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Umgangssprache vermeiden - Ersatzwörter gesucht

Begonnen von Vali, 24. März 2009, 19:16:31

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Vali

Den Umgangssprache Thread habe ich schon gelesen. Auch ich bin der Ansicht, dass die Verwendung von Wörtern aus der Umgangssprache bei Fantasy meist deplaziert wirkt. So gut es geht, versuche ich sowas zu vermeiden. Doch kaum habe ich meinem ersten Betaleser mein erstes Kapitel zum Fraß vorgelegt, stolpert er über ein Wort, das seiner Meinung nach Umgangssprache ist:
ZitatTikilanda hatte ihm ein Stück Brot im Zelt gelassen. Sie war schon längst aufgestanden und rausgegangen.
Stein des Anstoßes ist "rausgegangen". Mein Betaleser meint, dass man sowas in höherer Literatur nicht findet und die Autoren eher schreiben, wo eine Person sich jetzt aufhält, anstelle dass die Person den Ort des Geschehens verlassen hat. Bei dem betroffenen Satz sollte ich stattdessen "bei der Feldarbeit" schreiben. Ich habe es erst mal geändert, weil ich glaube, dass es doch besser klingt. Außerdem wird das Kapitel um zwei Wörter reicher ;) Aber dass "rausgehen" Umgangssprache sein soll, wundert mich doch sehr. Ich hoffe, es finden sich nicht noch mehr Wörter, von denen ich nicht weiß, dass sie in der Schriftsprache nichts zu suchen haben :-X
Aber wie lassen sich weniger offensichtliche Wörter aus der Umgangssprache vermeiden? Mir fällt dazu nur Betaleser und selbst mehr lesen ein.

Noch ein Sorgenkind ist eine jugendliche Nebenfigur, die gerade mitten in der Pubertät steckt. Da dachte ich mir, dass es in Ordnung ist, wenn diese Figur Jugendsprache spricht. Außerdem ist das Setting bei mir nicht altertümlich, sondern eher contempory bis futuristisch. Wörter wie "cool" oder "alter Schwede" kommen natürlich nicht vor.
Der Junge rief nur "Hey, Leute!" und "Wow! Du hast dieses fette Biest erlegt? Respekt!" und mein Betaleser klagt "Eww, das katapultiert mich aus dem Lesefluss". Wahrscheinlich lag es an "Hey", was ich schon zu "Hallo" geändert habe und am "Wow", aber mir fiel kein anderer staunender Wortlaut außer "ui!" und "boah!" ein. Ich würde es gerne nicht zu glatt bügeln. Man soll ruhig denken, dass die Figur ein pubertierender Halbstarker ist. Ich wollte auch meinen Text nicht zu sehr mit Beschreibungen a la "Er stemmte sich neckisch die Fäuste in die Hüfte" aufblähen. Oder wäre das doch stilvoller?

Es ist zum Haareraufen *seufz* aber damit muss man rechnen, wenn man einen hungrigen, fleißigen Betaleser engagiert. Ich mach mich mal wieder ans Überarbeiten. :gähn:

Lila

#1
Kurz und knapp. Wie wär's schlicht und einfach mit:

"Sie war schon längst aufgestanden und gegangen."

Also ohne das "raus"? :hmmm: Klingt für mich harmonischer. Ich hätte mich wahrscheinlich auch an dem "rausgegangen" gestoßen.
Livid Oppressed King: Ignite!
Tyranny Has Overcome Rules."
(oder: was man nicht alles aus LOKI & THOR machen kann!) - TasTä (aka Lila)

Mrs.Finster

#2
Manche Wörter lassen sich einfach nicht vermeiden.
Bei mir ist es oft: ,,Zum Teufel" ,,Um Gottes Willen"
Stattdessen greife ich jetzt einfach auf andere Varianten zurück, um es nicht zu menschlich klingen zu lassen und pass es so besser an meine Welt an z.B. ,,Bei den Göttern"
Das Wort "rausgegangen" finde ich persönlich jetzt nicht so schlimm, auch nicht umgangssprachlich. Man könnte es vielleicht schöner umschreiben, in dem du sagst: ,,Sie hatte das Zelt bereits am frühen Morgen verlassen..." oder so ähnlich...

