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Füllwörter und Adjektive

Begonnen von Ary, 05. Dezember 2007, 16:34:15

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Kalderon

#60
Zitat von: Lomax am 13. Dezember 2007, 14:24:07
Wer Lektor spielen will, mag fröhlich daran herumbasteln.

Ich will Lektor spielen.

Zitat von: Lomax am 13. Dezember 2007, 14:24:07
Beispiel 1: "Aus dunklen, lichtlosen Tiefen kroch er langsam empor, Neraleth, der grässliche Dämon der Schmerzen. Sein machtvolles Haupt war geziert von einem Kranz nadelspitzer und messerscharfer Dornen, deren goldene Spitzen im rötlichen Widerschein von oben blutig schimmerten, seine grauenerregende Fratze starrte vor Raubtierzähnen, und die schwarzen, unergründlichen Augen hielt er aufwärts gerichtet. Er stieß die gewaltigen Klauen in den bröckeligen, losen Grund und zog sich Zoll um Zoll höher, dem Schein der flackernden Feuer entgegen und den eindringlichen, beschwörenden Gesängen, die ihn riefen und ihm den Weg aus dem bodenlosen, doch sengenden Kerker wiesen, in den er seit ungezählten Äonen gebannt gewesen war."

Meist reicht ein Adjektiv aus. Zwei hintereinander, die eine ähnliche Bedeutung haben, wirken oft unnötig aufgeblähend. Zudem sollte man abgegriffene und oft verwendete Adjektive vermeiden. "Dunkel" ist eines davon. "lichtlos" ist weit interessanter.

Adjektivreiche Texten können schön sein, wenn die Adjektive schön sind. ;)

So, hier der ganze Text noch einmal ohne die durchgestrichenen Adjektive:

Zitat von: Lomax am 13. Dezember 2007, 14:24:07
Beispiel 1: "Aus lichtlosen Tiefen kroch er empor, Neraleth, der Dämon der Schmerzen. Sein machtvolles Haupt war geziert von einem Kranz nadelspitzer Dornen, deren goldene Spitzen im rötlichen Widerschein blutig schimmerten, seine Fratze starrte vor Raubtierzähnen, und die schwarzen, unergründlichen Augen hielt er aufwärts gerichtet. Er stieß die Klauen in den bröckeligen, losen Grund und zog sich Zoll um Zoll höher, dem Schein der flackernden Feuer entgegen und den beschwörenden Gesängen, die ihn riefen und ihm den Weg aus dem bodenlosen, doch sengenden Kerker wiesen, in den er seit Äonen gebannt gewesen war."


Liebe Grüße: Kalderon

Lord Bane

Zitat von: Lomax am 13. Dezember 2007, 15:36:45
Aber du würdest auf jeden Fall davon ausgehen, dass die Adjektive das zentrale Problem sind? Also, sagen wir, mit der Hälfte der Adjektive würde ein gelungener Text daraus?

Nein, aber ich dachte, wir diskutieren hier über den Gebrauch der Adjektive. Bei so einem zusammenhangslosen Textschnipsel kann man ohnehin kein vernünftiges Urteil fällen.


Viele Grüße,
Lord Bane

felis

Kalderonf Fassung finde ich besser als beide lomax - Fassungen, weil sie für meine Gefühl mehr Athmosphäre hat: und zwar deswegen, weil er die Adjektive, die mehr Athmosphäre vermitteln, drin gelassen hat - im Gegensatz zu Lomax: Z. B. im 1. Satz:

ZitatAus dunklen, lichtlosen Tiefen kroch er langsam empor, Neraleth, der grässliche Dämon der Schmerzen.

Klingt einfach besser als:

ZitatAus dunklen Tiefen kroch er empor, Neraleth, der Dämon der Schmerzen.

Zu radikales kürzern geht zwanfgsläufig auf KLosten der Atmo - an diesem Bsp. eigentlich schön ablesbar....

(Sollte ich mir vielleicht selber mal hinter die Ohren schreiben?)

