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Überarbeitung - Fluss oder Flickwerk

Begonnen von Dämmerungshexe, 02. Juni 2018, 11:36:03

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Dämmerungshexe

Ich stehe momentan vor einem Dilemma - ich bin mal wieder am Überarbeiten und komme einfach nicht wirklich voran. Grundsätzlich habe ich im Moment sowieso Konzentrationsschiwerigkeiten und meist nur sehr knappe Zeitabschnitte, in denen ich wirklich zum Schreiben komme. Das ist die eine Seite, weswegen es mir gerade schwer fällt, wirklich sinnvolle Texte zu Stande zu kriegen.

Die andere Sache ist die "Arbeitsweise" an sich - ich habe einen "fertigen" Text und dazu eine Liste mit Änderungen und Ergänzungen, die ich einfügen sollte. Ich arbeite also mit Versatzstücken, die ich irgendwie zusammenbringen muss. Ich schaffe es einfach nicht, das ganze so zusammen zu fügen, dass ein flüssiger Text entsteht.

Manchmal denke ich mir, das Sinnvollste wäre es, tatsächlich mit einem neuen, leeren Dokument zu beginnen und alles neu zu formulieren, um wieder in den "Fluss" zu kommen. Dann aber wiederum habe ich Passagen, die ich am Stück übernehmen möchte - zum einene, weil es sonst soviel Arbeit wäre, das alles neu zu tippen, zum anderen, weil ich die Formulierungen mag.

Das Hin-und-Her-Schalten zwischen copy-paste und "echtem" Schreiben macht meine sowieso schon vorhandene Konzentrationsschwäche nur noch schlimmer. Länger als fünf bis zehn Minuten kann ich im Moment kaum arbeiten. Dementsprechend groß ist inzwischen die Frustration.


Wie geht ihr beim Überarbeiten vor? Neu schreiben oder zusammenflicken? Oder kann man das irgendwie sinnvoll in mehrere Arbeitsschritte aufteilen, ohne dass sich der Arbeitsaufwand unverhältnismäßig vergrößert?
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Alana

#1
Das Gefühl kenne ich ganz gut, das ist echt gemein und hinderlich. Mein Tipp wäre, erst mal das Manuskript nicht als Ganzes zu sehen, sondern immer nur an den Teil zu denken, den du gerade bearbeitest. Möchtest du diesen Teil neu schreiben? Kann ja manchmal wirklich sinnvoller sein. Schöne Formulierungen kann man später noch übernehmen. Beim nächsten Kapitel kannst du dann wieder neu entscheiden: neu schreiben oder übernehmen?

Arbeitest du in Word? Vielleicht solltest du dann mal Scrivener testen. Da kann man viel besser den Überblick behalten und hat nicht so das Gefühl, das Manuskript wäre ein riesiges, unübersichtliches Knäuel.

Buchtipp: Rock your Revision von Cathy Yardley. Praxisnahe Tipps, die den Einstieg in die Überarbeitung erleichtern.

Meine Arbeitsweise: Mein erster Schritt ist immer eine akribische Analyse des Manuskripts. Da mache ich mir eine Kapiteltabelle mit Anmerkungen, prüfe jede Szene auf Dramaturgie, Spannung, Settings etc. Dann schaue ich, ob die Struktur stimmt und wenn nicht, mache ich solche Änderungen zuerst. (Hier ist Scrivener einfach unersetzlich, kann mir gar nicht vorstellen, wie man die Struktur in Word ordentlich bearbeiten kann.) Bei diesem Schritt ist mein Ziel, das Manuskript in die Reihenfolge zu bekommen, die es am Ende haben soll. Szenen sollen alle da sein, in jeder Szene soll der richtige Inhalt sein, wenn auch nur in Notziform. Dabei habe ich am Ende oft ein paar neue Szenen, die ich neu schreiben muss, was ich aber nicht einzeln mache, sondern später im Rahmen der gesamten Überarbeitung.

