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Vor dem Anfang anfangen

Begonnen von Alaun, 11. Mai 2009, 12:00:12

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Alaun

Hallo Ihr Lieben!

Die Problematik, einen guten Anfang zu schreiben, ist ja hier schon diskutiert worden. Meine Frage an euch geht in eine etwas andere Richtung, nämlich: an welchem Zeitpunkt eurer Geschichte setzt ihr ein? Und woher wisst ihr, welcher Zeitpunkt genau der richtige ist?
James N. Frey sagt ja, der beste Moment für einen Anfang des Textes ist kurz vor dem Anfang des Konfliktes. Genau das hat sich bei meinem jetzigen Projekt auch bestätigt. Ich hatte einen Anfang, der auch ok war. Er war aber eben "nur ok". Nicht gut. Nachdem ich den Einstieg vorgezogen und die Szene entsprechend abgewandelt habe, ist es schlüssig geworden.

Wie macht ihr das? Habt ihr den Zeitpunkt der Einstiegsszene auch schon einmal vorgezogen und musstet so die ganze Szene ändern? 

Viele herzliche Grüße von
*Alaun

Drachenfeder

Bei meiner Saga habe ich einfach drauf los geschrieben. Es sollte der Anfang der Story sein, aber beim Weiterschreiben hat mir etwas gefehlt und so habe ich den richtigen Anfang zusätzlich geschrieben und der eigentlich gedachte Anfang hat sich als Wendepunkt in der Mitte der Geschichte gemausert. Das war aber etwas außergewöhnliches bei mir, denn eigentlich fange ich tatsächlich mit den allerersten Sätzen einer Story an.



Tenryu

Ich gehe in der Regel nicht sehr planvoll beim Schreiben vor. Wenn ich anfange, weiß ich oft noch gar nicht, was für einen Konflikt die Figuren erwartet. Ich taste mich da irgendwie vor.
Der Anfang muß einfach spannend oder wenigstens gut geschrieben sein, so daß der Leser Lust bekommt, weiter zu lesen.

Irgendwie scheint das bei meinen Geschichten auch aufzugehen, denn ich muß in der Regel wenig an der Handlung ändern, sondern meist nur stilistische Verbesserungen anbringen, weil ich immer eine Weile brauche, bis ich mich in die Geschichte und deren Erzählweise hinein finde.

Churke

ZitatIch gehe in der Regel nicht sehr planvoll beim Schreiben vor. Wenn ich anfange, weiß ich oft noch gar nicht, was für einen Konflikt die Figuren erwartet.

Und leider merkt man deinem Text an, dass du nicht so recht weißt, wohin genau du willst. Übrigens, Tenryu, ich habe dich nicht vergessen, ich habe R.A. Salvatore weg gepfeffert, aber deines lese ich zu Ende, auch wenn es dauert!  :psssst:

ZitatJames N. Frey sagt ja, der beste Moment für einen Anfang des Textes ist kurz vor dem Anfang des Konfliktes.
Konflikt.... "Konflikt" ist mir zu figurenbezogen. In der Regel geht es ja darum, dass die Welt, wie der Held sie kennt, aus den Fugen gerät. Es gibt also eine Ausgangsposition und es gibt eine Endposition der Geschichte. Und natürlich setzt die Geschichte kurz vor dem Zusammenbruch der Welt ein, denn um die Veränderungen zu begreifen, muss man die heile Welt begreifen.

ZitatUnd woher wisst ihr, welcher Zeitpunkt genau der richtige ist?
Das weiß ich nicht, das hoffe ich.  ;)

Nessa

Ich habe letztens einfach drauf losgeschrieben und es ist schief gegangen. Einfach, weil die Geschichte danach ewig nicht in Gang kam.
Nun hab ich  mich mit Geschcihtenaufbau beschäftigt und auf dieses Gerüst bau ich die Geschichte nun.
Zum schreiben des Anfanges bin ich noch nicht gekommen, aber ich hoffe, dass es dann so wird, dass es spannend ist.

Nessa

Romy

Zitat von: Churke am 11. Mai 2009, 14:08:54
Konflikt.... "Konflikt" ist mir zu figurenbezogen. In der Regel geht es ja darum, dass die Welt, wie der Held sie kennt, aus den Fugen gerät. Es gibt also eine Ausgangsposition und es gibt eine Endposition der Geschichte. Und natürlich setzt die Geschichte kurz vor dem Zusammenbruch der Welt ein, denn um die Veränderungen zu begreifen, muss man die heile Welt begreifen.