Lomax

Zitat von: Lord Bane am 13. Dezember 2007, 16:47:46Nein, aber ich dachte, wir diskutieren hier über den Gebrauch der Adjektive.
Wir diskutieren ja auch darüber, ob die Adjektivmenge überhaupt einen grundsätzlichen Einfluss auf die Textqualität hat. In deiner Antwort auf Linda hattest du ja schon eingeräumt, dass es auf "das richtige Maß" ankommt - aber deine Einwände vorher klangen eher danach, als würdest du grundsätzlich einen abstrakten Einfluss der Adjektivmenge auf die Textqualität ablehnen, als wäre die Menge an Adjektiven nur eine Frage des persönlichen Stils oder Geschmacks und würde so oder so vom Leser geschluckt - der anhand anderer Kriterien entscheidet, ob der Text ihm gefällt.
  Diskussionstechnisch wäre deine Stellungnahme also schon interessant, denn wenn du beispielsweise Kalderon zustimmen könntest und sagen würdest, dass Beispiel 1 und 2 zwar schlecht sind, aber ein Beispiel, bei dem man nur die Menge der Adjektive richtig dosiert, gut ist, dann würde das zeigen, dass auch deine Position nicht so fundamental anders ist als die der "Adjektivgegner", sondern es womöglich nur darum geht, wo genau man die Schmerzgrenze zieht, oder welche Art Adjektive "schlecht" sind.
  Solche konkreten Beispiele eignen sich auch gut, um zu testen, ob zwei Positionen wirklich unvereinbar sind, oder ob man fast dasselbe meint und nur aneinander vorbeiredet. Wenn man ein paar Sätze hat, auf die man zeigen kann, damit jeder sieht, wie man es meint, kann man bloße Missverständnisse womöglich vermeiden. Manchmal ist es nützlich, eine abstrakte Diskussion sozusagen zu "erden" ;)

Grey

Also ich ... ich würde diese ewig lange Beschreibung einfach ganz weglassen. Schuss nach dem ersten Satz. Wenn ich eins nicht mag, dann sind es zu lange Personenbeschreibungen. :ätsch:

Lomax

Zitat von: Kalderon am 13. Dezember 2007, 16:40:39So, hier der ganze Text noch einmal ohne die durchgestrichenen Adjektive:
Viele Adjektive sind ja immer noch drin :) Da würde mich doch die Meinung der Anti-Adjektivfraktion interessieren.
Gibt es vielleicht adjektivfreie oder -arme Varianten, die trotzdem auf andere Weise die Atmosphäre bewahren? Oder, anders gesagt: Schaffen Adjektive Atmosphäre? Das könnte dann zwar immer noch bedeuten, dass man's übertreiben oder schlecht machen kann. Aber wenn Adjektive mit einem eindeutig positiven Effekt konnotiert wären, wäre auch die Regel "je weniger Adjektive, umso besser" widerlegt.

Lomax

Zitat von: Grey am 13. Dezember 2007, 18:11:33Also ich ... ich würde diese ewig lange Beschreibung einfach ganz weglassen.
... und würdest den Leser wie sonst in eine solche Beschwörungsszene ziehen? Oder lehnst du den mit diesem Stilelement verbundenen Effekt grundsätzlich ab? Das wäre dann aber keine einfache Ablehnung beschreibender Adjektive mehr, sondern schon die Ablehnung einer bestimmten Art von Geschichte - also inhaltliche, nicht mehr nur formelle Kritik.

Lord Bane

@ Lomax

Also ich bin weder Adjektivbefürworter noch Gegner. Wie bei allen anderen Dingen (Drogen und Alkohol inklusive  ;) ) kommt es auf die richtige Dosierung an. Im Allgemeinen halte ich die Bedeutung der Adjektivmenge als Maßstab für die Qualität eines Textes für überschätzt.


Viele Grüße,
Lord Bane

Grey

Nein nein, ich lehne Adjektive nicht ab. Tatsächlich verwende ich sie oft und gern, aber gerade weil ich das weiß, versuche ich mich so streng zu mäßigen wie möglich. Eben damit es (hoffentlich) am Ende auf eine verträgliche Menge rauskommt. Naja und die Anzahl der Adjektive schwankt tatsächlich auch mit der Perspektive meiner Protagonisten ...

Es geht mir bei deinem Beispiel tatsächlich um die detaillierte Personenbeschreibung als solche, die ich nicht mag - aber das ist ein anderes Thema und vor allem eine persönliche Vorliebe/Abneigung.
Wie es der Zufall will habe ich ganz kürzlich erst auch über eine Beschwörung geschrieben. Aus der Sicht des Dämons allerdings (der übrigens immer ein bisschen schwülstig redet und daher auch ganz gerne mal ein paar Adjektive in den Raum schmeißt... ;D )

Kalderon

#69
Ich sehe das wie Lord Bane... bis auf die Drogensache. ;D

Es kommt nie darauf an, an irgendetwas zu sparen, sondern immer etwas einigermaßen Originelles rauszusuchen. Ich lese gerade "Lolita" von Vladimir Nabokov und der Roman strotzt nur so von Adjektiven, aber was für welche! Schön spezifisch, zusammenhängend und bildhaft. Das ist Sinn und Zweck jedes Wortes, egal ob Adjektiv, Verb oder Substantiv: Das Wort soll etwas aussagen und nicht nur als Lückenfüller dienen (Wo wir wieder bei den Füllwörtern wären).