Bei diesem Schritt hilft mir oft die Karteikartenmethode: Alles, was passiert, jeden Gedankengang einzeln (!), auf Karteikarten schreiben und diese der Reihe nach in die Kapitel unterteilt hinlegen. Dabei sieht man oft, was man von einem Kapitel vielleicth in ein anderes verschieben muss etc. In die Ecken der Karten schreibe ich mir, zu welchem Subplot das Ereignis gehört, oder ob es zur Lovestory, zur Charakterentwicklung etc. gehört. Es kann auch helfen, die Karteikarten zuerst so zu schreiben, also sortiert nach Lovestory etc., weil man da meist etwas besser im Auge hat, was genau innerhalb einer solchen Linie passieren muss, und sie erst hinterher den Kapiteln zuzuordnen.

Die Karteikarten übertrage ich dann in die Struktur des Manuskripts, genau wie Textstellen, neue Dialoge, die ich mir als Notiz aufgeschrieben habe, das alles kommt schon dorthin, wo es am Ende sein soll. Habe ich zwei Versionen eines Kapitels, kopiere ich die schon in eine Datei (in Scrivener kann man für jedes Kapitel eine Datei machen oder auch einen Ordner, oder oder ...), ohne sie jedoch zu bearbeiten, und stehe am Ende hoffentlich mit einem Dokument da, das ich in Ruhe von vorne nach hinten überarbeiten kann. So kann ich dann beim Überarbeiten auch gut abschalten, weil ich weiß, dass ich alles wichtige bereits eingetragen habe und es jetzt nur der Reihe nach abarbeiten muss. Ob Umformulieren, nur glattbügeln oder schreiben ist mir dann egal, ich arbeite mich dann einfach der Reihe nach durch, wobei ich da oft nur das Ziel habe, einen glatten Text zu produzieren. Für sprachliche Feinheiten mache ich mindestens noch einen zusätzlichen Durchgang.
Alhambrana

Gizmo

Ich mache mir während des Schreibens häufig Notizen, was ich in bestimmten Szenen noch einfügen will. Einen neuen Dialog, eine neue Information, ein anderer Absatz, Änderungen dieser Art. Nachdem ich mit dem Schreiben fertig bin, gehe ich den kompletten Entwurf einmal durch und binde diese Neuerungen in den Text ein. Ob es zum Rest der Szene passt, was z.B. Formulierungen und Ton angeht, ist mir da nicht so wichtig. Es geht nur darum, die Neuerungen ausformuliert in der Szene zu haben.
Dann lasse ich den Entwurf eine Weile ruhen und überarbeite anschließend den gesamten Text mit den Änderungen. Dabei binde ich diese dann auch richtig ein. Das funktioniert wesentlich besser, als wenn ich versuchen würde, sie gleich nahtlos vor der großen Überarbeitung einzufügen. Ich bekomme dann immer das Gefühl, auf der Stelle zu treten, und das ist tödlich für meine Motivation.

Ansonsten hilft es mir, jeden Handlungsstrang einzeln zu überarbeiten (in meinem derzeitigen Projekt sind es drei). Ich brauche dann nicht so lange, um mich in die Charaktere und Handlung dieses Strangs wieder hineinzudenken, und Abweichungen bzw. Logikfehler fallen mir leichter auf.
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
"Big damn heroes, sir!"
- Joss Whedon's "Firefly", Episode 5, "Safe"

Christopher

Höre ich das richtig heraus: Du hast einen "fertigen" Text, den du überarbeiten/abschließen willst, aber eine so lange/schwierige Liste von Änderungen, dass teilweise das Neuschreiben schneller, besser und vielleicht sogar einfacher wäre?

In dem Fall war ich letztes Jahr an ähnlicher Stelle. Ich hatte einen "fertigen" Text, der allerdings ziemlich lang war. Am Ende hatte ich so viel gelernt und besser verstanden, worum es eigentlich gehen sollte, dass die Liste an nötigen Änderungen sehr lang war. Allerdings liebte ich auch viele Stellen, Szenen und Momente des Textes, sodass ich ihn möglichst behalten wollte.

