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Die "böse" Seite

Begonnen von Feuertraum, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Grey

Ich glaube, das versucht hier auch niemand. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass es einen mehr oder weniger fließenden Übergang gibt, und dass Schwarzweißmalerei nicht das ist, worüber wir schreiben möchten, und dass es in den meisten Fällen eine Frage des Blickwinkels ist. Und schließlich gibt es sogar Bücher, die völlig ohne Antagonisten auskommen.

Trotzdem bleibt es die klassische Variante, die Gegner des Protas mit Eigenschaften auszustatten, die als bekämpfenswert erscheinen. Was nicht heißt, dass sie unsympathisch sein müssen, das steht sowieso noch auf einem ganz anderen Blatt. Die "Bösen" werden gerade wegen ihrer schlechten Eigenschaften immer ihre Fans haben - egal auf welcher Seite der Geschichte sie stehen.

ChaldZ

Zitat von: Fuchsfee am 22. Januar 2009, 15:17:56
Ok, ein Böser ist böse, weil er tut, was ich nie tun würde und ein Guter ist gut, weil er tut, was ich tun würde? Schon klar. Aber wie kann der Böse das überzeugend tun, wenn sein Schöpfer im Grunde weiß, dass ds alles schlecht ist. ichmeine, ein Böser ist ja wohl böse, weil er denkt, das sei das Richtige. Klar kann er das auch machen, weil er Spaß dran hat. Dann ist er wahrscheinlich ein Irrer. Aber das ist mir zu oberflächlich. Wie kann er überzeugend rüberbringen, dass er denkt, er tut das Richtige wenn der Autor im Grunde weiß, dass es falsch ist? Da hat mich noch keiner überzeugt.

Zitat von: ChaldZ am 03. Mai 2009, 17:27:42
Meiner Meinung nach gibt es hier vier Möglichkeiten.

Die erste ist, dass der "Böse" ein Psychopath ist und in seiner verquerten Welt denkt, das Richtige zu tun oder einfach das tut, wonach ihm der Sinn steht.
Das ist schwierig zu beschreiben, denn man soll ja als Leser dennoch nachvollziehen können, warum der Char so handelt, auch wenn seine Taten "böse" sind. Es muss nicht der Logik in unserem Sinne entsprechend, muss aber für den Char - und somit nachvollziehbar für den Leser - Sinn ergeben.
Schafft der Autor das, bekommt man einen sehr interessanter Char, der trotz seines chaotischen Geistes nachvollziehbare Aktionen macht, die "böse" sein können.

Die zweite ist, dass der Char in einem Umfeld aufgewachsen ist, in dem bestimmte Regeln und Handlungsweisen als legitim und wünschenswert eingestuft werden. Klassisch hier ist zum Beispiel das System Herr und Sklave. Oder dass, um eine Machtposition zu erhalten, alles erlaubt ist.
Mit dem entsprechenden Hintergrundwissen sind solche Chars nachvollziehbar. Dafür ist es aber nötig, erst einmal selbst viel über die Lebensumstände des "Bösen" zu wissen (was ja generell nie schlecht ist) und diese Ideale und Traditionen auch dem Leser zugänglich zu machen.
Leistet der Autor diese Arbeit, erhält man einen "Bösen", der für sich und die Umstände seines Großwerdens nicht "böse" ist, sondern meint, das Richtige zu tun. Für die Moralvorstellungen des Lesers sind die Taten aber unmoralisch, falsch und scheinen vielleicht unreflektiert. Ich denke, man bekommt so bestenfalls einen "Barbaren", aber keinen wirklich "bösen" Char. Dennoch ist es einfacher zu bewerkstelligen als einen Psychopathen.

Die dritte Möglichkeit ist es, dem "Bösen" ein Ziel einzugeben.
Ich denke, das ist die meist genutzte Option. Allerdings auch oft sehr flach ausgearbeitet. Für einen Char zu sagen "ich will die Welt beherrschen und jeder, der sich mir in den Weg stellt, wird getötet" ist nicht wirklich nachvollziehbar. Zwar gerne genutzt, weil es eben so einfach ist; aber mal ehrlich: Wer von euch würde sagen: Ja, das ist nachvollziehbar?
Viel interessanter sind solche Chars, die durch Erlebnisse in ihrem Leben ein Ziel haben, zu dessen Erreichen ihr Lebensinhalt wird. Das Ziel sollte nicht in Beherrschung der Welt ausarten, für mich ist das zu klischeebehaftet. Vielleicht wurden sie von einer mächtigen Familie in Grund und Boden gedemütigt und arbeiten sich hoch, um mit ihrer neuen Machtposition Rache nehmen zu können. Der Moral haben sie entsagt, doch Menschlichkeit ist noch immer zu finden. Das macht den Char nachvollziehbarer, interessanter.
Schafft man es überzeugend, einem Char solch ein Ziel einzugeben, hat man einen runden "Bösen", der nachvollziehbar ist. Das ist mit einer Hintergrundgeschichte relativ einfach hin zu bekommen und die Taten sind wirklich "böse".

