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Pfui Teufel, weg mit den Redewendungen!

Begonnen von Nikki, 30. Mai 2020, 09:07:04

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Nikki

Wer Schreibratgeber um Schreibratgeber wälzt, ist wohl schon mal über das Gebot gestolpert, Redewendungen und andere Phrasen zu vermeiden. Jetzt muss ich mal eine Lanze für diese vermaledeiten Floskeln brechen, die scheinbar so vielen ein Dorn im Auge sind.

Redewendungen zeugen von dem Ideenreichtum einer Sprache und ihrer Sprecher*innen, außerdem bergen sie so viel historischen und kulturellen Subtext, dass der Verzicht darauf einer Geißelung des Wortwitzes und der sprachlichen Vielfalt gleichkommt.

Wenn Redewendungen wie die Faust aufs Auge passen, wenn sie das i-Tüpfelchen sind, das einer Szene, einem Dialog, einer Beschreibung den letzten Schliff verleiht, wieso sollte man dann darauf verzichten?

Authentizität und Originalität sind das A und O eines Textes, aber schließt das wirklich aus, auf Allgemeinplätze einer Sprache zurückzugreifen? Muss man ständig bei Null anfangen und die Sprache neu erfinden, um ins Herz der Leser*innen zu treffen?

Wie seht ihr das? Begleiten euch Redewendungen und Co auf Schritt und Tritt oder seid ihr einander spinnefeind?

FeeamPC

Wie immer- im Übermaß schlecht, fein dosiert Würze.

Federstreich

Es kommt auf meine Geschichte an. In meinem High Fantasy Roman, der in einer keltisch angehauchten Zeit spielt, würden solche Redewendungen nicht passen. In meiner Dystopie, die nur gute hundert Jahre in unserer Zukunft spielt, habe ich manche Redewendungen benutzt. Ich habe trotzdem darauf geachtet, es nicht zu übertreiben.

Leann

In Fantasyromanen kann man passende neue Redewendungen etablieren. Sowas macht mir Spaß und ich lese es auch gerne. Ansonsten geben Redenwendungen den Leser*innen etwas Vertrautes, woran sie sich orientieren können. Viele Redewendungen sind sogar so vertraut, dass man sie überliest und nicht näher darüber nachdenkt. Richtig übel finde ich falsche Redewendungen, zum Beispiel "Das schlägt dem Fass den Zacken aus der Krone" und "Das war der letzte Tropfen auf dem heißen Stein"(habe ich echt mal in einem Buch gelesen, und da waren noch mehr solche Klopper enthalten). Dann lieber weglassen, wenn es nicht unfreiwillig komisch werden soll.

Maubel

@Leann  :rofl: Ich fühle mich ertappt. Ich bin bei meinem Mann schon berüchtigt dafür, dass ich immer Redewendungen vermurkse. Keine Ahnung wieso, aber ich bringe die ständig durcheinander und er muss sie dann wieder gerade rücken.

Leann

 :rofl: Man kann das ja auch bewusst in den Roman einbringen. So als Running Gag.

Fynja

Ich vermurkse und verwechsle Redewendungen auch gern mal. :versteck:
Eine Balance aus bekannten Redewendungen und neuen, originelleren Formulierungen finde ich ganz gut, würde aber keinesfalls alle bekannten ganz weglassen. Diese haben nämlich auch eine kognitive Funktion: Was der/die Leser*in kennt, verbraucht beim Lesen weniger kognitive Kapazitäten, d.h. strengt weniger an und es bleiben mehr Kapazitäten, um beispielsweise auch über Figuren nachzudenken und der Handlung zu folgen. Originelle neue Formulierung können sprachlich total toll sein, aber wenn ein*e Autor*in nur solche benutzt, kann es dazu beitragen, dass nachher der Lesefluss nicht zustande kommt oder das Buch die geistigen Kapazitäten zu sehr erschöpft. Ob man das will, ist sicher auch je nach Genre unterschiedlich, aber sowas finde ich wichtig, im Hinterkopf zu behalten.

Sascha

Eigentlich ... sollte man doch die Sprache eines Fantasy-Romans so verstehen, als hätte man ein Buch übersetzt. Die reden und denken da in ihrer Sprache, man übersetzt es aber ins Deutsche. So, als würde man einen komplett zeitgenössischen Roman aus einer anderen Sprache übersetzen. Und auch da würde man doch Redewendungen übersetzen in deren Pendant, das der Leser versteht. Bei uns regnet es nun mal keine Katzen und Hunde, sondern aus Bindfäden – oder es gießt aus Kübeln. Auch, wenn man selbst einen Roman schreibt, der in England spielt.
Deshalb glaube ich, sowohl Redewendungen als auch sogar (in Maßen mit 'ß') Fremdwörter sollten durchaus erlaubt sein. Eben, weil es in gewissem Sinne eine Übersetzung aus Fantasy-Sprache in Lesersprache ist. Das mit aller Gewalt zu verhindern, kommt doof rüber. Bei Markus Heitz' "Die Zwerge" gerade fällt mir dieses krampfhafte Ersetzen von Tagen und Jahren durch "Umläufe" und "Zyklen" auf. Es stört beim Lesen. Und das sind noch nicht mal Fremdworte oder Redewendungen.