Ich habe dann versucht ihn möglichst zu behalten, habe dann aber nach 2 Monaten hingeschmissen, weil ich eingesehen habe, dass die Überarbeitung fast genauso viel Zeit kostet wie Neuschreiben. Ein Neuschreiben würde jedoch ein viel besseres Ergebnis abliefern, insbesondere wegen der von dir angesprochenen "Flüssigkeit" des Textes - man kann eben meistens nicht neue Szenen einfügen oder alte abwandeln, ohne den Fluss des Textes zu verändern, sodass es sich komisch anfühlt.

Was die geliebten Szenen angeht: Die sind größtenteils rausgeflogen. Nur sehr wenige davon haben überlebt. Ich habe mich gefragt warum und lange nachgedacht, ob ich sie nicht doch behalten kann, aber die meisten haben bei einer Frage versagt: Machen sie die Geschichte wirklich besser? Als Text waren sie natürlich toll. Für sich genommen habe ich sie auch geliebt. Aber sie passten oft nicht in die Geschichte, haben sie nicht vorangebracht, ihr teilweise widersprochen oder haben Probleme aufgeworfen, die nicht hätten sein müssen.

Neu schreiben ist natürlich viel Arbeit, aber wenn es für dich schon so aussieht, als ob der Überarbeitungsaufwand so enorm ist und den Text eher verschlimmbessern würde, sofern du nicht große Passagen neu schreibst und den Rest des Buches ebenfalls daran anpasst... Würde ich neu schreiben.


Nun zum anderen Problem: Dem Kozentrationsproblem.
Das klingt für mich nach Teufelskreis. Du bist gerade nicht sonderlich konzentriert, wegen Gründen (muss ja irgendwelche Gründe haben, welche sind grundsätzlich egal). Möchtest aber konzentriert sein, weiterkommen, setzt dich damit unter Druck und verschlimmerst damit die Symptome und fügst den Ursachen noch eine weitere hinzu. So kann das nichts werden. Schau erst mal wo die Probleme herkommen, löse die und dann schaust du, wie es vorangeht. Es läuft dir nicht weg. Du musst es nicht jetzt sofort machen. Am Ende bist du vermutlich sogar schneller, wenn du erst mal alles andere aus dem Weg räumst was dich stört und dann überarbeitest, anstatt dich jetzt in 10-Minuten-Schritten voranzuquälen und mit dem Ergebnis doch unzufrieden zu sein.
Be brave, dont tryhard.

Elona

Mein erstes fertiges Manuskript hast du ja selbst gesehen und glaub mir, beim Überarbeiten kam ich auch öfters an diesen Punkt, als mir lieb war. Obwohl ich entschieden hatte, alles umzuwerfen und tatsächlich auch einen Großteil neuzuschreiben, klammerte ich mich an einen anderen Teil entschlossen fest. So im Nachinein betrachtet habe ich die meisten Sätze dann doch angepackt und umformuliert, weil das tatsächliche Problem einfach war, dass mein Schreibstand in der Zwischenzeit ein ganz anderer geworden war. Und gerade in der zweiten Lektoratsrunde bin ich da drüber gestolpert und war furchtbar unzufrieden (mit mir selbst bzw. dem Text). Am Ende wäre neuschreiben in dem Fall wohl wirklich zeitsparender und effizienter gewesen, weshalb ich das bei Band 2 auch mache. Da landen dann höchtens einzelne Absätze und vielleicht auch mal ein zwei Szenen drin (die ich trotzdem ordendlich werde überarbeiten müssen), mehr nicht.

Ansonsten mache ich es aber auch so, dass ich den Text nicht als Ganzes betrachte, sondern immer abschnittsweise. Als erstes kopiere ich mir die Szene, von der ich weiß, dass ich da was ändern müsste, mich aber nicht recht überwinden kann, ans Ende des Manuskriptes. Dann erst nehme ich mir die Stelle vor. So formuliere ich dann nur einzelne Sätze um oder schreibe ganze Passagen eben neu. So fällt es mir aber leichter, weil ich weiß, dass ja noch alles da wäre, wenn ...  ;D
Wenn das Manuskript dann steht, schaue ich sie mir noch mal an und lösche sie meistens komplett, weil ich sie einfach nicht verwenden kann.   

