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Füllwörter und Adjektive

Begonnen von Ary, 05. Dezember 2007, 16:34:15

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zDatze

Ich hoffe ich drifte jetzt nicht allzuweit vom Thema ab!

Wie jemand seinen Roman schreibt - mit Adjektiven und Füllwörtern oder ohne -, ist jedem selber überlassen, wobei man ja natürlich (wenn man erfolgreich sein will) sich den Lesern gewisserweise "anpassen" sollte bzw die Leser sich dem Stil anpassen.

Ein Beispiel: Früher als ich 13 Jahre alt war, verschlang ich regelrecht jedes Hohlbein Buch  und jetzt empfinde ich es als Zumutung soetwas zu lesen. Der Stil der mir einst so gefiel, kommt mir jetzt plump vor - veraussehbar und überhaupt nicht fesselnd. Die Stimmung ist (für mich) einfach verloren gegangen. (Freunde von mir vergöttern die Bücher.)
Was mich am meisten störte, waren einfach die überflüssigen Wörter und Beschreibungen. Also die Adjektive und Füllwörter.

Ich erklär mir das irgendwie damit, dass ich einfach durch das Lesen anderer Literatur anspruchsvoller geworden bin. Wobei ich aber andererseits Der Herr der Ringe alles andere als umwerfend fand, obwohl die Bücher anspruchsvoll sind.

Also, was ich damit sagen will ist, dass sich der Leser genauso wie der Schriftsteller weiterentwickelt. Der Stil ändert sich und somit auch die Stimmung, die dadurch übermittelt wird (für mich hängen diese beiden Begriffe einfach zusammen).
Einen guten Stil definiere ich nicht als ein fortwährend gleiches Muster, bei dem ich die Adjektive und Füllwörter zähle, sondern als "Melodie" die sich weiterentwickelt. Da dürfen dann auch mal einige Adjektive mehr ausgepackt werden.  ;D

Grey

Zitat von: Lennard am 12. Dezember 2007, 23:16:27
Der Roman muss einfach nur fesselnd geschrieben sein – Adjektive hin, Adjektive her.  ;)


Einfach nur? Na du bist ja ein Spaßvogel ... :)

Nein mal im Ernst. Ich denke auch nicht, dass der Satz "Das Adjektiv ist böse" als Dogma zu betrachten ist, sondern vielmehr als Warnung. Sicher gibt es gute Autoren, die viele Adjektive verwenden, und sicher gibt es auch Leser, denen das gefällt. Allerdings macht es sehr wohl einen Unterschied, ob ich Adjektive einfach zu beschreibenden Zwecken einsetze oder ob ich sie wirklich bewusst und in einem vielleicht völlig neuen Kontext verwende, um meinem Stil ein bisschen Pfiff zu verleihen.

Wenn Goldman in seiner "Brautprinzessin" also schreibt

Die Nacht war sehr lang und sehr grün.,

dann macht das ungleich mehr her als wenn er formulieren würde

Butterblume konnte vor Eifersucht die ganze Nacht nicht schlafen.,

und das trotz der zwei Adjektive im ersten Beispiel.

Natürlich macht das nur Sinn, nachdem er vorher erklärt hat, warum grün die Farbe der Eifersucht ist, aber für solche Definitionen sind uns als Autoren ja keine Grenzen gesetzt ;)

Was ich damit sagen will: Man kann sich hier groß über Stil unterhalten, um damit seine geliebten Adjektive zu rechtfertigen, aber man sollte dabei eines nicht vergessen: Die Verwendung oder Nicht-Verwendung von Adjektiven macht noch lange keinen Stil. Weder einen guten noch einen schlechten.

Lord Bane

Ich frage mich langsam, woher eigentlich die Ansicht kommt, dass Adjektive schlecht sind. Steht das in irgendeinem Schreibratgeber, den ich nicht kenne  ???

@ Lennard
Du hast selbstverständlich völlig Recht. Kein Leser, der noch alle Tassen im Schrank hat, wird einen Roman nach der Anzahl der Adjektive bewerten, das machen wohl nur verhinderte Möchtegernschriftsteller.


Grey

Da möchte ich jetzt mal tatsächlich widersprechen.

Wenn einem Leser der Schreibstil eines Buches nicht gefällt, dann kann das sehr wohl daran liegen, dass zu viele Adjektive drin sind. Da Adjektive nämlich durchaus die Gefahr mit sich bringen, Sätze unnötig aufzublähen und ordentlich Tempo aus dem Erzählfluss zu nehmen (merke: ich habe gerade *nicht* gesagt, dass das immer der Fall ist, wenn ein Adjektiv auftaucht!). Dieser Leser hat dann natürlich nicht akribisch die Adjektive gezählt, aber er hat sie irgendwie wahrgenommen. Auch wenn er nicht benennen kann, was ihn am Stil gestört hat, können es immer noch genau diese Adjektive sein, die unbewusst zu dem Urteil geführt haben. Und wir sind wieder beim gleichen Ergebnis.

Wie schon gesagt, das Adjektiv an sich ist sicher nicht schlecht, an vielen Stellen sogar notwendig, sonst hätte es sich ja auch in der Sprache nicht durchgesetzt. Aber ein Berg von Adjektiven ist nun mal meist nicht die eleganteste Lösung, und ich finde es für einen Autor auch nicht zu viel verlangt, sich mal über Alternativen den Kopf zu zerbrechen.

Ary

*zustimmendes Nicken zu Grey*
Mit den Adjektiven ist es wohl wie mit Metaphern und vergleichen - wenn sie zu ausgelutscht und zu häufig verwendet worden sind, dann wirken sie klischeehaft und öde. Coppelias "rasiermesserscharf" ist so ein Beispiel. Oder die typischen "goldblonden Locken" und "veilchen-bzw. himmelblauen Augen" der Heldin oder Geliebten des Helden. Argh!
Das "grün"-Beispiel ist dagegen sehr originell und witzig, da wirken die Adjektive nicht aufblähend oder störend.
Einfach mal machen. Könnte ja gut werden.

Lord Bane

Eigentlich sollte der Autor überhaupt keine sinnlosen Wörter verwenden, egal ob es Adjektive, Verben, Adverbien, Substantive usw. sind  ;D. Meiner Ansicht nach ist ein Wort dann sinnvoll, wenn der Satz ohne es, nicht verständlich wäre oder einen ganz anderen Sinn ergäbe.

Und ich bleibe dabei: Die Anzahl der Adjektive alleine sagt nichts über die Qualität eines Textes aus.


Viele Grüße,
Lord Bane

Grey

Zitat von: Lord Bane am 13. Dezember 2007, 11:34:22
Und ich bleibe dabei: Die Anzahl der Adjektive alleine sagt nichts über die Qualität eines Textes aus.

Da widersprichst du dir aber gerade selbst ;)
Denn wenn man zu viele Adjektive verwendet, sind zwangsläufig auch sinnlose dabei ... ::)

Lord Bane

Fragt sich nur, wer festlegt, wann ein Text zu viele, zu wenige oder genau die richtige Anzahl Adjektive enthält. Ich als Leser habe noch nie einen Text wegen Adjektiven gut oder schlecht gefunden. Frei nach dem Motto "Hach ja, Story ist zwar Mist, aber das mit den Adjektiven macht der Autor ja ganz gut."

Viele Grüße,
Lord Bane

Linda

Leute, Leute, jetzt muss ich mich wohl doch von meinem Krankenlager erheben und mich zu Wort melden.

Es geht nicht um Adjektive, nicht um eine mathematische Menge an zuviel, um eine Formel oder eine goldene Regel, sondern um überflüssige Adjektive. Also das, was der Lektor wegstreichen würde, weil es den Text weder inhaltlich noch stilistisch weiterbringt, sondern beim Lesen (auf Dauer) einfach nur nervt.

"Die Nacht war dunkel und finster und es wehte ein eisiger, frostklirrender Wind durch das kleine Tal, das wegen der hoch aufragenden Felswände sehr beengt und lichtlos war."

So, ich als Lektorin würde jetzt die aussagekräftigeren Adjektive stehenlassen und die doppelten Worte streichen. Allerdings kann man das ein oder andere durchaus als verstärkendes Element gedoppelt stehen lassen. Es ist ein Text und kein Abzählreim.* Manches fließt trotzdem gut und je nach gewählter Stilebene, nach Genre und nach Zielpublikum ist das dann und wann, also gelegentlich und in einigen Fällen  ;) ok. Aber nicht zwei Adjektive vor jedem Hauptwort in jedem Satz und immer. Es ist nicht schlimm, wenn Dinge beschrieben werden (wie umfangreich, darüber darf es geteilte Meinungen geben, so wie es auch verschiedene Autoren- und Leserpersönlichkeiten gibt). Schlimm ist es, wenn Dinge doppelt und dreifach mit verschiedenen, nicht ganz passenden, also knapp daneben liegenden Worten (klar soweit?)beschrieben werden. Wenn der Pfeil also einmalig die Mitte der Zielscheibe trifft und sie nicht bloß bei mehreren fast erfolgreichen Versuchen einkreist.

Gruß,

Linda


* (ja ein Sprachgefühl kann und muss ein (angehender) Autor tatsächlich erarbeiten, wenn er es sich nicht schon von Kindesbeinen an erlesen hat. Aus Schreibbibeln lässt sich eben nicht alles einfach herausziehen).

Lord Bane

@ Linda

Danke, genau mein Reden  :jau:


Viele Grüße,
Lord Bane

Grey

Hmm ... genau das habe ich ja versucht zu sagen ... ich frage mich, wo du mich dann falsch verstanden hast ...? ???

Lomax

Hier wurden ja einige Beispiele angeführt, die aber sämtlich berühmt & bewährt waren, was es schwierig macht, damit zu arbeiten - und es leicht peinlich wirken lässt, zu behaupten, wenn sie anders geschrieben wären, hätten sie (heute) (noch) mehr Erfolg (gehabt). Also werfe ich mal ein ganz zweckfreies Beispiel in den Raum, oder vielmehr ein Beispiel, das ich einfach zum Zweck der Adjektivbetrachtung geschrieben habe ... und stell danach mal ein paar provokante Fragen, damit nicht alle im luftleeren Raum diskutieren müssen, sondern am konkreten Beispiel zeigen können, wo die Grenze zwischen viel/zu viel/zu wenig liegt, zwischen persönlichen Stil und unmöglichem Stil, zwischen ... was auch immer.
  Im ersten Textbeispiel habe ich einfach mal jedes Adjektiv reingesetzt, dass mir einfiel und noch irgendeinen Sinn haben könnte. Im zweiten habe ich alles weggelassen, was man weglassen konnte, ohne dass eine völlig sinnloser Satzteil entsteht. Dann und wann habe ichs auch umformuliert, damit's auch ohne Adjektiv noch passend klingt - aber der Fokus der Formulierungsunterschiede liegt stets nur auf den Adjektiven:

Beispiel 1: "Aus dunklen, lichtlosen Tiefen kroch er langsam empor, Neraleth, der grässliche Dämon der Schmerzen. Sein machtvolles Haupt war geziert von einem Kranz nadelspitzer und messerscharfer Dornen, deren goldene Spitzen im rötlichen Widerschein von oben blutig schimmerten, seine grauenerregende Fratze starrte vor Raubtierzähnen, und die schwarzen, unergründlichen Augen hielt er aufwärts gerichtet. Er stieß die gewaltigen Klauen in den bröckeligen, losen Grund und zog sich Zoll um Zoll höher, dem Schein der flackernden Feuer entgegen und den eindringlichen, beschwörenden Gesängen, die ihn riefen und ihm den Weg aus dem bodenlosen, doch sengenden Kerker wiesen, in den er seit ungezählten Äonen gebannt gewesen war."