Aber in einem Fantasyroman muss es doch nicht gleich zwangsweise um den Zusammenbruch der Welt gehen. Wenn der Autor das gut und spannend rüber bringt, kann es auch um viel "kleinere" Ereignisse gehen. :hmhm?:


Zum Topic: Manchmal macht es Sinn, vor dem Anfang anzufangen, manchmal ist das aber auch langweilig und wirkt langatmig. Ich finde, es hängt stark von der Geschichte ab.
Bei meinem derzeitigen Roman habe ich in der früheren Fassung mitten in einer Actionszene angefangen, wo meine Prota angegriffen wird. Das hat mir letztlich nicht so ganz gefallen, deshalb habe ich die Anfangsszene neu geschrieben und einige Minütchen vorher eingesetzt. Die Vorgeschichte erfährt man da allerdings auch nicht, denn die spielt für meine Prota überhaupt gar keine Rolle, deshalb war es nicht notwendig, sie vorher in ihrer gewohnten Umgebung zu zeigen, die sie wenig später verlässt.
Ich würde mal behaupten, vor dem Anfang anzufangen, kann Sinn machen, wenn sich die Geschichte zum Großteil um die psychischen Entwicklung des Protas dreht. Oder eben beim großen Weltuntergangs- oder Kriegsszenario, wenn man zeigen will, wie schön die Welt doch vorher war, bevor das Große Böse alles platt macht.

Churke

Zitat von: Romilly am 11. Mai 2009, 15:14:44
Aber in einem Fantasyroman muss es doch nicht gleich zwangsweise um den Zusammenbruch der Welt gehen. Wenn der Autor das gut und spannend rüber bringt, kann es auch um viel "kleinere" Ereignisse gehen. :hmhm?:

Mit "Welt" meinte ich die Welt des Helden.  :snicker:

Wenn der Held vom Hotel Mama gekündigt bekommt, ist seine Welt unrettbar verloren und es stehen schwere Prüfungen an, die einen unumkehrbaren Entwicklungsprozess bedingen.

Romy

Achso, dann hast Du natürlich völlig recht.  :)

Schreiberling

Ich fange immer da an, wo die Geschichte in meinem Kopf anfängt. Nicht früher und nicht später und ehrlich gesagt habe ich da noch nie so richtig drüber nachgedacht. Der Anfang hat immer gepasst.
Bei mir ist es so, dass, bevor eine Person, ein Ort oder irgendetwas in meinem Kopf entsteht, eine (Anfangs-)Szene da ist. Wenn ich finde, die taugt etwas, spinne ich den Faden weiter, was daraus werden könnte, wenn nicht, dann schreibe ich sie einfach nur als Szene nieder.

Das heißt nicht, dass ich die Anfangsszene nicht noch ändern würde, wenn sie mir nicht gefällt oder nicht passt, aber sie ist meine größte Inspiration, wenn es um die Geschichte geht.

Liebe Grüße,
Schreiberling

Mrs.Finster

Ich vergleiche einen Roman mit einem guten Wein: Er braucht Zeit zu reifen. Werde ich mitten in die Story ,,hinein geworfen" fühle ich mich oft überfordert und leg das Buch zur Seite. In Büchern, die langsam beginnen fühl ich mich hingegen sofort zu Hause.  :)
Aber das ist auch alles Geschmacksache. Andere wiederrum bevorzugen einen schnellen Einstieg in die Story. Ich würde dabei wirklich nach dem Gefühl gehen. Was liegt dir mehr, was passt zu deiner Story? Ich hatte sofort eine klare Vorstellung davon wie mein Roman beginnt. Ob es jemanden gefällt oder nicht, interessiert mich nicht (außer dem Lektor). Dabei rede ich allerdings nicht von Technik oder Handwerk. Das ist immer verbesserungsfähig  ;D
Glück ist, wenn die Katastrophen in meinem Leben endlich mal eine Pause einlegen :-)

Kati

Ich habe am Anfang immer erst die Geschichte im Kopf. Also wirklich alles. Wo genau da der Anfang ist, entscheide ich, während ich jedes Kapitel einzeln in Stichwörtern plane. Dabei wird dann immer schnell klar welches denn jetzt wirklich das erste sein soll.  ;D

LG,

Kati

ChaldZ

Ehrlich gesagt habe ich darüber auch noch nicht so wirklich nachgedacht.
Für mich entsteht die Geschichte auch eher im Kopf und das erste Kapitel beginnt eben da, wo die Geschichte beginnt.
Und ein Beginn kurz vor der Geschichte wäre für mich so eine kleine Einführung, bevor das erste Ereignis einsetzt, das alles in Gang setzt und Konflikte herauf beschwört.