caity

Lass dich erstmal drücken, @Dämmerungshexe. Wenn die Konzentration immer wieder abschweift, ist das beim Überarbeiten einfach mistig und macht ein ganz arg mieses Gefühl, das kenne ich auch. Ich weiß nicht, ob dir meine Vorgehensweise da in irgendeiner Form weiterhelfen kann, aber ich gehe beim Überarbeiten in folgenden Schritten vor:
1. Alles nochmal durchlesen - am besten auf dem Kindle oder sogar ausgedruckt - und Notizen am Rand des Dokumentes machen. Wenn ich vorab schon während des Schreibens eine Liste mit Anmerkungen angefertigt habe, weil sich im Schreiben wichtige Dinge verändert haben, dann lege ich dir mir meist daneben, um an den Stellen, die die Änderungen auch tatsächlich betreffen, Bemerkungen machen zu können. Mir ist es wichtig, an irgendeiner Stelle ein Zusammenhang zwischen Rohfassung und Änderungen zu haben. Nur eine Liste zu haben und während des Überarbeitens überlegen zu müssen, ob das jetzt an der Stelle relevant ist oder nicht, damit kann ich nicht arbeiten, weil allein der Schritt zu überlegen, ob das hier jetzt überarbeitet werden muss oder nicht, zu viel Zeit kostet.
2. Wenn ich alle Anmerkungen auf Papier oder auf meinem Kindle habe, lege ich für jedes Kapitel ein neues Dokument an und arbeite die Kapitel stückchenweise nach den Anmerkungen ab. Das kann auch dazu führen, dass Szenen komplett neu geschrieben werden müssen. Wenn eine Szene neu geschrieben werden muss, kriegt auch die ein eigenes Dokument. Im selben Dokument, in dem "fertiger" Text ist, auch neuen Text zu produzieren, kann ich gar nicht  ;D Auf Formulierungen achte ich bei Schritt 1 und 2 übrigens noch nicht. Also weder auf Formulierungen, die mir negativ aufstoßen, noch solche, die mir gefallen. Das empfinde ich wie @Elona als (unnötig) hemmend.
3. Wenn ich mit Schritt 2 durch bin, kommt im Prinzip nochmal Schritt 1. Parallel sende ich es dann in der Regel an Betaleser. Eventuell fallen dabei nochmal Ungereimtheiten auf, meistens sind es aber eher die Formulierungen oder fehlende Atmosphäre oder unklare Beschreibungen u. ä., knapp: Detailfragen, die in diesem Schritt überarbeitet werden.
4. Hier wiederholt sich Schritt 2 durch die Anmerkungen, die ich in Schritt 3 und durch Betaleser gewonnen habe. Meist arbeite ich in diesem Schritt alle Kapitel in einem Dokument durch.

Ich drück dir auf jeden Fall die Daumen, dass du bald eine Lösung findest, mit der du arbeiten kannst!
Wenn ein Autor behauptet, sein Leserkreis habe sich verdoppelt, liegt der Verdacht nahe, daß der Mann geheiratet hat. - William Beaverbrook (1879-1964)

Cailyn

Neuschreiben finde ich keine gute Idee. Einfach deshalb, weil du beim eigentlichen Schreiben und dem Redigieren ja hirnmäßig in einem ganz anderen Modus bist. Bei den Erstentwürfen sind wir Schreibende doch im kreativen Modus, wo alles erlaub ist und es eben fließt. Beim Redigieren kommt der kleine Buchhalter zum Zug, der alles analysiert und daraufhin redigiert. Wenn du den Buchhalter nicht ranlässt und alles wieder neu schreibst, verharrst du quasi im kreativen Zustand. Klingt zwar toll, nützt dir aber letztlich nicht viel, weil du an einer Prozessstelle stecken bleibst, denn auch das Neue, das du schreibst, erfordert dann wieder eine Überarbeitung. Ich glaube, das Überarbeiten kannst du nicht einfach weglassen.

Aber ich verstehe generell nicht, warum der Text nach dem Überarbeiten dann nicht mehr flüssig sein soll. Wenn du da analytisch vorgehst, erkennst du ja gerade die Struktur des Texts besser als wenn du neu schreibst. Oder nicht?

Elona

@Cailyn Beziehst du dich gerade auf @caity oder mich?

Zitat von: cailynIch glaube, das Überarbeiten kannst du nicht einfach weglassen. 
Bevor hier Missverständnisse aufkommen. Das war nie mein Standpunkt und (wenn ich es nicht falsch verstanden habe) auch nicht @caity . Sowohl als auch überarbeiten wir durchaus. Und das ich deshalb stecken bleibe, wäre mir neu.

Grundsätzlich muss jeder für sich selbst herausfinden, was für ihn funktioniert. Da gibt es bekanntlich kein richtig und kein falsch.  :)
Ich habe lediglich meine konkrete nur auf einen Fall bezogene Erfahrung geteilt. Und ich (für mich) bleibe dabei: Wenn ich Manuskripte aus meiner Schreibanfangszeit ausgrabe, entsprechen sie einfach nicht mehr mir, auch wenn mir die Geschichte an sich noch gefallen mag und dann halte ich für mich mittlerweile neuschreiben als sinnvoller und zeitsparender. Danach kommt dann die ganz reguläre Überarbeitung. 

Trippelschritt

Zitat von: Dämmerungshexe am 02. Juni 2018, 11:36:03
Wie geht ihr beim Überarbeiten vor? Neu schreiben oder zusammenflicken? Oder kann man das irgendwie sinnvoll in mehrere Arbeitsschritte aufteilen, ohne dass sich der Arbeitsaufwand unverhältnismäßig vergrößert?

Zunächst einmal komme ich nie mit einer einzigen Überarbeitung aus und ich kenne auch nicht viele, denen das gelingt. Es sei denn, dass sie bereits während des Schreibens anfangen gleichzeitig einzelne Passagen überarbeiten.
Dann noch eine Frage zu den Versatzstücken. Wo kommen die denn her. Das klingt nach einem Betaleser/Lektor, der alles auseinandergebaut hat und nun seine Vorschläge zu Paper gebracht hat. In einem solchen Fall wird es schwierig, weil mehrere Korrigierstufen zusammengefasst worden sind/sein könnten.
Kannst Du da mal präzisieren?

Liebe Grüße
Trippelschritt

Cailyn

#9
Elona

;D Weder noch. Ich habe Dämmerungshexe gemeint in Bezug auf Redigieren oder nicht.
Aber im Übrigen ist deine Vorgehensweise ja schon eher Redigieren, auch wenn du es neu schreibst. Du sagst ja, du machst das in Häppchen. Bei diesem häppchenweise neu schreiben gehst du ja auch stukturiert vor und wohl nicht so wie beim Erstentwurf, oder? Bei Dämmerungshexe hatte ich den Eindruck, dass sie große Teile ganz neu schreibt, also quasi einen zweiten Erstentwurf. Und das finde ich halt nicht so gut, weil man nachher wieder am gleichen Punkt ankommt. Aber ich denke, wenn man es häppchenweise macht und über die Häppchen auch analytisch nachdenkt, ist es ja eher ein Zweitentwurf im Sinne der Überarbeitung. Also was ganz anderes.  ;)
Ich schreibe auch oft ganze Kapitel neu, weil ich beim Erstentwurf einfach alles runtergerattert habe und es wirklich, wirklich nicht lesbar ist.

Elona

@Cailyn  :o Sorry, total in den falschen Hals bekommen.  :versteck:

Katido

Was Elona mit der Entwicklung des Schreibstils anspricht, ist mir auch so ergangen (ich überarbeite grade den kompletten Anfang meiner Story *seufz*). In solchen Fällen ist neuschreiben manchmal besser.