Beispiel 2: "Aus dunklen Tiefen kroch er empor, Neraleth, der Dämon der Schmerzen. Sein Haupt war geziert von einem Kranz von Dornen, deren Spitzen rötlich schimmerten, seine Fratze starrte vor Zähnen, und er schaute seinem Ziel entgegen. Er stieß die Klauen in den Grund und zog sich Zoll um Zoll höher, dem Schein der Feuer entgegen und den Gesängen, die ihn riefen und ihm den Weg aus dem Kerker wiesen, in den er seit Äonen gebannt gewesen war."

Welches dieser Beispiele ist nun "besser"?
  Welches ließe sich besser verkaufen?
  Je nachdem, wie die Antwort zur ersten Frage ausfällt - lässt sich der Qualitätsunterschied oder ein nicht vorhandener Qualitätsunterschied überhaupt an den Adjektiven festmachen?
  Drücken die Adjektive hier Stimmung aus? Kann man daraus eine Frage des persönlichen Stils machen? Oder ist es eher eine allgemeine Stil- und Handwerksfrage?
 
Wer Lektor spielen will, mag fröhlich daran herumbasteln. Ähnlichkeiten zu anderen Textbeispielen, die der ein oder andere womöglich schon gehört hat, sind rein zufällig ;) Aber dieses "Basteln" und die Fragen in dem Zusammenhang sind tatsächlich Dinge, die eine Lektoratsrelevanz haben und nicht immer so leicht und ideologisch zu beantworten sind, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben mag.

Lord Bane

Tja, ich finde beide Texte auf ihre Weise misslungen. Der eine hat zu viele Adjektive, der andere zu wenige. Wie Linda schrieb, macht es eben die richtige Mischung, wobei es dafür keine Regeln gibt. Was sich besser verkaufen ließe, kann ich nicht beantworten.
Lektor spielen werde ich mit diesen Absätzen garantiert nicht, hab mit meinen eigenen Sachen genug zu tun ;D.

Viele Grüße,
Lord Bane

Lomax

Zitat von: Lord Bane am 13. Dezember 2007, 15:22:50Tja, ich finde beide Texte auf ihre Weise misslungen. Der eine hat zu viele Adjektive, der andere zu wenige.
Aber du würdest auf jeden Fall davon ausgehen, dass die Adjektive das zentrale Problem sind? Also, sagen wir, mit der Hälfte der Adjektive würde ein gelungener Text daraus?

Coppelia

Ich mag das Wort "geziert" nicht, wenn wirklich nicht die Rede davon sein kann, dass etwas dekorativ oder schön wirkt. ;D Das stört mich in beiden Texten eigentlich am meisten.
Was am oberen Text auf jeden Fall anschaulicher ist, ist das "blutig", allein "rötlich" bringt das feuchte Aussehen dieser Dornendinger nicht rüber ...
Viele der von dir verwendeten Adjektive sind jetzt vermutlich absichtlich klischeebelastet: nadespitz, messerscharf, grauenerregend, unergründliche Augen usw. Aber das Textbeispiel ist schon sehr lustig. *amüsier* Der Inhalt ist ja auch schon so klischeebelastet, dass es schwierig ist, von einem "Qualitätsunterschied" zu sprechen. Das würde ja mal wieder die Frage nach der Qualität von Kunst, Literatur und Fantasy aufwerfen, und da gibt es bekanntlich so viele Meinungen, wie es Leute gibt.
Wobei ich manchmal glaube, dass Klischees dem Verkauf nicht schaden - vielleicht sogar im Gegenteil. Weiß ich nicht genau. Finde ich vielleicht auch nie heraus.