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Ist das wirklich so schlimm?

Begonnen von maggi, 26. Januar 2008, 22:50:11

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maggi

Ich hab einen kleines Problem mit der Figurenbeschreibung. Show don't tell scheint ja von den meisten da besonder ernst genommen zu werden, aber irgendwie kann ich mit damit so gar nicht anfreunden.
Ich lese und schreibe einfach hundert mal lieber ein einfaches unkompliziertes "Paul war zwei Köpfe größer als David, hatte blonde Haare und ein ehrliches Lachen." als solche formulierungen wie "Mia strich ihre schwarzen Locken aus dem Gesicht und starrte Vincent mit ihren katzenartigen Augen an".
Wenn ich sowas lese, denke ich immer sofort "Ah, hier wollte mit der Autor also unauffällig mitteilen, wie die Figur aussieht.". Mag ich gar nicht. Dann schon lieber die gute, alte Spiegelszene.

Deshalb meine Frage: Ist das wirklich so schlimm, eine kurze Beschreibung (Steckbriefe à la. Er war groß, schlank,aber muskulös, hatte braune Locken, die er in einem Pferdeschwanz trug, grün-blau, freundliche Augen, volle Lippen und ein markantes Kinn" sind nicht so gut, das ist klar) zu liefern anstatt alles umständlich in irgendwelche Handlungen einfließen zu lassen?

THDuana

Hallo maggi,

bei den meisten finde ich es gar nicht so umständlich in die Handlung eingeflochten ;)

Es kommt natürlich mal wieder auf den Geschmack an, ganz klar. Ich habe es lieber, wenn ich mir erst einmal die Figur allein vorstellen kann, ohne gleich Merkmale vorgesetzt zu bekommen, die ich mir alle merken muss, um mir die Figur gleich auf Anhieb vorstellen zu können und die später nicht mehr so geballt bis fast gar nicht mehr beschrieben werden.
Hingegen sind kleine Beschreibungen nebenbei mir viel lieber. Dann sehe ich, dass da Handlung ist, denn sonst komme ich mir bei Umschreibungen so vor, als würde in einem Film das Bild angehalten werden, um alles genau an zu schauen und erst dann geht es weiter.
Außerdem bin ich kein Freund davon, die Figuren gleich ganz offen zu legen. Zumindest nicht alle immer gleich sofort. Auf mich wirkt das dann als Informationsballen, der den Text schnell für mich schwer macht.

saraneth

Hallo maggi,

also bei Beschreibungen kommt es wohl immer ganz drauf an. Manchmal sind diese "Sie strich sich die braunen Locken aus dem Gesicht und lächelte ihn aus katzenartigen Augen an"-Schilderungen vielleicht sogar passend. Wobei ich persönlich auch eher zu versteckten Hinweisen tendiere und diese auch lieber lese.

Was ich allerdings auch sagen muss, ist, dass ich mir zwar ein eigenes Bild von dem Chara bilden möchte, aber trotzdem wissen will, wie der Autor ihn sich vorgestellt hat. Mit Geschichten, in denen auf das Aussehen der Personen also gar nicht eingegangen wird (oder nur sehr wenig), kann ich nichts anfangen.

Deine bevorzugte Variante kann man natürlich anwenden und es ist jedem freigestellt die zu verwenden, die ihm am meisten zusagt, allerdings würde ich sie nicht bei jedem zu beschreibenden Charakter benutzen; das kann dann ebenso leicht den Effekt erzielen, den du bei der anderen Schilderung moniert hast.

Alles in allem würde ich dir eine nette Mischung aus Katzenaugen und einem ehrlichen Lachen empfehlen. ;)

Coppelia

#3
Es gibt ja tatsächlich ne Situation, in der man eine Beschreibung recht "steckbriefartig" schreiben kann, nämlich wenn die erzählende Figur einen Fremden zum ersten Mal sieht und dann genau in Augenschein nimmt. Zumindest täte sie das dann, wenn sie glaubt, diese Person würde noch wichtig für sie sein.
Aber wenn das Aussehen der Person schon bekannt ist, dann wirkt so eine steckbriefartige Beschreibung nicht gerade überzeugend, denn warum sollte jemand lang und breit über etwas berichten, was für ihn alltäglich und eigentlich nicht erwähnenswert ist? Das ist wohl das eigentliche Problem daran. Wer seine Geschwister 24 Stunden am Tag um sich hat, würde beim Erscheinen seines Bruders bestimmt nicht erstmal eine halbe Stunde über dessen Aussehen nachdenken.

Dass man sich die Haare aus dem Gesicht streicht, lässt mich auch immer denken, der Autor wollte mir was mitteilen - aber es geht auf jeden Fall subtiler. ;D Schön ist es immer, wenn andere Figuren Aussagen darüber machen, wie jemand aussieht. Da das aber nur relativ selten vorkommt, nutze ich jede Gelegenheit (meist macht man nur Bemerkungen, wenn jemand anders aussieht als vorher: "Mann, du siehst aber fertig aus!").