Anders ist es bei ,,WOW" und ,,Hey" Da würde ich mir schon etwas anderes überlegen. Du musst es ja nicht in der wörtlichen Rede verarbeiten. Sag doch einfach:
Seine Augen weiteten sich vor Staunen. ,,Wie hast du das gemacht?", fragte er.
Somit ist es stilvoller und du bist fein raus  ;D ( wobei ich mein Bsp. nicht als stilvoll bezeichnen würde  :rofl:)
Glück ist, wenn die Katastrophen in meinem Leben endlich mal eine Pause einlegen :-)

Tenryu

"rausgehen" ist schon per se falsch. Korrekter Weise müßte es "nausgehen" heißen.
=>Ist der Erzähler drinnen, heißt es: hinaus gehen - herein kommen
=>ISt der erzähler draußen, heißt es: hinein gehen - heraus kommen. Und das gilt selbstverständlich auch für die Verkürzungen rein, raus, nein, naus. (Obzwar ich zugebe, daß letztere beide eher selten verwendet werden.)

Das mit der Jugendsprache ist eine Sache. Wenn du es ganz "richtig" machen willst, müßtest du eine für den jeweiligen Handlungsort eigene Jugendsprache erfinden. Sonst klingt es immer eigentümlich. Das ist das gleiche Problem, wie mit den Dialekten (dazu gab es doch auch einen eigenen Thread, wenn ich mich recht entsinne... Oder war das in einem anderen Forum?)

Ich könnte mir vorstellen, daß es vielleicht (wie bei uns) gewisse Modewörter gibt, die von den Jugendlichen gerne und oft verwendet werden. Das mußt du dem Leser nur irgendwie klar machen, dann paßt das schon.

Coppelia

Es muss "hinausgehen" oder "herausgehen" heißen, wobei hin anzeigt, dass er sich auf den Perspektiventräger zubewegt und her, dass er auf ihn zukommt. "rausgehen" ist eine Abkürzung, "nausgehen" ist Dialekt. Abkürzungen und Dialekt werden wenn, dann meist nur in wörtlicher Rede verwendet.

Romy

Zitat von: Vali am 24. März 2009, 19:16:31
Doch kaum habe ich meinem ersten Betaleser mein erstes Kapitel zum Fraß vorgelegt, stolpert er über ein Wort, das seiner Meinung nach Umgangssprache ist:Stein des Anstoßes ist "rausgegangen". Mein Betaleser meint, dass man sowas in höherer Literatur nicht findet und die Autoren eher schreiben, wo eine Person sich jetzt aufhält, anstelle dass die Person den Ort des Geschehens verlassen hat. Bei dem betroffenen Satz sollte ich stattdessen "bei der Feldarbeit" schreiben.

Ob rausgegangen nun schön klingt oder Umgangssprache ist, ist eine Sache, aber die Aussage von Deinem Betaleser bzgl. der höheren Literatur finde ich etwas seltsam. Ich weiß nicht, ob es stimmt, dass es das bei höherer Literatur grundsätzlich nicht gibt, aber eigentlich würde ich schon sagen, dass man einfach hinausgegangen oder gegangen schreiben kann. Bei einem personalen Erzähler kann man doch gar nicht immer schreiben, wo sich die hinausgegangene Person denn nun aufhält, wenn der zurückbleibende Perspektiventräger es z.B. gar nicht weiß ... bei einem auktorialen Erzähler wäre das dann natürlich möglich (wenn man das will).
Aber ich bezweifle gerade, dass es da wirklich eine feststehende Regel gibt. Das würde ich ganz ehrlich nicht so eng sehen. Die Meinung von Betalesern ist natürlich immer wichtig und man sollte sie bedenken (weil, sonst braucht man auch keinen Betaleser belästigen), aber wirklich alles umsetzen muss man ja auch nicht  ;)

Zu Umgangssprache allgemein muss ich sagen, dass ich sie manchmal auch verwende - rausgegangen wäre mir garantiert auch durchgegangen. Manchmal finde ich, wenn man es ganz korrekt ausformuliert, dass der Text sehr gestelzt klingt. Aber das muss/kann man ein Stück weit auch von seiner Zielgruppe abhängig machen ...
Dazu eine kleine Anekdote: Letzten Sommer hatten wir für unser Studium ein Seminar, wo wir Literaturkritiken schreiben sollten. Anschließend haben wir die in einer Art "Redaktionssitzung", wie unsere Dozentin es nannte, der Reihe nach vorgelesen und auseinander genommen. Unserer Dozentin - die eine Ecke älter ist als wir Studenten - sind öfteres mal Worte in unseren Texten aufgefallen, wo sie gesagt hat, das sie Umgangssprache wären. Und meistens saßen wir dann da, haben bedröppelt geguckt und uns gedacht, dass das doch ganz normale Wörter sind  ;) Einige Kommilitonen haben sich dann damit rausgeredet, dass ihr rezensiertes Buch ja Popliteratur wäre und sie sich in ihrer Rezi an dem Buch und deren Zielgruppe orientiert hätten - aber das es wirklich Absicht war, glaube ich ganz ehrlich nicht  ;)
Also ich denke mal, das ein oder andere umgangssprachliche Wort ist in einem Jugendfantasyroman (oder einem Roman für "Junge Erwachsene") durchaus okay. Wenn man wirklich den Anspruch hat, höhere Literatur zu verfassen, dann natürlich nicht. 

Was die Jugendsprache angeht. Da frage ich mich auch jedes Mal auf's Neue, wie ich das regeln soll. Häufig lasse ich meine Jugendlichen dann einfach etwas "verschliffener" sprechen. Wenn Du weißt, was ich meine, Vali?
Wobei man bei Contemporary vielleicht wirklich reale Jugendsprache verwenden könnte ... hm ...  :hmmm:
Aber eigentlich hat Tenryu recht. Wenn Du es wirklich ganz korrekt machen willst, müsstest Du Dir selbst eine richtige Jugendsprache ausdenken ... Andererseits, wenn der Pubertierende nicht gerade Dein Prota ist, sondern nur eine Nebenfigur, dann solltest Du vielleicht erst Mal den Aufwand und Nutzen abwägen, ob sich das überhaupt lohnt ...  ::)


Sprotte

Das Problem an Jugendsprache ist, daß sie sehr schnellebig ist. Als ich noch jung war, kannte ich Begriffe wie "Gammelfleischparty" nicht! Dafür gab es dann geil, groovy und ey.
Die Sprache im Buch wird also auch sehr schnell von der Entwicklung überholt. Man schafft damit ein Werk, das eine Zeitaufnahme ist - und bis es lektoriert und verlegt ist, ist diese Aufnahme bereits veraltet, und die Leser gucken dumm, was das denn heißen soll. In zwei Jahren kennt niemand in der Zielgruppe mehr eine "Gammelfleischparty", da ist inzwischen schon ein neuer Begriff geprägt worden.

Alltagstaugliche Jugendsprache sind die Klassiker wie "Sche.ße". Die habe ich damals ebenso benutzt wie sie heute mein 13jähriger Nachbarsjunge verwendet.
"Boah ey" hat doch Hape Kerkeling geprägt, oder?  :rofl: Und WOW ist belegt - nicht mehr für Hui, oh, boah - sondern für World of Warcraft.  :snicker: Meine sehr junge Beta strich mir die Schreibweise Wow an, ich hätte das doch mit drei Großbuchstaben zu schreiben - und wie kommt die Protagonistin in dieser Lage auf ein Computerspiel?  :rofl:

Vali

Wer weiß, vielleicht wurde das Wildschwein auf World-of-Warcraft-weise erlegt :rofl: Nee, im Ernst, ich habe das wow jetzt gekillt ;) Es heißt jetzt

Rugasz machte große Augen und rief begeistert: ,,Hast du dieses fette Biest erlegt? Respekt, Harc!" (Harc ist der häßlichere, aber "coolere" Spitzname von meinem Prota)

Ich hoffe, das liest sich besser.
Glücklicher Weise kommt der Junge nur in drei Szenen vor und dann nie wieder. Ein weiterer krasser Checker ist nicht mehr eingeplant, puh. Die anderen Jugendlichen verwenden keine Kraftausdrücke. Sie sind zwar oft faul und widerspenstig, aber gut erzogen. ;D Ab dem zweiten Kapitel kommen außer meinem 17-jährigen Prota keine jugendliche Charaktere mehr vor. Darum spar ich mir das mal einen Jugendslang auszudenken.

