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Prämisse vs. Botschaft

Begonnen von Aphelion, 19. September 2019, 22:10:41

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Aphelion

Dieser Diskussionspunkt kam in einem anderen Thread am Rande auf – und ich finde diese Frage zu interessant, um sie untergehen zu lassen:

Ist die Prämisse einer Geschichte für euch dasselbe wie die Botschaft der Geschichte?




Ich selbst bin unentschieden und würde noch am ehesten sagen, dass beides unterschiedliche Betrachtungsweisen darstellt: Die Prämisse betrachtet die Geschichte aus Autorensicht, die Botschaft aus Lesersicht. Die Prämisse ist vor dem Text da, die Botschaft entsteht durch die Gesamtheit des Textes.  :hmmm:

... allerdings gibt es auch Autoren, die ihre Prämisse erst beim Schreiben entdecken, was dem letzten Satz widersprechen würde. Wobei beim Schreiben vieles durcheinandergehen kann, insofern ist die Reihenfolge für die Unterscheidung zwischen Prämisse und Botschaft vielleicht auch nicht so wichtig?

caity

Für mich ist die Prämisse die Grundlage der Geschichte. Für jede Geschichte gibt es davon genau eine.
Botschaften hingegen kann es mehrere in einer Geschichte geben, deshalb ist das für mich nicht dasselbe. Die Botschaften einer Geschichte zu erkennen finde ich auch deutlich schwerer als die Prämisse festzulegen.
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Jen

Die Prämisse kann auch eine Frage sein (,,Was wäre, wenn ..."), also nicht nur eine Botschaft.
Guilty feet have got no rhythm.

Aphelion

@caity
Das sehe ich persönlich anders; ich würde sogar behaupten, dass eine Geschichte mehrere Prämissen benötigt, um nicht zu seicht zu geraten – es sei denn, du packst mehrere Bausteine zusammen und zählst alle nur als eine Prämisse. Umfasst eine Prämisse für dich also mehrere Aspekte oder auch nur genau einen?

@Jen
Guter Punkt! Wobei...  :hmmm: Die Botschaft wäre in dem Fall quasi die Antwort auf die Was-wäre-wenn-Frage? Demnach wären Prämisse und Botschaft nicht dasselbe, aber schon verwandt? Oder meintest du das anders?

Jen

Die Antwort steht (zumindest bei mir) nicht in der Prämisse, also sehe ich die Botschaft eher in der Zeile ,,Thema" des Exposés.
Guilty feet have got no rhythm.

Fianna

#5
So wie ich die Prämisse verstanden habe, ist es ein zugrunde liegendes Axiom, aufgestellt vom Autor, das im Laufe der Geschichte widerlegt oder meist bestätigt wird.
Zum Beipiel:
Niemand kann alleine ein Held sein.
Hirn ist wichtiger als Muskeln.

Oder was Pfiffigeres und Eleganteres, das waren nur die ersten Beispiele, die mir einfielen.

Die Botschaft ist etwas ganz anderes, z.b. "Das Böse ist niemals ganz besiegt", oder so etwas. (Wobei das so vage klingt, dass es sich grundsätzlich auch als Prämisse eignet. Mir fällt gerade leider kein richtig gutes Beispiel ein.)

Ich plotte niemals mit Prämissen. Vielleicht weil ich eine Art dauerhaft geltende Prämisse gefunden habe, die ich immer einbaue - vielleicht kann ich auch mit dem Konzept grundsätzlich nichts anfangen oder bin zu doof.

Die Idee, dass ich immer die gleiche Prämisse benutze, ohne es zu merken, kam mir recht spät.
Man kann also auch mit einer Prämisse arbeiten, ohne es zu merken. Oder sie ist sofort mit dem ersten vagen Konzept, das einem einfällt, mit dabei.

Aphelion

@Jen
Danke für die Klarstellung.

@Fianna
Bei deinen Beispielen sehe ich keinen Unterschied zwischen Prämisse und Botschaft. Dass es sich dabei um unterschiedliche Begriffe handelt, ist klar; die Frage ist mMn eher, ob es auch gravierende inhaltliche Unterschiede gibt. Ich würde wie gesagt beides nicht gleichsetzen, aber ich sehe schon eine enorme Ähnlichkeit - gerade bei deinen Beispielen und nicht nur, weil das Beispiel für eine Botschaft vage ist. Auch die Prämissen-Beispiele könnten genauso gut die Botschaften sein.

Du hast ja Prämisse kurz definiert - wie würdest du eine Botschaft davon abgrenzen? Du hast jetzt nur geschrieben, sie sei für dich etwas ganz anderes – aber was? :)

Zitat von: Fianna am 19. September 2019, 23:51:32
Die Idee, dass ich immer die gleiche Prämisse benutze, ohne es zu merken, kam mir recht spät.
Solange die Geschichten unterschiedlich genug sind und die Prämisse ausreichend Variationsmöglichkeiten hergibt, kann das ja durchaus ein "Markenzeichen" sein.