Übrigens finde ich "Konflikte" gerade passend. Zwar ist das figurbezogen, aber man hat ja immer seine Protas. Und wenn:
Zitat von: Churke am 11. Mai 2009, 15:43:48
Mit "Welt" meinte ich die Welt des Helden.
, dann ist auch ein Konflikt Held - Welt figurbezogen und ein Konflikt.
Ich würde Herrn Frey Recht geben: Geschichten leben von Konflikten.

Vali

Diese Frage habe ich mal im Brainstorming gebracht. Ich finde, es hängt auch sehr von der Geschichte ab.
Das besondere an meinem Fall war, dass der eigentliche Konflikt viele, viele Jahre vor meinem Prota geschehen ist. Er erlebt also nur die Spätfolgen. Da war meine Frage, ob man da besser beim Konflikt, kurz vor der Geburt des Protas oder später, wenn er älter ist, anfangen sollte. Weil die Eltern und die Umstände, in denen sie lebten, nicht so wichtig sind und ein Anfang beim Konflikt die Spannung rausnehmen würde, als Prolog zu lang ist und man sich fragt, wo endlich die Hauptperson bleibt, war dann klar, dass ich erst später bei meinem Prota anfangen muss.
Das passt aber nicht zu jeder Geschichte. Wenn der Konflikt erst im Laufe des Lebens des Protas auftaucht und es bis dahin friedlich, langweilig zugegangen ist, dann ist es eine gute Überlegung wert, ob man doch erst da anfängt, wo der Konflikt seine Anfänge nimmt.
Wenn die Kindheit/Vergangenheit des Protas wichtig für die Geschichte ist und dies zu viel für Rückblenden ist, dürfte es auch nicht schlecht sein in dieser Zeit einzusteigen. Das sollte sich aber nicht zu sehr in die Länge ziehen, denn wenn kapitellang nicht wirklich was spannendes passiert, wird das Buch schnell in die Ecke verbannt.

Also ich kann nicht immer einfach da anfangen, wo die Geschichte in meinem Kopf angefangen hat. Wahrscheinlich denke ich viel zu chronologisch. Wer will solche langatmigen Anfänge ertragen, wenn ich jedes mal sozusagen bei Adam und Eva anfange?

Rumpelstilzchen

Ich gehöre auch zu denen, die über den Anfang gar nicht groß darüber nachdenken. Meine Geschichten entwickeln sich langsam in meinem Kopf und irgendwann entsteht eine komplette Story mit Anfang und Ende. Bei mir ist das auch noch nie schief gegangen, die Anfänge habe ich nie groß umgeschrieben.
Bei mir fangen die Geschichten meist mit einer kurzen Vorgeschichte an oder an dem Zeitpunkt, an dem die Welt noch in Ordnung war. Damit meine ich nicht nur die Fantasywelt im Allgemeinen, sondern auch die Welt meines Protagonisten. Ich muss allerdings dazusagen, dass ich kein Freund von actionreichen Anfängen bin, weil da von irgendwelchen Charas erzählt wird, die ich mir überhaupt noch nicht vorstellen kann. Ist aber eine persönliche Sache ;)

ChaldZ

Um mal ein Beispiel zu nennen von einem Autor, der meiner Meinung nach über das Ziel hinaus geschossen ist: Tad Williams: Der Drachenbeinthron.
Ich muss schon sagen, der Mann versteht es zu schreiben und auch die Geschichte ist okay. Aber die ersten gut 500 Seiten passiert im Grunde absolut gar nichts.
Für mich wäre das ein Fall von zu weit vor der Geschichte angesetzt.

Dagegen ist das, was Rumpelstilzchen sagte, wohl das Gegenteil. Einen Char direkt am Anfang in voller Action zu erleben ist vielleicht auch nicht das Richtige.
Doch Konflikte und Spannung bedarf nicht unbedingt der Action.
Aus diesen Extremen kann und muss sich jeder selbst das richtige Quäntchen Anfang mischen.