Die vierte Möglichkeit (mein Favorit).
Umstände, die einen Char dazu verleiten, (vermeintlich) "Böses" zu tun. Eine Geschichte, die, aus einer Perspektive erzählt, dazu verleitet anzunehmen, dass die Gegenfraktion "böse" ist oder "böse" handelt.
Meiner Meinung nach die schönste Variante, da sie Überraschungen in der Geschichte und interessante Wendungen zulässt.
Aus der einen Perspektive wirken die Handlungen niederträchtig. Doch später und aus anderer Perspektive sind sie nachvollziehbar und es lässt sich nicht mehr in "Gut" und "Böse" einteilen.

Vielleicht hat sich der ein oder andere gewundert oder auch davon genervt gefühlt, dass ich "böse" ständig in Anführungsstriche gesetzt habe. Doch meiner Meinung nach liegt hier genau darin die Wurzel von einem "bösen" Char, der nicht nachvollziehbar ist: Einfach "böse" zu sein, weil er eben böse ist und Spaß daran hat. Das ist nicht nachvollziehbar.
Die Kunst ist, hinter diesen Char eine Geschichte zu stellen, die mit ihm harmoniert und stimmig ist, einen Grund liefert, warum der Char genau so ist, wie er ist.
Wenn man einen "Bösen" braucht, so sollte man sich nicht ausmalen, wie "böse" er ist. Sondern was ihn dazu verleiten könnte, keine Moral mehr zu haben, der Moral abgeschworen zu haben, ein Ziel über alle Güte zu setzen.
Und dann wird auch der Char automatisch interessant.

FeeamPC

Und was ist, wenn die Bösen einfach nur böse sind, weil sie Tätigkeiten als angenehmen Zeitvertreib betrachten, die wir bzw. die Buchcharaktere als abgrundtief schlecht empfinden?
(So nach dem Motto: Wollen wir wetten, daß mein Mensch/Zwerg/Elf/Ork länger lebt als deiner, wenn ich beiden die Beine ausreiße?)
Oder wenn die "Bösen" mit einer für mich nicht nachvollziehbaren Pragmatik handeln?
Wäre für eine Fliege nicht wohl der Mensch mit der Fliegenklatsche böse?

Lomax

Zitat von: ChaldZ am 04. Mai 2009, 23:35:01Meiner Meinung nach gibt es hier vier Möglichkeiten.
Als ich deine Aufzählung las, hatte ich gleich das Gefühl, da fehlt etwas. Und was es ist, wurde mir dann an diesem Satz bewusst:
Zitat von: ChaldZ am 04. Mai 2009, 23:35:01Doch meiner Meinung nach liegt hier genau darin die Wurzel von einem "bösen" Char, der nicht nachvollziehbar ist: Einfach "böse" zu sein, weil er eben böse ist und Spaß daran hat. Das ist nicht nachvollziehbar.
Die Kunst ist, hinter diesen Char eine Geschichte zu stellen, die mit ihm harmoniert und stimmig ist, einen Grund liefert
Denn an der Stelle oute ich mich mich mal: Ich war schon mal böse, einfach weil es mir Spaß gemacht hat. Und ich habe Dinge getan, obwohl ich vorher, dabei und/oder nachher genau wusste, dass sie böse sind. Nicht in Anführungszeichen, sondern auch nach meinem eigenen Wertesystem. Klar, mitunter hatte ich dabei oder hinterher ein schlechtes Gewissen, oder ein zwiespältiges Gefühl - aber auch das nicht immer.
Und ich denke, die meisten, wenn sie ehrlich sind und mal schauen, was sie in ihrem Leben getan und wie sie empfunden haben, finden Situationen, bei denen sie dasselbe über sich selbst sagen müssen. Jedenfalls muss man nur mal auf einen durchschnittlichen Schulhof gehen und sehen, wie die Kinder miteinander umgehen, um zu wissen, dass Böses zu tun nicht immer einen Grund braucht und mitunter einfach aus Eigendynamik geschieht - und von der Lust am Bösen beflügelt wird.
Ich denke also, es gibt einen Punkt, da braucht das Böse nichts, was als Rechtfertigung hinzutritt. Womöglich braucht ein Bösewicht einfach etwas nicht. Etwas weniger Gewissen, weniger Selbstkontrolle, eine geringere Hemmschwelle als ich und du und andere. Und schon wird aus dem gelegentlichen Ausrutscher ins Bösen eine wirkliche böse Gestalt, die glaubwürdig bleibt, ohne auch nur vor sich selbst eine Rechtfertigung zu brauchen.
Denn ich denke, dass ist die Lücke in deiner Aufzählung: Du suchst einen Grund. Für alles und jeden. Du implizierst, dass jeder Mensch - und auch jeder finstere Herrscher aus einem anderen Volk, was das betrifft - für alles, was er tut, einen guten Grund hat. Dass er zumindest für sich selbst alles rational herleiten kann.
Was du dabei komplett übersiehst, ist das Gefühl. Dabei ist das viel wichtiger. Nicht alles, was man tut, hat irgendeinen vernünftigen Grund. Oft genug tut man Dinge, obwohl man selbst weiß, dass sie eigentlich dumm sind, unvernünftig. Und selbst Gefühle sind nicht immer "vernünftig". Sie können sogar in ein und demselben Augenblick widersprüchlich sein.
Ich denke also, für einen wirklich glaubwürdigen Bösewicht musst du nicht deine Liste mit guten Gründen fürs Bösesein abarbeiten. Du musst in die Gefühle deiner Figur eintauchen. Dein Bösewicht wird in dem Moment viel lebendiger, wo er etwas einfach tun will - lustvoll, aus dem tiefsten Inneren heraus. Und ich denke, wenn du deine eigenen Empfindungen überprüfst, wirst du auch genug Hinweise finden, wo die Tat und das Gefühl dich einfach mitgerissen hat, wo du böses getan hast, ohne vorher und währenddessen über die Gründe nachzudenken.
Ich denke, das ist der Kern, um den du einen lebendigen Bösewicht herumformen kannst. Und wenn du tatsächlich immer gut warst, und dir nur wohlberechnet etwas zu tun vorstellen konntest, was vielleicht mancher als "böse" bezeichnen könnte - dann fehlt dir einfach noch etwas, um einen wirklichen Schurken zum Leben zu erwecken. Denn immerhin willst du deinen Schurken doch nicht am Reißbrett konstruieren, als exemplarische Charakterstudie - du willst in erster Linie ein atmendes, fühlendes Wesen vor dem Auge des Leser entstehen lassen. Eine Figur, die der Leser nicht so sehr versteht, wie er sie nachfühlen kann.