Um zurück zu Dämmerungshexe zu kommen: Ich habe meine Kapitel alle in Einzeldateien, damit LaTeX mir das später alles schön zusammenbasteln kann. Wenn ich also ein Kapitel grundlegend überarbeiten möchte, habe ich links das alte Kapitel und rechts ein leeres Dokument. Sofern es nicht direkt am Anfang problematisch ist, kann man dann im alten Kapitel bis zu der Stelle lesen, die einem nicht mehr gefällt/nicht mehr passt und bis dahin ins neue Kapitel kopieren. Dann schreibe ich im neuen Kapitel so lange die Änderungen weiter, bis ich diesen Teil abgearbeitet habe. Das geht mal schneller und mal langsamer. Na ja, und dann wieder rüber zum alten Kapitel und schauen, was man weiterverwenden kann. Ist ziemliches Hin und Her, aber so muss ich nicht alles verwerfen und neuschreiben. Ob du dir das antun möchtest, wenn du ohnehin Konzentrationsschwierigkeiten hast, ist natürlich fraglich. Da ich es aber immer so mache, strengt es mich eigentlich kaum an  :)

Dämmerungshexe

Danke für die ganzen Rückmeldungen.


Vielleicht mal zur Verdeutlichung ein Beispiel, die Szene, an der ich gerade dran bin:
Ich habe die handelnde Figur ausgetauscht. Das heißt zum einen, überall den Namen ersetzen, zum anderen körperliche Merkmale, Mimik und Gestik anpassen. Dazu steht die Szene jetzt an einer anderen Stelle der Handlung, sowohl chronologisch als auch dramaturgisch. Ihre Grundprämisse innerhalb der Geschichte (also was die Ereignisse für die Welt und die Figuren bedeuten) hat sich nicht geändert, ihre Rolle im Erzählfluss schon, da sie nun den Abschluss eines Handlungstranges darstellt.
Ich kann also die reine Handlung soweit übernehmen, aber vieles, was die Atmosphäre und die Emotionalität angeht, muss ich ändern bzw. anpassen.

Teilweise habe ich diese Änderungen in Form von einzelnen Aussagen und Passagen schon mal irgendwo notiert ( @Trippelschritt  - da war kein testleser oder Lektor dran, nur mein hirninterner Editor.  ;) ). Diese Stücke muss ich jetzt mit der ursprünglichen Szene verbinden, also an passenden Stellen einfügen und darauf achten, dass die Abfolge logisch bleibt, was meist weitere Anpassungen (Formulierungen usw. vor allem) nach sich zieht.



Zusätzliche Schwierigkeit ist wahrscheinlich auch, dass ich nocht nicht komplett fertig bin. Die letzten Kapitel der gesamten Geschichte fehlen mir noch und ich will sie gerne fertig haben bevor ich die "richtige" Überarbeitung beginne - mit bunten Karteikärtchen usw. @Alana  ;)
Allerdings muss ich (für meine eigene Arbeitsweise) dazu erst ein paar Logikbrüche beheben, die sich während des Schreibens selbst ergeben haben, einfach, weil mein Hirn irgendwie kreative und analytische Phase einfach nicht komplett trennen kann - ich verstehe beim Schreiben selbst erst viele der Hintergründe und wie ich die Struktur verbessern könnte.
,,So basically the rule for writing a fantasy novel is: if it would look totally sweet airbrushed on the side of a van, it'll make a good fantasy novel." Questionable Content - J. Jacques

Katido

In dem Fall würde ich auf jeden Fall neu schreiben. Du willst an der Szene selbst ja nichts ändern, sodass der Inhalt gleich bleibt. Aber überall irgendwelche Emotionen und Reaktionen reinzufummeln, finde ich da schon ziemlich schwierig.

Gizmo

#14
@Dämmerungshexe: In dem konkreten Fall, den du beschreibst, würde ich tatsächlich neu schreiben. Ich hatte eine ähnliche Szene, an der sich außer dem reinen Plot praktisch alles verändert hatte. Ich habe dann eine Sicherheitskopie davon angelegt, falls ich doch noch etwas davon brauche, und anschließend alles plattgemacht und neu aufgebaut. Es war auch eine der ersten Szenen, die ich vor dem Schreiben detaillierter ausgeplant habe. Eigentlich bin ich eher ein Bauchschreiber.
"Appears we just got here in the nick of time. What does that make us?"
"Big damn heroes, sir!"
- Joss Whedon's "Firefly", Episode 5, "Safe"