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Füllwörter und Adjektive

Begonnen von Ary, 05. Dezember 2007, 16:34:15

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Lennard

@Grey

ZitatDie Verwendung oder Nicht-Verwendung von Adjektiven macht noch lange keinen Stil. Weder einen guten noch einen schlechten.

Du sagst es und ich stimme dir zu. Deine Ausführungen stehen nicht im Widerspruch zu meinem Beitrag – ganz im Gegenteil.

Wenn ich die obigen Beiträge lese, stelle ich fest, das wir im Grunde alle einer Meinung sind. Für wahr, der unbedachte Gebrauch von Adjektiven kann sehr schädlich sein. Um beim Leser mit Hilfe von Adjektiven ein bestimmtes Feeling zu erwirken, muss der Autor diese auch ,,mit Gefühl" einsetzen. Da stimmen wir vollkommen überein. Oder wie ich bereits schrieb: das ,,Wie" ist entscheidend.
Ich bin weder ein Adjektivbefürworter, noch ein kategorischer Adjektivhasser. Ich halte es nur für falsch, die Verwendung von Adjektiven grundsätzlich zu verteufeln. Wenn sie ,,gekonnt" eingesetzt werden (unabhängig von ihrer Anzahl), dann sind sie eine Bereicherung.

@Lomax

Selbst die erste Textfassung finde ich nicht schlecht. Wenn das ein Text ist, den du dir mal eben so, ganz spontan, aus den Fingern gesogen hast, kann ich nur sagen: Respekt. Natürlich würde auch ich das etwas anders schreiben, einige Adjektive streichen, hier und da etwas umstellen etc. Ich möchte mich gerne an dem besagten ,,Mittelmaß" versuchen. Ob meine Fassung besser ist, mögen andere beurteilen, aber es ist auf jeden Fall anders:

,,Aus dem tiefen Dunkel kroch er langsam hervor, dem Schein des wild lodernden Feuers entgegen. Er war gestaltgewordene Pein. Sein Haupt zierte ein Kranz aus spitzen Dornen, gülden und blutbetaut. Seine grässliche Fratze starrte vor Zähnen, die jedem Raubtier Ehrfurcht gebietete und seine aufwärts gerichteten Augen waren schwarzer Schlund. Stets wurde sein Name, wenn überhaupt, nur flüsternd ausgesprochen, doch der beschwörende Gesang war nun unüberhörbar, selbst in seinem bodenlosen Kerker, in dem er seit unzähligen Äonen gebannt gewesen war, und der Dämon folgte dem Ruf. Als seine gewaltigen Klauen in den Boden stiessen und er sich Zoll um Zoll höher zog, wurde es fürchterliche Gewissheit – Neraleth, der Fürst der Schmerzen, war los."

Lomax, ich hoffe, du verzeihst, das ich einige Sätze umgebaut und hier und da andere Wörter verwendet habe. Eigentlich interessiert mich nur, ob die Verwendung der Adjektive bei dieser Version ein erträgliches Maß darstellen.

@zDatze

ZitatEinen guten Stil definiere ich nicht als ein fortwährend gleiches Muster, bei dem ich die Adjektive und Füllwörter zähle, sondern als "Melodie" die sich weiterentwickelt. Da dürfen dann auch mal einige Adjektive mehr ausgepackt werden.

Wirklich schön und treffend formuliert.  :jau:

Lomax

So, wie die Diskussion sich jetzt entwickelt hat, scheinen doch alle Anwesenden einen Grundkonsens gefunden zu haben: Adjektive an sich sind nicht schlecht, sondern grundsätzlich positiv. Man kann nur einiges dabei falsch machen. Daher sollte man nicht darauf achten, wie viele von ihnen es gibt, sondern was für Arten, was sie also aussagen, wie sie klingen, wie gut sie passen ... wie diese Adjektive also beschaffen sind; und womöglich noch, wofür und wo man sie verwendet.
  Ich habe in den letzten Aussagen nichts mehr gehört, was nicht irgendwie zu dieser Zusammenfassung passen würde - nur womöglich unterschiedliche Ansichten, wo man jeweils die Grenzen zieht.
  Ich frage mich, ob man das als Konsens aus der Adjektivdiskussion mitnehmen kann, oder ob die Leute, die eine radikale Gegenposition vertreten würden, seither einfach nicht mehr mitgelesen haben ???