Ary

Hi Maggi,
wir hatten letztens im Forum "Federfeuer" (ein Textkritikforum von TZ-Mitglied Astrid, in dem auch einige TZler rumwuseln) eine ausgiebige Diskussion über Show, don't tell, und was es bedeutet udn vor allem, was es NICHT bedeutet.
das "tell" soll hier nicht, wie ich auch in dieser Diskussion gelernt habe, "erzählen" bedeuteten, sondern "behaupten, ohne zu beweisen".
Darum würde ich sagen, sind deine beiden Beispiele eher "tell" als "show", auch das Zweite, wobei das zweite in bestimmten Situationen lebendiger wirken kann, als das eiinfach so in den Raum gestellte "er sah so und so aus und benahm sich so und so".
Für mich kommt es auf die Situation an. Wenn ich es mit Menschen als Protagonisten zu tun habe, sind mir ausführliche Beshreibungen gar nicht so wichtig, da reicht es mir, wenn hin und wieder etwas zum Aussehen eingestreut wird, woder, wie Coppelia schrieb, gezeigt (!) wird, wie andere Protagonisten die Figur sehen.
Wenn der Autor aber ein nicht-menschliches Volk beschreibt, das er vielleicht sogar selbst entworfen hat und das für den Leser absolut neu ist, dann würnsche ich mir schon ausführlichere Beschreibungen. Ich habe nämlich gerade genau dieses "Poblem" mit dem selbstentworfenen Volk, und ich will natürlich, das die Vorstellung des Lesers von diesem Volk meiner sehr nahe ist und möglichst nichts verfälscht wird. Da beschreibe ich dann auch schon mal sehr ausführlich die besonderen Merkmale dieses Volkes im Sinn Deines ersten Beispiels.

LG,
Aryana
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Warlock

Wenn du das eine nicht magst, verbinde es einfach mit deiner Variante. Lasse ihn erst von einem Charakter äußerlich so beschreiben, wie du es möchtest. "Groß, muskolös, schwarze Haare, grüne Augen"
Falls du ein paar Angaben weglässt (das seine schwarzen Haare lockig sind), kannst du sie dann wirklich so in dem Dreh "Er strich sich die Locke aus dem Gesicht" miteinbringen.

Am Ende bleibt es jedoch dir selbst überlassen - das ist dein induvidueller Stil, bei dem dir niemand reinreden kann.

Lord Bane

#6
Zitat von: Warlock am 27. Januar 2008, 12:30:30
Am Ende bleibt es jedoch dir selbst überlassen - das ist dein induvidueller Stil, bei dem dir niemand reinreden kann.

Sehe ich auch so. Der Autor kann, soll und darf schreiben wie er will. Zwanghaft auf irgendwelche Regeln zu starren bringt eh nichts. Das Manuskript wird davon keinesfalls besser, sondern der Text wirkt gezwungener, weil der Autor meint, seinen eigenen Stil vergewaltigen zu müssen.


Feuertraum

Ganz ehrlich? Es kommt auf die Szene an.

Bei einem Show don`t tell würde ich nicht die Attribute hineinbringen, um die Person zu beschreiben, sondern um die Szene lebendiger zu gestalten (m.E. der wichtigste Zweck bei Sdt, abgesehen davon, dass man das Kapitel dadurch etwas mehr füllt...;))
Sich hinzustellen und zu sagen: Ich muß nun die Merkmale/die Beschreibung der Person in dieses System bringen ist mbMn eine Aussage von Leuten, die sich sklavisch an Schreibratgebern halten.

LG

Feuertraum
Ein Bekannter von mir liebt Bier so sehr - ich bekam als Schutzimpfung gegen Corona Astra Zenica, er Astra Pilsener ...

Amber

#8
Ich persönlich finde es bei Aussehen und Erscheinung nicht schlimm, wenn der Leser das erzählt bekommt - es sind Fakten, die in der Regel keinen Beweis benötigen, und die der Leser braucht, um sich die handelnden Personen vorstellen zu können.
Ganz anders sieht es mit Charaktereigenschaften und Werturteilen aus, die sehr viel weniger objektiv feststellbar sind. Wenn mir da einer z. B. erzählt, eine Frau wäre zänkisch und streitsüchtig, ohne dass sie im Buch mit je irgendjemandem Streit anfängt (das Beispiel stammt aus einem sehr mittelmäßigen Roman von Charlotte Link, "Die schöne Helena"), dann glaub ich das einfach nicht und fühl mich reingelegt. Das muss zumindest in einer Szene illustriert werden.