ChaldZ

#109
Natürlich hast du Recht, was die Sache mit dem "Bösen" im richtigen Leben angeht.
In meinem Originalpost habe ich noch etwas angefügt, was eigentlich zu dem entsprechenden Topic gehörte, aber ebenso das, was du als fehlend gesehen hast, ergänzt:

Zitat von: ChaldZ am 03. Mai 2009, 17:27:42
Chars leben davon, dass sie überspitzt sind, dass sie extrem sind, leidenschaftlich, wechselhaft, aber immer nachvollziehbar bleiben.
Wir selbst sind selten extrem... dafür aber zumeist für uns selbst nicht nachvollziehbar.
Schon von daher wäre es schwer, über einen selbst zu schreiben.

Ich stimme dir zu, dass wir natürlich Dinge tun können, einfach aus dem Gefühl heraus, ohne nachvollziehbar zu sein. Und wenn man einen Char kennt und entsprechend aufbaut, kann man als Leser mal mitgehen, wenn dieser ohne einen Grund eine relevante Aktion macht.
Aber ich halte es für falsch, einen wirklich wichtigen Char auf Aktionen aufzubauen, die allesamt "aus einer Laune heraus" das gesamte Geschehen prägen oder eben einfach nicht nachvollziehbar sind.
Ich denke, man muss hier klar zwischen realen Geschehnissen und einer guten Geschichte unterscheiden.
Dass man einen Grund hat, etwas zu tun heißt noch lange nicht, dass man nicht wechselhaft oder leidenschaftlich sein kann, dass man nur für das eine Ziel lebt und ein stereotyp darstellt.
Ich sehe auch das Nachvollziehen weniger als ein Gegensatz zum Nachfühlen denn als eine Grundvoraussetzung, die das Nachfühlen intensiver, wenn nicht gar erst möglich macht.


Zitat von: Lomax am 05. Mai 2009, 11:37:54
Ich denke also, es gibt einen Punkt, da braucht das Böse nichts, was als Rechtfertigung hinzutritt. Womöglich braucht ein Bösewicht einfach etwas nicht. Etwas weniger Gewissen, weniger Selbstkontrolle, eine geringere Hemmschwelle als ich und du und andere. Und schon wird aus dem gelegentlichen Ausrutscher ins Bösen eine wirkliche böse Gestalt, die glaubwürdig bleibt, ohne auch nur vor sich selbst eine Rechtfertigung zu brauchen.

"Böse" zu sein ist ja kein Zustand, den man festlegen kann, sondern immer abhängig von Norm und Moral. Wenn unser Char als etwas nicht hat, dann hat das mit Sicherheit einen Grund.
Entweder er wuchs in einer Umgebung auf, wo andere Normen gelten, womit wir bei Punkt 2 meiner Aufzählung wären.
Oder er hat die Moral, die auch für uns als "gut" gelten würde, nicht angenommen.
Wenn das der Fall ist, dann würde denke ich keiner - auch ich nicht - auf die Idee kommen, den Psychologen zu spielen und zu sagen: Nicht genug Mutterliebe, alle waren als Kind gemein zu ihm, er hat das Falsche gegessen. Das ist nicht das, was interessant ist.
Interessant ist, was er - mit dieser nicht vorhandenen Moralvorstellung - zu erreichen sucht. Er ist ja nicht willkürlich irgendwo böse, bringt mal hier einen um, beklaut mal dort einen, sondern er ist eine prägende Kraft in der Geschichte. Und die kann er nur sein, wenn er zielgerichtet etwas tut. Ganz gleich was, es muss nur Relevanz besitzen.
Und damit sind wir wieder bei Punkt 3.

Klar, jeder Mensch ist mal "böse", aber deswegen dreht sich nicht gleich die ganze Stadt oder die ganze Welt um uns. In einer Geschichte muss es aber so sein, sonst ist sie nicht groß, nicht leidenschaftlich, nicht bedeutend.
Deswegen kann ein richtiger "Böser" für mich nicht "einfach so böse" sein.

Smaragd

Ich glaube, was mir dazu einfällt, gehört zu Norm und Moral - die Weltanschauung und Menschensicht des Charakters. Ein Charakter, der glaubt, dass der Mensch des Menschen Wolf ist, kommt sehr schnell ganz logisch dazu, dass es richtig ist, dass zu tun, was für ihn gut ist und sieht sich eigentlich auch dazu gezwungen, damit er nicht unter die Räder kommt. Und es lassen sich schon Begründungen für so eine Sichtweise finden...

Eine Variante, die ich mal bei einem Anta hatte, war schamlos von der Wirklichkeit abgekupfert - er hat einfach einer Volksgruppe die Menschlichkeit abgesprochen (und wirklich geglaubt, dass sie keine Menschen sind) und deswegen absolut kein Problem damit gehabt, sie wie Tiere zu behandeln. Ok, war auch sonst kein besonders netter Mensch, aber als böse hat er sich überhaupt nicht gesehen.

Ansonsten kann ein "Böser" natürlich auch in ein System hereinrutschen und dann nicht mehr rauskönnen... und sich vor sich selbst damit rechtfertigen, dass ein Opfer seinerseits total sinnlos wäre, weil dann halt jemand anderes seine Stelle einnimmt, das System also sowieso bleibt. Und er will sich natürlich nicht opfern. Hat jemand hier mal "Lord of War" gesehen? Da wird die Lebensgeschichte eines Waffenhändlers aus dessen Sicht erzählt und die Argumente kommen da auch vor. Bei dem Film hab ich geheult, aber als Studie "Wie baue ich einen nachvollziehbaren Bösen auf, der kein durchgeknallter brutaler Psychopath ist?" fand ich`s wirklich gut.

Lomax

Sorry, bei deiner Antwort habe ich immer noch das Gefühl, dass du versuchst, das "Böse" zu rationalisieren. Begriffe wie "Laune" oder die selbstverständliche Gegenüberstellung von "begründet böse" und "einfach so böse". Gefühl hat nichts mit Lust und Laune zu tun - eine Gefühlsstruktur ist ein viel stärkerer und ein regelmäßiger Motivator für nachvollziehbare Taten als ein nüchterner Sachgrund. Denn die Begründung beugt sich dem Willen, aber das Gefühl führt den Willen.
  Klar kannst du jetzt sagen, dass auch das Gefühlsleben einer Figur in der Regel eine beschreibbare Entwicklungsgeschichte aufweist. Nur, für einen glaubwürdigen Bösewicht ist sie zweitrangig. Der ein oder andere Leser mag gerne wissen, warum ein Bösewicht so ist, wie du ihn darstellst. Nur, ich würde mal sagen, wenn eine Figur eine stimmige Gefühlsstruktur hat, fragt der Leser auch nicht mehr lange danach, ob sie eine schwere Jugend hatte, ob ihre Taten aus ihrer Perspektive wohl gerechtfertigt sind. Der Leser wird deinen Bösewicht für das hassen, was er tut, und er wird die Taten und die Figur für nachvollziehbar halten, wenn sich die Figur nur stimmig genug anfühlt - und vor allem dann, wenn der Bösewicht den Figuren, mit denen der Leser sich identifiziert, nur nachhaltig genug auf die Füße tritt ;D
  Genau genommen, für die Wirkung und die Akzeptanz eines Bösewichts beim Publikum spielt es sogar eine größere Rolle, ob er sich "cool anfühlt", als ob wirklich bis ins Detail geklärt ist, warum er so böse ist. Denn genau dieselbe Regel, die in der Praxis für das Verhältnis von Gefühl und Motivation gilt, gilt auch in der Rezeption - dein Bösewicht wird nicht dadurch interessant, dass der Leser viel über ihn erfährt. Ganz im Gegenteil, der Leser wird ganz selbstverständlich die Lücken füllen und sich selbst überlegen, wie denn alles zusammenhängen könnte, wenn der Bösewicht ihn nur genug beeindruckt. Ein gutes Beispiel dafür ist beispielsweise der "Starkult" um Darth Vader in der Fanszene, noch bevor Episode I-III ein mehr oder minder stimmiges Psychogramm nachgeliefert haben. Vader als beeindruckender Bösewicht hat das wirklich nicht mehr gebraucht.

Versteh mich nicht falsch: Ich denke nicht, dass die Gründe in der Liste keinen Platz haben können bei der Entwicklung des Bösewichts. Aber man sollte sie auch nicht benutzen, um einen guten Bösewicht zu entwickeln. Man muss einen guten Bösewicht haben, und dann kann man vielleicht seinen Hintergrund genauer differenzieren und Hinweise streuen für die, die es interessiert. Ich würde allerdings sagen: Ein guter, präsenter Bösewicht, der emotional Wirkung zeigt, liefert ganz von selbst die Begründungen für seinen Charakter mit, wenn der Áutor ihn nach seiner Erschaffung auf die Couch legt und ihn ein bisschen nach seinen Wurzeln befragt.
  Aber gerade in einer Geschichte ist das, was an einem Bösewicht wirkt, was den Leser erreicht, seine Tat, nicht seine Kindheit. Und diese Tat sollte überzeugend wirken, sie sollte vor allem böse wirken. Nicht etwa stets halb zurückgenommen, indem gleich eine Begründung wie eine Entschuldigung hinterhergeschoben wird. Und wie man die Tat unmittelbar aus seinem Antagonisten herauszieht, so dass sie Angst macht, schaudern lässt, so dass sie wirkt - das vermisse ich ein wenig an deiner Aufzählung. Und wie du selbst gesagt hast, wir reden über Geschichten und Authentizität, nicht über die Realität. Und da zählt die Wirkung noch sehr viel mehr als das Sein.
  Um konkrete Beispiele zu nennen: Wo in deiner Liste hat das pure, essentielle Hochgefühl Platz, das entstehen kann, wenn man mit der Waffe in der Hand einem Gegner gegenübersteht und um sein Leben kämpft? Oder zumindest glaubt, es ginge um die existenzielle Frage nach "er oder ich". Wo hat die Befriedigung Platz, die man nach einer Rache empfinden kann - und zwar nicht etwa aus einem Gefühl der "Angemessenheit" heraus, sondern selbst wenn man diese Rache als unverhältnismäßig erkennt?
  All diese Dinge können jedem Menschen situationsbedingt widerfahren, und sie machen ihn nicht gleich böse. Aber all diese Dinge können es sein, die ganz unmittelbar die Taten eines Bösewichts speisen können, jenseits von allen Zielen, und sie lassen dann einen Bösewicht entstehen, wenn man einfach nur Charakterzüge weglässt, die diese destruktiven Züge sonst zügeln könnten. Und natürlich muss man all das nicht unbedingt selbst erlebt haben, um einen glaubwürdigen und lebendigen Bösewicht zu erschaffen.
  Aber ich frage mich doch, ob deinen Bösewichten nicht irgendwas Essentielles fehlen wird, wenn du dir nicht einmal vorstellen kannst, wie ein komplexer Charakter, der in der Praxis als "böse" auftritt, schlicht durch ein kohärentes System solcher Impulse geformt werden kann - und denen eine Kultur, ein logischer Grund, ein konkretes Ziel etc. nur nachrangig und letztlich austauschbar und entbehrlich hinzutritt.
  Ich würde deine vier Gründe also ganz gerne auf ein paar einfachere Regeln runterschmelzen wollen: Ein Bösewicht sollte vor allem weh tun. Und er sollte das wollen. Der Rest ist Feinarbeit, um genau das an die Zielgruppe zu bringen - und wie man das tut, kann je nach Genre und Zielgruppe ein wenig differieren.

Lomax

Die allmähliche Verfertigung des Gedankens während des Schreibens ...
  Ich war immer noch darüber am Grübeln, was genau mich eigentlich so daran stört, wenn ich Chaldz Liste so anschaue. Neige ich doch selbst dazu, meine Protagonisten zu psychologisieren und wäre in vielerlei Hinsicht geneigt, ihm zuzustimmen, und habe vielfach auch schon Ähnliches vertreten. Und doch widerstrebt es mir, das als Blaupause für einen wirkungsvolleren Antagonisten zu empfehlen. Warum?
  Ich denke, wenn ich den Ursachen für mein Unbehaben ein wenig weiter nachspüre, komme ich als nächstes zu der Erkenntnis, dass die Bösewichte, die mir im Gedächtnis geblieben sind und die mich besonders beeindruckt haben, eigentlich wenig in der beschriebenen Hinsicht ausgearbeitet waren.
  Diese Empirie ist jedenfalls bedenklich. Es macht ein wenig den Eindruck, als wären diese Blaupausen eher für die Vertiefung von Protagonisten geeignet ... und der Gedanke, in Verbindung mit dem oben gebrachten Star-Wars-Beispiel, brachte mich dann plötzlich zu den Texten, wo ich derartige Ausarbeitung von Antagonisten extrem häufig gefunden habe: In Fanfiction zu Antagonisten!

Meine vorläufige Arbeitshypothese, die ich hiermit mal in den Raum stellen möchte: ChaldZ Vier-Punkte-Plan für Antagonisten eignet sich mehr als Blaupause für Fanfiction, die den Antagonisten zum Protagonisten machen möchte - aber weniger für Antagonisten, die den Leser so sehr beeindrucken, dass er selbst Fanfiction dazu schreiben würde!
Ich habe also eher das Gefühl, die entsprechende Ausarbeitung von Antagonisten ist eher ein Luxus. Und wenn ein Autor ihn pflegt, sollte er sehr sorgsam darauf achten, dass diese Differenzierung der Wirkung des Antagonisten nicht im Wege steht - oder er sollte sich gleich bewusst dafür entscheiden, dass er in Wahrheit eine Geschichte über seinen Antagonisten schreiben will.

Smaragd

#113
Zitat von: Lomax am 05. Mai 2009, 14:00:01
Ich würde allerdings sagen: Ein guter, präsenter Bösewicht, der emotional Wirkung zeigt, liefert ganz von selbst die Begründungen für seinen Charakter mit, wenn der Áutor ihn nach seiner Erschaffung auf die Couch legt und ihn ein bisschen nach seinen Wurzeln befragt.

Das kann ich mir vorstellen, aber wie würdest du einen guten, präsenten, "coolen" Bösewicht mit emotionaler Wirkung erschaffen, ohne die Wurzeln zu kennen? In dem Moment, in dem du überlegst, wie er sich generell verhält, kommt doch die Frage auf, welches Verhalten sich wie begründen ließe... oder nicht? Immerhin soll der Bösewicht so böse sein, dass er "böser" ist als jeder Durchschnittsmensch, also muss da eine Geschichte dahinterstecken.

Um erstmal zu wissen, wie die Gefühlsstruktur aussieht - also wie sie stimmig ist - muss ich doch den Charakter kennen. Wie könnte ich ihn kennen, ohne zu wissen, was ihn geprägt hat?
Obwohl, wenn ich so darüber nachdenke, bei nicht-bösen Charaktere brauche ich vielleicht nicht so explizit für mich den Hintergrund, um sie stimmig schreiben zu können. Vielleicht liegt das daran, dass ich mich nicht für "böse" halte und deswegen sehr bewusst versuchen muss, mir einen "Bösen" vorzustellen. Den Hintergrund zu haben, hilft dann dabei, sich in ihn/sie hineinzuversetzen.  :hmmm:

Ich habe übrigens den Eindruck, dass ihr zwei von unterschiedlichen Definitionen eines Antagonisten/Bösewichts ausgeht. Für dich, Lomax, ist er der Böse, der eindeutig böse ist und den guten Protas wehtun will, wenn ich dich richtig verstanden habe. Und du, ChaldZ, spielst mit diesem Gegensatz von gut und böse und einige deiner Optionen relativieren das "Böse", indem du es so aufbaust, dass es aus einer anderen Perspektive eben nicht "böse" aussieht. Das sind ganz unterschiedliche Vorstellungen von Aufgaben und Wirkungen der Antas, die ihr da habt.

Ich würde aus Gefühl und Rationalität gar nicht zwangsweise einen Gegensatz machen. Die Begründungen, die ChaldZ aufgezählt hat, können ja alle mit Gefühlen verknüpft sein, nur dass die Gefühle nicht direkt der einzige Auslöser der bösen Taten sind. Es gibt nun mal Menschen, die eher aus dem Gefühl heraus handeln und andere, die eher rational sind (ok, jeder hat mal Aussetzer, aber die Anfälligkeit dafür und die Häufigkeit variieren schon). Deswegen würde ich beides eigentlich als komplementär sehen.

Der gefühlsmäßige Ansatz könnte vielleicht Punkt fünf werden, ein Anta, der destruktiven Charakterzügen freien Lauf lässt und gern das Gefühl hat, andere zu dominieren. Das geht in Richtung von Psychopath, ist aber nicht ganz so heftig, denke ich.

Was meint ihr?

ChaldZ

@ Smaragd
Ich finde, du hast das ganz gut erkannt.
Auch wenn ich dieses "Böse, das eher relativ ist" in Punkt 4 zu beschreiben versucht habe, ist das tatsächlich mehr oder weniger ein Motiv, das sich durch meine Empfehlung zur Erstellung eines "Bösen" zieht.
Und jetzt, da das Wort "Antagonist" gefallen ist, ist es sehr viel eher das, was ich zu beschreiben versucht habe als jemand wirklich "Böses".

Ich denke von der Struktur her hat es Lomax besser getroffen, jemand wirklich "böses" zu beschreiben. Aber Smaragd hat den Punkt getroffen, den ich versucht habe im Nachhinein zu erklären: Um einen Char zu kennen, muss ich wissen, was ihn geprägt hat.
Meine Aufzählungen sind ja nun nicht für den Leser bestimmt. Was den Leser erreicht, sind die Taten des "Bösen" und vielleicht dessen Ziel.
Gedacht war die Liste als Wegweiser für den Autor, der sich damit den Hintergrund des "Bösen" schaffen kann, um ihn selbst und seine Gründe kennen zu lernen und danach glaubhaft rüber bringen zu können - eben mit seinen vielleicht wirren emotionalen Schwankungen, seinen "bösen" Vorlieben und was Lomax noch so aufgezählt hat.
Dabei ist es mir nicht wichtig, rational zu erklären, sondern - bildlich gesprochen - den Char nicht in der Luft hängen zu lassen, sondern ihm ein Fundament zu verpassen, auf dem er so ist, wie er ist. Das sollte in keinem Falle in eine psychologische Untersuchung ausarten.
Demnach will ich überhaupt nicht all sein Handeln auf einen einzigen Grund reduzieren. Die Bandbreite ist genau so, wie Lomax sagt. Es reicht von "Spaß am Bösen haben" bis "von Allem zurückziehen" oder jedweder anderen Handlung.
Die Punkte 1 bis 4 sind vorstellbar als roter Faden, der auf Seiten des Antagonisten die Geschichte durchzieht und mit dem er den Plot prägt.



(Das mit dem Fanfiction habe ich übrigens nicht ganz verstanden... damit habe ich mich noch nie beschäftigt.
Meintest du, man könnte anhand meiner Liste bereits bestehenden (erdachten) Bösewichtern nachträglich Gründe unterschieben, um sie weniger Böse scheinen und zu Protagonisten aufsteigen zu lassen?)

Lomax

Zitat von: ChaldZ am 05. Mai 2009, 18:18:32(Das mit dem Fanfiction habe ich übrigens nicht ganz verstanden... damit habe ich mich noch nie beschäftigt.
Meintest du, man könnte anhand meiner Liste bereits bestehenden (erdachten) Bösewichtern nachträglich Gründe unterschieben, um sie weniger Böse scheinen und zu Protagonisten aufsteigen zu lassen?)
So in etwa - allgemeiner gesagt: Man kann deine Liste benutzen, um die Bösen für sich selbst besser zu verstehen.
  FanFiction erzählt Geschichten mit Figuren aus dem Werk und der Welt eines anderen Autors. Oft werden dabei dann eben Figuren zu Protagonisten gemacht, bei denen der Fanfiction-Autor das Gefühl hat, dass über diese Figur noch mehr erzählt werden müsste. Und die nicht unbedingt die Protagonisten des ursprünglichen Werks waren, sondern eben möglicherweise interessante Nebenfiguren oder beeindruckende Antagonisten.
  Natürlich kann der Autor selbst dieselbe Technik anwenden, um seinen eigenen Antagonisten besser zu verstehen. Aber wenn ich an den Fangeschichten sehe, dass Leser anscheinend sehr kreativ sein können, solche Begründungszusammenhänge selbst zu suchen, wenn eine Figur sie genug beeindruckt hat, dann können diese Begründungen auch nicht der Punkt sein, der darüber entscheidet, ob der Leser den Antagonisten annimmt.

Smaragd

Zitat von: Lomax am 05. Mai 2009, 19:01:29
Oft werden dabei dann eben Figuren zu Protagonisten gemacht, bei denen der Fanfiction-Autor das Gefühl hat, dass über diese Figur noch mehr erzählt werden müsste. Und die nicht unbedingt die Protagonisten des ursprünglichen Werks waren, sondern eben möglicherweise interessante Nebenfiguren oder beeindruckende Antagonisten.

Ja sicher, aber um eine Figur bzw. einen Antagonisten/Bösewicht so aufzubauen, dass der Leser das Gefühl hat, dass da noch mehr dahintersteckt, muss ein Autor doch immerhin Andeutungen fallen lassen, oder? Und um das zu tun, muss er selbst Bescheid wissen...

Ich glaube, wir müssen uns mal mit der Definition des Wortes "böse" beschäftigen. Was genau versteht ihr unter "böse"? Dinge zu tun, die unseren Moralvorstellungen widersprechen? Oder eher Sadismus?

Und um noch einen Schritt weiterzugehen, haben wir einen generellen Unterschied zwischen Bösewicht und Antagonist? Ich denke schon. Ein Antagonist hat ja generell die Aufgabe, den Protas Steine in den Weg zu legen und das zu sein, wogegen die Protas kämpfen. Er verkörpert also etwas, was sie ablehnen (allgemein gesprochen). Also hat ein Antagonist zumindest mal andere Ansichten - und daraus resultierend andere Ziele - als die Protas. Das ist erstmal noch nicht per se böse, sondern einfach nur anders. Dafür könnte man einen gut geschriebenen Anta zwar erwürgen, aber das ist dann eine Frage der Perspektive bzw. Meinungsverschiedenheit.
Böse wird`s für mich dann, wenn der Anta auch noch ein Sadist, Psyopath oder ähnliches ist.

