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Sprachgebrauch

Begonnen von Rei, 01. Januar 1970, 01:00:00

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Rei

Ich habe manchmal das Problem, daß die Charaktere in meinen recht mittelalterlich angehauchten Geschichten Wörter benutzen, die sie gar nicht kennen dürften. Sei es, weil es sie da noch nicht gab oder weil es fremdsprachliche Ausdrücke sind.

Wie umgeht Ihr solche Probleme? Habt Ihr ein Wörterbuch oder so für den Sprachgebrauch in "alten Zeiten"?

Manja_Bindig

Überleg dir vielleicht, was dieses Wort immer ausdrücken soll nudsuch dir ein passendes Synonym.

Moni

So etwas passiert mir auch immer wieder gerne. Dann suche ich entweder krampfhaft nach einem Synonym (der Word-Thesaurus ist da manchmal recht hilfreich), oder versuche, das Wort zu umschreiben.
Wenn gar nichts dabei rumkommt, überlege ich mir, ob etwas, das ich weder umschreiben, noch mit einem anderen Wort belegen kann, überhaupt in meine Geschichte passt.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Elena

Ist mir auch gerade wieder passiert:
"Wie zum Teufel..."
Dabei gibt es in meiner Geschichte gar keinen Teufel.

So etwas nervt, besonders, weil man es so oft vergisst. Fast dasselbe wie mit Charaktern, die ihre Hand verlieren und dann...  ::)

Na ja, meistens handelt es sich bei mir um Dinge oder Personen (falls man den Teufel als Person werten will). Die müssen dann einfach ersatzlos gestrichen werden, und statt "Wie zum Teufel" heißt es dann "Wie, verdammt noch mal..."

Ich habe auch vor, mir eine Liste von Wörtern anzulegen, die ich öfter verwende, aber nicht verwenden darf. Dann kann ich mit Word ganz einfach danach suchen und es dann ersetzen.

Ansonsten eben das gute, alte Synonymewörterbuch. Das in Word ist zwar praktisch, wenn man nur aus Wort draufklicken muss, aber leider sehr unvollständig. ich hatte doch mal eines neben dem Schreibtisch liegen... *kram**such* *bemerkt, dass sie am anderen Ende der Welt ist, wo sie nicht einmal einen Schreibtisch hat* *flucht*

Es kommt natürlich auch darauf an, wie strickt man das sehen will. Verbannt man nur Ausdrücke wie "Cool/besch***/krass" oder so, oder nimmt man es ganz genau?
Da muss man sich dann auch das Ausmaß der ganzen Sache überlegen. Ist es dauerhaft, wirkt diese auf altertümlich getrimmte Sprache auf den Leser nämlich eher ermüdend, als dass es so viel, hm, Lokalkolorit verleiht. ;)

Elena

Moni

Gerade brauche ich eine Alternative zu dem Wort "Hindernisparcours"... und es darf nicht "Hindersnislauf" sein...  ???

Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
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Stefan Quoos, WDR2-Moderator

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Johann Wol

Lomax

Es lohnt sich durchaus, diese ungeschriebene Regel zu "altertümlicher" bzw. "Fantasysprache" mal zu hinterfragen. Denn was angeblich zum Flair beiträgt, vermittelt in Wirklichkeit oft ein ganz falsches Bild bzw. ist in sich geradezu paradox.

Beispiel, altertümliche Worte: Man kann davon ausgehen, dass die Sprache in einem tatsächlich mittelalterlichen Umfeld sehr viel derber sein müsste, als wir es heutzutage gewohnt sind - also echt voll krass, ey! Aber: Aus diesem Sprachniveau haben wir heutzutage kaum altertümliche Worte zur Verfügung, denn Dialekte und Soziolekte wandeln sich schnell und wurde früher noch sehr viel weniger schriftlich festgehalten, als das heute der Fall ist. Also, wenn wir heute noch ein altertümliches Wort kennen, dürfte es der Hochsprache entstammen und für den mittelalterlichen Bauern genauso unpassend sein, als wenn er plötzlich von Autos oder Flugzeugen spräche.

Eine Lösung für das Problem habe ich auch nicht wirklich, denn wenn man in einem mittelalterlichen Umfeld plötzlich modernen Slang einbaut, kämmt man die Lesererwartungen gegen den Strich, und das darf man nur mit Vorsicht tun. Aber man sollte schon genauer darüber nachdenken und nicht blindlings Kitsch produzieren - also nicht immer den glattesten Weg gehen.

