtig, die Stimmung in einem anderen Land exakt einzufangen? Mir kommen solche Bücher immer ein wenig vor, als würden sie nur vor einer bunten Kulisse spielen, deren Name ab und an erwähnt wird, aber da kann ich mich natürlich auch irren.

Wie fest seht ihr das Gesetz, solche Romane eher nicht in Deutschland anzusiedeln, wenn sie sich (im besten Fall) wirklich gut verkaufen und nicht bei Nischenverlagen landen sollen?

Auf eine anregende und spannende Diskussion,

Nadine

Coppelia

Nach allem, was ich gehört habe, sollten solche Romane, um sich zu verkaufen, an Urlaubsorten spielen, also nicht in Deutschland. Originalität scheint auch gerade kein Kriterium zu sein, wenn man etwas verkaufen will. :-\
Vielleicht "zieht" noch sowas wie eine Stadt, die entweder Großstadflair ausstrahlt wie Berlin oder eine, die eindeutig altertümliches und klischeebehaftetes Setting hat (Hameln?).
Ob Humor in dem Genre gut ankommt, weiß ich auch nicht.
Möglicherweise liege ich mit meiner Einschätzung aber auch falsch. Ich informiere mich eben nur, ich schreibe das Genre nicht und lese es auch nicht und habe nicht vor, das zu tun.

Na ja, ich denke, letzten Endes solltest du das schreiben, was du selbst bevorzugst, unabhängig von den Verkaufschancen.

Antonia Assmann

Rein prinzipiell fände ich es anregend, wenn ein solcher Roman in Deutschland spielen würde. Viele Krimis "funktionieren" auf Grund ihres Lokalkolorids auch besonders gut. Warum dann nicht Fantasy. Überaupt finde ich dass die Amerikanisierung überhand nimmt. Die Amis kämen  nie auf den Gedanken ihren Roman in Deutschland spielen zu lassen, außer es hätte etwas mit dem 3. Reich zu tun...
Eine Stadt, die jeder kennt, oder ein Ereignis, das jedem etwas sagt wäre ein denkbarer Hintergrund (Oktoberfest, jegliche Großstadt, aber auch die touristischen sahenswürdigkeiten.) Ein Vampir in Schloss Neuschwanstein? Eine [Ersetzung: rassistische Fremdbezeichnung für Sinti und Roma]fee im Zwinger, eine Wahsagerelfe auf dem Oktoberfest?
Okay das ist jetzt etwas an den Haaren heran gezogen, aber ich fände es schön Fantasy, vor mehr oder weniger bekannten Hintergründen zu lesen.

LG
Antonia

JulyRose

Hm. Also aus meinem bescheidenen Erfahrungsschatz mit Verlagen  ;) kann ich sagen, dass im Moment die Tendenz deutlich dahingeht, deutsche Settings zu bringen. Und das bezieht sich nicht allein auf historische Romane (obwohl es da schon sehr auffällt). So habe ich ja im Frühjahr ein Projekt angeboten, das in Übersee spielte. Kam sofort vom Lektorat die Frage, ob ich das nicht irgendwie nach Deutschland verlegen könne (habe ich natürlich gemacht. In Übersee isses mir nur gerutscht, weil ich dachte, die Verlage wollen lieber amerikanisierte, glattgebügelte Settings ...). Also: nur Mut! Deutsche Autoren dürfen deutsche Settings, ich habe sogar das Gefühl, sie wollen im Moment vermehrt ein Gegengewicht setzen.

Und dass alle Welt Regensburg-Romane haben will, dafür sorge ich in ... äh ... 16 Tagen. *nervösbibber*

LG, Juliane


Kerimaya

Bisher habe ich auch den Eindruck, daß der Trend mehr zu deutschen Settings geht. Anscheinend haben die ganzen Krimis/Thriller etc., die mal NICHT in Amerika spielen (ich sag nur Schwedenkrimis ;)), gezeigt, daß man auch mit heimischen Themen erfolgreich sein kann.

Mein eigenes Urban Fantasy Projekt spielt im Ruhrgebiet, weil ich a) hier lebe und die Eigenarten der Leute kenne und dementsprechend eher beschreiben kann, als "the way of life" irgendwo sonst und ich b) einfach der Meinung bin, daß unser Pott mindestens ebenso spannend ist, wie New York, Boston, Seattle o.ä. (Leichter Lokalpatriotismus schwingt immer mit ;))

An dem Setting haben sich die Agenturen, bei denen ich mich beworben hatte, nicht gestört. Einer meinte sogar, daß es ihm sehr viel lieber ist, mal ein deutsches Setting zu lesen, und daß der Trend wohl stärker ansteigen würde.

Moni

Ich habe zwar bisher kein Setting in Deutschland, aber ich kann mir auch gut vorstellen, daß es funktionieren würde. Kommt eben auch ein bißchen auf deine Figuren an. Wenn sie in ein deutsches Umfeld passen, warum nicht? Maja hatte einen Vampirzirkel in Köln auf dem Friedhof Melaten angesiedelt und das funktionierte super.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Steffi

Melaten hatte ich mir als Schauplatz auch schon überlegt...
Sic parvis magna

Luciel

Mir fällt dazu gerade "Wisper" ein, auch ein Buch, das in Deutschland spielt in irgendeinem "Dörfchen". Soweit ich mich erinnere, wird nie erwähnt, wie dieses Dorf denn nun eigentlich heißt, obwohl man schon den Eindruck hat, dass die Autorin es kennt.
Also ich persönlich lese gerne Bücher, die ein "deutsches" Colorit besitzen, denn High School, Fastfood, Baseball & Co gehen mir langsam etwas auf den Keks. Wie man an Wisper sieht, muss man sich nicht mal unbedingt festlegen, wo genau das Ganze nun spielt - ist ja schließlich ein Roman und keine Biografie.

Lucien

Grundsätzlich kaufe ich keine Bücher abhängig vom Setting, sondern eher, weil mich die Handlung interessiert. Aber ich wüsste nicht, was es gegen ein deutsches Setting einzuwenden gäbe.
Wenn du dich in der Stadt deiner Wahl auskennst und die Schauplätze der Wahrheit entsprechen, dann mach es. Sicher werden sich ein paar Leser finden, die vielleicht in der Nähe oder sogar in der Stadt selbst wohnen und so die Geschichte noch etwas interessanter finden, weil sie mal eben zum "Originalschauplatz" gehen können, ohne erst lange verreisen zu müssen.

Antigone

Hallo Nadine!

Ich weiß natürlcih nicht, wie Verlage und Agenturen das beurteilen. Aber als Leserin kann ich sagen, dass mir zb. Lukianenkos Wächter-Romane u.a. deswegen so gut gefallen haben, weil es endlich mal nicht diese typische stereotype Ami-Umgebung war. Der russische Lokalkolorit hat für mich einen großen Reiz gehabt. Deswegen denke ich, dass das mit Deutschland ebenso gut funktionieren kann.

lg, A.

Sarina

Ich denke auch, dass das deutsche Setting gerade in Mode kommt. Wichtig ist nur, dass man nicht das Gefühl bekommt, dass das eigentlich nicht Deutschland, sondern Amerika ist von der Art der beschriebenen Leute. Es sollte dann schon authentisch sein. Dabei hast du dann zwei Möglichkeiten:
1. Du nennst den konkreten Ort, musst aber immer wieder Punkte einbauen, die ein Bewohner oder Besucher des Ortes wiederfinden. Kann aber zum Problem werden. Ich weiß nicht mehr, welcher Autor das war....ich glaube Frank Schätzing oder Eschbach...der hat eins seiner ersten Bücher überarbeitet nach einer Weile erneut rausgebracht und fast jedes Restaurant, dass er erwähnte, ersetzt. Die, die er in der Erstfassung erwähnte, existierten inzwischen nicht mehr. Wenn man also keine Sehenswürdigkeiten als Orte beschreibt, sondern Realexestierende Restaurants und Geschäfte in den jeweiligen Strassen, muss man mit rechnen, dass sie nicht immer existent bleiben.
2. Du nimmst einen Ort, den du nicht benennst oder einen fiktiven Namen gibst. Die Beschreibungen müssen dann so ausfallen, dass der Leser denkt: ja, aber wo liegt der Ort? Da sollte man sich am besten einen Stadtplan entwerfen, damit keine Logikfehler auftauchen.