Liebe Grüße: Kalderon

gefion

Adjektive sind wie Sahne - das ist eine gute Erkenntnis. Oder wie Schokolade. Und genau wie kleine Kinder, die von Süßem nicht genug kriegen können, sind viele junge Autoren. Wenn wir zu schreiben beginnen, schwelgen wir in dieser Fülle an Süßkram. Mit den Jahren wird uns das Süße widerlich, wir werden zu Puristen. (der eine mehr, der andere weniger.)
Ich würde in Kalderons gekürztem Lomax-Test z.B. noch mehr Adjektive rauswerfen. Etwa flackernd.
Sicher beginnt hier irgendwo das, was jeder für sich als Geschmack oder notwendig für sein Genre verbuchen kann - aber ich denke, bei jedem Adjektiv sollte man sich fragen, ob es eine Zusatzinformation enthält, die sein Vorhandensein an dieser Stelle rechtfertigt.
Bei flackernden Feuern frage ich mich, was sagt dies mehr aus als Feuer? In einer anderen Szene würde das evtl. eine besondere Note setzen, hier hat man bereits genug andere Informationen, um das Flackern automatisch zu assoziieren.
Auch für den Satzbau hat flackernd keine Bedeutung, außer, dass es den Satz länger und damit langwieriger zu lesen macht. Würde flackernd hingegen als Baustein genutzt, um eine abwechslungsreiche (Ab-)Satzmelodie zu errreichen, wäre es sinnvoll.

Gegen den Gebrauch von Adjektiven bin ich jedoch mitnichten. Sie erfüllen ihren Zweck. Unkenntnis über ihr Vorhandensein und ihren Wert wird oft bei Lehrern beklagt (O-Ton einer mir bekannten Deutschlehrerin: die Sprache der Schüler verarmt, wenn sie keine Adjektive zu gebrauchen wissen) - darum sollten wir Autoren darauf achten, dass dieses Stilelement nicht ausstirbt.
Aber eben in Maßen.
Und wo das Idealmaß liegt, sollte jeder Autor für sich herausfinden. Sein Stil sollte möglichst zum Inhalt passen. Blumige Romantik versus kaltes Thrillerambiente.
Doch für alle gilt: In einem Bereich eng am Mittelmaß des jeweilig fürs Genre Typischen gibt es Spielräume, die entscheidend sind für den Stil des Individuums.
meine Meinung,
Gefion

Lavendel

Also, ich würde ja mal behaupten, das Problem in beiden Beispielen, die Lomax gebracht hat ist (hat Coppelia glaub ich auch schon bemerkt), dass die Adjektive allesamt nichtssagend sind.
Der Dämon ist grässlich, grauenerregend und gewaltig. Jaja und irgendwie blutbeschmiert ist er auch. Aha. Das ist nicht gerade eine besonders lebendige Beschreibung. Da entsteht kein Bild vor meinem inneren Auge. Da kann man noch so viele Adjektive streichen, es wird nicht besser. Man müsste sie ersetzen durch stärkere Wörter. Wörter, die etwas aussagen.
Was bei mir bisher hängen bleibt ist: Da klettert so ein grausiges Monster aus irgendeinem Abgrund heraus. *gähn* Wie spannend.

Grey

Mir fehlt tatsächlich auch die Geräuschkulisse, fällt mir grad auf.

Und was noch ganz wichtig ist - ich mag keine Adjektive, die mir vorschreiben, wie ich etwas zu finden habe.
So wie "furchteinflößend" oder "wunderschön" zum Beispiel. Ich möchte bitteschön eine Szene in meinen Kopf gepflanzt bekommen, vor der ich mich gruseln kann, oder einen Ort, an den ich *sofort* hinmöchte - und nicht gesagt bekommen, dass ich mich jetzt gefälligst vor etwas zu fürchten habe, weil das doch so da steht.

Lavendel

Aber Grey, da sind doch die beschwörenden Gesänge, die so eindringlich sind^^. Wie kann man denn die überhören? Müssten da jetzt nicht eigentlich noch übelriechende Dämpfe rein, Lomax? :hmmm:

Grey

Öhm ... vielleiht weil sie erst ganz am Ende erwähnt werden? ^^"

Aber ich meinte auch eher so dumpfes Grollen und das zischende Fauchen (ui, das ist aber eine schöne Ad-Sub-Kombi, was? ;D ) mit dem deine übelriechenden Dämpfe aus den finsteren Abgründen unheimlich emporwabern ;)