Ähnlich ist es mit Titeln etc. in Fantasygeschichten: Da ist es manchmal schon rührend mitanzusehen, wie sich Autoren um irdische Bezeichnungen herumdrücken, mit der Begründung, dass es ja unglaubwürdig wäre, wenn es auf der Fantasywelt auch so hieße wie auf der Erde. Natürlich haben sie damit Recht. Aber auf ihrer Fantasywelt sprechen die Leute auch bestimmt kein Deutsch, und trotzdem tun das ihre Romanfiguren. Und eine Stadt wird im allgemeinen auch "Stadt" genannt, der Fluss "Fluss" - warum also Phantasienamen für Könige und andere Adelstitel, für bestimmte Waffen oder andere Dinge, die dem Autor zufällig eingefallen sind? Damit verleiht man seinem Roman gleich von Anfang an das Niveau einer schlechten Übersetzung.

Also, besser keine "dauerhaft auf altmodisch getrimmte Sprache", und keine krampfhafte Fantasysprache. Besser versuchen, "natürlich" zu klingen - auch wenn es dafür keine Patentrezepte und einfache Regeln gibt, sondern immer nur ein sorgfältiges Abwägen unter Berücksichtigung des Kontextes.

Manja_Bindig

Oder den Charakter der eben sprechenden Figur... wenn meine beiden Halbelfen von Natur aus so rotzfrech sind wie ich, kann ich sie keine Hochsprache reden lassen, da labern die eben frei von der LEber weg und gut... es sei denn, sie schalten(zur Abwechslung mal) ihr hirn, statt ihre Intuition ein.

Rei

#7
Hmm, ich sehe, ich stehe nicht ganz allein da mit meinem Problemchen.

Aber da sieht man mal wieder, wie eingefleischt man in seiner Sprache mit all den entliehenden Begriffen aus dem Englischen, Französischen, etc. ist. Früher hab ich mir nie so Gedanken gemacht, da hab ich einfach geschrieben und da war dann schon mal das ein oder andere Wort drin, was gar nicht paßte. Und wenn ich jetzt etwas ernsthafter schreiben möchte, dann fällt mir das so unheimlich schwer, eben weil ich nicht weiß, was die Leute damals an Wörtern zur Verfügung hatten. *seufz*

Ich habe hier zwei Bücher von A. M. Textor (seeeehr schönes Pseudonym). Einmal "Sag es treffender" und "Auf deutsch" (Fremdwörterbuch). Sie sind ganz hilfreich, und machen auch Word mehr als Konkurrenz. Aber - wie so immer - steht nicht alles drin. Oder ganz abgedrehtes Zeug, was in dem MOment nicht das ausdrückt, was ich sagen möchte.

Maja

Bewußt aufgefallen ist mir das erstmals, als ich seinerzeit an der "Flöte aus Eis" schrieb - Keil sollte sein Volk retten und fand diese Aufgabe "eine Nummer zu groß". Und ich dacht mir "Oho - meine Elfen kaufen Kleidung von der Stange?"
Seitdem hinterfrage ich jede Redewengung, ehe ich sie benutze, und habe ein tolles ethymologisches Wörterbuch für den Fall der Fälle. Bei der "Spinnwebstadt" habe ich mir furchbar einen abgebrochen, das Wort "Zigarette" zu vermeiden und achthundertfünfzig Seiten lang den Thesaurus malträtiert, das peinliche Ersatzwort "Stengel" wieder abgeschafft, noch bevor die Rechtschreibreform es plattmachte, und dann lieber durchgehend von "Kippen" gesprochen. Und um jetzt, beim Überarbeiten, wieder Zigaretten drauszumachen. Man kann es auch übertreiben.

Zustimmen möchte ich Lomax, was die Umgangssprache angeht - in jeder Zeit, Welt, Sprache gibt es Subkulturen mit Szeneklang. Und dann kann man von mir aus argumentieren, daß die doch eine ganz andere Sprache sprechen und folglich unsere Ausdrücke nicht kennen können - hallo, ich schreibe das Buch auf Deutsch, ich schreibe die Dialoge auf Deutsch, und wenn ich nicht einen ganz eigenen Slang entwickeln will (und auch da ist spätestens seit "Finnegan's Wake" das Rad bereits erfunden), nutze ich, was mir an Sprache zur Verfügung steht.
Problematisch ist hierbei IMHO jedoch die Kurzlebigkeit unserer Umgangssprache. Die Modeausdrücke wechseln schneller, als ein Ferkel blinzelt, und wenn ich welche davon in mein Buch einbaue, schaffe ich eine historische Einordnung in eines unserer Jahrzehnte, die ich gar nicht beabsichtigt habe. Als ich im Ruhrgebiet eingeschult wurde, sagten wir nicht "Klar", oder "Klaro", sondern "Klacki". Ehrlich. Sowas vergesse ich nicht. Wenn ich das Wort aber jetzt von Mowsal verwenden lasse, denken alle, die er erkennen "Klar, das war doch ... 1982", und plötzlich hängt mein Fantasyroman in einem Zeitrahmen.