Tenryu

Ich denke, bei einem guten Roman ist der Schauplatz nicht einfach nur eine austauschbare Kullisse, sondern ein wesentlicher Teil der Handlung.

Daß so viele Geschichten in Amerika spielen, liegt sicher daran, daß im deutschen Fernsehen seit Jahrzenten nur anglo-amerikanische Serien gezeigt werden dürfen. Und zum anderen daran, daß sich solche Bücher auch in Übersee verkaufen lassen.

A propos Romantische Komödie: So etwas kenne ich bislang nur als Film oder Bildergeschichte. Ist das ein verbreitetes Roman-Genre? Ich bin leider was Literatur anbelangt nicht wirklich auf der Höhe der Zeit. Vielleicht liegt es auch daran, daß es sehr schwer ist, wirklich lustige Geschichten zu schreiben. Viele komische Begebenheiten lassen sich leichter szenisch darstellen als erzählend.

Geli

#12
Ich finde es lustig, dass hier gerade diese Diskussion ausbricht.
Ich schreibe nämlich seit zwei Jahren an so einem Teil.
Mein Roman spielt in einer fiktiven deutschen Kleinstadt. Ganz normale Leute ...
Allerdings liegt vor Hollenstein der Verborgene Wald - ein kleines Gebiet, in dem noch immer drei keltisch-römische Muttergottheiten regieren.

Romy

Ich lese zwar wenig aktuelles, blättere aber natürlich trotzdem gerne Kataloge durch und mir kommt es ebenfalls so vor, als ob Deutschland als Setting immer mehr in Mode kommt. Und ich kann das nur befürworten!  :jau:

Ich finde es toll, Bücher zu lesen, wo ich die Schauplätze kenne. Z.B. "Nebenan" von Bernhard Hennen, was zur Hälfte in Köln spielt.
Oder Frank Schätzings "Tod und Teufel". Das war das erste Buch, das ich gelesen hab, als ich damals gerade frisch nach Köln gezogen war und - oh Freude - ich musste feststellen, dass ein großer Teil der Handlung in ganz genau meiner Ecke spielt und sogar in jener Straße, wo ich damals zwei Jahre lang gewohnt habe! Zwar hießen die beiden Straßen damals noch etwas anders ("Keygasse" und "Auf der Bach", darauß sind mittlerweile die Kaygasse und die "Alte Mauer am Bach" geworden), aber durch den Stadtplan vorne im Buch konnte ich das einwandfrei identifizieren. Ich war darüber so glücklich!  :vibes:

Und mit meiner Schreibgruppe plane ich derzeit einen Regionalkrimi, der in Braunschweig spielt und freue mich schon richtig darauf, ihn zu schreiben.  :D
Natürlich hab ich momentan keine Ahnung, ob das Ding anschließend jemals das Licht der Öffentlichkeit erblicken wird, noch steckt das Ganze in den Babyschühchen ...

Ob es bei Romance jetzt noch mal was anderes ist, als bei "normaler" Urban Fantasy, kann ich nicht sagen, aber grundsätzlich denke ich, kommt es immer drauf an, wie man es schreibt. Warum sollte so eine frech-flotte Geschichte nicht mal in einer deutschen (Klein-)Stadt spielen?

Shay

@Wölfin
Ich kenne zwar nciht alle, der von dir genannten Orte, aber doch viele und die auch recht gut. Und als ich Regensburg gelesen habe, da dachte ich sofort "au ja". Ich weiß zwar nicht, was dir als Handlung vorschwebt, aber wenn man in Regensburg nachts keinen Fabelwesen begegnen kann, dann nirgends. :)