FeeamPC

Umläufe und Zyklen würde ich eher in einem SF-Roman auf einer Raumstation  erwarten.

Trippelschritt

Vermurkste Redewendungen? Herrlich, da gibt es so manche, die schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht.

Wie wär's mit: Das war der Tropfen, der die Lunte am Pulverfass zum Quellen brachte.
Oder: Er hatte keine Spur eines blauen Dunstes einer blassen Ahnung. (Die kam von unserem Deutschlehrer.)

Nach einem Abend allgemeinen Sprachblödelns kannte am Ende keiner mehr die richtige Formulierungen. Die kamen erst am nächsten Tag langsam wieder zurück.

Aber noch eine ernsthafte Erfahrung aus meinen frühen Schülerzeiten. Da lasen wir Wilhelm Tell, und ich konnte es nicht fassen, wie viele dumme Sprüche ich in diesem Werk fand. Sie hatten sich schon lange verselbständigt und den Klassiker verlassen, waren durch die hohle Gasse am falschen Ort gelandet, wo sie immer noch einen gerechten Sinn ergaben. Denn nicht umsonst schworten Tick, Trick und Track: Wir wollen sein ein einig volk von Brüdern. In keiner Not uns waschen und Gefahr.

Liebe Grüße
Trippelschritt

Miezekatzemaus

Grundsätzlich kann man Redewendungen schon nutzen, finde ich, denn wie du schon sagst, sind sie ja nicht umsonst zu Redewendungen geworden, sondern verfügen über diesen besonderen Sprachwitz. Ich lese gerade eine Reihe, in der die Protagonistin häufiger lateinische Redewendungen verwendet, was ja meistens doch eher gewollt aussieht, hier aber wirklich gut zu ihr beziehungsweise ins Gesamtbild passt.

Neue Redewendungen, gerade bei Fantasy, haben auch etwas für sich. (Kennt ihr zum Beispiel ,,Das Lied der Krähen" und ,,Das Gold der Krähen" von Leigh Bardugo? Da etabliert sich unter den Protagonisten der Spruch ,,Keine Klageweiber, keine Beerdigungen", wenn sie in eine gefährliche Situation aufbrechen, was ich sehr schön gemacht fand.)

Und last but not least streue ich in Deutschklausuren auch sehr gern Redewendungen ein, irgendwas passt eigentlich immer. ;D

FeeamPC

Wenn man dazu noch weiß, aus welchem klassischen Werk die stammen, kann der Deutschlehrer überhaupt nichts mehr dagegen sagen (im Gegenteil!)

Tasha

Zitat von: Miezekatzemaus am 31. Mai 2020, 11:13:15

Neue Redewendungen, gerade bei Fantasy, haben auch etwas für sich. (Kennt ihr zum Beispiel ,,Das Lied der Krähen" und ,,Das Gold der Krähen" von Leigh Bardugo? Da etabliert sich unter den Protagonisten der Spruch ,,Keine Klageweiber, keine Beerdigungen", wenn sie in eine gefährliche Situation aufbrechen, was ich sehr schön gemacht fand.)


Da schließe ich mich an. Wenn es gut gemacht ist finde ich neue Redewendungen in Fantasy Romanen, die zur jeweiligen Welt passen auch richtig gut. Und manche gehen ja auch in den normalen Sprachgebrauch über. Wie "Bei Merlin" in Harry Potter oder "Möge die Macht mit dir sein" aus Star Wars. Und bei "Game of Thrones" gab es da ja auch einiges.
Dein Beispiel @Miezekatzemaus finde ich aber auch riichtig gut. Kannte ich noch nicht.
(Habe ich zumindest auch so ab und zu schon gehört.)
We are all in the gutter, but some of us are looking at the stars (Oscar Wilde)

Trippelschritt

Meine Lieblingsredewendung aus Klausuren ...
In diesem Fall Limnologie:
"Als den Fischen dann das Wasser bis zum Halse stand ...

Zwar kein Fantasy, aber dafür besonders bildhaft.

Trippelschritt

Alina

Ich schließe mich Fynja an. Natürlich ist eine interessante und abwechslungsreiche Sprache wichtig. Aber noch wichtiger finde ich, dass der Text flüssig lesbar bleibt. Redewendungen haben eben den Vorteil, dass sie dem Leser vertraut sind und er sofort versteht, was gemeint ist.

Ich habe schon Texte gelesen, in denen ich das Bemühen des Autors, Redewendungen ganz zu vermeiden und durch neue, originelle Formulierungen zu ersetzen, nur als anstrengend empfunden habe.
Bei derartigen Formulierungen bin ich dann oft hängengeblieben, weil ich erstmal erfassen musste, was dieser Vergleich/dieser Formulierung jetzt ausdrücken soll. Da war der Lesefluss für mich dann unterbrochen.

Dazu kommt, wie Miezekatzemaus sagt, dass Redewendungen eben nicht umsonst Redewendungen geworden sind, sie treffen oft die Sache sehr gut auf den Punkt. Eigene Formulierungen sind sicherlich origineller, aber nicht zwangsläufig besser.

Eigene Redewendungen neu zu etablieren finde ich auch super, aber damit es eine Redewendung wird, muss man sie oft genug wiederholen. Deshalb glaube ich nicht, dass man in einem Roman viel mehr als zwei oder drei neue Redewendungen etablieren kann.