Termoniaelfe

ZitatSich hinzustellen und zu sagen: Ich muß nun die Merkmale/die Beschreibung der Person in dieses System bringen ist mbMn eine Aussage von Leuten, die sich sklavisch an Schreibratgebern halten.

Vilen Dank Feuertraum. Sie haben m.E. mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen.  ;)

LG
Termi

Julia

Ich möchte als Diskussionsanregung noch das Genre und die Perspektive mit einbringen:
Bei einem (Kurz-)Krimi ist es sicherlich angemessen, verschiedene Personen der Geschichte kurz und knackig darzustellen, vor allem, wenn es aus der Sicht eines analytisch denkenden Erzählers (Polizist, etc.) geschieht.
So à la "Meier war riesig, bestimmt zwei Köpfe größer als Kommissar Schmidt selbst. Und er hatte verdammt schlechte Zähne."
Ansonsten darf meiner Meinung nach ruhig etwas Zeit mit der Beschreibung gelassen werden. Kein Mensch lernt schließlich im täglichen Leben jemanden kennen und scannt ihn innerhalb von Sekundenbruchteilen von oben bis unten durch. Meist fällt doch eher etwas ins Auge (faktisch oder emotional), dass dann nach und nach ergänzt wird. Und wie der Autor dass dann ergänzt, sollte wieder mit dem Erzählstil und der Perspektive in Einklang gebracht werden.

Liebe Grüße,

Julia

Feuertraum

@ Julia: Dieser Aussage widerspreche ich (auch wenn man(n) schönen Frauen eigentlich nie wiedersprechen sollte): Wenn wir einen (fremden) Menschen ansehen, dann entscheiden wir in Sekunden, ob wir ihn sympathisch oder unsympathisch finden oder er auf uns neutral ist.
Und auf diese Art und Weise bilden wir auch ein (Vor)Urteil. Dieses wird dann revidiert, wenn man die betreffende Person dann näher kennt.
Nichtsdestotrotz wird das Aussehen dieser Person erstmal "gescannt".

LG

Feuertraum
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Grey

@Feuertraum

Und diese Aussage muss ich wiederum abschwächen.
Grundsätzlich stimmt es, dass wir uns innerhalb von wenigen Augenblicken dieses (Vor)Urteil bilden. Aber

1) beruht es mitnichten nur auf dem Aussehen der Person, sondern auch auf anderen Sinnesinformationen, die uns diese Person zukommen lässt (z.B. Geruch). Und vor allem wird es maßgeblich von nur unterbewusst aufgenommenen Informationen bestimmt. Ob jemand blond, dürr oder blass ist, also Eigenschaften, die einem sofort auffallen, spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Der charakteristische Körpergeruch eines Menschen (nein, nicht stinkender Schweiß! Das ist ein Extremfall!) gelangt im Normalfall überhaupt nicht ins Bewusstsein, und trotzdem ist er sehr wichtig für diese Entscheidung. Und

2) ist selbst dieser Scan, den Sie erwähnen (und der prinzipiell stattfindet, das will ich gar nicht bestreiten) sehr stark auf bestimmte Teilregionen konzentriert, das Gesicht zum Beispiel, oder eben herausstechende optische Eigenschaften der entsprechenden Person. Der Rest der Person wird nur sehr flüchtig gemustert. Und in sofern hat Julia damit Recht, dass bei einer ersten Begegnung eben nicht der gesamte Mensch im Detail erfasst wird, sondern dass man sich doch erst auf das Herausstechende konzentriert.

SemSimkin

Also ich habe es schon öfters vorgefunden, dass (gerade Krimi-) Autoren sehr bald ein Porträt ihrer Hauptfigur oder wichtiger Nebenfiguren vornehmen. Und zwar im wirklichen Sinne dieser Kategorie, also etwa : "... auch sein tiefschwarzes Haupthaar hatte der Zeit schon Tribut zollen müssen und hielt nun - unter beginnender Mellierung - einen Zustand aufrecht, den man mit etwas gutem Willen noch als hohe Stirn bezeichnen konnte." Das mag über 1-2 Seiten gehen und stört mich persönlich auch nicht, sofern mit offenen Karten gespielt wird.

 

Feuertraum

@ Grey: Prinzipiell gebe ich Ihnen da recht.
Ich will auch einräumen, dass Pheromene einen Einfluß nehmen (wobei die Frage ist, wie nahe ein Mensch dann sein muß, um ihn zu riechen).

Das "bestimmte Körperregionen" ist zwar richtig, wenngleich sich auch einiges im Unterbewußtsein abspielt (von wegen "gesunder Mensch zeugt gesunden Nachwuchs"), dennoch wage ich mal zu behaupten, dass man schon den ganzen Menschen anschaut (man mag mich als sexistisch hinstellen, aber ich stehe dazu zu sagen, dass auch ich bei einer Frau auf die Beine, auf den Allerwertesten, auf den Busen und ins Gesicht schaue)
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