Immerhin findet man in vielen Schreibwerkstätten im Internet ja noch die radikale und undifferenzierte Position: "Wenn du ein Adjektiv siehst, schlag es tot" (wörtliches Zitat, das ich in dem Zusammenhang mal gelesen habe). Und ich denke, diese Position war es auch, die Aryana bei ihrem ersten Post hier im Hinterkopf hatte.
  Und damit hätte Aryanas Frage dann doch eine einhellige, wenn auch sehr allgemeine Antwort gefunden - die ich jetzt wie folgt formulieren würde: Ein Adjektiv ist per se nicht bis zum Beweis des Gegenteils gut oder schlecht. Wenn ein Kritiker es gestrichen haben will, muss er das auch im konkreten Einzelfall begründen können - und er kann nicht automatisch vom Autor verlangen, dass er vor ihm die Verwendung des Adjektivs rechtfertigt.

Lennard

Yepp, das unterschreibe ich so  :)

Ary

ZitatImmerhin findet man in vielen Schreibwerkstätten im Internet ja noch die radikale und undifferenzierte Position: "Wenn du ein Adjektiv siehst, schlag es tot" (wörtliches Zitat, das ich in dem Zusammenhang mal gelesen habe). Und ich denke, diese Position war es auch, die Aryana bei ihrem ersten Post hier im Hinterkopf hatte.
Ja, ganz genau. Und irgendwie hat mich das immer geärgert, darum wollte ich wissen, wie der Tintenzirkel zu diesem Thema so denkt.

Sonst habe ich zu Lomax' Beitrag eigentlich nur noch eins zu sagen: Amen!  ;D
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Julia

Ich überlege schon seit einiger Zeit, ob das Bedürfnis einiger Autoren, ihre Texte komplett mit Adjektiven zu überladen, ein Phänomen der heutigen Zeit ist. Ein möglicher Grund könnte dabei unser Fernsehzeitalter sein - es werden keine Geschichten mehr erzählt, sondern Filmsequenzen beschrieben, und zwar in allen (unwichtigen) Einzelheiten.
Wie seht ihr das?

Liebe Grüße,

Julia

Linda

Zitat von: Julia am 16. Dezember 2007, 11:41:46
Ich überlege schon seit einiger Zeit, ob das Bedürfnis einiger Autoren, ihre Texte komplett mit Adjektiven zu überladen, ein Phänomen der heutigen Zeit ist. Ein möglicher Grund könnte dabei unser Fernsehzeitalter sein - es werden keine Geschichten mehr erzählt, sondern Filmsequenzen beschrieben, und zwar in allen (unwichtigen) Einzelheiten.
Wie seht ihr das?

Liebe Grüße,

Julia

Hallo,

Ja, genauso ist das, sehe ich ähnlich. Viele Schreiber sind ja auch vom Typ her Autoren, die einen inneren Film ablaufen sehen und den mit dem Leser teilen möchten. Ich will das nicht abwerten, mir geht es aber eben nicht so, weil ich keine Bilder sehen, sondern das mit einem anderen äh Autorensinn wahrnehme, der die Worte quasi gleich ins Hirn pustet (auch beim Lesen übrigens). 
Die Filmtechnik hat viele Duftmarken hinterlassen. Bei den Schreibschulen wird häufig auf Drehbuchtechniken oder für diesen Bereich maßgebliche Leute wie Campbell verwiesen. Thriller haben eine ähnliche Schnittfolge wie Actionfilme.
Tatsächlich sehen auch viele Leser ein Buch als "billige und transportable" Alternative zum Filmgucken und es ist für sie das höchste Lob, wenn sie ein Buch preisen, das wie ein Film funktioniert.
Ich sehe diese Entwicklung zumindest zwiespältig. Einerseits kann man sich den Gewohnheiten der Leser nicht verschließen, andererseits bietet ein Buch doch viel mehr (vor allem Innensicht und die Möglichkeit auf einen eigenen Film im Kopf, wenn die Phantasie angeregt, aber nicht zugekleistert wird)

Gruß,

Linda

Cailyn

Aus der Versenkung geholt...

In meiner letzten Überarbeitungswut mache ich gerade einen Schlenker in das Thema Adjektive. Ein....ähm schwieriges Thema, bei dem ich dazu neige, etwas trotzig zu werden. Ich verstehe, dass es Leute gibt, die es lieber puristisch mögen. Das ist vollkommen ok. Aber ich gehöre nicht dazu. Ich liebe blumige Formulierungen (solange sie nicht abgedroschen sind), und ich mag lange Sätze. Aber Adjektive und lange Sätze ist heutzutage schon fast eine Beleidigung für die Leserschaft.  :seufz:

Nichtsdestotrotz versuche ich immer, Argumente gegen Adjektive zu verstehen. Aber es gelingt mir nicht.