Um das etwas zu umschiffen, habe ich eigene Modeworte gekührt. So wurde "mächtig" zu einem beliebten Ausdruck - schwarz ist eine mächtige Farbe, ich habe einen mächtigen Film gesehen, etc. So, wie man hierzulande heute vielleicht "krass" sagt. Oder was sagten wir früher? Ich weiß das gar nicht mehr. Nach meinem Fortzug aus dem Ruhrgebiet habe ich die Jugendsprache boykottiert. Also ab 1983 gehen da bei mir die Lichter aus. Ätzend? Geil? Cool? Aber was sonst noch war ...

@Monica: Bzgl. des Hindernisparcours: Gibt es denn in deiner Welt den Grundgedanken - man baut Hindernisse auf, und Kandidaten müssen sie in möglichst kurzer Zeit überwinden? Oder ärgert sich nur ein Charakter über Dinge, die ihm den Weg versperren? Meine Alifwin hätten in einem solchen Fall sicher nicht in Dimensionen von "Hindernisparcouren" gedacht. Sondern eher an die Folgen eines schweren Unwetters. Das heißt, nur ein anderes Wort für Parcour zu finden, reicht unter Umständen gar nicht aus.

Grundsätzlich bin ich heutzutage vorsichtiger mit Fremdwörtern und Zitaten - das damals die Dunklen zu Keil sagten "Der Flötenspieler hat neunundneunzig Punkte", war sicher witzig, ist aber inzwischen aus der Geschichte herausgekürzt. Sowas dürfen nur zwei Autoren: Peter S. Beagle und William Goldman. Allen anderen nehme ich das übel.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Moni

Zitat@Monica: Bzgl. des Hindernisparcours: Gibt es denn in deiner Welt den Grundgedanken - man baut Hindernisse auf, und Kandidaten müssen sie in möglichst kurzer Zeit überwinden? Oder ärgert sich nur ein Charakter über Dinge, die ihm den Weg versperren? Meine Alifwin hätten in einem solchen Fall sicher nicht in Dimensionen von "Hindernisparcouren" gedacht. Sondern eher an die Folgen eines schweren Unwetters. Das heißt, nur ein anderes Wort für Parcour zu finden, reicht unter Umständen gar nicht aus.
Das ist allerdings ein Argument... Mist.
Ich grübel mal drüber. Aber danke für die Anregung, manchmal sieht man einfach den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
und im weitesten Sinne auch von Dieter Bohlen[/i]
Stefan Quoos, WDR2-Moderator

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Johann Wol

Maja

#10
Mir ist noch etwas zum Thema "Sprachgebrauch" eingefallen. Nämlich eine kleine Anekdote. Also:

Ich liebe ja die Perspektivische Schreibweise - also, ich schreibe in der dritten Person, aber immer in einer klar umrissenen Perspektive. Und sollte mich daher bei der Wortwahl am Sprachgebrauch der jeweiligen Person orienieren. Ein düsterer Turm sieht in der Perspektive eines Zauberers anders aus als in der eines Trolls. Eine Prinzessin wird andere Worte wählen als ein Bettler. Und ein versoffener Söldner drückt sich anders aus als ein Engelsgeborener.
Und da setzte dann mein Problem ein, als ich aus Perspektive Juriks - ein Söldner in den dreißigern mit einem Alkoholproblem, der gerade einen kompletten Absturz durchgemacht hat - das letzte Kapitel von "Schwanenkind" schrieb. Das Kapitel fängt damit an, daß Jurik in der Kneipe wachwird, halb auf, halb unter dem Tisch, nach draußen wankt, sich in ein Gebüsch übergibt, im Rinnstein seine Notdurft verrichtet, den Kopf in die Pferdetränke taucht, und wieder reingeht, um weiterzutrinken.
Ich fing munter an, die Szene zu beschreiben, als ich mit meinem inneren Jurik in großen Konflikt geriet.