Ich denke, beides kann gut funktionieren, aber grade wenn wir hier diskutieren, sollten wir wissen, wovon genau wir sprechen, sonst reden bzw. schreiben wir nämlich aneinander vorbei.

Lomax

Zitat von: Smaragd am 06. Mai 2009, 15:15:28Ja sicher, aber um eine Figur bzw. einen Antagonisten/Bösewicht so aufzubauen, dass der Leser das Gefühl hat, dass da noch mehr dahintersteckt, muss ein Autor doch immerhin Andeutungen fallen lassen, oder? Und um das zu tun, muss er selbst Bescheid wissen...
Was der Autor tun muss, damit ein Antagonist so weit beeindruckt, ist ja eben die Frage - ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass er irgendwas liefern muss, was die Taten explizit erklärt. Meine Theorie wäre, dass der Antagonist nur emotional stimmig wirken muss - der Rest ist egal. Und schon gar nicht muss der Autor wirklich wissen und ausgearbeitet haben, was der "Böse" in der Hinsicht aufzuweisen hat - denn Andeutungen kann man im Text auch streuen, ohne selbst die Lösung zu kennen. Dazu reicht es schon, interessante Andeutungen zu verteilen, aber nicht so viele, dass man sich selbst widerspricht.

Und ansonsten geh ich jetzt mal davon aus, dass wir von einem Bösewicht in der Rolle des Antagonisten sprechen. Mit einem Bösen als Prota siehts natürlich anders aus. Und mit einem "Nicht-Bösen" Antagonisten erübrigt sich das ganze ja sowieso.  ;)

Joscha

Eine der am meisten auftretenden Ursachen für Handlungen, die wir in unserer moralisch festgefahrenen Gesellschaft als "Böse" bezeichnen (nicht, dass irgendeine Gesellschaft der Welt davor gefeit wäre), ist Gruppenzwang oder Aussagen, mit denen man von frühesten Kindheitsbeinen aufwächst. Im dritten Reich beispielsweise, da hat auch keiner (bzw. kaum jemanden) den SS-Mann, der hunderten von Juden "aus Spaß" getötet hat, als böse bezeichnet, er sich selbst wohl am allerwenigsten. Heute würden wir die Hand vor den Mund schlagen und sagen "Oh, wie schrecklich." (Bitte nicht falsch verstehen, ich finde, dass so etwas schrecklich ist, aber das Beispiel ist eben ein sehr deutliches.)

Gut und Böse ist völlig abhängig von der gesellschaftlichen Situation. Menschen halten sich selbst nicht für böse. Sie tun manchmal etwas, das sie für schlecht halten, aber dann werden sie sich sagen, sie seien durch die Umstände dazu gezwungen worden. Psychopathen und geistig Gestörte, die nicht rational denken, können Dinge tun, die wir für böse halten, doch sie realisieren nicht, dass ihre Tat schlecht ist. Wieder andere reden sich ein, es handle sich um eine göttliche Gerechtigkeit.

Am Schwierigsten zu schreiben ist wohl aus der Sicht eines Psychopathen, da beim Leser irgendwie der Grund durchschimmern muss, warum er so handelt, und sei er auch noch so verquer. Rache dagegen ist ein menschliches Grundbedürfnis, das ist jedem verständlich und jemand, der aus verständlicher Rache böse handelt, ist uns dennoch symphatisch. Oder jemand, der einen anderen Bösen tötet, wobei das Töten an sich ja selbst schon wieder eine Böse tat wäre.

Ich finde, man sollte, wenn man es auch nicht in die Geschichte einbringt, zumindest in der Lage sein, einige Szenen realistisch und deren Handlungen erklärend aus der Sicht des Antagonisten/Bösewichtes schreiben können, egal wie böse und brutal er ist. Man muss diese Szenen ja nicht veröffentlichen, aber sollte als Autor auf jeden Fall bescheid wissen. Sonst wirken die Antas einfach nur wie stumpfsinnige Pappfiguren, die dem Protagonist in den Weg gelegt wurden, um zu zeigen, worüber er moralisch alles erhaben ist.

Churke

Zitat von: Lomax am 06. Mai 2009, 17:01:36
Was der Autor tun muss, damit ein Antagonist so weit beeindruckt, ist ja eben die Frage - ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass er irgendwas liefern muss, was die Taten explizit erklärt.

Es gibt Taten, die MUSS man erklären, weil sie sonst schlichtweg nicht logisch sind.
Bei einer erfundenen Geschichte würde man so etwas beim Plotten elegant umschiffen. Die Figuren verhalten sich geradlinig und logisch. Fertig.
Wenn man sich aber mit historischen Bösewichten befasst - für einen historischen Roman - dann hat man womöglich auf einmal Handlungen, die aus sich selbst heraus nicht mehr zu erklären sind. Die Figuren handeln nicht emotional und aus dem Bauch heraus, sondern langfristig planend und nehmen Umwege in Kauf.