Wenn ich hier in diesem alten Thread jene Beispiele durchlese, die aufzeigen, wie man es nicht machen soll, dann bejahe ich diese sofort. Stimmt. Ihr habt Recht. Klingt furchtbar. Aber seien wir ehrlich, Lektoren sind da viel, viel strenger. Ihnen geht es nicht um diese ganz grausamen Beispiele wie ,,In einem finsteren dunklen Tal zwischen den düster dunklen Bergen", sondern es geht um viel subtilere Satzstellungen.

Mark Twain ist ja z.B. der Meinung, jegliche Arten von Adjektiven könne man skrupellos streichen. Seine Worte: ,,Wenn du ein Adjektiv siehst, dann erschieß es!"

Doch was sind denn nun die guten Argumente dafür? Ich halte es für reine Geschmacksache. Ich bin bestrebt, viele meiner Adjektive dem Bedürfnis der Mehrheit zu opfern, die sich offenbar von zu vielen Adjektiven belästigt fühlt. Aber ich opfere sie mit zusammengepresstem Kiefer. Es widerstrebt mir, weil ich dann etwas tue und den Grund dafür gar nicht kenne.

Ich mache einen grossen Unterschied, wann ich Adjektive benutze und wann nicht.  Vor allem um Landschaften, körperliche Empfindungen und Gefühle zu beschreiben, sind Adjektive doch ein wunderbares Instrument, sofern dazwischen auch noch eine Menge andere Worte stehen. 

Und oftmals benutze ich Adjektive auch vom Klang her, um eine Aussage noch zu unterstreichen. ,,Ein zischelndes Flüstern" (einmal sch und einmal s) hat doch schon mal eine ganz andere Wirkung, als wenn ich nur schreibe ,,ein Flüstern"? Solche Wortklänge sind doch schliesslich auch kohärent mit der Atmosphäre, die ich hier schaffen will.

Mich stören dann dafür andere Sachen, die kaum irgendwo angesprochen werden. Zum Beispiel finde ich es nicht so schön, wenn man zu viele Substantive benutzt. Vor allem dann nicht, wenn es um emotionale Szenen geht. Zu viele Substantive schaffen eine unerwünschte Distanz. Und in einem Buch kann Distanz zum Leser kein Ziel sein.
Worauf ich damit hinauswill? Wenn man Adjektive streicht, ist man dafür gezwungen, mehr Substantive oder Verben zu benutzen. Verben sind gut. Immer. Aber Substantive gefallen mir in erhöhter Quantität noch viel weniger als Adjektive. Dennoch opfern viele ihre Adjektive für mehr Substantive. Ist das Mode? Findet das jemand gut? Mögen das Leser/-innen?

Und noch etwas, was ich hier im Thread gelesen habe. Adjektive sollen dem Leser zu viel vorkauen.  ??? Auch da bin ich komplett anderer Meinung. Natürlich soll den Lesenden das eigene Denken überlassen werden. Es gibt doch nichts Schöneres, als dem Leser die Möglichkeit zu geben, zwischen den Zeilen etwas zu entdecken, eigene Schlüsse zu ziehen und vielleicht über den Inhalt zu philosophieren. Aber doch nicht die Atmosphäre in einem Buch! Ich darf und soll doch eine Atmosphäre schaffen, diese aufbauen und in bunten Farben schildern, um damit indirekt die Handlung zu unterstreichen, oder nicht? Ich meine, wenn das nicht so wäre, warum schreiben wir denn überhaupt? Soll dem Lesenden einfach alles offen gelassen werden, damit er sich Setting, Aussehen der Protas und Atmosphäre selber aussuchen kann? Klar, das ist jetzt ein wenig überspitzt. Aber eine schöne Beschreibung eines Wetterzustandes oder einer Bergspitze ist doch jetzt nichts, was den Leser entmündigt, selber zu denken? Das ist doch ein Service, den ich dem Leser biete, damit er sich in der Geschichte einleben und wohler fühlen kann. Meine Meinung. Natürlich erwarte ich als Leserin, dass das Beschreibende wirklich originell rüberkommt. Floskeln und bekannte Metaphern gehören da nicht hin. Aber wenn jemand mit ein paar gut ausgewählten Adjektiven den Tau im ersten Sonnenstrahl wohlklingend beschreiben kann, dann holt mich der Schreibende doch genau dort ab.

Habe fertig. Wenn jemand mir also ein wirklich plausibles Argument gegen Adjektive geben kann (nicht die gängigen mit Horrorbeispielen), dann freue ich mich auf diesen Input.

Christian Svensson

Ich denke, ohne Adjektive geht es nicht. Das Problem, dass ich aber in vielen Büchern, die ich lese, immer wieder sehe, ist ihre Unspezifik. Genau wie bei Verben gibt es spezifische und unspezifische Adjektive und während ich oftmals bemerke, dass Autoren sich bei den Verben Mühe geben und ein starkes, passendes verwenden (also z. Bsp. Schreiten statt Gehen), wird die gleiche Mühe bei Adjektiven nur selten aufgewendet.
Vielleicht liegt es auch an den Berührungsängsten auf Grund der Vorgabe im Hinterkopf, keine Adjektive zu verwenden. Aber wie will ich zum Beispiel eine Farbe nenen, ohne ein Adjektiv zu verwenden? Es substantivieren? Wirkt oftmals gekünstelt.
Beispiel: "Sie trug ein grünes Kleid."
"grün" ist hier wie gehen. Es gibt olivgrün. moosgrün, resedagrün.

,,In einem finsteren dunklen Tal ..."

Wie finster? rabenschwarz, stockfinster, nachtdunkel.

Es gibt Synonymwörterbücher und z. Bsp. in Papyrus Autor ist es nur ein Klick mit der rechten Taste. Ich denke, dass die Verwendung von Adjektiven mit Verstand UND mit Mühe durchaus erlaubt ist. Ist halt mit Arbeit verbunden.

Thaliope

Ich habe in einem Stilratgeber die für mich recht einleuchtende Richtlinie gelesen, dass man Adjektive nur dann verwenden soll, wenn sie wirklich eine zusätzliche Information übermitteln. Sonst nehmen sie dem Wort, das sie näher beschreiben sollen, oft die eigene Kraft.

Beim "grünen Kleid" ist das Adjektiv gerechtfertigt. Bei einer grünen Wiese wird es schon fraglich. Klar kann sie auch von der Sonne braungebrannt sein, die Wiese. Dann wäre es erwähnenswert. Aber das "grün" denkt man sich bei Wiese ja eigentlich schon mit, wenn nichts anderes dabeisteht.
Jeder hat ein Bild von einer Wiese im Kopf, jeder kann sie sich vorstellen, ohne dass man ihm dazu sagen muss, dass sie grün ist. Schreibt man das Adjektiv aber dazu, wird das Bild eher noch eingeschränkt, auf die Farbe fokussiert, und somit verliert das Wort Wiese selbst seine Blümchen, die Kaninchenlöcher, die einzelnen Grashalme, die sich im Wind wiegen.

Oft kann man das, was man mit Adjektiven sagen will, auch anders ausdrücken, was die Sprache weniger statisch und damit lebendiger und Variantenreicher macht. Das Flüstern muss nicht zischend sein, es kann selbst zischen :) Was hat mehr Kraft, ein wütender Schrei, oder ein Wutschrei? Adjektive sind oft die einfachste Lösung, eine Suche nach Alternativen kann die Sprache und den eigenen Stil bereichern. Aber wo sie hingehören, da sollen sie natürlich auch stehen. Meine Meinung :)

LG
Thali

Cailyn

Bardo,
Ja, damit kann ich schon mal was anfangen. Danke.

Thaliope,
Ja, die grüne Wiese ist ja klar. Das ist häufig wirklich überflüssig, es sei denn, man schreibt von einer Wüste und plötzlich kommt da eine grüne Wiese. Da kann man das grün wählen, um den Kontrast zur Wüste (oder die Unlogik?) hervorzuheben.
Allerdings: Beim wütenden Schrei und Wutschrei bin ich schon wieder ganz anderer Meinung. Was soll an einem Wutschrei stärker oder besser sein als an einem wütenden Schrei? Mir ist das nicht klar. Für mich klingt Wutschrei viel plumper, so vom Klang her, und das Wort gefällt mir auch nicht so. Auch klingt es nicht stärker. Nur anders und weniger nach meinem Geschmack. Wie gesagt, ich bin dagegen, Adjektive mit Substantiven zu ersetzen, denn ich halte das für weniger elegant. Wenn schon, dann sowas wie: Er schrie, bis ihm die Kehle brannte (wenn man schon das Adjektiv weglassen will). Aber gerade in Dialogen ist das nicht so zutreffend. Was will man denn schreiben bei ",schrie er wütend" ? Würdest du da dann schreiben ",antwortete er mit einem Wutschrei" ?  :hmmm:

Sunflower

Gerade dieses "Er schrie, bis ihm die Kehle brannte" finde ich persönlich besser als jeder Schrei+Adjektiv. Denn mit so einer Beschreibung hast du nicht nur drin, dass er laut und wütend, sondern auch laut schreit und dass er offenbar so wütend ist, dass er seine ganze Kraft und Ausdauer in diesen Schrei legt.
Das Wort "Wutschrei" hat meiner Meinung nach mehr Kraft, ist kompakter und es schwingt gerade dieses "Rohe" mit, das Wut eben auch ist. Aber wie ich das jetzt in den Text integrieren würde, ist eine ganz andere Frage ...

Ich denke, man sollte Adjektive nicht grundsätzlich aus dem Text verbannen, aber so wenige wie mögliche verwenden. Lieber viel so beschreiben wie das Schreien, bis die Kehle brennt. Zum Beispiel. Ich finde solche Sätze oft anschaulicher, aber wenn die sich häufen, ist der Text auch irgendwie ...
Wahrscheinlich muss jeder für sich seine Balance finden. Früher habe ich andauernd Adjektive verwendet, das wurde bei mir auch kritisiert und jetzt überlege ich vor jedem Adjektiv: Brauche ich das wirklich? Und erst, wenn ich keinen anderen Ersatz finde, nehme ich das Adjektiv. Ich glaube, man muss sich einfach bewusst werden, wann man ein Adjektiv verwenden will und nicht einfach so munter welche in den Text schreiben. Aber dann ist es schon okay, ab und zu ein Adjektiv fallen zu lassen.
"Why make anything if you don't believe it could be great?"
- Gabrielle Zevin: Tomorrow, and tomorrow, and tomorrow

Thaliope

Zitat von: Cailyn am 05. Februar 2014, 12:10:09
Was soll an einem Wutschrei stärker oder besser sein als an einem wütenden Schrei? Mir ist das nicht klar. Für mich klingt Wutschrei viel plumper, so vom Klang her, und das Wort gefällt mir auch nicht so. Auch klingt es nicht stärker. Nur anders und weniger nach meinem Geschmack. Wie gesagt, ich bin dagegen, Adjektive mit Substantiven zu ersetzen, denn ich halte das für weniger elegant. Wenn schon, dann sowas wie: Er schrie, bis ihm die Kehle brannte (wenn man schon das Adjektiv weglassen will). Aber gerade in Dialogen ist das nicht so zutreffend. Was will man denn schreiben bei ",schrie er wütend" ? Würdest du da dann schreiben ",antwortete er mit einem Wutschrei" ?  :hmmm:


Nö, würde ich nicht. Das wäre ja auch eine ganz andere Aussage. Nur statt "Er stieß einen wütenden Schrei aus" würde ich schreiben, "Er stieß einen Wutschrei aus." oder auch "Er schrie vor Wut." Das ist für mein Empfinden kürzer und geballter und verläuft sich nicht so. Es gibt Leute, die sagen, dass aus der wörtlichen Rede selbst hervorgehen sollte, wie derjenige etwas schreit. Aber gegen ein gelegentliches "schrie er wütend" hätte ich persönlich auch nichts einzuwenden.

Aber das soll ja auch nur ein konkretes Beispiel dafür sein, dass es oft andere Wege gibt, die man in Erwägung ziehen kann. Wenn man dann trotzdem zu dem Schluss kommt, dass das Adjektiv immer die bessere Wahl ist, muss man es wohl so machen, wie man es für richtig hält :)

LG
Thali

Alana

#87
Adjektive sind nicht böse, aber der Autor drückt sich damit oft um die Mühe, ein aussagekräftiges anderes Wort (z.B. Verb) zu finden, oder wiederholt nur etwas, was eh schon im Satz steht. Inquitformeln an sich sollte man ja schon vermeiden, diese auch noch kombiniert mit Adjektiv sollte man möglichst sparsam verwenden. Ich verwende Inquitformeln eigentlich fast nur noch dann, wenn ich möglichst unauffällig zeigen muss, wer gerade spricht, oder wenn ich einen langen Satz in direkter Rede unterbrechen will, um den Text aufzulockern.

Beispiel:

"Ich hab dich gesehen", sagte er leise. (Leeres Verb + Adjektiv, nicht schön, kann man aber machen, wenn man flüstern schon oft verwendet hat, oder so, aber besser ist, es zu vermeiden.)
"Ich hab dich gesehen", flüsterte er. (Aussagekräftigeres Verb, aber die Info kommt halt erst, nachdem der Satz gesagt wurde.
Er senkte die Stimme. "Ich habe dich gesehen." (Möglichkeit, ohne Inquitformeln zu arbeiten.)

Das Ziel bei der Löschung der Adjektive ist, den Text direkter zu machen, und Gefühle und Stimmungen schon in der Handlung auszudrücken, anstatt sie zusätzlich zu erklären. Wenn man aussagekräftigere Wörter benutzt, braucht man oft einfach keine Adjektive mehr. Der Text kann dadurch schneller beim Leser ankommen.

Dazu kommt, dass für einen Perspektivjunkie wie mich ein "Du ast sie ja nicht mehr alle", schrie er wütend. schon ein Perspektivbruch sein kann.

Wenn man in seinem Kopf steckt, dann kann man das doch besser zeigen:

Wut ballte sich in seinem Magen zusammen. "Du hast sie ja nicht mehr alle!"

Wenn man findet, dass die Inquitformel besser wirkt, fände ich schöner:

"Du hast sie ja nicht mehr alle!", brüllte er. (Ich finde schreien an sich einfach kein schönes Verb und die Wut braucht man dann nicht mehr zu erwähnen.)







Alhambrana

Cailyn

Zitat von: Alana am 05. Februar 2014, 12:32:10
Das Ziel bei der Löschung der Adjektive ist, den Text direkter zu machen, und Gefühle und Stimmungen schon in der Handlung auszudrücken, anstatt sie zusätzlich zu erklären. Wenn man aussagekräftigere Wörter benutzt, braucht man oft einfach keine Adjektive mehr. Der Text kann dadurch schneller beim Leser ankommen.
Ich bin ganz deiner Meinung, dass ein Text direkt sein soll. Aber Adjektive in Substantive umzuwandeln bewirkt genau das Gegenteil. Es wirkt viel distanzierter, wenn ein Substantiv benutzt wird. Diese Aussage hab ich jetzt nicht erfunden. Das ist aus der Kommunikationspsychologie bekannt. Wenn z.B. jemand verbal angegriffen wird, ist es nur eine natürliche Reaktion, dass der Angegriffene vermehrt Substantive benutzt, um sich von der Aussage des Senders zu distanzieren. Hier ein Beispiel:
Angreifer: "Sie haben diese Präsentation absolut unreif präsentiert, Herr Kollege."
Der Angegriffene: "Das ist Blödsinn. Die Präsentation war einwandfrei." (...viel distanzierter, als wenn er entgegnen würde: "Das macht mit wütend. Ich habe es einwandfrei präsentiert.")
Auch ganz typisch ist es doch bei Politikern. Die Reden ja auch sehr Substantiv-lastig, um alles zu generalisieren, pauschalisieren - es schafft eine Distanz, damit man nicht nur ein einzelnes Individuum erreicht, sondern eine grosse Masse. Man hört ja oft so Parolen wie "Die Wirtschaft wird an Auftrieb gewinnen, liebe Bürger!" oder sowas in der Art. Man will da bewusst nicht auf einen einzelnen zeigen, sondern das Gros ansprechen. Dadurch wirkt ein Politiker auf der sachlichen Ebene und hält sich selber als Mensch zurück. Das hat zur Folge, dass man auch unverbindlich bleibt. Sprich, man macht Versprechungen, vage Aussagen, "weite" Begriffe. Für die Politik also ganz geeignet. Aber nicht für ein Buch. Da will ich dem Leser doch das Messer zwischen die Rippen schieben!  ;D

Wie gesagt, ich bin immer dafür, lieber ein Verb anstatt ein Adjektiv zu wählen. Aber bei Substantiven bin ich wirklich abgeneigt. Cryphos hat das sehr treffend gesagt: Das ist die Beamtisierung unserer Sprache. I do not like... :-\

Alana

Es geht dabei auch nicht um Substantivierung, denn die ist meist auch sehr unschön, da stimme ich zu. Es geht nicht mal um Kürzung, der Text kann sogar länger werden, wenn man ein Adjektiv streicht und die Qualität anders beschreibt. Eigentlich sind Adjektive einfach nur Telling. Telling kann auch sinnvoll sein, genauso wie Adjektive sinnvoll sein können. Aber Showing ist meistens besser. Ich bin dafür, lieber zu zeigen, was man mit einem hingeklatschten Adjektiv sagen will.
Alhambrana