Fianna

Ich glaube, am einfachsten wäre es, das an einem Beispiel durch zu exerzieren...
Aber grundsätzlich ist für mich der Unterschied, dass die Botschaft explizit an den Leser gerichtet ist. Die Prämisse fällt für mich eher in die Werkzeugkiste. Sie gehört zum Grundgerüst der Geschichte, ist aber nicht immer so deutlich für den Leser sichtbar.

Zit

Was die Theorie angeht, bin ich mit dem Begriff "Botschaft" noch nie in Berührung gekommen. Rein vom Sprachgefühl her würde ich dem ersten Teil des Eröffnungspost aber zustimmen: Prämissen sind die Maßstäbe, die Autoren nutzen. Eine Botschaft ist in erster Linie das, was jeder Leser sich selbst aus der Geschichte zieht. Insofern können die Botschaften von LeserIn zu LeserIn stark variieren oder sich sogar völlig widersprechen. (Und selbst wenn ich mich als AutorIn hinsetze und versuche, aus Lesersicht Botschaften herauszufiltern und u.U. mir unliebige abzuändern – alle kann ich nicht finden.)
"I think therefore I am
getting a headache."
Unbekannt

Elona

Grundsätzlich bin ich ganz bei euch. Aber eine Prämisse kann auch die Botschaft sein, eben dann, wenn der Autor sie zum Grundthema seines Buches macht. Ob die dann gut umgesetzt ist und ankommt sei mal dahingestellt. (Und natürlich kann es auch mehrere Botschaften daneben geben.)

Ich denke, es kommt also stark auf das Buch im einzelnen an. 

Trippelschritt

Beide Begriffe sind leider vieldeutig und nicht definiert. Aber es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen Prämisse und Botschaft.

Die Prämisse ist etwas, as vor dem Schreiben des Romans steht, eine Proposition. Laos Egris macht es sich leicht, indem er Prämisse als etwas bezeichnet, das Absicht, Thema, zugrunde liegende Idee, Ziel, Absicht, treibende Kraft, Gegenstand, Plan, Plot und Grundemotion einbezieht. Das habe ich jetzt einfach mal aus James Frey abgeschrieben, in dem man auch noch andere Vorschläge findet. Aber all diesen Definitionsversuchen ist eines gemeinsam: Die Prämisse ist die Kraft die den Schreiber am Schreiben hält, das, was ihn ursprünglich gekitzelt hat, genau diese Geschichte schreiben zu wollen. Dass sich dieses Gefühl auch erst später einstellen kann, nachdem man bereits 50 Tralala-Seiten geschrieben hat, macht nichts. Die Prämisse hat also viel mit Grundidee und Motivation zu tun, die dem Roman auch eine bestimmte Form oder Richtung und damit bedeutung gibt.

Mir persönlich gefällt eine Formulierung von Robert McKee sehr gut. Die Prämisse ist die Idee, die den Wunsch des Autors auslöst, eine Story zu erschaffen. Und er stellt ihr die beherrschende Idee (controlling idea) gegenüber, die für die ultimative Bedeutung der Story sorgt.

Der Begriff "Botschaft" taucht in der Schreibhandwerksliteratur nicht auf. Jedenfalls habe ich sie nicht gefunden, was ja nicht unbedingt etwas heißt. Sie ist ein viel weiterer Begriff und steht im Zusammenhang mit Wörtern wie Aussage oder auch Message. Ich nehme gern ein Verständnis aus der Rhetorik und habe da immer mit vier Botschaften gearbeitet. Die erste hat der Redner im Kopf, die zweite ist die, die er formuliert, die dritte ist die, die das Ohr der Hörer erreicht, und die vierte, die auf die es letztlich ankommt, ist die, die im Gehirn der Hörer landet und vorher alle möglichen filter hat passieren müssen, denn die Hörer hören meist nur das, was sie hören wollen. Und diese vier Botschaften sind unterschiedlich und für viel Kommunikationswirrwar verantwortlich.

Für mich hat eine Botschaft einen Absender und einen Adressaten.

Da der Mensch so konstruiert ist, dass er überall Muster zu erkennen versucht, entdeckt er auch überall Botschaften. Und ich glaube, dass das die Ursache für das Missverständnis im erwähnten Thread verantwortlich war. Man kann also unter Botschaft auch das verstehen, was einem aus einem Roman heraus, einem Bild, einem Musikstück einem beliebigen piece oft Art oder aus der Schönheit der Natur heraus anspricht. Je lauter der Ruf, desto klarer die Botschaft. Nur - solche Botschaften wurden nie vom Autor abgesendet. Zumindest nicht bewusst, obwohl möglich ist, dass sein Unbewusstsein spricht.