»Was schreibst denn da?« fragt Jurik mich.
Ich zeigt es ihm.
Er pöbelt mich an, weil ich vergessen habe, daß er nicht lesen kann. Ich lese ihm den Text brav vor.
Jurik sagt: »Nee. So nicht.«
Ich sage: »Tut mir leid, alter Freund, aber sieh den Tatsachen ins Auge. Du fühlst dich Scheiße, und du tust genau das, was ich hier schreibe.«
»Nein«, sagt Jurik. »So schreibst du das nicht.«
»Ach«, sage ich, »wie hättest du's denn gerne?«
»Erstmal«, sagt Jurik, »übergebe ich mich nicht. Ich muß kotzen.«
Ich winde mich. Das Wort sieht geschrieben noch unschöner aus, als er klingt. Das schreibe ich so nicht. »Du ... erbrichst dich?« schlage ich vor.
»Ich kotze«, sagt Jurik. »Wenn ich kotzen muß, dann kotze ich. Und vor allem verbringe ich dann keine Zeit damit, schöne Worte dafür zu suchen.«
Ich seufze, meinen Text vor Augen. Ich bin schon einen Halbsatz weiter. Da, wo er in den Rinnstein urinieren soll ...

Also lege ich Jurik und Schreibblock beiseite und rufe Monica an. Monica stimmt mir zu, daß man solche Worte nicht aufschreiben sollte. Aber es hilft nicht - ich bin in Juriks Perspektive, und irgendwie hat er ja Recht. Also rufe ich auch noch Christoph an. Der meint nur "Und wo ist jetzt dein Problem?"
Gut reden hat er, ist ja am Telefon, ich bin diejenige, die diese häßlichen Worte direkt vor sich hat.
Aber jetzt habe ich mich solange schon damit rumgeärgert - jetzt können das ruhig auch mal andere tun. Ohnehin wird Jurik in diesem Kaptiel noch genug Dinge tun, für das jeder Leser ihn hassen und verachten darf. So daß sich der Absatz jetzt so liest (Ich zitiere mal absichtlich den ganzen Absatz, damit die schmutzigen Wörter eingebettet sind in lauter hübsche):

ZitatSchwer zu sagen, was schlimmer war: Ein Kater oder Embers Gesicht. Oder überhaupt wieder aufwachen zu müssen.
»Ah ... Ihr seid wieder da ...« Weiter kam der Iltis nicht. Jurik stieß ihn beiseite und schleppte sich zur Tür. Er kotzte in ein Gebüsch, pißte in den Rinnstein und tauchte mit dem Kopf in die Pferdetränke, mehrmals, bevor er in den Schankraum zurückhumpelte. Stock. Irgendwo hatte er auch einen Stock. Verdammter Stock! Jurik ließ sich auf seinen Sitz zurücksinken. Nach dem Stock konnte er später immer noch suchen. Wenn überhaupt.
Aber wenn ich hier gegen meinen inneren Jurik verloren habe, so ist mir die Konsequenz daraus nun allzu klar: Niemals, niemals wird Jurik eine eigene Bettszene erhalten.
Niemand hantiert gern ungesichert mit kritischen Massen.
Robert Gernhardt

Rei

Oh Gott, ich hätte mich auch geweigert!

Aber dieses k-Wort klingt genauso, wie man sich fühlt. ;)

Astrid

Wie wärs mit "reihern"?  ;) Aber auf die Bettszene kann ich auch verzichten. *G*

Moni

Ohje, an dieses Telefonat erinnere ich mich... Klar, Jurik hat Recht, er wird sich kein beschönigendes Wort suchen wenn er sich seinen Mageninhalt noch mal durch den Kopf gehen läßt und sein Bier wegträgt, schön anzusehen ist das ja wirklich nicht.  8)

Ich weiß nicht, ob es nun heißt "reihern" oder "kotzen"... beides ist vulgär... Aber Jurik ist Soldat, da darf er ruhig vulgär sein.
Deutsch ist die Sprache von Goethe, von Schiller...
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Stefan Quoos, WDR2-Moderator

»Gegenüber der Fähigkeit, die Arbeit eines einzigen Tages sinnvoll zu ordnen,
ist alles andere im Leben ein Kinderspiel.«[/i]
Johann Wol

Rei

"Reihern" finde ich dann wieder etwas zu schwach in der Aussage. "Kotzen" trifft es dann wohl am Allerbesten.