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Die "böse" Seite

Begonnen von Feuertraum, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Evenia

ZitatWas der Autor tun muss, damit ein Antagonist so weit beeindruckt, ist ja eben die Frage - ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass er irgendwas liefern muss, was die Taten explizit erklärt.
Finde ich allerdings auch. Natürlich muss man ansatzweise verstehen, warum die Person das tut. Zum Beispiel tötet sie jemanden, weil der etwas gestohlen hat oder die Person beleidigt hatte. Nur damit das Motiv zu erkennen ist. Aber richtig nachvollziehbar sind "böse" Taten ja nie. Sonst würde man sie schließlich nicht als "böse" bezeichenen sondern als "moralisch bedenklich" etc... Allerdings hat bestimmt jeder von uns schon mal etwas getan, was auf den ersten Blick zumindest als gemein gelten würde. Jedoch im Zusammenhang fast logisch war oder?

Mogwied

Kleine Ursachen können den Ausschlag geben. Das ist meine Meinung.
Es muss nicht immer religiöser Wahn, ein Psychopath oder ein Sauron sein.  ;)
Eifersucht ist ein Motiv, Rache wurde oft genannt, Machtgier. Dann ist der Anta auch nicht "böse", sondern einfach nur der Gegenspieler.

Lomax

Zitat von: Churke am 06. Mai 2009, 19:23:31Es gibt Taten, die MUSS man erklären, weil sie sonst schlichtweg nicht logisch sind.
Bei einer erfundenen Geschichte würde man so etwas beim Plotten elegant umschiffen. Die Figuren verhalten sich geradlinig und logisch. Fertig.
Wenn man sich aber mit historischen Bösewichten befasst - für einen historischen Roman - dann hat man womöglich auf einmal Handlungen, die aus sich selbst heraus nicht mehr zu erklären sind. Die Figuren handeln nicht emotional und aus dem Bauch heraus, sondern langfristig planend und nehmen Umwege in Kauf.
Die Diskussion ging ja nicht darum, ob man die Taten der Bösewichte erklären. Sie ging darum, ob man ihre Persönlichkeit erklärne muss. Und ich finde, das ist ziemlich entbehrlich. Solange die Persönlichkeit emotional stimmig wirkt. muss man nicht mehr viel (zer-)reden - oder auch nur lange geplant haben -, was den Bösewicht denn so böse gemacht hat.
Man muss seine Taten zeigen, und die sollten natürlich nachvollziehbar sein. Der Bösewicht wirkt dann durch seine Taten, nicht dadurch, dass man ihn erklärt.

Coppelia

Ja, interessante Diskussion. Dass ich nur Fanfiction schreibe, weiß ich ja schon lange. ;D

ZitatEifersucht ist ein Motiv, Rache wurde oft genannt, Machtgier. Dann ist der Anta auch nicht "böse"
Ich kann es nicht als "nicht böse" definieren, wenn man aus Eifersucht, Rache oder Machtgier anderen vorsätzlich schadet.

Romy

Ich würde mal sagen, solange man einen Antagonist hat, der KEIN Perspektiventräger ist, ist es in Ordnung, seinen Charakter und seine Hintergründe nicht genauer zu erklären, sondern ihn und sein Handeln nur durch seine Emotionen stimmig darzustellen.

Aber wenn der Antagonist/der Böse ein Perspektiventräger ist, dann ist das etwas anderes und ich finde, das hat nichts damit zu tun, ob es sich um Fanfiction handelt. Jemand, aus dessen Sicht erzählt wird, sollte auch möglichst ausführlich beleuchtet werden. Die bloßen Emotionen reichen da nicht aus, um irgendwelche Gräueltaten zu erklären.
Mal ein Beispiel, was besonders gut passt, weil ich selbst das als nächstes schreiben muss  ;)
Einer meiner beiden Protas gehört auf die Seite der Bösen/Antagonisten. Also, er ist nicht der Oberbösewicht, hat sich aber deren Seite angeschlossen und soll nun seine Weihe haben, bei der er ein Menschenopfer darbringen muss. Also, er soll einen unschuldigen, zufällig ausgewählten Menschen bei einer Zeremonie töten. Bisher war er quasi nur Mitläufer, hat einige schlimme Dinge gesehen und nichts dagegen unternommen, aber er hat bis dato selbst noch nichts WIRKLICH Schlimmes getan. Bis dahin kann man einiges durch die äußeren Umstände, oder Emotionen erklären, aber ich finde, spätestens ab diesem Punkt, muss man sein Innenleben und seine Beweggründe ausführlicher erklären, damit er glaubwürdig bleibt. Zumal, um auch sein weiteres Handeln im Roman verstehen zu können, was sonst oftmals schlecht nachvollziehbar wäre.


Zitat von: Coppelia am 07. Mai 2009, 11:18:12
Ich kann es nicht als "nicht böse" definieren, wenn man aus Eifersucht, Rache oder Machtgier anderen vorsätzlich schadet.

Ich finde, was Rache angeht, kommt's drauf an. Manchmal kann es gute Gründe geben. Auch Protas brechen doch manchmal auf, um Rache zu üben und das würde doch kein Leser als böse bezeichnen wollen.  :innocent: Es kommt dann aber auf den Grund und auf das Wie an. Wobei wir wieder dabei wären, das pure Emotion dann doch nicht ausreicht, ob nun bei Prota oder Anta.
Außerdem haben die meisten Protas im Gegensatz zu Antas die Angewohnheit, sich im letzten Moment an ihre moralischen Werte zu erinnern und es dann doch nicht zu tun  ;)

Kati

Ich finde schon, dass wenigstens ein wenig klar sein muss, wieso jemand etwas tut. Ich meine, wenn da jetzt der so genannte "Böse" kommt und, zum Beispiel, einen Gegenstand stiehlt, der für die Gesellschaft in der Geschichte lebenswichtig ist, dann sollte man schon wissen, wieso der das jetzt gemacht hat. Ich finde es auch immer schön, wenn man die Geschichte des Antagonisten kennt.
Für mich gibt es gar kein Gut und Böse. Jeder denkt er ist der Gute und darin besteht ja auch meistens der Konflikt. Alle sind überzeugt davon, dass sie das Richtige tun und der andere nicht und wollen ihre Meinung durchsetzen.


LG,

Kati

Joscha

Zitat von: Nightingale am 10. Mai 2009, 13:58:32
Ich finde schon, dass wenigstens ein wenig klar sein muss, wieso jemand etwas tut. Ich meine, wenn da jetzt der so genannte "Böse" kommt und, zum Beispiel, einen Gegenstand stiehlt, der für die Gesellschaft in der Geschichte lebenswichtig ist, dann sollte man schon wissen, wieso der das jetzt gemacht hat. Ich finde es auch immer schön, wenn man die Geschichte des Antagonisten kennt.
Für mich gibt es gar kein Gut und Böse. Jeder denkt er ist der Gute und darin besteht ja auch meistens der Konflikt. Alle sind überzeugt davon, dass sie das Richtige tun und der andere nicht und wollen ihre Meinung durchsetzen.


LG,

Kati

Genau so handhabe ich es normalerweise auch. Gewissermaßen vertauschen Prota- und Antagonist ihre Rollen regelmäßig, je nachdem, aus wessen Perspektive eben gerade erzählt wird. Auch wenn das in High Fantasy-Romanen meistens nicht ganz so praktikabel ist.

Jara

Ich denke, man kann auch erkennen, dass es die letzten Jahre (meine Erfahrungswerte sind meinem Alter gemäß, dementsprechend dürfen Leute mit längerer und größerer Leseerfahrung mich gerne verbessern) zu einer zunehmenden Psychologiesierung in der Fantasyliteratur kam.

Natürlich wurde vor allem auf Seiten der Protas schon immer erklärt, welche Beweggründe sie haben und ihnen
psychische Schwächen und Stärken angedichtet.
Aber dieses Phänomen, dass die Psyche komplex und vielschichtig ist und bestimmte Dinge aus der Figur selbst herausbrechen, wenn man es am wenigsten erwartet, ist meiner Meinung nach neueren Datums und erst seit einiger Zeit mehr verbreitet. Vor allem auch auf Seiten der Antagonisten. Es sind oft nicht mehr die äußeren Umstände, die die Handlung voran treiben, sondern das mehr oder weniger stabile Innenleben der Figuren.

Das hängt wohl auch mit der Sehnsucht zusammen, sich von der klassischen Fantasy a la Tolkin abzugrenzen.
"Evil - Overloards" sind nicht mehr so gefragt. Man möchte verständlich machen, warum  der Anta so handelt. Unter anderen eben mit der Absicht, dass der Leser ihn nicht mehr als einfach böse, sondern als böse mit Grund oder verzweifelt - bemitleidenswert - böse ansieht.
Oder hätte jemals jemand verstanden ( verstehen wollen) was in Saurons Kopf abgeht?

Auch wenn der Anta kein Perspektivträger ist, kann das von Vorteil sein.
Als Autor eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten mit dem Leser "zu spielen".

Cythnica

Denke bei Sauron ist es irgendwo eine Mischung aus Willen nach Macht und dem Versuch, das Werk seines Meisters Melkor zu übertreffen, der ja selber letzlich sehr gescheitert ist.

Sehr interessant für mich und irgendwo ein Vorbild meiner Antagonisten ist der Feind der aus dem Computerspiel Baldurs Gate 2 hervorgeht ( in meinen Augen das Beste der Welt, ganz nebenbei)
Joneleth Irenicus. Ein Elf, der wegen dem Streben nach zu viel Macht zusammen mit seiner Schwester von den Elfen verbannt wurde und seine Unterblichkeit verlor.

Im Laufe des Spiels jagt er den Protagonisten, ein Kind Bhaals, um sich mit seinem Blut wieder unsterblich zu machen und dann seine Rache an den Elfen nehmen zu können.
Doch das ist nicht die treibende Motivation.

In einer Traumvision, in der er den Protagonisten aufsucht und über das Leben aufklärt tötet er eine Frau mit Landbesitz, nur um zu zeigen wie ihr Land unter ihren Söhnen verteilt wird und nach und nach vergessen wird, wer diese Frau gewesen ist.
Er veranschaulicht damit seine wahre Furcht, die Möglichkeit, dass er selbst und alles, was er einmal getan hat, letztlich durch sein Ende vergessen werden könnte und damit alle Bedeutung verliert.

Dieser Wunsch, nicht den Einfluss zu verlieren und vergessen zu werden, ist treibende Kraft meiner beiden Lieblingsantagonisten Solgort und Troglos in meiner Geschichte, die sich mitunter gegenseitig unterwandern, weil sie wissen, dass sie einander sonst eines Tages entmachten könnten.

In vielen anderen Büchern findet man auch Hinweise darauf, dass Antagonisten teils neben der Macht auch nach dieser Relevanz streben, und ich finde das immer sehr interessant, da ich diesen Wunsch auf eine gewisse Weise immer irgendwo nachvollziehen kann.
Ich denke auch dass der Joker aus Batman da irgendwo ein bisschen ähnlich gestrickt sein könnte.



Nun, ich hoffe mal der Beitrag passt noch in das Thema rein ~ und dass die Inhalte nicht völig obsolet geworden sind, da das alles schonmal gesagt wurde oder so.

LG
Cythnica