Bei Schimpfwörtern, Flüchen und anderen Ausrufen war es auch kniffelig. Es verleitet mich oft "Zur Hölle", "was zum Teufel" und "Oh Gott!" zu schreiben. Aber wozu hat man sich Mythologien für die Welt ausgedacht. Also mussten meine Götter dran glauben. Aber es heißt auch mal galant "Möge das Schicksal unbarmherzig zu Euch sein!". Mein Prota muss sich einmal als "arroganter Ziegenbock" beschimpfen lassen. Mal sehen, was mein Betaleser später dazu sagt.

Beim anderen Beispiel habe ich jetzt einfach TasTäs Vorschlag genommen und es bei "gegangen" belassen. Ich und mein Prota haben gerade keine Ahnung, was Tiki gerade macht. Explizit "sie hatte das Zelt verlassen" zu schreiben, geht aus Wortwiederholungsgründen nicht.

Was mein Betaleser mit "höhere Literatur" meint, ist mir auch rätselhaft. Vielleicht sollte ich mal wieder Goethe und Schiller aus dem Regal holen. Vielleicht reicht es auch, wenn ich einfach Tolkiens Silmarillion wieder auspacke. Naja, was solls. Ich bin mal so bescheiden und behaupte, dass ich keine höhere Literatur schreibe. Aber so schlimm scheint es ja nicht zu sein. Mein Betaleser ist noch am Ball. :)

Danke euch allen für die guten Vorschläge und Tipps! Ich lasse den Thread mal offen, falls ich oder jemand anderes wieder über unpassende Umgangssprache stolpert.

Romy

Vali, zum Thema fluchen gab es schon mal einen Thread, ich hab ihn grad noch mal gesucht. Da stehen auch einige allgemeine Tipps, was man so machen kann.  :innocent:

Kreativ fluchen

Moni

#9
Zitat von: Tenryu am 24. März 2009, 19:33:51
"rausgehen" ist schon per se falsch. Korrekter Weise müßte es "nausgehen" heißen.

In der Schweiz?  ???  Bitte nicht etwas vorschlagen, was eindeutig dialektisch gefärbt ist...  ;)
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Verena

Tikilanda hatte ihm ein Stück Brot im Zelt gelassen. Sie war schon längst aufgestanden und rausgegangen.

Der erste Satz sagt ja eigentlich schon aus, dass sie nicht mehr im Zelt ist, da sie ja etwas "zurückgelassen " hat. :hmmm:  Du bräuchtest also das "...und rausgegangen" gar nicht, denn wenn du schreibst "Sie war längst aufgestanden", weiß der Leser dann schon, dass sie sich nicht mehr im Zelt befindet.

Lg
Verena

Drachenfeder

Hallo zusammen,

ich habe das Thema noch mal aufgegriffen, da ich zu der Umgangssprache eine aktuelle Frage habe.

In meiner neuen Kurzgeschichte, die nun fertig ist, benutzte ich in der wörtlichen Rede ziemlich viel Umgangssprache. Sind halt extrem coole Männer in der Story. Und die müssen ja auch so rüber kommen wie ich sie mir vorstelle. Daher benutzte ich, wie schon gesagt, in der wörtlichen Rede ziemlich viel davon.

Findet ihr das es in Ordnung ist Umgangssprache dort zu verwenden?



Nachtblick

Natürlich! In der wörtlichen Rede ist doch fast alles erlaubt. Lass deine Männer so cool sein wie sie wollen, in der wörtlichen Rede ist das völlig okay. Ich passe auch gern den Stil etwas an, wenn es aus der Sicht einer Person erzählt wird, aber das muss man ja nicht zwangsweise machen.

Viel Erfolg ;D

Evenia

klar =) Solange es noch zu verstehen ist auf jeden Fall :)

Verena

Gerade das gibt den Figuren ja ihre Persönlichkeit ;) Solange sie nicht alle das selbe sagen. :hmmm: Ich machs meistens so, dass jeder sein Líeblingswort hat oder immer wieder den selben Fluch verwendet!*g*

Lg
Verena