Wenn ein Autor eine Geschichte vom Typ "Was passiert, wenn ich das und das annehme ...", die in SF und Fantasy häufig auftritt, schreibt, hat er im Normalfall keine Botschaft. Er ist an der Reaktion seiner Leser oder an deren Gedanken interessiert. Wenn ein autor etwas abbilden möchte oder schlichtweg unterhalten, dann schreibt er keine Botschaften, obwohl der Leser welche findet. Aber Menschen finden überall Botschaften, und mache autoren sind Meister darin, ganze Bündel von Botschaftsvorschlägen oder Interpretationsmöglichkeiten anzubieten. Und dann geht es um Aussagen und Bedeutungen, was etwas völlig anderes ist als eine Prämisse.

Eine Definition dieser beiden Begriffe kann ich also auch nicht anbieten, aber eine Menge eigener Gedanken habe ich schon dazu.

Liebe Grüße
vom Trippelschritt

caity

@Aphelion:
Ich will gar nicht behaupten, dass meine Definition richtig ist, aber so habe ich bislang "Prämisse" verwendet und verstanden. Die "Prämisse" ist etwas, das der*die Autor*in vor der geschriebenen Geschichte bewusst oder unbewusst festlegt, eben "vorausschickt" (praemittere). Ich könnte mir als Prämisse von Harry Potter beispielsweise vorstellen: "Ein junger Zauberer vernichtet mit Hilfe seiner Freunde einen bösen Zauberer, der nach Unsterblichkeit giert." Ob das die Prämisse war, mit der Rowling gearbeitet hat, weiß ich jetzt natürlich nicht, aber das wäre eine Möglichkeit. Und natürlich stecken hier verschiedene Aspekte drin, aber längst nicht alle, die sich dann auch im Buch wiederfinden.

Die Botschaften, die dann im Buch stecken, sind vielseitiger. Das könnte zum Beisiel sein "Freundschaft überwindet alle Hindernisse" oder "Gib niemals auf, auch nicht im Angesicht des Todes" oder eben - um mal auf den Ursprung dieser Diskussion zurückzukommen - "Eine bestimmte Gruppe von Menschen/Wesen ist (moralisch?) besser als eine andere". All das sind Botschaften, die in einer Geschichte enthalten sein können, ganz unabhängig davon, welche Prämisse der Geschichte zugrunde liegt.

Insofern sehe ich auch einen inhaltlichen Unterschied von Prämissen und Botschaften. M. E. kann es zwar Berührungspunkte geben, das muss aber nicht der Fall sein und trifft i. R. auch nicht auf alle Botschaften einer Geschichte zu. Das hängt aber natürlich besonders davon ab, wie ich "Prämisse" verstehe.
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Fianna

Prämisse ist ein sehr unterschiedlich verwendeter Begriff.
So, wie ich es versucht habe oben zu erklären, ist das nach der Definition von Frey. Er ist berühmt für seine(n) Schreibratgeber, Romane kenne ich nicht von ihm und sein Konzept des Prämisse-Plottens konnte mich nicht überzeugen.

Das hätte ich oben vielleicht direkt dazu sagen sollen  :versteck: ich hatte den Eindruck, der Begriff ist so stark von ihm geprägt, dass sich jeder mit dem Wort "Prämisse" auf sein Konstrukt bezieht...

Trippelschritt

Ich habe die Definition von Egri auch aus dem Frey abgeschrieben, und das Gute an seinem Schreibratgeber Band 1 ist, dass er auch noch andere Stimmen zu Wort kommen lässt. Das zeigt wie unterschiedlich Prämisse verstanden werden kann. Aber in einem Punkt sind sich viele einig; die Prämisse startet vor der Geschichte an sich.

Und auch sonst teile ich Deine Meinung. Zumindest in Deutschland kennt man ihn kaum, und ich persönlich konnte auch mit seinen Schreibratgebern nicht viel anfangen, weil meine Arbeitsweise einfach eine andere ist. Da passt Frey nicht. Nicht seine Schuld.  ;D
Aber die Bedeutung der Prämisse in den Vordergrund gerückt zu haben, ist wohl sein Verdienst.

Liebe Grüße
Trippelschritt


Judith

Zitat von: caity am 19. September 2019, 22:24:42
Für mich ist die Prämisse die Grundlage der Geschichte. Für jede Geschichte gibt es davon genau eine.
Botschaften hingegen kann es mehrere in einer Geschichte geben, deshalb ist das für mich nicht dasselbe. Die Botschaften einer Geschichte zu erkennen finde ich auch deutlich schwerer als die Prämisse festzulegen.
Finde ich interessant, dass du das schreibst. Bei mir ist es nämlich genau umgekehrt: Ich finde es relativ einfach, Botschaften in einer Geschichte zu erkennen bzw. festzulegen. Dagegen habe ich das Konzept der Prämisse selbst nach Lektüre diverser Schreibratgeber und vieler Diskussionen hier im Forum nicht verstanden. Ich kann für keine meiner Geschichten die Prämisse finden (wohl aber verschiedene Botschaften) und erkenne auch keine in Büchern, die ich lese. Zumindest nicht im Sinne von "einer" Prämisse. :hmmm: