• Willkommen im Forum „Tintenzirkel - das Fantasyautor:innenforum“.
 

Tragik - was ist zuviel?

Begonnen von Coppelia, 20. November 2008, 07:21:38

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Manja_Bindig

Ich denk mal, hier bin ich gut aufgehoben, DramaQueen, die ich bin. ;)

Hm...
Ich weiß nicht. Ich denke, meine Beiden Gottheiten kann man als tRagisch bezeichnen. Missverstandene bis verdrehte Geschwisterliebe, die die beiden dazu zwingt, sich irgendwann gegenseitig umzubringen(was dann im Endeffekt Rinyl und Vyren auf den Plan ruft.)

Rinyls Leben kann man auch nur als Tragisch bezeichnen - ein Halbelf, der aufgrund dessen von einem Großteil seiner umgebung dermaßen misshandelt und abgelehnt wird, dass er mit 10 nur noch aus Misstrauen besteht(allerdings versinkt er nicht in Selbstmitleid. Eher in selbsthass...). Mit 21 wird er von Menschen verschleppt, landet im Bordell, bekommt dort Hilfe raus...
...
Später erfährt er, dass er als Kind mehr oder weniger Schuld am Tod seines Ersatzvaters war...

Tja. Leidensfähige Charaktere sind wirklich interessanter als die, bei denen alles Eitel Sonnenschein war(es sei denn, die Eitel-sonnenscheinchens geraten ganz plötzlich ins Gewitter)
Von daher: Tragik ist toll. Ganz toll sogar - allerdings braucht es hin und wieder ein paar Lichtblicke. Oder einen konstanten Bezugspunkt.
Rinyl hat später seinen Vyren, ohne den er zusammenklappen würde(ohne den wär er genau genommen entweder nicht ausm Bordell gekommen oder später elendig auf der Straße verreckt), ab und an läuft es auch mal sehr gut im Leben... ohne diese positiven Aspekte im Leben würde sich jeder Chara irgendwann den Strick nehmen. Erstmal das und zweitens - nach so einer schönen, recht heiteren Zeit wirkt der nächste Schicksalsschlag noch böser.  :snicker:

Frage aber: Wie definiert man Tragik?
Unglückliche Umstände, die jemanden zu etwas Zwingen? Pech? Selbstverschuldete schlimme Lage?

Vali

#16
Ohh, ich liebe auch Tragik :d'oh: Es lässt einen mitfiebern, man kann u.a. aus Mitleid eine Beziehung zum Charakter aufbauen, man kann sich über die Ungerechtigkeiten des (hier fiktiven) Lebens aufregen, es weckt schlichtweg Emotionen.

Ich habe auch einen Charakter, der ganz schön gebeutelt wird. Verantwortlich dafür sind bei mir mehr Politik und Gesellschaft als "Schicksal". Im Laufe der Geschichte läuft bei ihm alles immer mehr den Bach runter, dass er irgendwann in ein tiefes Loch fällt und zur "Heulsuse" wird. An dem Punkt könnte man sich als Leser auch über ihn aufregen. Man wird dann aber erlöst, wenn er wieder aufgepeppelt wird, nachdem mein Prota nach Irrwegen und Stolperfallen endlich kapiert hat, dass er ihm helfen muss statt ihm noch weiter eine auf den Deckel zu geben, wenn er weiterkommen will.

Man sollte auch nicht übertreiben und die meisten Schicksalsschläge begründen können und abwägen, ob der eine Schicksalsschlag für die Entwicklung des Charakters wichtig oder überflüssig ist. Übertrieben wär zum Beispiel, wenn der Charakter geärgert worden ist, weil ihm jemand etwas wichtiges in den Schornstein gestopft hat und er deshalb aufs Dach klettern muss. Auf dem Dach wird er von seiner Freundin angerufen, die übers Telefon mit ihm Schluss macht. Er will sich umbringen, indem er vom Dach springt, aber sie kann ihn überzeugen und aufhalten. Trotzdem rutscht er aus, fällt acht Stockwerke tief, schlägt dabei drei Mal auf Balkons auf, landet vor der Hauseinfahrt, wo er überfahren wird, ihm fallen noch die Balkonblumentöpfe ins Gesicht und überlebt das bei vollem Bewusstsein. Ein Freund findet ihn und fährt ihn ins Krankenhaus, baut aber einen schweren Unfall, wobei der Freund stirbt. Als er später das Krankenhaus erreicht, wird das Gebäude von Terroristen gesprengt. Im nächsten Krankenhaus wird er gerade noch so gerettet, ist aber für sein Leben gezeichnet und wegen einer kontaminierten Spritze chronisch krank. Niemand will ihn pflegen. Seine Eltern enterben ihn, weil er so häßlich geworden ist und nichts aus seinem Leben gemacht hat.
Das alles klingt ziemlich unrealistisch und übertrieben. Das zum Beispiel wär für mich schon zu viel der Tragik.

Coppelia

Was mich auch interessiert: Leidet man eigentlich nur mit schönen Charakteren mit? ;D Na ich hoffe doch nicht.
Ich habe nun über das Nachdenken positiver Elemente in den Plot nachgedacht, und allmählich scheint mir das Ganze allein als Story nicht mehr so hoffnungslos, obwohl es unmöglich ein gutes Ende nehmen kann.

Aidan

Ich denke, zum Mitleiden muss ein Charakter nicht schön sein, aber man muss sich mit ihm identifizieren können, damit er einen anspricht. Im Charakter muss irgendetwas sein, wo man als Leser sich wünscht, dass es nicht so endet, wie man befürchtet. Das Aussehen ist dabei nicht so wichtig würde ich sagen.
"Wenn du fliegen willst reicht es nicht, die Flügel auszubreiten. Du musst auch die Ketten lösen, die dich am Boden halten!"

,,NEVER loose your song! Play it. Sing it. But never stop it, because someone else is listening."

Sooky

Hm, das ist auch ein Thema, dass mich gerade beschäftigt.

Nachdem ich eigentlich für mein Leben gerne Happy-Ends schreibe, wollte ich ein Buch schreiben, das nach dem Motto "schlimmer kann es gar nicht enden" aufgebaut ist. Nein, da meine ich nicht solche unrealistischen Häufungen von "tragischen" Schicksalsschlägen, sondern folgende Situation: Ein Held, von dem alle Leute glauben, er rette die Welt, schlägt sich auf die Seite des Antagonisten (aufgrund persönlicher Gefühle), hilft ihm, die Welt zu erobern (gegen seine ganze Familie, seinen Freundeskreis) und am Ende erfährt er, dass der Antagonist ihn ausgenutz hat und wir getötet.
Nun gut, vielleicht nicht wirklich "schlimmer geht nimmer", aber sicher eine Sache, bei der man unschuldige Leser quälen kann, besonders, wenn man dann so klassische Situationen einbaut, wo der Held, wenn er bei Venunft ist, eigentlich kapieren sollte, dass er den falschen Weg geht, aber es genau nicht tut.

Nur stelle ich mir nun die Frage: Inwiefern ist das eine gute Geschichte? Würden Leser so etwas lesen wollen? Oder lässt es sie das Buch (den Text, etc.) wütend in die Ecke schmeissen, vorausgesetzt, es ist glaubwürdig und gut geschrieben. Überdies, wie wahrscheinlich ist es, dass man so eine Geschichte gut rüberbringen kann?

Lord Zahnstocher

@Coppelia: Ich glaube, dass die Leser sich dann eher fragen würden, warum der Autor ausgerechnet über diese Person schreibt und warum er ihr solche Dinge antut. Man sollte seine Protagonisten nicht quälen um eine tragische Geschichte schreiben zu können.
Außerdem würden Leser wohl eher an die ausgelichende Poetik des Autors appelieren, sprich wenn dem Prota nur Dreck in seinem Leben passiert ist, dann sollte er wenigstens am Ende als strahlender Held hervorgehen und reich belohnt werden.
Und nur Mitleid mit einer Person zu haben macht ja nicht den ganzen Reiz aus. Irgendwann klappt man das Buch zu und kauert sich deprimiert in sein Bett, weil man traurig ist über das viele Leid, das eine Person haben kann.

Arrogance mode off.

LG.

Manja_Bindig

Ich hab nur selten Hauptcharas die optisch total abstoßend sind. Von daher... hm...
Schön sind auch nicht viele, etliche sind... anguckbarer Durchschnitt. :)

So oder so entwerfe ich immer erst die Geschichte.
Dann die Optik meiner Leute. Entsprechend sind leidensfähigkeit und Optik nicht aneinander gekoppelt... auch, wenn ich zugeben muss, dass ich den meisten meiner extremen Opfer ein hübsches Gesicht gönne(wenigstens was...)

Knifflig ist, wenn es das hübsche Gesicht ist, was sie in Schwierigkeiten bringt.

Ary

Ein Charakter muss nicht schön sen, damit ich mit ihm mitfiebere, es soll glaubwürdig sein und ich brauche auch etwas, das mich anspricht.
Galotta zum Beispiel fand ich einfach nur faszinierend und ich habe mit ihm mitgelitten und mitgefiebert und mich immer ieder gefragt, wie man sich eigentlich selbst noch tiefer in die Sch*** reiten kann. Mich reizen gerade solche Charaktere, die eigentlich ziemliche Ekelpakete sind, aber trotzdem "etwas haben". Ich kann nocht nicht einmal genau sagen, was mich so fasziniert an diesen Tyen. Als ich Drachenlanze las, schwärmte eine gute Freundin für Tanis den Halbelfen, den ich wegen dieser ausgelutschen "Ich bin ein Mischling und darum mag mich niemand udn deswegen bin ich jetzt nur noch todernst und versinke in Depressionen"-Hintergrundgeschichte eher reizlos fand. Ich schwärmte für Raistlin, diesen exzentrischen, giftigen, machtgeilen Magier, der für seine Macht alles tat, sogar Freunde udn den eigenen Bruder verraten. Dieser Charakter hat mir die Tränen in die Augen getrieben, als er plötzlich Freundschaft mit einer von allen gemiedenen kleinen Gossenzwergin schloss und tatsächlich mal menschliche Züge zeigte. Bei dieser Szene habe ich geschnieft, nicht, als der edle Sturm Feuerklinge ins Gras biss. Tragisch war der zwar auch, aber mir viel zu sehr ein Aragornabklatsch mit seiner traurigen Liebe zu einer Elfe.
So, genug über Drachenlanze gelästert. :)
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Coppelia

Danke noch mal. :)

Ich glaub, dass es am wichtigsten ist, dass eine Figur motiviert ist. Bei mir ist es mal wieder der Antagonist mehr als der Protagonist ... aber ich werde den Prota schon noch kriegen ...
Das war nämlich bei Lotti gegeben. Der hatte seine Ideale. Und er stand für sie ein. Er hat sich ständig geirrt, aber da er es selbst nicht gemerkt hat, war es für den Leser wohl auszuhalten. Eigentlich wollte er anfangs immer nur das Beste tun, und er war ja auch durchaus bereit, dafür Opfer zu bringen. Ich glaube, jede Person, die ein Ziel hat und für das einsteht, woran sie glaubt, kann den Leser zum Mitfiebern bringen.

@ Sooky
Ich find's klasse, aber das will für den Allgemeingeschmack leider nichts heißen. ;) Mit solchen Figuren hatte ich auch schon zu tun.

FeeamPC

Leute, denen ohne ihr Zutun Schicksalsschläge ins Leben prasseln, sind (für mich) nicht tragisch, sondern "nur"elend dran (siehe Hiob) und bemitleidenswert.
Tragisch ist, wenn aktives Tun eines Helden Schlechtes oder Unglück produziert, von dem er selbst oder ihm nahe stehende Personen besonders betroffen sind (siehe Ödipus). Besonders tragisch, wenn der Held nicht nur aus Unwissenheit etwas falsch macht, sondern nach bestem Wissen und Gewissen entscheidet und trotzdem gerade dann den fatalen Fehler macht.

gefion

Ohne die anderen Beiträge zu lesen - meine Antwort lautet ganz klar: ich mag Tragik nicht, weder zufällige noch selbst herbeigeführte oder sonstige Schicksalsschläge, die nicht wiedergutzumachen sind. Also wenn überhaupt, erzähl deine Trauergeschichte aus der Perspektive desjenigen, der weniger Tragik erleidet, und schenk ihm einen zynischen Charakter mit humorigem Naturell.

Meines Wissens gibt es jedoch Leser, die lieben Tragödien, die ihnen gar nicht tragisch genug daherkommen können. Insofern: nur zu - nur leider wäre ich kein Zielpublikum.  ;)

LG
Gefion

Issun

Bei Tragik kommt es immer stark darauf an, wie sie dargestellt wird. Ich würde sagen, die Geschichte kann sich in verschiedene Richtungen bewegen: endweder der Charakter beginnt einigermaßen glücklich und endet tragisch, oder umgekehrt, oder aber es gibt in der Mitte der Handlung eine kleine Insel des Glücks- die möglicherweise dazu beitragen würde, dass der Leser hofft und die folgenden Seiten nur so verschlingt.
Durchgehende Tragik werden manche Leser vielleicht nicht mitmachen, weil sie irgendwann das Gefühl bekommen, der Charakter wird völlig ungerecht behandelt. Natürlich kommt es immer darauf an, wie realistisch die Darstellung der Tragik ist. Aber kleine Lichtblicke zwischen den tiefschwarzen Phasen der Geschichte lassen sicherlich keinen Leser kalt, der noch auf einen guten Ausgang der Geschichte hofft. Und dann kann man ihnen immer noch das bitterböse Ende präsentieren.  :snicker:

LG,
Issun

Melian

Ich weiß nicht wer hier von Tolkien die Geschichte der Kinder Hurins b.z.w. Turin Turambar gelesen hat. Tragik ohne Ende! Ich liebe es. Jede seiner Taten scheinen sich zu guter letzt ins Unglück zu wenden und doch vollbringt er Großes. Als ich es das erste Mal gelesen hatte fragte ich mich ob es überhaupt möglich ist eine tragischere Geschichte zu schreiben. Also ich denke zu viel Tragik kann es nicht geben, das Entscheidende ist wohl eher, dass es in die Story passt, dass es für den Leser einen Sinn ergibt!
Auch, wie schon in anderen Beiträgen angerissen, der Prota darf nicht nur am Boden liegen während auf ihn eingetreten wird. Das Entscheidende ist, dass er immer wieder aufsteht und doch wieder und wieder zu Boden geht.

Guddy

Zitat von: FeeamPC am 21. November 2008, 12:52:52
Leute, denen ohne ihr Zutun Schicksalsschläge ins Leben prasseln, sind (für mich) nicht tragisch, sondern "nur"elend dran (siehe Hiob) und bemitleidenswert.
Tragisch ist, wenn aktives Tun eines Helden Schlechtes oder Unglück produziert, von dem er selbst oder ihm nahe stehende Personen besonders betroffen sind (siehe Ödipus). Besonders tragisch, wenn der Held nicht nur aus Unwissenheit etwas falsch macht, sondern nach bestem Wissen und Gewissen entscheidet und trotzdem gerade dann den fatalen Fehler macht.
Ja, das finde ich auch... Gutes Statement.


Bei meinem Prota beginnt es mit Tragik, in Teil 2 kommt Elend hinzu, wenn er in die Sklaverei kommt. Bei den späteren Bänden rappelt er sich selbst wieder auf, aber Glück wird er nie finden, zumindest nicht so, wie er es sich wünschen würde. Ich überlege gerade noch, wie ich das ganze enden lassen soll, am konsequentesten wäre der frühzeitige Tod, aber schöner wäre, dass er irgendwie die Frau seiner Träume trifft (völlig utopisch, leider)und sie beide in den Sonnenuntergang reiten ;D (Und dann dort am Horizont erschossen werden, kaum dass sich ihre Lippen zu einem Kuss treffen  :darth: )
Ich habe den Thread genau deswegen herausgekramt, weil ich mich frage, wann es der Tragik zu viel ist. Ob es reicht, wenn man zwischendurch immer wieder auch längere hübsche Passagen hat. Auf ein nonstop-Trauerspiel habe ich ohnehin keine Lust und halte es auch nicht für realistisch.

Was mir noch eingefallen ist: Bei manchen Büchern, die ich gelesen habe und bei denen tragische Figuren eine tragende Rolle spielen, sind diese vollkommen dunkel. So, als würden sie alles Licht absorbieren. Da fehlt mir das Schattenspiel. Ich denke, dass man da aufpassen sollte, dass die Person nicht aus nur einer Eigenschaft besteht. Der tragischste Charakter kann auch den ein oder anderen (oder auch mehr) "hellen" Zug haben.

Klecks

Ich finde es als Leserin schrecklich langweilig, wenn alles immer Friede, Freude, Eierkuchen ist, und schrecklich bedrückend, wenn es nur Elend gibt. Da die Balance zu halten, gehört für mich mit zu den spannendsten - und schwierigsten - Dingen am Schreiben überhaupt.  :d'oh: